Geor g.
(Fortsetzung.)
Indem er einen Augenblick auf der Schwelle verweilte, rief er durch ein halblautes Zeichen einen Ausmärker, der eben aus der Schcnkstnbe trat, zu sich heran.
„Sie sind cS, Herr Georg?" fragte dieser, vertraulich näher tretend.
„Ja, ich bin cS, Wilhelm. Ist drinnen Alles richtig?"
„Alles in Ordnung," flüsterte dieser, „cS hat sich heute noch keine Svnrnase blicken lassen."
„Ist Meister Stich anwesend?"
„Sie wissen sa, daß er keinen Abend fehlt. Er ist wieder im vollen Schwatzen."
„Höre, bringe mir einen vollen Krug und dann, sollte irgend etwas vorfallen, was Deinen Verdacht erregt, so gib mir bei Zeiten einen Wink.
Mit diesen Worten trat Georg in das Gastzimmer. Dort schallte ihm schon von ferne die Stimme des Meisters Stich entgegen.
„Ich frage Euch, Nachbar," schrie er, sich zu einem andern Bürger wendend, ,,leben wir in einem Neichsstaal? — Thnrstener, Personenstener, Fcnsterstener, Grundsteuer und dazu auch die Tabaksregie, so daß man nicht mehr mit Ruhe eine Prise nehmen kann und endlich die Dvnancn, — nun, ich sage Euch, cs wird noch so weit kommen, daß man uns de» Bissen Brod zuzählt, welchen wir in den Mund stecken! — Und ich sage Euch, es kann es hören, wer da will, aber ich bleibe dabei, es muß anders werden," fuhr er fort, ich weiß es ans sicherer Quelle—"
Hier fuhr Meister Stich, wie von einer elektrischen Kraft berührt, plötzlich von seinem Stuhle empor und wurde blaß wie der Tod, denn eine Hand hatte ihm auf die Schulter geklopft und eine Stimme sagte:
„Nun, so sprecht doch, damit wir einmal hören, was ihr eigentlich sagen wollt."
Während die Anwesenden bei dem sichtbaren Zeichen der Furcht, welche Meister Stich, trotz seines soeben gerühmten Mu- thes blicken ließ, in ein Helles Gelächter ansbracven, schaute der schwatzhafte Schneider dem jungen Manu zuerst ganz verblüfft ins Gesicht, fügte aber gleich darauf mir einem Seufzer der Erleichterung hinzu:
„Was Ihr mich erschreckt habt, Herr Georg! — Bei Gott, cs ist nicht recht, einen Patrioten so ans die Probe zu stellen! Ja, ein Patriot bin ich," rief der eifrige Nadclhcld, indem er sich mit der Hand vor die Brust schlug „und wenn nur Fünfhundert hier in Hamburg wären, die mir gleich kämen —"
„So würden Sie noch keine ManS ans dem Loche jagen," fügte eine schadenfrohe Stimme hinzu.
Meister Stich schnitt ein grimmiges Gesicht, fand aber für gut, seinen Zorn mit einem tüchtigen Schluck Bier hinnntcrzuspülen. Während jetzt eine kleine Pause cintrat, hatte sich Georg in ein Nebenzimmer zurückgezogen, und war jetzt damit beschäftigt, einige Zeilen auf ein Blatt Papier niedcrznschreiben.
„Wenn ich es mir recht überlege," sprach der junge Mann zu sich selbst, „so kann ich Herr v. Thalheini ebensogut bei der Tante als im „lustigen Dragoner" in Altona verbergen. Das Versteck ist nicht weniger sicher und ich habe den Vortheil, daß ich ihm nicht erst auf großen Umwegen Nachrichten zu geben brauche, wenn etwas von Wichtigkeit vorfällk. Es ist gut, daß ich mit ihm schon im Voraus für gewisse Vorkommnisse eine Art Geheimschrift verabredete. Es wird ihm daher nicht schwer fallen, meinen Brief zu verstehen und der tapfere Meister Stich soll ihn überbringen. Einwcihen darf ich diesen freilich nicht in das Gc- heimniß, denn seine schwazhaste Zunge würde eS bald aller Welt klar machen, aber ich denke, der alte Narr eignet sich am besten zum Boten, um unangefochten nach Altona zu gelangen, obgleich die Franzosen auf die Bestellung von Briefen dorthin die Todesstrafe gesetzt haben." *)
Diese letztere Betrachtung machte Georg allerdings noch für einige Augenblicke in seinem Entschluß wankend, allein da er selbst an ein wildes, gefahrvolles Leben gewohnt war, so nahm er es auch dabei leichter.
