Athen, 30. Okt. Die provisorische Regierung wird über­all anerkannt. Die Bürger und Studenten haben sich zum Schutz der Hauptstadt organisirt. Die königlichen Effekten find ausge­liefert worden. (T. d. N.-Z.)

Griechenland ist für König Otto und sein Haus ver­loren. Der König hat das Land von Corfu aus verlassen und ist nach Venedig oder Triest gesegelt, obgleich auch diese Nach­richten noch nicht ganz sicher sind. König Otto hat nicht un- konstitutionell regiert, aber er hat nichts für die Vergrößerung Griechenlands gethan; das hat ihm in den Auge» der ehrgeizi­gen Griechen geschadet und gestürzt; vielleicht auch, daß er keine Kinder hatte. Eine englische und eine französische Flotte sind, wie schon bekannt, auf der Fahrt nach Griechenland. Die Grie­chen sollen einen Leuchtenberg zum König wünschen; Rußland und Frankreich würden nichts dagegen haben. England zeigt sich ganz einverstanden mit der Revolution. Die Times ver­sichert höchst bestimmt, die Wahl des Prinzen Alfred zum grie­chischen Könige werde in England nicht gewünscht, England werde aber keinen Protest gegen die Wahl des Herzogs von Leuchten­berg, des Grafen von Flandern oder des Fürsten Npstlanti er­heben. N«r zweierlei werden sich die Engländer vorderhand ver­bitten, 1) daß die Griechen gegen die Türken die Waffen ergrei­fen, um ihnen Provinzen zu entreißen und 2) daß sie die Ionier aufcufen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen; denn ans den Ioniern liegt die Tatze des englische» Leoparden.

Veracruz. Eine Proklamation des Generals Forey vom 23. an das Volk von Mexiko sagt: Wenn das Volk durch unsere Waffen frei geworden ist, so wird es eine Regierung frei wäh­len, welche ihm gutdünkt. Er sei geschickt, dies zu erklären. Ein Dekret Forey's setzt Almonte ab, löst seine Negierung auf und erklärt seine Vorordnungen und Gesetze für nichtig, Diese Maßregeln werden mit allgemeinem Enthusiasmus aller Parteien aufgenommen. Der Vomito (das schwarze Erbrechen, eine töbt- liche Krankheit der heißen Zone ist verschwunden. (T. d. N.-Z.)

Krättter-Aennchen.

(Fortsetzung.)

In den Augen des Hofstallmeisters galt indcß der Hofrent­meister, der ein überaus glänzendes Haus machte, als sehr wohl­habend und er rechnete aus einen starken schwiegervaterlichen Zuschuß zu seinen Repräsentalionskosten. Der Hofstallmcistec war überdies ein leidenschaftlicher Spieler und wegen bedeutender Spielschulden mit seiner Standesehre schon manchmal ins Gedränge gekommen. Wenn er einen vermögenden Schwiegervater hatte, so konnte dieser ja gar nicht anders, er mußte ihm beispringe». So combinirte der alternde Junggeselle. Wie beide Männer sich gegenseitig täuschten, zeigte die Entwickelung der Ereignisse. Anna sträubte sich vom Beginn der Bewerbung des Stallmeisters an mit der ganzen Widerstandskraft ihrer Seele gegen jede Annähe­rung und schloß sich um so inniger an ihren Ferner. DaS Auge des eifersüchtigen Ferners sieht scharf und der Hofstallmeister merkte daher rasch die Ursache ihres Sträubens. Entrüstet entfernte er, als höchster Hosbeamter, den jungen GÜickliichen vom Hofe, in­dem er ihn als Hülfsförüer nach dem fünf Stunden vom Schlosse Hamburg entfernten Staatsforste Waidmannsheil detaschirte, und theilte seinen Schwiegereltern in sxo seine Beobachtung mit. Von diesem Augenblicke an wurden die Hochzeits-Arrangements rascher getroffen, aber die auf Schritt und Tritt beobachtete Anna haßte von da an den listigen Störer ihres geheimen Glückes wie den Tod. Je näher der Tag der Vermählung heranrückte, desto un­ruhiger ward räthselhafter Weise der Hofreiitmeister; er schrack heftig zusammen, wenn ein plötzliches Geräusch entstand oder die Thür seines Wohnzimmers unversehens geöffnet ward, und jedes Mal, wenn er ein Schreiben ans dem fürstlichen Cabinet oder eine Citalion des Fürsten, dem er über die Cafsenvcrwaltung oft persönlich reserirte, erhielt, ward er vor Entsetzen todtcnbleich. Niemals aber ließ er sich von seiner Gemahlin zur Mitthcilung der Ursache dieses anscheinend krankhafte» Gemüthszustaudes be­wege».

Die Schloßkirche zu Hainburg war zwei Monate nach der Entdeckung des geheimen Verhältnisses zwischen Gottwald Ferner und Anna Mohl, mit blumige» Guirlanden geschmückt und das Fußgetäfel mit Rosen und Myrte bestreut. Es galt die Schließung des Ehebruches zwischen dem Hofmarschall von Kiekebusch und der schönen Anna Mohl.

