dann, wenn Sie vielleicht nach vierzehn Tagen nicht mehr in die. sem Geschäft serviren? Wie dann?"

Mehr als überrascht wich Anton einen Schritt zurück und' preßte die Hand auf das stürmende Herz. Seine Verfolger bat- ten wacker vorgearbeitet. ..Auch daun," stieß er endlich mühsam hervor,werde ich ehrlich bezahlen. Glauben Sie diesen Leuten nicht! Sie erhalten Ihr Geld, so wahr wie Gott im Himmel thront, und soll ich es mit der Hände Arbeit im säuern Taglohn erringen müssen."

Gut!" meinte der Bekleidnngskünstlcr; gerührt von der er­sten, reinen Absicht, die so unzweideutig aus diesen Worten sprach und ihm bei seinen Kunden so selten aufstieb;gm, vierzehn Tage ist keine Zeit. Ich habe Kunden, die Jahre lang borgen; dafür kenne ich diese Leute und weiß, daß einmal Zahlung erfolgt, oder ich empfange- ein vollgiltigeS Pfand. Sie aber können mich nicht einmal versichern, daß Sie noch zwei Wochen an Ihrem Platze sind. Ich lese das auf Ihrem Gesichte. Was dann, wenn Sie keine andere Arbeit bekommen?"

Ich kann kein Pfand geben," versicherte kleinmüthig der Lehrling,weil ich nichts besitze, mein Wort hat weder Klang noch Werth, weil die Noth es brach, meinen ehrliche», festen Willen, Sie um jeden Preis zu zahlen, verschmähen Sie. Was dann? ... Waren Sie denn," fuhr er nach kurzem Bedenken, wie von einem guten Gedanken beseelt, beherzter fort,nie in der Fremde? Stauden Sie niemals arm, einsam, verlasse», verhöhnt und ge­drängt mitten unter lauter fremden Leuten? Wenn je, so erin­nern Sie sich dieser Stunden, gedenken Sie der edelen Männer, die dort Ihnen halfen und thun Sie jetzt aus Rücksicht ein Glei­ches mit mir."

Wohlan denn!" entschied sich der Meister und ließ seine Zweifel fallen.Ihr offenes Auge wird mich nicht täuschen. Nach zwei Wochen beginnt Ihre Zahlung, wie Sie können in großen ober kleinen Raten, und empfehle ich mich alsdann zu Ihren wei­tern Diensten. Sollten Sie aber Wort nicht halten, so werden Sie mir nicht verübeln, wenn ich alsdann zu Ihrem Herrn Prin­cipal gehe und allen Ernstes auf Zahlung dringe."

Der Lehrling erneuerte sein Versprechen und geleitete den Mei­ster bis zum Hausthore, um weiteren Hetzereien vorznbeugen. So­dann eilte er in das Comptoir.

Der einzige und erste Mann, welcher ihm hier entgegentrat, war sein Gläubiger.Ach, Sie kommen mir wie gerufen, Herr Maurer; ich warte schon eine gute halbe Stunde auf Sie. Sv lautete die Begrüßung ohne eines guten Morgens zu gedenken oder de» schüchternen Gruß des Lehrlings zu erwidern.Wäre es Ihnen denn nicht möglich, mir den kleinen Rückstand von acht Gulden vollends hcimzuzahlcn? Heute geschähe mir wirklich ein Gefallen damit."

Ich habe nichts, gar nichts !" eutgcgnete Anton außer aller Fassung und hielt die leeren Hände hin. Seil sechs Wochen lie­fere ich jeden Kreuzer an Sie ab, den ich einnehme und werde so pünktlich fortfahren, bis meine Schuld getilgt ist. Mehr kann ich nicht leisten."

Ich glaube das. Würde ich übrigens geahnt haben, daß die Sache sich so lange hinzichen könnte, so hätte ich nie und nim­mer eingewilligt. Bedenken Sie nur selbst: seit drei oder vier Ta­gen haben Sie keinen Heller mehr heimgezahlt."

Ich habe nichts eingenommen. Das ganze Haus, die ganze Welt hat sich gegen mich verbunden. Man entzieht mir rücksichts­los die bessern Gänge und ich bin jetzt tausendmal schlimmer da­ran, als in den ersten Tagen meines Hierseins."

Ich begreife aber auch nicht nehmen Sie es mir nicht übel wie Sie die ganze Geschichte so tölpelhaft anfaugcn konn­ten. Bei solchen Fällen gibts nur einen Weg: ersetzen, ohne ein Wort zu verlieren, und sich auf einer andern Seite revangiren. Man muß doch ein bischen Tact und Weltgeläufigkeit haben' Sie schlugen ein großes Geschrei auf, appcllirten mit Ihrer Ehrlichkeit ' an Gott und die Welt und mußten doch zahlen. Ter Schwache unterliegt immer. Das ist sein Erbthcil und wird cs bleiben. Ihr College Reinganum mußte vielleicht schon zwanzigmal ersetzen. Er verlor kein Wort darüber und wußte sich zu helfen."

Mit Reinganum und Pfeifer kann ich nicht gehen," bemerkte entschieden der Lehrling.

Ich fordere Sie auch nicht dazu auf," erwiderte verdrießlich der Commis.Das sind Ansichten. Uebrigens wäre eS mir recht erwünscht, wenn Sie während des Tages die kleine Summe be­schaffen könnten."

