dort sachgemäße Fragen an Julie, die ihr Zeugniß zu ihren Gunsten für de» Full Hütte sie ja versuchen möge», ihn'zu täuschen erschüttern sollten. Allein sie wich nie von der schlichten ungeschminkten Wahrheit ab, und als sie geendet hatte, sagte sie einfach:Und nun, könne» Sie mich retten?"

Er schüttelte den Kopf.Die Beweise sind wider Dick," sagte er mit feierlichem Ernst.Gott allein vermag Dick durch dieses verworrene Dickicht zu führen. Dock vertraue ans Ihn, was Dir auch widerfahre, stets eingedenk, daß mit diesem Leben nicht Alles endet; daß cS eine andere Welt gibt, wo gerechtes Gericht gehalten wird; und dort, wenn nicht hier, wirst Du von diesem Verbrechen losgesvrochen werden."

Ah! mein Vater, ich trüge ja Alles gern, wäre es nicht um Louis' willen. Welch' bitlern Schmerz wird es ihm bereiten, seine Julie als Verbrechen» sich zu denken."

Ich selbst werde bei Louis Deine Schuldlosigkeit vertrete», solltest Du nicht von Deinen Richtern losgetprochen werde», meine Tochter." Und ermuntert durch diese Zusage und des guten Greises Segen legte sich Julie ans ihr Kerkerlagcr nieder und scklief ein.

Durch Vater Sylvester- Einfluß wurde die Gerichtsverhand­lung noch Wockeu verzögert in der Hoffnung, da« Volksvorurtheil gegen Julie werde sich legen oder irgend ein Zufall einen Leit­faden zur Auffindung des wahren Mörders bieten.

Die letztere Hoffnung blieb unerfüllt, die erstere aber ver­wirklichte sich bald durch die wachsende Theilnahmc an dem Aus­gang des verbängntßoollcn russischen Feldzugs und die Rückkehr, zu Zweien und Dreien, der Ueberlebendcn. Im überwiegenden Drang diese» allgemeinen Anlhcils halte man in St. Bignold Julie',, beinahe vergessen, da hieß es aus einmal, Herr von l'Orme sei den vielen Gefahren des Kriegs entgangen und werde mit Nächstem ans daö Schloß znrückkommen. War Dem so würde er es da nicht als eine schwere Beleidigung aufnehmen muffen, wen» er fände, daß keine Schritte zur Ahndung des an seiner Gemahlin verübten Mordes gctban worden seien ? Die Gerichts­verhandlung durste nicht länger hinausgeschobcn werden. Sie fand statt. Julie wurde vcruilheilt. . . .

Alle Hoffnung war nun verschwunden; doch Vater Sylvesters Zuspruch war nicht umsonst gewesen; obwohl zu einem schmähli­che» und unverdienten Tod verdammt, trug Julie ihr Schicksal mit so demüthigcr, aber fester Ergebung, und deren Ausdruck so ergreifend in dem liebliche» Antlitz, daß selbst ihre Richter sich der Wirkung nicht zu entziehen vermochten. Die Volks- stimmung aber schlug wieder einmal um. Man bedauerte nun das Geschick, was man doch auf sie hcrabgernfcn hatte, und an der Thür, durch die sie herauskommeu sollte, drängte sich die Menge, um ihr Mitgefühl und Mitleid zu erkennen zu geben. Ohne Vater Sylvesters Beistand hätten die Diener des Gerichts kaum vermocht, sic vor dem gewaltigen Andrang des wankel- mülhigen großen Haufens zn schirmen. Endlich warb Bahn ge­macht, und schon hatte sie beinahe die Thur ihrers Kerkers er­reicht. als ein Mann hervor-und auf sie zustürzte mit dem Aus­ruf:Julie, meine Julie!" in solchen SckmerzenSlauten, daß ohne ihr plötzliches Erbleichen oder ihr in tiefster Pein geflüstcr- tesLouis" Vater Sylvester crrathen haben würde, baß der KriegSmann mit den harten Spuren ausgestandcner Mühsal vor ihm des Mädchens Geliebter sei.

3.

Die auf diese furchtbare Begegnung folgenden Erklärungen, das Mitgefühl der Menge, den Jammerzustand Louis' kann man sich deuten. Doch zum Glück für ihn und für Julie ließen ihn weder sein angeborenes Wesen »och sein jüngstes Kriegerleben so leicht lhatioser Verzweiflung sich hingeben.

Julie ist unschuldig, und muß dies dargethan werben," war sune rasche Antwort, als Vater Sylvester ihm in sein Loos sich z» fügen zusprach.Ich werde sie retten, selbst jetzt noch. Ich sühl's bin's gewiß. Gebt mir nur »och drei Tage dieses kostbaren Lebens und ich rette sie!"

