selbst, sich in ihrer Wohnung glaubend, Jenen für einen fremden Eindringling hielten, und so hatte man von beiden Seiten so weidlich auf einander eingehauen, daß einer der Theilnehmer am Kampfe nach dem Hospital gebracht werden mußte.
Aus Palermo wird der A. A. Ztg. unterm 9. Aug. geschrieben: Was die gegenwärtige Epidemie besonders furchtbar macht, ist die mörderische Heftigkeit ihres Auftretens. In ein paar Stunden nach einigen fauligen Auswürfen erfolgt der Tod, ohne daß oft irgend ein Uebclbefinden vorher verspürt worden wäre. Die Aerzte sind aus das höchste betroffen über diese Fälle, welche das Volk „schwarze Cholera" nennt, weil die Leichen ganz schwarz werden. Die offiziellen Listen geben in diesen Lagen 300 Erkrankungen u. 200 Todesfälle an; diese Zahlen entsprechen jedoch der Wirklichkeit bei weitem nicht, weil theils die Anzeigen nicht genau gemacht werden, theils die Bulletins möglichst beruhigend abgefaßt werden sollen. In der Nacht vom 4. auf den 5. d. stellten die Todtengräber ihre Arbeit ein, so daß gleich hundert Leichen unbegraben liegen blieben; am andern Tag wurde die Sache erledigt. Allein, obwohl man den ganzen Tag arbeitete, waren am Abend doch noch über hundert Leichen nicht begraben. Ich versuche es nicht, die Größe des Elends und die theils rührenden, theils gräulichen Scenen zu schildern, welche jetzt täglich hier in großer Zahl beobachtet werden können. Die »ermöglichen Einwohner suchen nach Kräften das Loos der Aer- mcrn zu mildern; zu der eröffneten Subskription hat der preußische Generalkonsul Walch 100 Lire beigcsteuert. Derselben wird aus Rom berichtet: Aus Furcht vor der Cholera war eine so außerordentliche Menge römischer Familien nach Albano gezogen, daß man schon in voriger Woche für Geld kein Zimmer mehr haben konnte. Gleichzeitig mit dieser Anhäufung von Menschen ist die Epidemie in dem seiner gesunden Luft wegen sonst so gesuchten Städtchen plötzlich mit einer Heftigkeit ausgebrochen, daß die Zahl der Opfer während der letzten Tage eine unglaubliche Höhe erreichte. Ein panischer Schrecken ergriff vorgestern die fremde und die heimische Bevölkerung, die Bahnzüge mußten den ganzen Tag über ihre Transportmittel aufwenden, um die Fliehenden hierher zu bringen, die Landstraße aber war mit Fuhrwerk und Fußgängern, die wegeiltcn, bedeckt. Keine Klasse der Bevölkerang, auch Roms, blieb verschont, nur in den Klöstern scheint die geregeltere Ordnung des Lebens dem andringenden Tode noch einen Damm entgegenzufetzen. Im päbstlichen Palast des Quirinals starben vorgestern drei Personen, in Albano an einem Tag gegen 90, bei einer Einwohnerzahl von 6200 Seelen.
Einen schauerlichen Eisenbahnunfall berichtet die „Pall Mall Gazette": Ein junges Ehepaar, welches in Tounton an der Bri- stol-Exeter Bahn in ein Sepcratcoupe gestiegen war, vernahm, bald nachdem der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, ein Klirren von Glas und sah mit Entsetzen, wie ein blutiger Menschenkopf durch das Fenster des Coupe gestoßen wurde, während der Körper draußen hing. Auf der nächsten Station erkannte man in dem Verunglückten den Conducteur, welcher wahrscheinlich die Reisenden beobachten wollte, aber während des Durchfahrens unter einer Brücke gegen den Wagen gequetscht und so gctödtet worden war.
Aus Balasore (Hindostan) meldet der Missionär Miller, daß in der entsetzlichen Hungersnoth in Orissa Hunderte von Hindu-Kindern von ihren eigenen Eltern verzehrt worden seien.
Seliudcn's Stvlz «nd Buße.
(Schluß.)
Der zweite Winter war gekommen, seit Selinde das Haus ihres Oheims verlassen hatte. Selinde kam eines Morgens, fast krank und müde, in das Haus eines Obersten Mentzel, dessen Töchtcrchen sie erst seit Kurzem Unterricht ertheilte. Die jungen Mädchen ivaren noch nicht zur Unterrichtsstunde parat, und die Lehrerin setzte sich an das Piano, um sie zu erwarten. Zerstreut sah sie sich im Zimmer um, als ihr Auge plötzlich auf eine Photographie fiel, welche in ihrer Nähe auf einem Tische lag. Plötzlich schoß ihr das Blut in die Wangen, sie versuchte aufzustehen, aber die wankenden Knie versagten ihr den Dienst, und ihre Pulse schlugen mit einer Heftigkeit, wie sie sie längst unmöglich wähnte.
