Berlin, 1.2. Mai. Die Rarifiziruug des Vertrags wird binnen Nkonatssrist stattfinden, worauf die Räumung der Festung sofort beginnt nnd zu Ende geführt wird nach Maßgabe der technischen Bedingungen. Ein Endtermin ist für die Räumung nicht sestgesteUt, "vielmehr gänzlich Preußens billiger Diskretion überlassen.
Koblenz, 11. Mai. Gestern rückte von hier ein Detachement "von 80 Manu Piouuiere der 8. Piouuier-Abtheilung nach Luxemburg; auch ist ein starker Transport Pulver per Schiff dorthin abgesaudt worden, wahrscheinlich um bei der Dcmolirung der Luxemburger Festungswerke verwandt zu werden.
In D ü tz e u bei Minden wetteten zwei Bauernbursche, wer die meisten Schnäpse trinken könne. Der Eine gewann die Wette mit dem 58. Glas; dann aber fiel er vom Stuhle und war eineLeiche.
Frankfurt, 12. Mai. Als Kuriosum theilen wir mit, daß der Frankfurter Handelsmann Pfungst der Bundcsliqnida- tionskommission eine Forderung von nahezu 40,000 fl. für in Leu Zähren 1795—1797 au Oesterreich gelieferte Naturalien eingereicht hat. Er wurde abschlägig beschieden.
Wien, 10. Mai. Das Kaiserpaar ist am 8. Nachmittags gegen 5 Uhr in Pesth angelangt und mit Enthusiasmus empfangen worden.
Wien soll nun doch in eine große Festung umgeschaffen werden. — Die ungarische Nobelgarde wird wieder hergestellt. —
Pesth, 10. Mai. Ihre Majestäten sind Nachmittags um halb vier Uhr zum hiesigen Wettrennen gefahren. In allen Straßen, welche sie durchfuhren, bildete die harrende Menge Spalier und begrüßte Ihre Majestäten mit endlosen enthusiastischen Zurufen.
Agram, 11. Mai. Der Pozor läßt sich ans Fiume melden, die Erbitterung gegen die Magyaren sei gegenwärtig im Fiumauer Küstenland und Komitate größer als im Zahr 1848. Man stehe am Vorabende von Ereignissen, welche nicht zu bedauern seien, weil sie der Ausfluß des nationalen Selbstbewusstseins und des Nationalstolzes sind. Die Fiumauer spielen mit Feuer und die Magyaren mystificireu sich selbst.
Schweiz. Die Züricher haben mit ihrem Schwurgericht Unglück. Es musste schon wieder Einer unschuldig erklärt und mit baarem Gelde entschädigt werden, welcher in Folge eines offenbar unrichtigen Wahrspruchs zwei Jahre im Zuchthaus gesessen hatte.
Paris, 11. Mai. Der Prinz von Wales traf heute Morgens hier ein; er ist im britischen Botschaftshotel abgestiegen, wo Abends ein Fest war. Prinz Alfred wird am 14. erwarrel; beider Aufenthalt ist auf zehn Tage bestimmt. Das belgische Königspaar wird Dienstag oder Mittwoch erwartet. — Durch den Erfolg des wiedergewonuenen Friedens angespornt, setzt der Temps seine Bemühungen für die Friedensligua und seine Polemik gegen Girardin und die Liberte fort. Jetzt handelt es sich nicht mehr darum, den augenblicklichen Frieden zu gewinnen, sondern denselben dauernd zu machen. Das sei leicht, sagt der Temps. Frankreich dürfe es nur laut anssprcchen, daß es Belgien nnd den Rhein nicht wolle, dann werde das Vertrauen wie- derkchren und der Friede sei und bleibe gesichert. So lange aber die Regierung zögere, diesen Ausspruch zu thnn, so lange müsse das Volk, müsse die Friedensligua es thnn nnd diesen Gedanken ansbreiten nnd befestigen. Zn diesem Betreff sagt der Temps: Eine große nationale Bewegung unter der freien Fahne der Friedensligua würde mehr für den Frieden der Welt leisten, als alle diplomatischen Noten. Es sind wieder viele Beilrittserklärungen zur Friedensligua eingelanfen.
Paris, 14. Mai. Der Dieustagsmoniteur veröffentlicht ein Kaiscrl. Dekret, wornach alle Unteroffiziere und Soldaten des Jahrgangs 1860, die der aktiven Armee angehören nnd auf 31. Dezember ihren Abschied zu gewärtigen hörten, sofort in die Heimath zu entlassen sind. (Es wäre dieß dw Verabschiedung der ältesten Altersklasse der aktiven Armee, die zugleich selbstverständlich die geübteste ist.)
Die Freimaurer Frankreichs haben an ihre Brüder nach allen Weltgegenden hin Einladungen erlassen. Im Juli soll in Vineennes eilt Riesenbankct von 4—5000 Gedecken stattsinden.