Der Greis schüttelte das Haupt, versprach aber sein Mög­lichstes zn thun, und gern bewilligte man den vereinten Bitten des guten Priesters und des wackern Soldaten, der jenen ent­setzlichen Feldzug durchgemacbr hattte, die Gnadenfrist. Louis Hütte indessen kaum die Miuheilnng von dieser Bewilligung ab- gcwartct, so ging er schon kräftig an'S Werk zur Ausmittelung

der Wahrheit. Ec erlangte Zutritt in bas Hotel de l'Orme untersuchte jede» Theil desselben, als erwarte er noch immer Svnren des Mörders zu finden öffnete die Fenster nach der Reihe ging, wie Julie, ans der Manerleistc außen an ihnen hin, und blieb, wie sie, an dem offenen Fenster deS Spiegelzim­mers stehen.

Sie haben etwas gefunden?" sagte der Polizeisergcant, der ihn auf seiner Nachforschung begleitete.Es scheint aber nicht von Bedeutung," setzte er hinzu, wie er das Bruchstück eines kleinen stählernen Werkzeugs zurückgab, das Louis noch in der Rückseite des Fensters steckend entdeckt halte.Vermnthlich hat sie es zum Anssprengeu deS Riegels gebraucht. Es steht wie die scharfe Spitze einer Scheere ans."

Rein," erwiderte Louis ruhig, ,,eS ist ein Stück von einem Gravircrö-Grabstiehel; nickt aber ein Instlumeur, waS sich unter eines Franeuzimmerö ArdeirSzeng leicht findet; und so unbedeutend es ist, so kan» es doch zn Etwas führen, waS ich brauche. Sind mehrere Gravircr in St. Bignold?"

Gravirer ? mehrere? Nein, nur -Einer! Clement Lcbrun mit Namen.--

Jch meine, ick habe schon von ihm gehört."

Wahrscheinlich," versetzte der Sergeant trocken.Er hat Jungfer Julie ans dem Balkon hingehen gesehen."

Er wohnt also ganz in der Nabe?"

Ja und nein. Man braucht eine gute halbe Viertelstunde Wegs, um in die Sylvaine-Siraße zu komme», und doch.-- dabei zeigte er ans dem Feilster,ist das sein HauS gerade gegenüber."

Lonis fuhr bei diesen Worte» ans, streckte sich weit ans dem Fenster hinaus, als wolle er in eincm Satz über den schmalen Zwischenraum springen, bog sich dann zurück und untersuchte den Balkon genauer alö vorher.

Sie haben einen Gedanken ? meinte fragend der Sergeant.

Ja wohl."

Und ick auch."

LouiS sah seinem Begleiter scharf in's Gesicht, vermochte aber in seiner unbeweglichen Miene nichts zn lesen.Suchen wir den Lebrnn auf,-- sagte er endlich.

Er läßt nicht mit sich fpassen," sagte der Sergeant.

Ich auch nicht,-- lautete die gelassene, entschiedene Antwort.

Nachdem sie mehrere verwickelte krumme Gassen durchzogen hatten, erreichten sie die Rne Sylvaine und betraten Lebrnn'S HanS in Allem ein Gegensatz zn dem eben verlassenen. Es war so überfüllt mit menschlichen Wesen, als das Hotel de l'Orme öde; so voll Leben und Lauten, als das andere leer an Allem außer an furchtbaren Erinnerungen.

Lebrnn cmpstng sie kalt aber höflich, und als er von dem Sergeanten erfuhr, daß Louis ein Freund der Delorme'schen Familie sei und Alles zu hören wünsche, was er ihm von der Mordlhat miktheilcn könnte, so gab er seine Erzählung in ruhi­gen kurzen Worten.

Alles, was er wisse," sei daß, als er eben an der Arbeit am Morgen nach der Mordthat saß, er ein junges Frauen­zimmer ans dem Fenster gegenüber steige», aus dem schmalen Vorsprung hingchen und in das nächste steigen sah. Das war ihm damals als etwas Besonderes ausgefallen, und wie er von bcui Mord Hörle, habe er natürlich von dem gesprochen, was er gesehen.-- (Schluß f.)

Fenster mit doppelten Scheiben. Versieht man die gewöhnlichen Fensterrahmen mit doppelten Scheiben und läßt zwischen beiden einen Raum von etwa '/r Zoll, so wird nicht nur der von der Straße hcranfdringende Lärm gedämpft, sondern auch die Wärme im Zimmer viel länger znrückgehalten, als durch die sog. Doppelfenster. Diese Einrichtung empfiehlt sich nicht nur für Privatwohnungen, sondern hauptsächlich für Schulen, Höcsäle, Amtslokale und öffentliche Anstalten, deren Fenster auf die Straßen gehen.

Auflösung des Logogryvhö in Nr. 32: Olga, Gold, Nagold.

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.