Lebensversicherungshank wieder Hunderten der bei ihr Versicherten ein erwünschter Kredit eröffnet worden.

Daß die Lebensversicherung von hoher volkswirthschastlicher Be­deutung ist, erhellt schon aus dem Wenigen, was wir oben darüber ge­sagt, Und halten wir es bei der Masse der bethciligten Interessen, die sich aus viele Hunderte von Millionen Gulden berechnen, für Pflicht der Presse, darüber zu wachen, daß die Lebensversicherungsanstalten sich bei ihrer Geschäftsgebahrung stets ihrer gemeinnützigen Aufgabe bewußt bleiben und daß insbesondere die Aktiengesellschaften nicht durch die ihnen von Haus aus innwohnende Spekulationssucht auf Abwege gerathen, die ihre Sicherheit in Frage stellen. Wir halten eine kurze Besprechung des Gegenstands für um >o wichtiger, als die Konzessionirung durch die Regierungen immer mehr ihren Charakter der Beaufsichtigung und einer hieraus sich ergebenden Garantie verliert, was andererseits, da der ' Zweck doch immer selten erreicht wurde, auch nicht zu beklagen ist.

Daß nun das deutsche Lebensversicherungsgeichäft in den letzten Zähren eine industrielle Richtung genommen und daß die in dieser Beziehung in Bewegung gesetzten Mittel nicht ungefährlicher Natur sind, ist leider nur zu wahr, vo werden, um möglichst rasch eine große An­zahl von Versicherungen zu gewinnen, von manchen Gesellschaften so be- ventende Kosten ausgewendet, daß solche zuweilen den Betrag aller ersten Jahresprämien verschlingen. Ata» zahlt übertriebene Provisionen bis zu 3 Prozent aus der Versicherungssumme (an einer kleinen Versicherung von ft. IE hat so allein der Agent fl. 30; an fl 30,E nicht weniger als fl. 600), man verausgabt große Honorare an Aerzte, Inspektoren, Direktoren (wir kennen den Subdirektor einer Aktiengesellschaft, der eine jährliche Einnahme von mehr als fl. 28,000 hat) man bestürmt das Publikum mit Reklamen und läßt im Wege des Hausirbetriebs in der zudringlichsten Weise Versicherungen aufsuchen re. Zu diesen übermäßigen Kosten werden die betreffenden Aktiengesellschaften besonders darum ver­führt, weil bei der Lebensversicherung im Gegensatz zu andern Ver­sicherungsbranchen (Feuer-, Hagelversicherung) von den Beiträgen der Versicherten bei den jüngeren Gesellschaften nur ea. der vierte Th«l für den eigentlichen Versicherungszweck zur Bestreitung der lausenden Sterb- fallsnmmen gebraucht werden, wogegen etwa die Hälfte Vorausbezahlung sür eine spätere Zukunft ist, welche als Prämienreserve (Deckungskapital)

bis dahin aufzusparcn ist, wo der Bedarf eintritt. Die ordnungs­mäßige Berechnung und Zurückstellung der Prämienreserve ist aber der weitaus wichtigste Punkt und wenn diese Reserve durch unverhältnißmäßigcn Verwaltungsauswand geschmälert wird, so wird der künftige Ruin der Anstalt unvermeidlich vorbereitet. Von eng­lischen Gesellschaften wurde zuerst in dieser Weise daraus losgewirth- schastet, daher auch in den letzten Jahren viele Gesellschaften in England zu Grunde gingen und noch nicht lange her ist es, daß der englische Schatzkanzlor Gladstone eine von ihm «»gebrachte und die größere Con- centrirnng des Lebensversicherungswesens in den Händen des Staats bezweckende Bill mit der Unzuverlässigkeit und schlechten Verwaltung vieler englischen LebensversicherungSgesellschasten begründete. Die Ver­suchung, die derZuknnft angehörigenFonds schon ur der Gegenwart zu verbrauchen, um daraus Dividende sür die Unternehmer (Aktionärs) und Tantieme sür die Beamten zu vertheilen, läßt sich beiden Aktien­unternehmungen nie vollständig überwinden, wogegen das Gegen­seitigkeitsprinzip bei der Lebensversicherung (in andern Branchen, wie z. B. bei der Hagelversicherung, verhält eS sich damit theilweise an­ders) allein die ersorderlichen Garantien gegen die bezeichnet«! Ge­fahren bietet. Die Verwaltung einer Gegenseitigkeitsanstalt wird sich stets erinnern, daß sie wegen der Versicherten da ist und es sind ihr gar nicht die Mittel eingeräumt, aus Kosten jener einen Dritten zu gut kom­menden Aufwand zu machen. Sic arbeitet für die größtmögliche Divi­dende der Versicherten (Banktheilhaber), obne nach einer angemessenen Ausdehnung zu streben. Solidität und Nachhaltigkeit sind die Grund­lagen, auf welchen hier allein das Ziel erreicht werben kann.