F lorenz, 10. Mai. Piktor Emanuel ist vom Kaiser Napoleon nach Paris eingeladen worden; er wird dort mit dem Kaiser von Oesterreich Zusammentreffen.
Madrid, 11. Mai. Das der Deputirtcnkammcr heute vorgelegte Budget weist ein Defizit von 70 Millionen Realen aus; es wird daher (ücht spanisch!) die Aushebung von vier Universitäten und eine Steuer von 5 Prozent aus Renten und Obligationen vorgeschlagen.
Der Jdivt.
(Fortsetzung.)
Theodor schien jedoch in diesem Augenblick zu sühlen, daß er wohl zu viel geplaudert habe, und sagte ängstlich, und doch kindlich zutraulich, zu dem Lehrer aufsehend: „Aber nicht wahr, Herr Meerheim, Herrn Warnitz sagen Sic nichts — und — auch nicht der Mama, die weint, wenn von dem Reinhard gesprochen wird!"
Der Lehrer gab dem kleinen Plauderer die Versicherung., daß er schweigen werde. Er hätte aber gern noch mehr gefragt und würde es vielleicht auch gethan haben, wenn er nicht jetzt, dem Hause des Kaufmanns nahe kommend, das bekannte und berühmte Notturno von Ehopin vernommen halte, das eine nicht gutgeüble Hand auf schönem, klangreichen Instrument spielte.
Es war Elise, Lheodor's Schwester, die das Stück sich selber vortrng und einübtc. Meerheim hätte wohl noch länger gelauscht und sich an dem Spiel erfreut, wenn nicht der Knabe zum Eintreten getrieben hätte. So mußte er denn, fast wider Willen dem Voranstürmenden folgen, der freudig die Thür anfriß und laut hineinrief: „Mutter!'Elise! Herr Meerheim ist hier. — Ich Hab' ihn mitgeluacht!"
Der junge Mann sah sich nach dieser plötzlichen ungewohnten Einführung den Genannten gegenüber, ehe er Ruhe gewonnen, sich zu sammeln.
Er stand vor Mutter und Tochter einen Augenblick nicht ohne Verlegenheit, ohne Worte zu finden, um für sein Kommen um Nachsicht und Verzeihung bitten zu können.
Frau Arnfcld aber war eine liebenswürdige Dame, die seiner Verlegenheit bald ein Ende zu machen wußte -— und ehe eine halbe Stunde vergangen, saß er, wie heimisch, altbekannt, am Instrument und ließ seine Finger geläufig über die Tasten gleiten. Er spielte ausgezeichnet. Und das Gefühl, diesen Genuß längere Zeit entbehrt zu haben, gab seinem Spiel eine Sicherheit, Ausdruck, wie cs lange nicht der Fall gewesen war. Nach diesem spielte er mit Elisen.
Und es war, als hätten die Beiden seit längerer Zeit schon zusammen musicirt, so taktfest, so sicher spielten sie. Die jungen Leute, erst so scheu, linkisch verlegen sich gegenüber, saßen nun so vertraut, so heimisch an einander, als hätten sic seit Monden mit einander gelebt, als wären sie längst Bekannte. Tie Musik halte sie auf ihren Flügeln über alle Bedenklichkeiten und Unebenheiten einer angehenden Bekanntschaft hinweggehoben; aber die Kunst war cs auch, die sie zugleich vor zu rascher, gegenseitiger Vertrautheit bewahrte. — Schnell verging die Zeit; und ehe der junge Mann cs selber glaubte und meinte, sah er, daß der Augenblick gekommen und er scheide» müsse.
Mit dem gern gegebenen Versprechen, diesem ersten Besuche bald den zweiten folgen zu lassen, verließ er das Hans. Arn- feld selber war nicht erschienen. Er war, hieß es, in Geschäften abwesend. Froh, freudig eilte der junge Mann nach seiner Wohnung. Der Nachhall einer schon durchlebten Stunde durchwogte seine Seele, und zwischen den Melodicen, die noch wiederrönend in seinem Ohr erklangen, schwebte im Geiste vor seinen Augen noch die liebreizende Gestalt des jungen Mädchens vorüber, dessen lies blaue Angen ihm wie ein unverstandenes Räthsel erschienen und dessen leichter, schwebender Gang noch in feinen Gedanken lebte. Fröhlich, glücklich trat er in das Haas und war im Begriff, nach seiner Wohnung den Fuß zu lenke», als er droben die Thür des Zimmere feines Eotlegen Warnitz knarren hörte — nnd die laut werdende Stimme des Kaufmann Arnfeld, den er ferne in Geschäften glaubte, ihn stutzend machte. Unwillkürlich zögerte fein Fuß und vor der Dunkelheit des Abends und des Flures begünstigt, trat er teile zur Seite, such hinter einem nahe stehenden Pfeiler verbergend. Er wollte nicht gesehen fein.
Ein Wort, das er vernommen , wider Willen, bestimmte unwillkürlich sein Handeln. (Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.