die Delegirten-Versammlung „mit Allen, mit Vielen oder mit Wenigen", wie einst Radowitz die Union, schon im kommenden Frühjahr in Scene setzen wird.
Frankfnrt 6. Nov. Der im Jahr 1854 >!) niedcrgesctzte Ausschuß über den Antrag Preußens auf Aufhebung der öffcnt- lichen Spielbanken erstattete in der heutigen Bundestagssttzung Bericht. Sein Antrag geht dahin, die Erklärung in das Pro- tokoll niederzulegen, daß' die Spielbanken ein soziales Uebel seien und der Moral zuwiderlaufen; ferner zu erkläre», daß keine öf. sentlichen Banken mehr gestattet würden, die bestehenden möglichst bald zu beseitigen und bis dahin zu beschränken seien. Abstimmung in 4 Wochen.
Aus Kassel dürfen wir für die nächste Zeit wahrscheinlich der nicht mehr ganz ungewöhnlichen Nachricht von einer Auflösung der Kammer entgegensehen. Tie Stände sollen wenigstens nach der „versöhnlichen" Eröffnungsrede von der Unversöhnlick- kcit der Negierung so fest überzeugt sein, daß sie zur Ablehnung der Wahlgesetzvorlagc nunmehr cinmüthig entschlossen sind.
Köln, 1. Nov. Wie der „Carlsr. Z." mitgetheilt wird, hat der Erzbischof seinen vielvennögcnden Einfluß im Gemeinderath und in sonstigen Kreisen dahin verwendet, um die Wahl des protestantischen Her» v. Bockum-Dolsss znm Oberbürgermeister zu hintertreiben. Herr v. Geissel ist der Ansicht, es zieme sich für die alte heilige Stadt Köln nicht, einen nicktkatbolischcn Vorstand zu wäblen. Trotzdem haben sich bekanntlich von 25 Stadt- räthcn 15 bereits für Herrn v. Bockum-Dolffs ausgesprochen.
Berlin, 7. Nov. Gestern Abend war im Salon des Staatsministers eine Cvnserenz, der 65 Abgeordneten anwohnten. Sie bewirkte eine Ausgleichung der in letzter Zeit zwischen dem Ministerium und den Abgeordneten erhobenen Differenzen: die einjährige Steuererhebung wurde angenommen. Ein Allerhöchstes Handschreiben beruft die Landtage auf den 10. Dezember. (T. d. N.-Z.)
Es scheinen in Preußen schwere Zeiten bevor zu stehen. Am 31. Okt. sagte der König zu einer Deputation: „Meinen besten Absichten steht vielfach ein Geist des Widerspruchs und der Lüge entgegen, der erst gebrochen werden muß, wenn ein wahrer Fortschritt gedeihen soll. Nicht blos die Armee-Umbildung im Abgeordnetenhause ist gefährdet, auch andere Büdg et-Titel sind abgelchnt. Durch die Partcinmtriebe stehen noch höhere Güter auf dem Spiele; denn der religiöse Sinn des Volkes wird irre geleitet. Das darf nicht geschehen und ich werde dahin wirken , baß der Glaube im Volk bewahrt bleibe. Wir müssen alle wach sein und bleiben, damit cs wieder besser werde; denn viele Erscheinungen sind wieder wie im Jahr 1848. Meine Pflicht und mein Wille ist es, alle lheucrn Guter des Vaterlandes, zu schützen und ich werde jedem unberechtigten Anbringcu mit Festigkeit widerstreben. Gott wolle mir dazu Kraft verleihen! Vertrauen Sie mir: Gott hat Preußen noch nie verlassen."
Will Preußen etwa mit Frankreich gehen, so gehen wir mit Oestreich, denkt wahrscheinlich der alte Palmerston. So günstig und freundlich hat sich lange kein englischer Minister über Oestreich und die Vortheile inniger Beziehungen zu demselben für England ausgesprochen, als jüngst der englische Premierminister. Seine Rede ist so gehalten, daß eine bestimmte Absicht dabei unverkennbar ist. Die preußische Regierung mag sich vorseht»: der neue französische Minister des Auswärtigen ist auch ein Freund Oestreichs. Sollten für Preußen schwierige äußere Verwickelun- gen kommen, die Adrcßdeputationen der feudalen Partei werden es schwerlich aus denselben Herausreißen.
In Oestreich muß die Sorge um geistlichen Nachwuchs groß sein. Der Erzbischof von Olmütz hat allen Geistlichen seines Sprengels geradezu geboten, täglich und inbrünstig zu Gott zu beten, „daß er die studirende Jugend erleuchten möge, damit sie ihre^ Herzen ablenke von weltlichen Dingen und sich dem geistlichen Stande zuwende." Die armen Geistlichen beten gehorsam, aber mit Seufzen; denn sie wissen, wie schwer der geistliche Stand ist und wie leicht nur in Ansehung irdischen Mammons, da diese goldene Last ihnen von den Obern so sehr abgenommen wird, daß für sie nichts zu tragen übrig bleibt.
In einer ungarischen Ortschaft hat Heuer ein Apfelbaum drei mal Früchte getragen, und erst jneuerdings wieder frische Blüthen getrieben. Das zweite Mal trug er etwa 20. das dritte Mal 12 Stück Aepfcl, welche die Größe einer Nuß erreichten.
