tzen wir uns besser vor Witterungseinflüssen als durch Pudelmütze und Pelzrock.
Aber nun weiter. Ich wollte auch über die Nahrung sprechen, die auf die Entwickelung des Körpers ungünstig wirke. Wir rssen, um zu leben, aber wir leben nicht, um zu essen, wie Mancher zu glauben scheint. Es gibt Leute, deren einziger Lebenszweck ist, den Bauch zu Pflegen', deren höchstes Vergnügen, möglichst viel und möglichst gut zu essen und zu trinken. Tie meisten Menschen essen zu viel, das kann man mit vollem Reckte sagen. Die Nahrung ist nur dazu da, um im Alter des Erwachsenen die durch Leibcsthätigkeit verbrauchten Stoffe zu ersetzen, beim Kinde außerdem noch Stoff zum Wachsthum zu liefern. Deshalb darf also das Kind verhältnißmäßig mehr (aber nicht auf einmal, weil sonst die Verdauung leidet, sondern in kürzeren Zwischenräumen) essen als ein Erwachsener. Zum Ersatz des verbrauchten Stoffes gehört aber nickt viel Nahrung, wenn dieselbe nur vernünftig gewählt ist. Und wornach soll sich diese Wahl richten? Es gibt hauptsächlich zweierlei Art von Nahrungsmitteln, die beide nöthwcndig, dock verschiedenen Zwecken dienen. Dieme Art sind diejenigen, welche Stoff gebe» für die Neubildung der abgenutzten Körpertheile; dabin gehören Fleisch, Eier, Milch, überhaupt alle aus dem Thierrcick genommenen Nabrnngsmittcl mit Ausnahme de? Fettes, ferner Hülsenfrüchte, Getreide und Brod. Auch Gemüse, Kartoffeln, Wnizeln. Kehl. Früchte, Bier wirken einigermaßen, aber schweig','!, als di erNerwäünlen :u dieser Weise. Die andere Art der Nahrungsmittel Var den Zweck, der inneren Onclle der lbieriscken Wanne enia- ihre Zei'eNnng im Körper Nahrung zu geben. Dahin gehöre» Wem, Bier und alle geistigen Getränke, stärkemebl- und zuckerhaltige Nahrungsmittel, thieriscke und Pflanzen-Fette. Eine Nahrung nu», die gleichmäßig aus diesen beiden Arte» von Stoffen zusammengesetzt ist, wird am besten dem Bcdürfniß der Erhaltung dienen. Und im Allgemeinen leitet »ns auch das Gesicht in dieser Beziehung richtig. Wir essen ein Bulterbrod mit Schinken und trinken ein Glas Bier dazu, und haben 'so das zweckmäßigste Gemisch der Nahrungsstoffe getroffen. Ebenso wen» wir Suppe, Gemüse, Braten und eingemachte Früchte als Mahlzeit genießen. Jede einfache, kräftige Hausmannskost enthält die zum Leben nothweu- digen Nahrungsstoffe in gehörigem Verhältnis.
Aber auch die zweckmäßige Mischung der Nahrung kann den Zweck der Erhaltung mangelhaft erfüllen, wenn sie zu viel oder zu wenig genossen wird. Zu wenig essen allerdings nur wenige Menschen, wenn nicht Dürftigkeit daran schuld ist, sonst höchstens eitle Mädchen, die sich lfürchten, ihren schlanke» Wuchs durch Körperfülle zu verderben, und die lieber die Waugeuröthe der Jugendkraft dem eingebildeten Vorzüge wespenartig gestalteter Zerbrechlichkeit opfern. Die Meisten aber esse» zu viel, und noch Mehrere trinken zu viel. Das dient aber nickt zur Erhaltung, im Gegentheil, das stört dieselbe. Wenn der Magen kräftig ist, so verträgt er allerdings lange, wohl das ganze Leben hindurch, eine übermäßige Speisemenge; aber der Leib des Schlemmers schwillt unförmig an und verbietet endlich jede rege Bewegung. Dadurch tritt die Anregung zum Verbrauch des Ansgespeichcrten in den Hintergrund, es wird immer neuer Stoff angehäuft, der Mensch wird immer nnbebülslicher, die einzelnen Körpertheile erschlaffen aus Mangel an Uebung, und endlich wird ein solches Fett-Ungethüm sich selbst eine unüberwindliche Last, die sich ohne Keuchen kaum wenige Schritte fortznsckleppen vermag. Oder wenn im andern Falle der Mage» die übermäßige Fülle der Nabrung nickt bewältigen kann, so leidet zuerst die Verdauung und allmälig auch die übrigen Kvrperverrichtnngcn; und so kann die Unmäßigkeit den ursprünglich gesunde», kräftigen Körper zu Grunde richten.
Lebten wir in einem natürlicheren Zustande, so würden wir nur essen, wenn wir Hunger empfänden, das heißt, wen» wir das wirkliche Bedürfnis nach Nahrung hätten. Doch Viele essen aus Langweile oder nicht aus Hunger des Magens, sonder» der Zunge, um diese zu kitzeln. Dergleichen kann aber immer nur bei solchen Menschen Vorkommen, die leiblich brach liegen; denn wer den Körper zu allgemeiner Thätigkeit anhält, der wird durch dieselbe de» Verbrauch der Stoffe so fördern, daß bald das Bedüff- niß nach Wiedcrersatz, der Hunger sich entstellt; und mit diesem kommt auch die Fähigkeit, zu verdauen. Wer aber Hunger hat, der wird nicht mehr essen, als er bedarf, um satt zu werden. So ist also eine körperlich rege Thätigkeit der beste Schutz vor Schlemmerei und die beste Magenstärkung.