Der Eintritt mehrerer Personen unterbrach das Gespräch und Anton ging langsamen Schrittes an die Arbeit. O, eine Schnecke hätte heute die Feder gerade so schnell geführt und jede Maschine das Geschäft nicht weniger mechanisch gefördert! Wie auch anders? Der Geist des sonst so wackern Arbeiters schweifte weit, weit in die Fremde herum, schmiedete tausend Pläne und verwarf sie wie­der, denn allüberall stieß er ans das uralte Grundubel, den Man­gel an Metall, an klingender Münze.

Der Jüngling glaubte, den Becher der Widerwärtigkeiten bi» auf die Hefe geleert zu haben und täuschte sich sehr. Wo einmal die Noth hercinbricht, kommt sie mit zahlreichem Gefolge und stürmt mit hundert und hundert Alliirten auf den armen Erdensohn los. Wehe dann, wenn das Herz nicbr festgläubig dastehl und im Ver­trauen auf Gott seine Stütze sucbt.

Gegen elf Uhr trat der Briefbote ein und überbrachte außer vielen Geschäftsdepcschcn auch ein Briefchen an Anton Maurer. Es war die Hand und das Siegel seines Wohlthäters, deS Leh­rers. Hastig erbrach erZdas Schreiben und las folgende Zeilen.

Lieber Anton!"

Ich ergreife die Feder, weil wir schon lange vergeblich auf cinige Zeilen von Dir warten. Du hast Deiner braven Mutter seit sechs Wochen nur zweimal und wir drei Wochen gar nicht mehr geschrieben. Dein letzter Brief war so kurz, so abgerissen und ver­worren, daß das Multerauge zwischen den Zeilen Unglück las. Ein Mutterherz fühlt und ahnt klarer und deutlicher für sein Kind als jedes andere Geschöpf. Was ist mit Dir? Bist Du krank, so bitte Gott und seine gnadenreiche Mutter um Beistand, laß einen Andern schreiben und wir werden alle nach Kräften helfen. Hast Du keinen Verdienst, so stelle Deine Zuschüsse auch fernerhin ein. Deine Mutter und Deine Geschwister wollen sich recht gerne behelfen und mit tausend Freuden ihren kargen Verdienst mit Dir theilen. Wandelst Du aus schlimmen Wegen, o so kehre pfeil­schnell um! Der liebe Gott nimmt jeden Augenblick verirrte Schäf­ten« liebreich wieder auf. Bist Du sonst unglücklich, vielleicht ohne Verschulden, so baue aus den allgewaltigen Herrn, der die Meere glättet und den Winden gebietet. Nur schreibe! Deine arme Mut­ter hat sich seit Wochen abgehärmt, gekümmert und geweint und ist nun ernstlich krank. Schreibe offen, wie cs steht! Wenige Zei­len werden die Leidende mehr beruhigen, als jede Medizin.

Ich durfte Dich als Schüler nie zum zweitenmale mahnen. Möge es auch hier der Fall sein!

In aller Liebe und Freundschaft

Dein Lehrer

M. W.

Anton schob den Brief in seine Brust, ließ das Haupt auf seine Hand sinken und bald brach Thräne um Thräne sich Bahn über die bleiche Wange, auf das voluminöse Lagerbuch. Er hatte von Stunde zu Stunde gezögert, um die Seinen nicht zu betrüben und jetzt war die Mutter, sein theuerstes, sein kostbarstes Kleinod aus Erden krank krank durch sein Verschulden. O wie wohl- thuend hallten in diesem Angenblick die Worte des Lehrers wieder im gebeugten Herzen des Jünglings! Er hatte ja seine Lage er­kannt, leidend ohne Schuld, und mit wenigen Worten den einzi­gen, den besten Trost gegeben. Und an diesen Trost klammerte sich ! Anton mitten im tosenden Sturme, der die junge Blüthe zu kni­cken drohte, und ließ sein Gotlvcrlrauen nicht sinken. Der Jüng­ling dachte nicht mehr an die Arbeit. Sein Geist weilte in der Heimath, am Krankenbett der Mutter, und ließ ihn weit Schlim­meres ahnen, als der Brief gemeldet. Die Stimme der Princi- pals, der hercinlrat, schreckte ihn empor aus dem starren Hinbrü- tcn.Ist Herr Reinganum noch hier?"

Nein!"

Herr Pfeifer auch nicht?"

Nein!"

Gut, dann können Sie, Herr Maurer, das Geschäft über­nehmen. Cassiren Sie diesen Wechsel von 1230 preußischen Tha- lern, wo möglich in Scheinen, bei Reich et Compagnie, über die Mittagszeit ein. Zwischen 3 und 4 Uhr bedarf ich der Summe."

Der Kaufherr trat zurück und der Lehrling verbeugte sich.

(Fortsetzung folgt.)

Wenn Du stirbst", sagte eil, zankender Gatte zu seiner Frau, so Werve ich nur kurze Zeit um Dich trauern, denn die lange Trauer habe ich schon bet Lebzeiten."

Dru» und Bcrtaq tcr tz>. M. ^ ai s-r's»rn V»»ba»r>>iN,, «kvai'iM,: Heizt«.