Vaters demselben nahe standen, nnd der Eine oder der Andere von denselben, der mich früher singen hörte, wird sich hcrbcilasscn, mich znr Singtehrerin seiner Binder anznnehmen. Weiter will ich von keinem begehren. Sie, Herr v. Palm, haben einen großen Kreis von Freunden und Bekannten, würden Sie so freundlich sein, mich bei denselben empfehlen ? Doch, ich vergesse, Sie haben mich ja noch niemals singen hören!" Sie wollte an's Piano treten; sie hatte mit solch athcmlosen Eifer gesprochen, daß er sie nicht hatte unterbrechen können; nun aber streckte er seine Hand gegen sie aus und vereitelte damit ihre Absicht.

Wie?" ries er,Sie wollen sich soweit erniedrigen, in den Häusern von Leute» Unterricht zu geben, die Sie in besseren Tagen gekannt haben? Sie wollten sogar vor mir eine Probe im Singen bestehen? Selinde." Er hielt plötzlich inne nnd ging in großer Bewegung im Zimmer ans und ab; Selinde blickte ihn überrascht an.

Wenn ich stolz bin, Herr v. Palm," sagte sic kalt,so ist es wenigstens nicht der Stolz, der mich unfähig macht, mich in das Unabwendbare zu fügen. Unterricht in der Musik geben, seinen Unterhalt ehrbar erwerben, heißt bei mir nicht sich ernied­rigen. Ich liebe die Musik," fuhr sie wärmer werdend fort; es ist eine Kunst, die nicht entwürdigt. Wenn ich nur Zög­linge und Schüler genug habe, um sür die Bedürfnisse meiner kränklichen Schwester zn sorgen, so werde ich glücklicher sein, als ich seil seit langer Zeit nicht gewesen bin!"

Aber cs ist ein undankbarer Beruf, eine Plackerei der schlimmsten Art, eine Sklaverei an Körper und Geist! es würde Ihr Tod sein!" siel ihr Roland schnell in's Wort.Selinde, Sie baten mich um meine Hülfe; aber die Rolle des Bittenden ist nun an mir. Ich wußte bis zu diesem Augenblicke kaum, daß ich Sic liebte; aber nun fühle ich es in jedem Pulse meines Wesens Lcliude, nehmen Sie meine Liebe an; werden Sie meine Gattin, versügen Sie über mein HanS und mein Vermögen!"

Er hatte schüchtern begonnen nnd nicht so weit gehen wollen; aber die Leidenschaft riß ihn hin, als er sie so mnthvoll, heftig und selbstvcrtrauend, so schön und bescheiden vor sich stehen sah. Er ward am Ende glühend nnd wünschte sich die Kraft nnd Beredt^amkeit eines Gottes, um sie überzeugen und gewinnen zu können.

Herr v. Palm, Ihre Großmnth führt Sie zu weil!" erwi­derte ihm Selinde besonnen nnd kalt;ich würde Ihnen für diesen Edelmuth danken, wenn ich Sie für etwas Anderes ansehcn könnte, als für den künftigen Gatten meiner Cousine Valerie. Lassen Sie uns Beide vergessen, was wir so eben mit einander gesprochen haben; ich werde im Stande sein, meinen angedente- ten Plan auch ohne Ihre Hülfe anszuführen!"

Sie wandte sich stolz und unzugänglich von ihm ab, nnd ihre Züge verriethen einen leisen Schmerz getäuschter Hoffnungen.

Roland war von ihrer Aufrichtigkeit überzeugt, fühlte sich aber nur durch einen einzigen Wunsch gespornt den nämlich, ihre Gleichgültigkeit zn besiegen. Mit weit mehr Ungezwungen­heit, als er sich noch vor einer Stunde zugetraut haben würde, erneuerte er seine Verheuerungen nnd Bitten und warf sich ihr endlich sogar zu Füßen.

Um Ihrer selbst willen stehen Sie ans, Herr Baron, und thun Sie mir die Liebe, an die Aufrichtigkeit meiner Versiche­rungen zu glauben!" rief Selinde mißbilligend.Wenn Sie in diesem Tone fortfahren, muß ich es sür eine absichtliche Kränkung ansehcn ! Haben Sie Ihre Pflichten gegen Valerien ganz vergessen, mit welcher Sie so gut ivie verlobt sind? Stille! ich höre Stimmen! stehen Sie auf! Um's Himmelswillcn, geben Sie mich nicht dieser neuen Schmach preis!"

Aber es war schon zn spät. ' Valerie und ihre Mutter tra­ten in's Zimmer, lieber die gegenseitige Stellung Beider konnte kein Zweifel mehr obwalten: Roland glühte vor Scham und Verlegenheit; Selinde blickte entrüstet und betrübt darein. Va­lerie erblaßte, als sie den Zusammenhang errieth nnd warf sich in einen Lehnstuhl, um ihre Aufregung zu verbergen; sie besaß j so viel Würde und Selbstgefühl, -um dem Manne, der sie hinter- ! gangen hatte, den herben Schmerz, über seinen Vcrrath zu vcr- > bergen. Sie beargwöhnte Selinde nicht im Mindesten, daß sie Rolands Neigung absichtlich zu gewinnen gesucht habe; allein sie haßte sie eher desto heftiger eben darum, weil ihr Triumph ein so nngesuchter gewesen war.