Nach allem Gesagten wirst Du wohl mit mir darin ein« stimmen, daß in unserer Beschäftigung, Nahrung und Kleidung mannigfache Schädlichkeiten für eine gesunde und kräftige Entwickelung und Erhaltung der gesammten Leiblichkeit liegen. Daß es aber um die leibliche Entwickelung gebildeter Völker so schlecht steht, und in gewisser Beziehung gerade wegen der geistigen Bildung fo schlecht steht, ist doch gewiß zu bedauern. Noch mehr jedoch ist es zu bedauern, daß Viele körperliche Schwäche und Siechheit für anziehend, für ein Zeichen feiner Bildung halten. Bleiche Gesichtsfarbe und Nervenfchwäche gellen ihnen als ein notbwendiges Ersordernjß zum guten Ton; wer in Gesnndheits- fülle das Leben lebendig, frohmnthig erfaßt, der paßt kaum in die Kreise der sogenannten gebildeten Welt. Aber beklagen wir solche Verkehrtheit, denn früher oder später rächt sich die Vernach« lässtgung des Körpers, nur in einem gesunden Leibe kann eine gesunde Seele wohnen. Was nützen uns Bildung und Geschicklichkeit, zvenn körperliches Siechthum uns hindert, davon Gebrauch zu machen! Mit den, Körper leidet endlich auch die Seele; Völker, die körperlich entarten, verlieren zuletzt auch die geistige Selbstständigkeit, und verschwinden ans der Geschickte.
Wir sind eben nickt blvß Leib oder Seele, wir sind Menschen mit Leib und Seele; und wo Eines von diesen beiden leidet, da leidet der Mensch. Unbegreiflich ist deßhalb der Jrr- tbnm ehemaliger mönchischer Satzungen, wodurch der Leib mit seinen Trieben abgelödtet werden sollte, um die Seele in ihrer Reinheit dar.nUellen. Als ob der Leib weniger heilig wäre als die Seele, als ob nickt diese beiden nur durch uns getrennten Anschaunngsseilen der einen untrennbare» Wesenheit des Menschen aus dem Schooße der Alles schaffenden Natur hervorgegangen wären.
Auch eines unmittelbaren Nachtbeiles muß ich hier erwähnen, der ans dem Mangel rechter leiblicher Entwickelung für die geistige Seite des Menschen erwächst. Demjenigen, der immer in kleinlichen Verhältnissen des Lebens in ewigem Einerlei nur die Geschäfte seines Berufes treibt, erschlaffen Math und Wille zu größer» Unternehmungen, er verlernt, sich in außergewöhnlichen Lagen zu helfen, eine plötzliche Gefahr trifft ihn unentschlossen, verzagt und feige. Wer aber im lebendigen Tummeln seiner leiblichen Kräfte diese kennen und schätzen gelernt hat, der verläßt sich in äußerer Gefährde auf sie, weil er sie zu gebrauchen weiß. Er sicht der Gefahr muthig entgegen und tritt ihr kampfbereit gegenüber. Und solche Probe ist das Länterungsfeuer nicht nur der leiblichen, sondern auch der sittlich-geistigen Kraft des Menschen. Habe ich einmal gesehen, was ich vermag, so kenne ick meinen Werth und werfe mich nimmer weg, wie der thut, der fremde Hülfe borgt, wo er auf eigenen Füßen stehen könnte. Selbst ist der Mann. Leibliche und geistige Verweichlichung gehen Hand in Hand, der Schwächling am Leibe wird auch ein geistiger Schwächling. Wahre Mannheit, männliche Würde und der Adel männlicher Gesinnung können nur bei der Vollkraft des ganzen Menschen, des Leibes und der Seele bestehen.-
Welche Abhülfe aber gibt cs gegen die körperliche Vernachlässigung, gegen diese Ungleichheit zwischen Geistes- und Körperbildung? Sollen wir, wie Rousseau räth, wieder in die Wälder zn- rückkehrcu und Naturmenschen werden, um nickt zu entarten? Nein, gewiß nicht! Dann würde die geistige Bildung verloren gehe», und auch diese ist ein unschätzbares Gut, das der, so es je besessen, nie verliere» darf, ohne sich lief unter den Standpunkt des ganz rohen Unmenschen zu stellen. Aber es gibt ein Mittel, bas bei aller geistig hohen Entwickelung geeignet ist, die verloren gegangene Gleichmäßigkeit der menschlichen Bildung wieder herzustellen, der blvß einseitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit znzuorduen, der Uebervcrfcineruug in der wiedergewon- uenen Männlichkeit das uothwendige Gegengewicht zu geben, und den ganzen Menschen zu um fassen und zu ergreifen.
Dieses Mittel ist das Turnen!
So schließe ich meinen Brief mit dem Worte, welches Du vielleicht am Anfänge erwartet hast. Den nächsten aber werbe ich damit beginnen. Inzwischen lies und bedenke, was ick Dir geschrieben, und bereite Dich, bald das Folgende zu empfangen!
(Fortsetzung folgt.)
Snrnspruch
Des Menschen Glaube vrägr in seinem Thun sich aus.
Formt seine Züg' und blickt ihm zu dem Aug' heraus.
Sein Glaub' ist cs, der ihn aufrichtet oder bückt,
_ Zum Himmel ihn erhebt, zum Boden niederdrückt.
Druck und Lrrlag der Ä. W. Zaisir'icvrn Äed-»kiiau: H v l z le.