Abgesehen von der aus der gegenseitigen Haftbarkeit ihrer Mit­glieder beruhenden absoluten Sicherheit bietet eine Gcgenseitsanstalt aber auch den Vorzug der wesentlich billigeren Prämien, sofern alle und jede Ueberschüsse und Gewinne durch die Dividenden allen ihren Bank- theilhabern (Versicherten) wieder zu gut kommen. Dies erhellt auch aus folgender Zusammenstellung, wobei wir die in Nr. 411 derDeutschen Versicherungszeitung" wohl unter Mitwirkung der Verwaltung der Gothaer Bank erschienene Prämieniaristabelle theils benützen, theils ergänzen:

Prämien für fl. 100. Versicherungs- Summe im Alter

Bemerkungen.

VON

30

j 35

40

I 4k.

50

Jahren.

Stuttgarter Lebens-Versiche-

fl. kr.

1 28

fl. kr.

1 39

fl. kr.

1 54

fl. kr.

2 15

fl. kr.

2 44

Netto-Prämien abzüglich einer 9jährigen wirklich vcrtheilten Durch-

rungsbank

Allgemeine Renten - Anstalt in

1 48

2 8

2 35

3

3 56

> I schnitts-Dividende von 40 Prozent der Jahresprämie.

1 ^ Netto-Prämien abzüglich einer 5jährigen Durchschnitts-Dividende von

Stuttgart.

Gothaer Bank.

1 42

1 54

2 10

2 32

3 3

16 Prozent.

4 Netto-Prämien abzüglich der in den letzten 5 Jahren vertheilten Durch-

1 schnitts-Dividende von 36 Prozent; ein weiteres Zurückgreisen als

» ? § auf die letzten 5 Jahre würde den Durchschnitlsbelrag reduziren.

H M Netto-Prämien abzüglich einer 10jährigen Durchschnitts-Dividende

Leipziger Lcbensversicherunqs-

1 56

2 12

2 30

2 56

3 30

Gesellschast.

Providentia.

2 6

2 24

2 48

3 24

4 10

/ von 26 Prozent.

Germania.

2 4

2 24

2 50

3 Ä')

4 11

» Verwaltungskosten im Jahr 1866 über 2o Prozent der Jahres-Ein-

Gresbam (englische Gesellschaft).

2 12

2 27

2 59

3 38

4 21

ID nähme! In Württemberg ist der Germama wegen mangelnder

1^'^- Garantie«! der Geschäftsbetrieb untersagt worden.

(LF Jn Württemberg nicht konzessionirt! DerGreSham" versichert auch

Teutonia.

2 30

2 51

3 18

3 54

4 39

mit Gewinnantheil 80 Prozent am Reingewinn indessen war t letzterer bisher verhältnismäßig so unbedeutend, daß die ohne Ge-

» Z winnantheil sich Beiheiligenden in Wirklichkeit niedrigere Prämien

^ ' bezahlt haben dürften, als die mit Gewinn Versicherten!

