als habe, er köstliche Schätze gefunden. Plötzlich fühlte sich der Kleine emporgchoben und an eine Brust gedrückt. Es war Hya- cinth, um dessen Hals der Knabe mit kindlicher Zärtlichkeit seine Aermchen schlang und die kleinen runden Händchen in den Locken des Vaters begrub, ihn dabei mit seinen Blumen überschüttend. In seligstem Entzücken strahlten die Augen des jungen Manne?. Guten Morgen, meine Giulia!" rief er, seinem Weibe die Hand reichend, wobei er sie an sich zog und küßte.Aber warum so bleich, liebes Weib? Warum härmst Du Dich ab um das Schicksal eines Menschen, der sein Loos verschuldete?"

Ja, ja, Du hast Recht," sagte sie traurig.Ich zwinge oft meine Gedanken, auch zu glauben, daß Du ihn mit Recht verfolgest und ermordest, wie er Deinen Bruder ermordete, aller­es spricht eine Stimme in meinem Herzen, daß der Mensch nicht Menschenblut vergießen soll. Aus Liebe wurde Giovanni zum Verbrecher und seine Liebe brachte ihm den Tod."

Sei ruhig meine Giulia. Die Sitten der Väter waren den Eorsen heilig seit Anbeginn. Es wurde mir schwer, den Geliebten Felicia's zu tödten, aber ich mußte es thun! Das Blut meines Bruders schrie um Rache, und hätte ich sie nicht geübt, so wäre Schande mein Loos! Und lieber todt sein, als verachtet! Wir sind Eorsen, Giulia! Auch Du gehörst dem Lande an, in dessen Volk sich die Blutrache von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, so zeige Dich als Corsin, sei groß und kühn! Thränen ziemen den schwächlichen, weichen Frauen des Norden, aber kei­nem corsischen Weibe!"

Und doch muß ich weinen," sagte sie traurig und setzte sich auf eine Bank im Oleandergebüsch.Gott hat mir eine weiche Seele gegeben, wie sie die Frauen in deutschen Landen haben sollen, warum schus denn dies herrliche stolze Land ein so zag­haftes, schwaches Frauenherz? O, ich möchte kühn sein, wie der Fels dort über dem Meere! Möchte heroisch sein, wie die Feli­cia, die in dunkler Nacht, auf einsamen Pfaden durch die Gebirge wandelt, um den Geliebten in seiner Verbannung zu begrüßen."

O, Du bist hold so, wie Du bist, Giulia," rief Hyacinth und küßte ihre erglühte Wange,und wenn man mich verfolgte wie ein wildes Thier, würde meine Giulia nicht auch alle Scheu abwerfen und kühn in die Berge steigen, den geliebten Mann zu trösten?"

Ja, o ja," rief Giulia glühend aus,ich würde cs thun!"

Eben trat aus dem Hause, welches sich malerisch von Wein und üppigem Epheu umrankt an den Garten schloß, eine Frau mit gefurchten, aber noch schönen Zügen. Ihre schwarzen Augen sahen unter hohen Brauen kühn und rachedurstig hervor und die schmalen Lippen sahen aus, als ob sie sich selten zu einem liebe­vollen Worte öffneten. Als sie in den Garten trat, wurde sie von Hyacinth und Giulia erfurchtsvoll begrüßt, aber ihr Gesicht blieb kalt, die Augen belebte derselbe unheimliche Glanz, die Lip­pen blieben geschlossen. Sie kam dicht zu den Gatten heran und sah ihrem Sohne ernst in's Gesicht.Ist mein Sohn ein Lüg­ner geworden?" fragte sie und ihre Lippen bebten leise.

Was meinst Du, Mutter?" fragte Hyacinth betroffen.

Du hast mir gesagt," rief die Alte und ihr Auge flammte leidenschaftlich,er sei todt, Deine Kugel habe ihn getroffen? Aber er lebt, meine eigenen Augen haben ihn gesehen, wie er durch das Thal wandelte, welches zu dem Hause Variani führt. Ist mein Sohn feige geworden wie sein Weib, daß seine Hand sich scheute, den Mörder seines Bruders zu tödten?"

Giulia war bleich geworden bei der Rede der alten Corsin. Mutter Marianna," sagte sie sanft,hast Du schon erprobt, ob das Weib Deines Sohnes feige ist?"

Deine Thränen zeigen cs und Deine Seufzer. Rache ath- met die ächte Corsin, wenn man ein Glied ihrer Familie in den Tod gesandt! Rache, schreit das Blut des Gemordeten, denn er war mein Sohn, war Hyacinth's Bruder! Aber so kühn mein Sohn war und so stolz, che Deine Lippen seinen Mund berühr­ten, so lässig ist er jetzt, da Deine Augen unaufhörlich bitten, zu schonen. Aber Schande komme über ihn und die Verachtung aller Eorsen, wenn er seines Bruders Blut nicht rächen kann!"

Mutter," sagte Hyacinth, den brennenden Blick auf die alte Frau gerichtet,Giovanni sank bei meinem Schüsse. Er­stand ahnunglos und starrte in's Mere, da schoß ich, und wie ein. Hauch war seine Gestalt vom Felsen verschwunden."

