eine solche Gestalt Deutschlands willigen,- welche die Selbstständigkeit Bayerns nicht gefährdet. Indem ich der Krone und dem Lande die freie Selbstbestimmung wahre, erfülle ich eine Pflicht nicht allein gegen Bayern, sondern auch gegen Deutschland. Nur wenn die deutschen Stämme sich nicht selbst aufgebcn, sichern sie die Möglichkeit einer gedeihlichen Entwickelung Gcsammtdcutsch- lands auf dem Boden'des Rechts."' Unter den angekündigtcn Gesetzesvorlagen befindet sich ein Landtagswahlgesetz auf der Grundlage des direkten Wahlrechts. Der Schluß lautet: „Gehen Sie nunmehr an die Ihnen gestellte Aufgabe und lösen Sic dieselben in einträchtigem Zusammenwirken mit bewährter Treue gegen Ihren König, mit gewissenhafter Würdigung der Bedürfnisse des Landes. Durchdrungen von warmer Liebe für mein treues Bolk werde ich mit Gottes allmächtigem Beistand Bayern's Wohl nach allen Kräften zu fördern trachten und mein höchster Lohn soll das Glück meines theuren Landes sein." (S. M.)
Berlin, 15. Jan. Der „Rat.-Ztg." zufolge wird im Fcbr. d. I. eine Versammlung der nationalliberalcn Partei stattfinde», znm Zwecke der Feststellung der sich über das Gesammt- gebiet des Norddeutschen Bundes erstreckenden Organisation dieser Partei.
Wähler aus Marienwerder haben eine Petition au die Abgeordnetenkammer in Berlin gerichtet, worin sie dieselbe bittet, in einer Adresse an den König um die Entlassung des Ministers v. Mühl er nachzusnchcn; denn die Herrschaft der von diesem Minister vertretenen Grundsätze entfremde Deutschland, indem sie den freien Gcdankcnflug und die Willensenergie der prcuß. Jugend und der prenß. Lehrer unterdrücke.
Der Justiz-Minister ist, wie die „Spcn. Ztg." hört, vom Bundeskanzler um Ausarbeitung eines Gerichtsverfassungs-Entwurfs ersucht worden, welcher demnächst der norddeutschen Civil- proceßordnungs-Kommission zur Begutachtung vorgelegt werden soll Auch der Entwurf eines Obligationsrcchts soll im Justiz- Ministerium in der Vorbereitung begriffen sein.
Wie der Br. Ztg. aus Liegnitz gemeldet wird, sind am 10. Jan. auf dem Kunitzer See 16 Kinder ertrunken, die auf einer Eisscholle, welche plötzlich auseinander borst, gespielt hatten.
Wien, 15. Jan. Die fünfwöchentliche Ministerkrisis ist endlich in das Stadium einer definitiven Entscheidung getreten. Die Minorität des Kabinets hat heute Nachmittags auf Grund der Abstimmungen im Hcrrcnhause und Angesichts des nicht mehr zweifelhaften Votums des Abgeordnetenhauses neuerdings die Bitte um Entlassung ans das Dringendste gestellt. An der Gewährung derselben, sowie an der Berufung der Majorität des Ministeriums zu Vorschlägen für die Kompletirung des Kabinets ist keinen Augenblick mehr zu zweifeln. Dem Vernehmen nach wird Hr. v. Plencr, als der älteste der im Amte bleibenden Minister, mit dem interimistischen Präsidium betraut werden und die Aufforderung erhalten, sich über die Ergänzung des Kabinets mit seinen Kollegen zu verständigen. (Ist bereits geschehen.)