Er setzte sich daher nieder und schrieb:
„Wenn der Wolf sich nach Sonnenuntergang von seinem Lager erhebt, werden die Jäger, welche seine Spur verfolgen, ihn nicht finden, und er kan» in sein sicheres Versteck, in das Land, welches die. „wilden Männer" bewohnen, znrückkchren, um dort den Augenblick zu erwarte», wo es Zeit sein wird, das Lamm den Klanen des Geiers zu entreißen. Inzwischen Vorsicht, denn die Feinde sind wachsam!"
„So!" sagte der junge Mann, indem er den Bdief zusam- menfallete und versiegelte, „jetzt kommt es nur darauf an, ein Mittel ausfindig zu machen, welches am besten dazu geeignet ist, Meister Stich zur Annahmr dieser Botschaft zu bewegen. Doch darüber nackzusinnen, bleibt mir »och Zeit und ick denke, ich werde meinen Zweck am besten erreichen, wenn ich denselben auf dem Heimwege eine Strecke begleite und dann seine politischen Faseleien benutze, um zu meinem Ziele zu gelangen."
Georg kehrte unter diesen Betrachtungen in das Gastzimmer zurück, und indem er neben dem alten Meister Platz nahm, hörte er dessen hochtrabende Schwatzereien schweigend mit an, indem er nickt unterließ, zur Anfrechtbaltnng von dessen guter Laune, hier und da eine znstimmende Bemerkung einzuflcchten.
Endlick erhob man sich und auch der polttiscke Kannegießer griff nach Hut und Stock.
„Wollt Ihr allein nach Hause zurückkehrcn, Meister?" fragte Georg, der ebenfalls Anstalt zum Ausbruch machte.
„Und warum denn nicht?" rief der Kleiderkünstler im prahlenden Tone, indem er heransfordend um sich blickte, gleichzeitig neigte er sich aber auch zum Ohr des jungen Mannes und flüsterte:
„Glaubt Ihr, daß mir irgend eine Gefahr bevorsteht?"
„Nun, man kann nickt wissen. Ich meine, ich hätte vorhin ein Gesicht erblickt, welches mir verdächtig vorkam."
Meister Stick hing sich logleich an den Arm Gcorg'S.
„Kommt," sagte er, „ich fürchte mich zwar vor Tod und Teufel nicht, aber man kann nickt wissen — besser ist besser, und Ihr seid ein junger, kräftiger Gesell."
Beide traten auf die Straße. Georg bemerkte, daß sein Begleiter mißtrauisch um sich blickte und daß dessen Körper leise erbebte.
„Ich glaube wirklich, Ihr fürchtet Euch," sagte er in einem absichtlich spöttischen Tone.
Diese Bemerkung verletzte die Eigenliebe des alten Schneidermeisters.
„Ich mich fürchten?" rief er, wo denkt Ihr bin! Setzt mich auf die Probe, und Ihr werdet sehen, daß Ihr einen Mann vor Euch habt, der jede» Augenblick bereit ist, für die deutsche Sache zum Märtprer zu werden." (Forts, f.)
Allerlei.
— Kaffeetassen für Scknnrrbartbcsitzer geeignet sind seit einiger Zeit in Newyork eingefnhrt. Es ist bekannt, daß das Kaffeetrinken, Suppeneflcn re. für Leute mit großen Schnurrbärten insofern Unannehmlichkeit mir sich führt, als der Schnurrbart sich mit Milchrahm, Snppentheilen rc. stark bethaut und dieselben in die Kaffeetassen, Suppenteller rc. wieder zurückrränfelt. Man hat dcßhalb die Kaffeetassen theilweisc bedeckt und blos eine Muudöffnung gelassen. Dasselbe hat man jetzt mit den Löffeln gethan und hat sich natürlicher Weise ein Uankee diese Löffel patentsten lassen. Wir glauben, sagt der „Arbeitgeber" baß diese Notiz für die ganze schnurrbarttragende Welt von Interesse ist.
Sein kiinstkg Schicksal weiß nicht Einer, Drum zaget nie, verzweifle Keiner.
(Götbc.)
Räthsel.
Aus den Resten Kleiner Kästen Wird die Erste dargcstellt.
Aus den besten Festen Arsten
Mach' die Zweite junger Held!
Bon den Festen Mir am beste».
Wo man's Ganze schenkt, gefällt.
*) Historisch.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiscr'schen Buchhandlung.