Turin. Die „offizielle Zeitung" veröffentlicht ein königliches Dekret, wodurch die Amnestie vom 5. Okt. auf alle Diejenigen ausgedehnt wird, welche sich vermittelst der Presse, durch
öffentliche Demonstrationen oder in irgend einer andern Weise an den in besagter Amnestie bezeichneten Thaten betheiligt haben.
Turin 2. Nov. Die Besserung Garibaldis macht seit einigen Tagen ungewöhnliche Fortschritte, welch Viele dem veränderten Wohnorte zuschrciben. Die Aerzte glauben, daß seine Heilung ohne Amputation gesichert ist. — Die g r iech isch e Revolution findet bei den Italienern die vollsten Sympathieen. — In Sicilie» nehmen die Mordthaten ab. Vom 1—15. Okt. sind auf der ganzen Insel nur (!) 42 vorgekommen.
In Italien wird die Räuberei ins Große getrieben; bei Neapel wurde die Post von nicht weniger als 120 Räubern an- gcfallen und ausgeplündert.
Man entnimmt einer Korrespondenz der Italic aus Neapel, daß nach einem dort herrschenden Gebrauch die Leichen ungetanster Neugeborener nicht auf dem Kirchhofe begraben, sondern in ei» Kellergewölbe unter der Kirche von Santa Maria la Nuova geworfen wurden. Dort wurden sie von unermeßlichen Schwärmen großer Ratten aufgefreffen. Die Stadtbehörde hat sich endlich zur Abschaffung veranlaßt gesehen, und trotz der Protestation des Gencralvikars von Neapel, auf dem großen Kirchhofe von Poggio Reale einen besonder!! Raum zur Aufnahme der ungekauften Kinder Herrichten lassen.
Madrid, 5. Nov. In einem außcrodentlichen Minister- rath wurde die Bestrafung des Amerikaners zu fordern beschlossen, der die spanische Flagge verletzt hatte. Die Königin empfing den amerikanischen Gesandten, er drückte das Bedauern der amerikanischen Regierung über die Vorkommnisse aus und versicherte, Montgomcry sei von Amerika nicht antorisirt. (T. d. N.-Z.)
Am 1 Nov. ist die Industrie-Ausstellung in England geschlossen worden und das Ausräumen hat begonnen.
Ein mit 3000 Faß Erdöl beladenes Schiff von Montreal nach Liverpool strandete am 24. unweit Liverpool, nachdem bereits die Masten gekappt waren. Als die Mannschaft das Schiff verlassen wollte, entdeckte man, daß die Ladung brenne, die Besatzung mußte deßhalb, mit Zurücklassung aller Habe, sich schleunigst durch Schwimmen zu retten suchen. Die Ladung war aufgebrochen und eine See von Erdöl umgab das Schiff, so daß die Schwimmenden durch dieselbe fast erstickt worden. Trotzdem gelang es der Besatzung, mit Ausnahme von 5 Mann, sich zu retten. In wenigen Stunden war von dem Schiffe nicht eine Spur vorhanden, doch war der Geruch in weiter Umgebung und auch in ganz'Liverpool so stark, daß man sogar genöthigt war, im Lesezimmer der Börse mit Chlorkalk zu sprengen.
Neuyork, 25. Okt. Die Secessionisten haben eine Niederlage zu Pearidge in Arkansas mit dem Verluste ihrer Artillerie und ihres Gepäcks erlitten. .(Fr Pstz)
Krällter-Aennchrn
(Fortsetzung.)
Westlich vom Residenzschlosse Hainberg liegen, dicht an den Schloßberg angebant, ganz von Wald umgeben die bedeutenden Ruine» des allberühmten Gertraudcnklosters, von einer frommen Stammmutter deS regierenden Fürstenhauses auf Papst Gregor VII. Geheiß gestiftet, als ihr Gemahl einen Erzbischof bekriegt und dadurch den Zorn des eisernen Kirchenhauptcs sich zugezogen hatte. Diese grauen Ruinen sind nach Außen durch eine hohe Mauer abgeschlossen und im Volke lebt seit Jahrhunderten die Sage, ein unterirdischer Gang, von jenem Gemahl der Klosterstif- terin angelegt, um die unfreiwillig zu einer Aebtissin gemachte und ganz von seiner Seite gerissene treue Lebensgefährtin ungesehen besuchen zu können, verbinde im Bauche des Schloßbergcs die alte Hainburg mit dem Kloster und münde in der Tiefe des riesigen Schloßthurmes. Ein geheim erzogener Klostersohn der geistlich cingckerkerten Fürstin sei später ein gewaltiger Gaugraf geworden, habe nach dem Tode seines Vaters einen Vetter, der sich der Herrschaft bemächtigen wollte, mit ergebenen Jägern und Köhlern erfolgreich bekriegt und das schöne uud wildromantische Waidmannsheil angelegt , um daselbst alljährlich zwei Mal jenen Jägern und Köhlern aus Dankbarkeit ein Jagdfest zu geben. Diese Sage ward außerhalb des Schlosses nie ergründet; im Schloßthurme befand sich allerdings eine kleine, mit Staub und Moder dicht bedeckte Fallthür, aber Niemand ließ sich beikommen, zu untersuchen, was dahinter verborgen war. Die Ruinen schienen völlig ungangbar und wurden von den Fürsten nur aus Pietät gegen die Altvordern unangetastet gelassen.