Nahrungsforgen.
Eine wahre Begebenheit.
(Fortsetzung.)
Da mir nicht unbekannt war, wie oft schon Schriftsteller die glänzendsten Erfolge dadurch erzielt, daß sie sich einen gewissen Ruf erworben als ausgezeichnete Männer in dem Fache, über welches sie geschrieben, so entschloß ich mich, mein Heil auf diese Weise zu versuchen. Mehrere Monate arbeitete ich unverdrossen an einem Werke über die Krankheiten der Lunge. Ich verweil» dete unsägliche Mühe darauf, und meine Arbeit wurde mir versüßt durch meine Frau, welche nicht müde wurde, die langen Sommerabende, gleich einem Engel, neben mir zu sitze», mich tröstend und ermuthigend durch Prophezeiungen von Erfolg. Sie erleichterte mir meine Arbeit, indem sie sich der Reinschrift des Manuscriptes unterzog, und als es endlich vollendet war, nachdem es wohl zwanzigmal durchlesen und revidirt worden, so daß kein Komma daran fehlte, eilte ich, voll von Hoffnung und Furcht, zu einem berühmten Verleger mebicinischer Schriften, hoffend, er werde mir alsbald das Verlagsrecht abkaufen. 250 Dollars, hatte ich mir gedacht, wird das Geringste sein, was man mir dafür bieten dürfte; weniger wollte ich in keinem Falle nehmen. Schon batte ich einen kleinen Tbeil davon bestimmt, für meine Frau ein schone-- seidenes Kleid zu kaufen. Aber, ach! meine Hoffnungen ft-ltten bald zu Wasser werben. Der Buchhändler empfing mich mit der größten Artigkeit, lauschte aus jedes Wort, das ieb ibin tagte, «ich lebten lick 'ehe zu iiueiellue» für meine neue Ansichten über die bebaneelie Krankheit,'von welchen ich kühn behanplete, sie wurden zweifelsohne die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mein Herz hupfte vor Freude, als ich sein sprechendes Auge mit dem Blicke eines Mannes, der sich für etwas warm interessirt und auf einen Handel cinzngehen geneigt ist, auf mich gerichtet sah. Nachdem ich mich beinahe heiser gesprochen, nahm er seine Augengläser ab und versicherte Mich auf die höflichste Weise, daß das Werk zwar seinen vollkommenen Beifall habe, daß er sich aber fest vorgenommen, nie mehr medicinische Schriften auf eigene Rechnung zu verlegen. Stammelnd und dem Umnuth fast erliegend, fragte ich ihn, ob das fein unabänderlicher Beschluß sei.
„Ja," antwortete er mir, „denn ich habe bei Spekulationen dieser Art zu große Verluste erlitten."
Ich band das Manuscript zusammen und ging fort.
Sobald ich den Laden des Buchhändlers verlasse», lockten Kummer und Aergerniß mir Thränen aus den Augen; ich hätte fast laut weinen mögen. Wer mir in diesem Augenblick zuerst begegnete, war mein theurcs Weib; denn wir hatten die ganze Nacht hindurch und während des Frühstücks davon gesprochen, wie wohl der Gang ausfallen werde, und ihre ängstliche Lesorg- niß ließ es nicht zu, meine Rückkehr abzuwarten. Auf der anderen Seite der Straße war sie auf und abgcgangen, und wie ich den Laden verließ, flog sie auf mich zu. Ich konnte nicht mit ihr sprechen, mir war's, als wäre mir die Kehle zugcschnürt. Ihre unaufhörlichen Beweise von Zärtlichkeit und Thcilnahme brachten mich endlich in eine ruhige Geuiülhsstimmung und wir gingen heim zum Mittagessen.
Nachmittags bot ich das Manuscript noch einem Buchhändler an, der mir aber ohne Weiteres sagte, er gebe sich nie mit dergleichen Dingen ab. Nach und nach bot ich es jedem Verleger mebicinischer Schriften an, jedoch — mit gleichem Erfolge. Einer gab mir den Rath, das Lücherschreibcn aufzugeben und bei meiner Praxis zu bleiben; ein anderer meinte, um ein derartiges Werk zu schreibe», wäre ich noch viel zu jung; zuletzt sagte meine Frau: „Laß es doch auf Deine eigene Rechnung drucken." Daran war jedoch schon deßhalb nicht zu denken, weil cs mir an den nöthigen Mitteln hiezu gebrach, und ein gutmüthiger Buchhändler , gegen den ich dieses Projektes Erwähnung that» ertheilte mir die Versicherung: wcnu ich es in Selbstverlag nähme, würbe cs durchfallen, che es noch recht geboren worden. Als ich von diesem letzten Versuche nach Hause kam, warf ich mich auf einen Stuhl neben dem Feuer, meiner Frau gegenüber, ohne ein Wort zu sprechen. Ein ängstliches Lächeln von treuherziger Besorgniß schwebte auf ihrem Gesichte. Meine aufgeregte und ärgerliche Miene überzeugte sie, daß ich mich schließlich in meinen Erwartungen getäuscht, und daß die mühselige Arbeit von sechs Monaten rein umsonst gewesen. Zn einem Anfall von Groll und Leidenschaft schleuderte ich das Manuscript ins Feuer, allein Emilie entriß eS schnell den Flammen, schlang ihre Arme um
meinen Hals und brachte mich durch ihre Küsse in ein Gefühl der Ruhe, wdnn auch nicht des Wohlbehagens. Ich legte das Manuscript in ein Schubfach meines Arbeitstisches, und cs war dies mein erster und letzter Versuch, als mebicinischer Schriftsteller aufzulreten.