In der gewaltigsten, erschütterndsten Aufregung, mit unwillkürlich überströmenden Augen, betrachtete sie abwechselnd die Züge
des Bildes und der Handschrift und glaubte sich wie durch Zauberschlag in eine andere Zeit und an einen andern Ort entrückt, als unversehens die Dame vom Hause in's Zimmer trat. Selinde legte das Bild wieder auf den Tisch und wurde bald roth und bald blaß; ihr blitzendes Auge schien ein seltsames Licht über ihre leidenden Züge zu werfen, alle ihre Seelenkräfte waren in den Sinn des Gehörs concenirt.
Die Photographie stellte das Bild eines jungen Mannes vor, dessen Züge ihr die wohlbekannten ihres George Werth in's Gedächtniß riefen. Selinde stand auf, trat zum Tische, uni das Bild zu beschauen und konnte nun nicht mehr zweifeln, daß es wirklich fein Bild war, denn unter demselben lag noch das Papier, worin jenes Angeschlagen gewesen, — es trug die Adresse an die Frau vom Hause in George's eigener unverkennbarer Handschrift.
„Gnädige Frau," Hub sie endlich mit großer Anstrengung an, „vergeben Sie mir ein Benehmen, welches Ihnen seltsam erscheinen muß! Ich habe so eben — dieses Bild hier — gesehen, das einem — einem alten Freunde meines Vaters angehört . Mir war so eben noch, als hörte ich — seine Stimme
— seinen wohlbekannten Schritt! — Verzeihen Sie mir die Frage: ist Herr George Werth hier im Haufe?"
Madame Wentzel lächelte und sah hinter sich in's andere Zimmer. „Er ist hier und hatte mich eben an Sie abgeschickt, um von Ihnen die Erlaubniß zu erbitten, daß er sich Ihnen vorstelle. George ist mein 'Nesse und mein Liebling von Kindheit auf, und ich hätte gerne mein Fürwort für ihn bei Ihnen eingelegt, denn er behauptet, Ihnen mancherlei Erklärungen schuldig zu sein. Aber mich dünkt, als habe er kein rechtes Vertrauen in seine Abgesandte! Mein liebes Fräulein! ist dies hier Ihres Vaters Freund?"
„Selinde!" rief George Werth mit einer Innigkeit des Gefühls und der Leidenschaft im Tone, der ihr von Neuem Thrä- nen entlockte. Konnte sie noch zweifeln, daß er sie liebte? Was hielt sie denn noch ab, sich in seine sehnsüchtig nach ihr ausgebreiteten Arme zu werfen, nachdem nun alle Zweifel geschwunden waren?
„George! kannst Du mir verzeihen?" stammelte Selinde und beugte sich lief vor ihm, um seine Hand zu küssen.
„Nicht so, meine Liebe! komm' an mein Herz, meine Seele! mein Leben! mein Weib! Hab' ich nur Dich wieder, so ist Alles vergessen!" rief George leidenschaftlich und schloß sie an seine Brust.
Wie bedarf es weiterer Schilderung, wo doch jeder Leser die gewöhnlichen weiteren Folgen dieses Zusammentrctens erräth!
George Werth hatte Selinden von der Stunde aufgesucht, wo er ihre Flucht aus dem Hause des Oheims erfahren hatte, fest entschlossen, sie jedenfalls zu seiner Frau zu machen, denn er war überzeugt, daß ihr Herz ihm noch gehöre, daß sie ihm nie ungetreu werden würde. Die drei Jahre der Trennung hatten Selinden weiser, edler, vollkommener gemacht, — die Schule des Lebens hatte sie geläutert und gebessert, als er sie wieder fand, um sie nicht mehr von sich zu lassen.
Noch bis in die sernsten Jahre werden die nun vereinigten Gatten die Fügungen der Vorsehung segnen, welche auf diefe Weise Selinden in die Leidensschule geschickt hatte, um Demuth und Ergebung kennen zu lernen und dem Stahl ihres Charakters die gehörige Biegsamkeit und Härte zu geben.
— Ein Bert. Blatt stellt aus dortigen und fremden Zeitungen eine Blüthenlese komischer Annoncen zusammen, von welchen die folgenden hier stehen mögen: „Ein armer Teufel, dem durch seine Gläubiger die Hände gebunden sind, sucht unter der Hand sein Hans aus freier Hand zu verkaufen. Jemand wünscht einen Käufer für einen Ochsen, der seinesgleichen sucht. Das „Leipz. Tagebl." enthält folgende Anzeige: „Ein großer starker Flügel, Oktaven, fast neu, steht billig zu verkaufen. Zu sprechen von 1 bis 2 llhr, Holzgasie Nr. 4 "
— B o r s i ch t. Der Herr Apotheker fährt mit einer wohlgesüll- ten Geldkasse Baden-Baden zu. — „Ich heiße Peter," sagt sein Kutscher zu ibm. „Lckou gut!" war die Antwort. — „Ich heiße Peter" wiederholte nach einer Weile der Kutscher. - „Ich Hab' schon gehört!" — „Ich heiße Peter", fängt der Kutscher zum dritten Male an. — „Aber, mein Gott, warum sagt Jßr mir das w oft?" - „Daß Sie sich meinen Namen merken und nicht sagen können, der Teufel habe Sie nach Baden-Baden geführt!"
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. ,Zaijer'sche» Buchhandlung.