Hiernach stellen sich selbst innerhalb der Gegenseitigkeitsanstalten ! die Prämien bei der Stuttgarter Lebensversicherungsbank am billigsten und steigert sich die Differenz zu Gunsten dieser Anstalt vis-»-vis den Aktiengesellschaften bis über em Drittheil des Prämienbetrags. Die > äußerst niedrigen Verwaltungskosten nur 4^/io Prozent der Jahres- ! einnahme dürften bei diesen günstigen Resultaten ihren wesentlichen ! Antheil haben, und daß der Stuttgarter Bank, sowie den anderen Ge- ; genseitigkeitsanstalten bei Einhaltung ihrer bisherigen Grundsätze der Sparsamkeit und Vorsicht diese Prosperität nachhaltig gesichert ist, be- ! stäkigen in gewichtiger Weise die Geschäftsergebnisse des durch Krieg, ^ Geldkrisis und Cholera sür manche Lebensversicherungsgesellschaften ver- - hängnißvoll gewordenen Jahres 1866- Denn wenn auch die Go haer ^ Bank sür Lterbfallsummen - hauptsächlich in Folge der Cholera über 07,000 Thlr,..im vergangenen Jahre mehr auszugeben halte, als nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erwarten war und so die von ; ihr bis jetzt nicht veröffentlichte Dividende sür 1866 nicht sowohl steigen, als erheblich zurückgehen dürfte, so liegt doch hier kein Grund vor, nicht ; in erster Lime die ungewöhnlichen und abnormen Verhältnisse des ver- gangcnen Jahrs dafür verantwortlich zu machen. Die vorzugsweise in ! Süddeutschland arbeitenden Gegenseitigkeitsinstitute sind um so glückli- ! cher gewesen die Stuttgarter Bank hat z. B. mit einer Dividende von 35 Prozent abgeschlossen und was über den demnächst erfolgenden Rechenschaftsbericht der Allgemeinen Rentenanstalt in Stuttgart, die ja auch seit einigen Jahren die Lebensversicherung in ihren Geschästskreis gezogen hat, verlautet, ist gleichfalls beruhigend. Dagegen haben bei einzelnen, insbesondere norddeutschen Aktiengesellschaften die ungünstigen Einflüsse des vorigen Jahrs tiefe Spuren zurückgelassen und noch tiefere Schäden aufgebeckt. Die im vorigen Jahr in einigen Gegenden Deutsch­lands ausgetretene Cholera ist es nämlich nicht allein, welcher die größere Sterblichkeit unter den bei diesen Gesellschaften Versicherten zuzuschreiben ist; dieselbe datirt vielmehr theilweise schon aus früheren Jahren und

ist aus dem ganzen verderblichen System, nach welchem Seitens der fraglichen Aktiengesellschaften bei Acqnirirung von Versicherungen ver­fahren wird, zu erklären. Die jedes Maß übersteigenden Provisionen steigern die Gewinnsucht in unnatürlicher und oft recht unanständiger Weise und lassen den Agenten zumProvisionsjäger" herabsinken -er unterscheidet wenig mehr zwischen gesunden und den (natürlich viel leich­ter anzuwerbenven) w-Niger gesunden Personen, wenn er nur seinFang­geld" verdient; daher denn eine zu > rohe Anzahl von zweifelhaften Risiko's und in Folge davon eine die Wahrscheinlichkeitsrechnung weit übersteigende Sterblichkeit, die sich mit jedem Jahr mehr geltend machen wird. Daß von den seitens solcher Mittelspersonen zur Versicherung genöthigten Personen viele die Versickerung nicht aufrecht erhalten kön­nen, ist ein weiterer und großer liebelstand eines solch sorcirten Ge­schäftsbetriebs. Die Germania z. B. mußte sür 1866 (inkl- 1113 Per­sonen, welche durch Tod mit 689,000 Thlr. erloschen sind) im Ganzen 9382 Versicherungen mit nahezu 60- Millionen Thalern wieder löschen! Lind das gesunde Zustände > ! Wahrlich vostlxi« tereent, vergegen­wärtig! man sich dann noch die weiteren mit einein solchen Treiben un­zertrennlichen und zuletzt den Bestand der betreffenden Gesellschaften ge­fährdenden Folgen, wie die schon oben besprochene Schmälerung der Reserve re. Es wäre zu wünschen, daß die von den fraglichen Gesell­schaften gemachten Ersahrungen sie veranlassen, endlich die eingeschlage­nen Abwege zu verlassen und mit dahin zu wirken, daß die hohe sitt iche Idee, ans der die Lebensversicherung beruht, respektirt und dieser In­stitution die sür das Individuum, die Familie und die Gesellschaft eine so große Wohlthal ist durch Solidität der Gesellschaften das Vertrauen des Publilums erhalten bleibe! jSt.-A.)

Redaktion, Druck und Verlag der G- W. Zaijer'schen Buchhandlung.