Was auch immer die Ursache gewesen sein mag, ich schien nun einmal dazu bestimmt, in meinem Beruf kein Glück zu ha» den. Obgleich mein Name an meiner Thür prangte und die ehrbare Nachbarschaft nothwendigerweise das Regelmäßige und Anständige in meinem Thun und Lassen bemerkt haben mußte, so fiel es doch nie Jemanden ein, meine Dienste in Anspruch zu nehmen. Wäre ich im Stande gewesen, eine Reihe Wagen vor meiner Thür zur Schau zu stelle», oder zahlreiche Gesellschaften zu empfangen, oder in einer prächtigen Equipage in der Stadt herumzufahren — ja, wenn ich das hätte thuu könne», dann würbe es wahrscheinlich ganz anders mit nur gestanden sein.
Um aufrichtig zu Wrrke zu gehen, muß ich iudeß bekennen, daß meine unbedeutende Persönlichkeit und nicht einnehmende Ge- flchtsbilbung weitere Ursachen gewesen sein mögen, warum cs mit mir nicht vorwärts gehen wollte. Doch gab es Tausende, denen daS kein ernstliches Hinderniß war. Ein großes Unglück war es für mich ohne Zweifel, daß es mir an Empfehlungen fehlte. Um diesem Mangel abzuhelfen, machte ich einen Besuch bei einem gan> weitläufigen Verwandten von mir, einem Manne von sehr großem Wohlstände, der in der sünfte» Avenue wohnte, um seine l»önmrich»tt lii Anspruch zu nehme». Nachdem ich jedoch meine Adresse abgegeben, mußte ich in einem Vorzimmer so lange warten, daß ich darüber die Verwandtschaft vergaß und das Hans verließ, mich wuudernb, wie ich dahin gekommen. Da ich nie mehr Neigung verspürte, wieder dorthin zu gehen, so waren allgemeine Aussichten, von dieser Seite her Empfehlungen zu bekommen, zu Ende, und es blieb mir deßhalb nichts weiter übrig, als ausschließlich auf die eigene Kraft mich zu verlasse» und es dem Zufall anheim zu stellen, daß ich Patienten bekommen werde.
Um diese Zeit wurde ich einst zu dem jungen Charles §. berufen, welcher in der 14. Straße wohnte. Erfreut über die Aussicht, mir eine» so hochgestellten Patienten zu sichern, eilte ich in sei» Haus mit dem Entschlüsse, mein Möglichstes zu tbun, damit ich seine Zufriedenheit erwerbe. Als ich ins Zimmer trat, fand ich Len Sprößliug der Mode in einem carmoisinrothcn seidenen Schlafrvck gehüllt, auf dem Sopha sitzend »nd eine Taffe Kaffee schlürfend; einen Augenblick stellte er die Taffe hin, um mich durch sei» Augenglas zu prüfen, und dann gab er mir die Weisung, den geschwollenen Fuß seines Lieblings — eines Wachtelhundes, zu untersuchen.
Einen zornigen Blick auf den Gecken schleudernd, ging ich augenblicklich fort, ohne ein Wort zu verlieren.
Ein noch weit kränkenderer Vorfall ereignete sich kurz darauf. Ich hatte das Unglück, bei einem plötzlichen Ereignisse zu einer Evnsultation berufen zu werden mit dem berühmten Dr. F. Es war dieses das erste ärztliche Consilium, zu welchem ich in meinem Leben berufen worden und es war mir daran gelegen, mit Ehren durchzukommen. Ich werde nie die unverschämte, herablassende Miene vergessen, mit welcher er mich empfangen, noch die Bemerkung, die er in Gegenwart mehrerer, sowohl zum Fache gehöriger, als nicht dazu gehöriger Männer gemacht: „Ich versichere Sie, Doktor, es ist in der That ein gewisser Unterschied zwischen Apoplexie und Epilepsie, wenigstens war einer, als ich noch ein junger Mann war."
Er begleitete diese Worte mit einem anmaßenden und mitleidigen Blicke, den er aus die Dame richtete, deren Gatte unser Patient war, und ich habe kaum noch nöthig, hinzuzufügen, Laß meine Dienste nicht weiter begehrt wurden.
Noch einige andere Fälle, die mit den bereits erzählten Ähnlichkeit hatten, begannen endlich mich mürbe und sauertöpfisch zu machen, und wäre mir nicht meine Frau mit ihrer unveränderten Lieblichkeit und Heiterkeit zur Seite gewesen, so wäre mir das Dasein unerträglich geworden.
Alle meine Bemühungen, all' mein Streben war umsonst; was ich auch unternahm, was ich versuchte, es schlug immer fehl; mein Ruin schien unvermeidlich. Meine Mittel waren erschöpft und rasch versiegt, denn meine Ausgaben, so mäßig sie auch waren, hatten bei dem Mangel jeglichen Einkommens keinerlei Ge- gengewicht. Die bitterste Armuth grinste mir entgegen.
( Fortsetzung folgt.)
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