144 Convertirungen haben in Wien im Jahre 1869 von der katholischen Kirche zum Judenlhum stattgefnnden.
Paris, 11. Jan. Aus der gestrigen Sitzung des gesetzgebenden Körpers: Raspail beantragt 1) daß eine durch's Loos ausgewählte Kommission von 30 Deputaten unter Assistenz von Fachmännern beauftragt werde, die Rechnungen der Stadt Paris zu prüfen; 2) daß die Kammer eine parlamentarische En- quöte darüber eröffne, wie groß das Vermögen des Seinepräfekten a. D. Haußmann bei seinem Eintritt in's Amt und wie groß dasselbe bei seinem Austritt gewesen sei. (Lärm). Es sei wichtig, daß sich Licht verbreitete über skandalöse Vermögen von Staatsbeamten. (Neuer Lärm). Eine längere Diskussion veranlaßte die Interpellation Gambettas's über die Versetzung zweier Soldaten »ach Algerien, weil sie öffentlichen Versammlungen angewohnt haben. Der Kriegsminister stellte zuerst die Sache fest, daß ihm im September gemeldet worden, daß 10—12 Soldaten öffentliche Versammlungen besuchen. Er habe befohlen, sie darauf aufmerksam zu machen, daß der Besuch politischer Versammlungen durch die Disciplinarvorschrifteu verboten sei. Alle seien in sich gegangen und hätten keine Versammlung mehr besucht, weil sie ihren Fehler eingesehen haben; nur zwei haben sich dem Verbot nicht fügen wollen. Er habe dcßhalb befohlen, diese nach Algerien zu versetzen und dies sei geschehen. Er müsse und werde die Disciplin aufrecht erhalten und übernehme die Verantwortlichkeit dafür. Gambetta bestritt, daß sich die Soldaten verfehlt hätten, der Kriegsminister Leboenf bcharrte dabei und wiederholt, daß er auch ferner so verfahren werde; auch von andern Korps habe er noch einige Soldaten wegen gleicher Verfehlungen nach Algerien bringen lassen. Da Gambetta dich als den Rechten der Einzelnen und den Grundsätzen einer liberalen Regierung wider- streitend erklärte, tritt Emil Ollivier für den Kricgsminister ein und sagt: Die Disciplin müsse unter allen Umstünden aufrecht erhalten werden und obschon er jederzeit seinen liberalen Grundsätzen treu bleiben werde, so werde er doch nie zugeben, daß die Freiheit zur Schwäche werde, noch weniger, daß man die Grundprinzipien preisgebe, ohne welche keine Gesellschaft bestehen und sich entwikcln könne. (Lebhafte Zustimmung). Gam
betta erklärt, das Ministerium bei solchen Grundsätzen jederzeit entschieden bekämpfen zu wollen. Er schließt: für uns seid ihr nur eine Brücke, über welche wir hinwegschreiten werden. (Lärm).
Einen Tag lang sah's gefährlich in Paris aus; das war der Tag, an welchem Victor Noir beerdigt wurde. Vor der Phantasie der Menge stand der düstere, blutige Auftritt in dem Hause Peter Bonapartes, eines leidenschaftlichen Abenteurers, der Erschossene war ein junger Mann aus dem Volke, an seinem Sarge weinte eine Braut, und der Ruf lief durch die Menge, der Schuß hat eucrm Vertreter, dem muthigen Herrn Rochefort gegolten. Ein Strom von 100,000 Menschen wälzte sich hinter dem Sarge her, auf dem Sarge lagen Blumensträuße, Eypressen und mitten darauf iveit sichtbar die rothe Mütze. Hinter dem Sarge schritten Rochefort, Gambetta und Bancel, die Herolde der Republik. Wiederholt stockte der Zug und dcr Ruf wurde laut: Führen wir den Sarg nach Paris statt nach Neuilly! Ro- chesort wehrte ab: das Militär wartet auf uns, wir sind nicht bewaffnet, warten wir den Tag der Rache ab! — Rache! Rache! schallts durch die Luft! — Auf dem Kirchhof, unter strömendem Regen, werden fünf Reden gehalten. Rochefort war ohnmächtig geworden, wurde in ein Hans gebracht und schloß sich dem Zuge wieder an. Er hatte aber Recht, das Militär war ans dem Platze, die wichtigsten Plätze und Gebäude waren von Ea- vallerie, Infanterie und Artillerie besetzt; es störte den Leichenzug nicht, aber es zerstreute die zurückwogende Menge. In der Nahe des Jndustriepalastes empfing Infanterie den VolkSzug, ein Polizeikommissär mit einem Trommler trat vor und forderte die Menae auf, auseinander zu gehen. Rochefort antwortete: Ich bin Abgeordneter, meine Person ist unverletzlich! — Der Commissär entgegnete: Ich kenne Sie, aber ich kann nicht verhindern, daß nach dem dritten Trommelwirbel auf Sie geschossen wird, wie ans die andern! — Beim zweiten Trommelwirbel zerstob die Menge in den Seitenstraßen und alles verlief ruhig, die Rufe: Rache! Nieder Napoleon! Hoch die Republik! verhallten. Rochefort eilte in die Kammer und kam zur rechten Zeit, um anzuhören, wie seine Verhaftung und die Anklage gegen ihn beantragt wurde. Paris blieb ruhig. Die neuen Minister hatten eine Feuerprobe bestanden und werden stärker aus ihr hervorgehen, wenn sie der Gerechtigkeit freiesten Lauf lassen. Peter Bonaparte sitzt in der Conciergerie -und harrt des Tages des Gerichtes.