In der Wohnung des Hofrentmeisters, der an diesem Tage

ungewöhnlich blaß aussah, waren die zu der feierlichen Ceremonie geladenen Gäste und die Brautjungfern, in weißen Atlas geklei­det, bereits versammelt. Anna, strahlend weiß gekleidet, zierliche Myrtenblüte im braunen Haar, verhielt sich still und passiv. Sie glich einer todten Braut, durch Galvanismns aufgerichtet. In ihren von heimlichen Weinen gerötheten schönen Angen ruhte der Ausdruck tiefen Schmerzes, den ihre vor Freude strahlende Mut­ter vergebens durch Lächeln und strafende Blicke zu verscheuchen suchte. Die stolze Frau zog das arme Kind einen Augenblick bei Seite, um einen letzten Versuch zu machen, sie heiter zu stimmen.

Hast du vernommen, Aennchen? Der Fürst will in seiner Betcapelle Zeuge Deines Ehrentages sein; daß die Fürstin sich geweigert hat, ebenfalls zu erscheinen, hängt wahrscheinlich nur mit ihrem fortwährenden Unwohlsein zusammen. Denke Dir den Neid der Damen, wenn sie sehen, daß Dir fürstliche Ehre wi­derfährt! Denke Dir das Glück Deines Vaters!

Anna blieb gleichgültig, wie eine Vernrthcilte, die keine Hoff­nung mehr hat. Jetzt erschien der Bräutigam, in großer Hof- uniform, mit einem Orden geziert, den er vom benachbarten Fürsten als Ucberbringer einer Botschaft seines Souverains ans Cvmmiseralion empfangen, nebst seinen rituellen Begleitern. Man begab sich in feierlichem Zuge den Schloßberg empor zur Kirche, zu Fuß, um der Pracht willen und weil der Weg zur Kirche nicht gut anders zu erreichen war. Anna ward von ihrer Mutter ge­leitet, weil sie wankte und wie cs schien des rauhen Zuspruchs der eitlen und mitleidslosen Dame bedurfte. Der Hofrentmeister schritt neben dem Bräutigam. Man langte an und verfügte sich auf die bestimmten Plätze. Der Hoforganist präludirte zu einem Chorverse; er war kühn genug, Mendelsohn's ,,Es ist bestimmt in Gottes Rath rc." in bas Präludium mit cinzuflechten. In Anna's Augen funkelte» zwei silberne Perlen. Aber sie blieb ruhig und regungslos. Der Schloßcaplan begann seinen Sermon» er kam zu der Formel und fragte den Bränligam: ob er geson­nen sei, die Jungfrau Anna Mohl zum ehelichen Gemahl zu nehmen.

Kiekebusch antwortete mit einem graziösen Ja. Sein etwas unstäier Blick streifte »ach der fürstlichen Loge und kehrte dann auf Anna zurück, wo er wünschevoll haften blieb. Als der Stall­meister sein Ja gesprochen, entstand eine natürliche Pause. Ein Seufzer ward während derselben hörbar, so leise, daß er Nie­mandes Aufmerksamkeit erregte, dessen Augen und Sinne bei der heutigen Feier waren. Anna hörte ihn; der Fittig der Sympathie wehte den geheimen Schmerzenslaut in ihre Seele. Unwillkürlich fiel ihr Blick unter der halbgesenkten Wimper hervor auf das schmale Gitter der Sacristei, hinter welchem, in diesem Augenblicke nur ihr sichtbar, ein männnlichcr Lockenkopf lauerte. Anna stieß einen Schrei aus und der Kopf verschwand schnell. Aber .das Mädchen flog wie eine Wahnsinnige nach der Sacristei und war verschwunden, ehe die Anwesenden sich von ihrem Erstaunen und Schrecken erholen konnten. Der Hofrcntmeister war der Erste, welcher sich aus momentanem Erstarren aufraffie und der Enteil­ten »achstürzte.

Ihm folgte der Stallmeister mit den klebrigen; die Mutter Anna's mußte halb ohnmächtig langsam nachgeführt werden. Aus der Sacristei gelaugte man in weil ausgedehnte düstere Schloß- ränme, die von der Herrschaft und den höheren Beamten höchst seilen betreten wurden und an ihren Endpunkten auf der einen Seite in einen ans dem vierzehnten Jahrhundert stammenden Rie- scnthurm, ans der andern Seite durch eine enge Pforte nach dem Walde führten. Letztere Pforte war geschlossen. Von dem ent­flohenen Mädchen war keine Spur zu entdecken. Angstvoll durch­suchte der Hofrentmeister, immer die si warzgckleidete Hoflente hinter sich, jeden Schlupfwinkel und riß endlich auch die uralte, in ihren Angeln morsche Eisenthüc zu dem Thurme auf, dessen feuchte Rundung nur durch einen von oben einfaüenden schwachen Lichtstrahl düster erhellt ward. Athemlos eilte der Alte achtzig steinerne Stufen hinauf, trat ans das Plateau und horchte, ob durch die an das Eisengitter schlagenden Kronen uralter Eichen ein Geräusch zu ihm heraustöne. Aber Alles war todlenstill und er trat tief bekümmert den Rückweg an. Kalter Schweiß bedeckte seine Stirn.

Sie ist verschwunden, meine Herren; die Trauung muß ver­schoben werden, sprach er mit stockender Stimme und wankte hin­aus, um sich in seine Amtswohnung zurück zu begeben.

(Fortsetzung folgt.)

^ Druck und Perlug der B. W. Zuijer'l-din Buchhandlung. vledaknou: Holzie.