Tante Adelgunde urthciltc ganz anders: engherzig nnd arg­wöhnisch, wie sie war, zweifelte sie nicht im Mindesten, daß der ganze Austritt das Ergebnis; absichtlich angelegter Pläne und Koketterien soclindcnS sei; daß diese sich bei Roland beklagt nnd die Cousine Himer dem Rücken heruntergesetzt und ausgestochen habe; sie sah in dem ganzen Auftritt nur ein Gewebe von Un­dank nnd Arglist. Zorngluth stieg ihr in das Gesicht, Schelt­worte traten ihr auf die Lipven, aber Herr v. Palm schlug sich sogleich in's Mittel.

Sie haben mich in einem unglücklichen Augenblicke überrascht, Madame," sagte er mit hochgeröcheteu Wangen.Ihre Nichte ist unter Ihrem Dache unglücklich; ich habe ihr ein Asyl unter dem mcinigcn als meine Gattin angeboren:, aber sie hat es av- gelehut!"

Herr Baron! Herr v. Palm! Eine solche Frechheit ist fürwahr unerhört! komm', Valerie!" rief Tante Adelgunde; aber Herr v. Palm verbeugte sich kalt nnd ging, und einen Mo­ment später verließ auch Selinde das Empfangszimmer.

Wäre die Absicht, des Oheims Haus zu verlassen, nicht zuvor schon in Selindens Seele fest gestanden, so würde dieser Auftritt sie gereift haben. Die Ursache zum letzten Wortwechsel war Selindens Weigerung gewesen, die Familie des Oheims nach Hageneck zu begleiten, wohin diese sich jetzt begeben wollte. Abgesehen von den schmerzlichen Erinnerungen, welche jener Ort in Selindens nnd Lilly's Gemmh wieder erwecken mußte, konnte die Erstcre nämlich den Gedanken nicht ertragen, in der nächsten 'Nachbarschaft von George Werth zu verweilen. Sie hatte in­ständig gebeten, doch linier jeder Bedingung und Entbehrungen aller Art in Münster bleiben zn dürfen, sie harte demüthig ge­fleht und Vorstellungen aller Art versucht, aber vergebens. War durch dieseseapriciöse Betragen Selindens," wie es Tante Adelgunde nannte, diese schon gegen sie aufgebracht gewesen, so hatte die Scene zwischen ihr nnd Roland noch Oel in's Feuer gegossen, und die Tante vergaß sich soweit, daß sie Selindcn mit Schimpfwörtern, Hohn und gemeinen Vorwürfen überhäufte, wie sie nur der blinde Zorn im ersten Ansbrucb einem niedrigdcn- kenden Menschen eingcben kann. Selinde hörte Alles mit stum­mer Verachtung an, bis ein ungewöhnlich schimpfliches nnd ge­hässiges Beiwort ihre empfindlichste Stelle traf und sie in na­menloser Empörung nnd wildem Schinerze anfwallend rief: Genug, Madame! kein Wort weiter! ich kann nicht mehr er­tragen! Und stünde Tod auf dem Gegentheile, ich könnte keine Nacht mehr unter Ihrem Dache znbringcn." (Forts, s.)

(Eigcnthümliches Geschäft.) Seit längerer Zeit verschwan­den in Bern viele Katzen und Hunde, so daß die Polizei durch viele derartige Anzeigen aufmerksam gemacht, ihre Vigilationen auf die Nachts in den Straßen sich hcrumtreibenden Leute warf. Kürzlich gelang cs, zwei Individuen auf der That zu ertappen, wie sie vor einem Kellerioche einen ans Liebesabenteuer ausgehen­den feisten Kater in einer Drahtschlingc singen. In der Woh­nung des Einen fand man vielfache Instrumente znm Einfangen von Hunden und Katzen, sowie eine große Anzahl von Fellen. In einer Nebenkummer befanden sich vier als Hasen,apprelirle abgezogene Katzen, die nach Aussage des Gehilfen Stück für Süick zu einem festen Preise er in geivissen Restaurationen abzu- setzcn täglich angewiesen sei. Der Hanptihäter selbst schweigt über die Verwerthung seines Wildes hartnäckig, allein der Ge­hilfe ist desto redseliger Er zog auch bei der Hnusvisitation einen Kasten hervor, in welchem sich einige zwanzig Wachtel­hundsfelle vorfanden, die nebst einer Anzahl Halsbänder auf der Polizeistation zur Recognition der Angehörigen ausgestellt sind. Der Andrang von Damen ist sehr groß, und Thränen sah man manchen schönen Augen entquelle», als man das Halsband der lieben Minette, oder das Fell der reizenden Fides wieder erkannte. Eine alte Dame, als sie das Fell ihres Ioly wicdcrsaud, brach in furchtbare Verwünschungen gegen den Mörder aus nnd ver­langte, daß dieser ihr vorgeführt werde, damit sie ihre Rache an. ihn! kühlen könne.

PH Es muß schon eine große Becwildermig in den Sitten einer Familie eingerinen sein, wenn man Me Mrslimmnnge», die im inner­sten Schoße derselben bereichen, auch vor dem Auge Anderer zeigt . . Takt ist die einzige erlaubte Nothlüge der Tugend.

Redaktion, Truck und Verlag der G- W- Euiürhcheii Buchhandlung.