Paris, 15. Jan. Rochefort scheint zu befürchten, man werde ihn, um jedem Fluchtversuch zuvorkommen, in dem Moment verhafte», in welchem die Kammer seine gerichtliche Verfolgung genehmigt. Seine Freunde sollen dcßhalb im Begriff sein, eine Art „Garde du Corps" für seinen Schutz zu bilden. —Garibaldi kam gestern in Paris an und reiste Abends nach London weiter.
Paris, 17. Jan. Die Kammer ermächtigt die Regierung mit 226 Stimmen gegen 34 zur Verfolgung Rochcfort's.
Paris, 17. Januar. Im Gesetzgebenden Körper erklärte Rochefort, er werde sich nicht vertheidigen. Das Ministerium, indem es ihn verfolge, begehe eine Unklugheit. Die Republik werde von den Fehlern des Kaiserthums Nutzen ziehen. Picard und Jules Simon sprachen gegen die Erthei- luug der Vollmacht zur gerichtlichen Verfolgung. Ollivier hielt das Verlangen derselben aufrecht und sagte: Er wolle die Freiheit der Presse, aber er werde nicht Beschimpfungen gegen den Souverän und den Aufruf dulden.
Paschal Grousset, einer der Redakteure dcr „Marseillaise", derselbe, der den Noir und Fonvielle nach Antcnii geschickt hatte, um den Prinzen Peter Bonaparte zu fordern, wurde vor den Untersuchungsrichter des Pariser ZuchtpolizeigcrichtS de Lu- cry geladen, um als Ausforderer zu einem Duell vernommen zu werden. Er schrieb dem Richter, daß er gar kein bonapartistisches Gericht anerkenne und daher nicht erscheine. Er leiste derselben keine Folge. Derselbe ist jetzt verhaftet worden. (B.-Z.)
Rom, 11. Jan. Vom hl. Vater macht folgendes Bonmot die Runde: „Bei jedem Konzil gibt es dL>ei Perioden: die Periode des Satans, die sehr- kurz ist-, dann die Periode des Menschen, die mehr oder weniger lange dauertendlich die Periode des hl. Geistes, der das Wort hat und Alles in Herrlichkeit endigt".
Wie dem „D. Vbl." aus Rom geschrieben wird, hat der Pabst am 11. Januar einer großen Anzahl Personen, über 1000, Audienz gewährt. Er blieb ans seinem Stuhle sitzen und hielt eine Anrede, worin n. A. folgende Stelle vorkam: „Ich bin nur ein Mensch, ein armer und elender Mensch, aber ich bin der Pabst, der Stellvertreter Jesu Christi, das Oberhaupt dcr katholischen Kirche. Ich habe das Eonzil vereinigt, ans daß es die Sache Gottes thue. Sogenannte Weise wollten, daß man gewisse Fragen schonend behandle und daß man nicht, wie sie sich ans- drückcn, gegen den Lauf des Zeitgeistes vorgchc. Aber ich sage, daß mau die volle Wahrheit sagen muß, daß man sich niemals fürchten darf, sie zu verkündigen und den Jrrthum zn verwerfen. Ich will frei und unabhängig sein. Mit den Dingen der Welt beschäftige ich mich nicht, sondern ich thue die Sache Gottes, der Kirche, des hl. Stuhles und der ganzen christlichen Gesellschaft.