Er lebt, sage ich Dir," ries Marianna und ihr blitzendes

Auge sah ihn eifernd an.Giovauni's hohe Gestalt, die sich anszcichnet, von Allen durch Größe, Schönheit und Kraft, würde ich im Dnnkel der Nacht erkennen. Noch mehr aber, Felicia wandelte neben ihm durch die Olivengebüsche des Thals und Beide schritten vorsichtig den Bergen zu. Ha, ich glaube Dir, Hyacinth, daß Du nach ihm geschossen, aber Du hast gefehlt, und das macht ihn sicher, herabzukommen im Schatten der Däm­merung und sein Weib zu besuchen, denn sie ist sein Weib, ver­stehst Du mich, Hyacinth? sein Weib! Ehe er in die Berge floh, har ein Priester sie heimlich verbunden! Auch sie muß sterben, denn sie gehört zu ihm, und wem: Du nicht Corse genug bist, die Vendetta zu erfüllen, so werde ich es sein! Verstehest Du mich, mein Sohn?"

Ich verstehe Dich, Mutter," sagte Hyacinth mit dumpfer Ruhe,und ich werde thun, was meine Pflicht ist."

Athemlos hörte Giulia dem Gespräche zu.O, wie grau­sam," ries sie dann händeringend aus,wie grausam, so un­schuldig Blut zu vergießen!"

Entartete unsers Geschlechts," zürnte die alte Corsin. Was willst Du in den Bergen Corsika's? Ziehe hin, in die Länder der Thränen, wo das Herz der Frauen wie Wachs ist! Du bist keine Corsin, keine Gattin für meinen Sohn!"

Mutter," sagte Hyacinth und seine klare Stirn legte sich in Falte».Willst Du, daß Dein Sohn Dich achtet, so achte auch Du das Weib meiner Wahl! Sie hat eine weiche, fromme Seele, wohl ihr, daß sie diese hat, denn das Weib ist dazu da, des Mannes wilden Geist zu sünstigen, nicht zu verhärten. Wohl ist es wahr, zu rauh ist der Boden unseres Felsenlandes für eine so zarte Blume des Lichts, aber ich will sie hüten wie meinen Augapfel, denn ohne diese Blume wäre mein Herz wohl schon zu Steiu geworden." Er schlang seinen Arm um Giulia, wäh­rend die alte Corsin mit grollendem Schweigen von ihnen ging, und Ginlia lehnte das Gesicht mit den weinenden Augen an seine Schulter. Da sprang der kleine Paoli herzu.Warum weint die Mutter?" fragte er erstaunt.Giovanni todtschießcn! Hat Onkel Paoli gemordet!" rief er,weine nicht, Mutter! Seine kleinen Lippen zitterten und verzogen sich zum Weinen, als er das Gesicht der zarten Mutter von Thränen überströntt sah.

Sie beruhigte ihn liebkosend, während Hyacinth noch über das von seiner Mutter Gehörte nachdenkend, dem Hanse zuschritt, nachdem er Giulia gebeten, ihn nicht zu quälen und der Sache ihren Lauf zu lassen, da sie einmal nicht zu ändern sei. Giulia nahm ihren Knaben auf den Schooß, und als er ihr mit seinen kleinen Händchen die bethränten Wangen streichelte, sagte sie noch weinend zu ihm:Sich einmal hinauf, Paoli, siehst Du den blauen Himmel und die schöne Sonne?"

Ja, liebe Mutter, ich sehe es wohl, und da Oben wohnt Gott, hast Du gesagt."

Ja, mein Kind, und Gott ist gut und liebt uns, wenn wir fromm find; er sendet seine Engel, daß sie uns schützen, wenn man uns ein Leid anthun will."

Haben die Engel auch Giovanni beschützt, als Vater nach ihm schoß?" fragte der Knabe halb zweifelnd.

Gewiß, mein Kind," sagte Giulia leise,und wir Beide, Du und ich, wollen den lieben Gott bitten, daß er ihm auch ferner seine schützenden Engel sende."

Nein, Mutter, er hat Onkel Paoli gemordet! Ich hasse Giovanni."

Glaubst Du, mein Sohn, Gott will, daß die Menschen einander hassen? Einander tödten? Gott will, daß wir uns lieben, nicht, daß wir uns tödten."

Der Knabe verstand ihre Rede augenscheinlich nicht. Er hüpfte von ihrem Schoße herab zu den Blnmen. Bald waren ihre Worte vergessen. Hyacinth aber war zu seiner Mutter ge­gangen, hatte sie genau gefragt, wo sie Giovanni und Felicia gesehen, und ging dann, die Flinte auf der Schulter, die phry- gische Mütze aui dem Kopfe, nach den Bergen, die Zucca mit Wasser ungefüllt, in dem Schlauche von Ziegenfell Brod und Käse. Er war wieder ganz Corse, sobald sein Fuß die Felsen betrat, kühn und rachedurstig, rauh und wild wie sein Geburtsland.

(Fortsetzung folgt.)

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