Dessau. Am 24. Juli, Morgens, ist der Bankpräfldent Friedrich Louis Nulandl wegen dringenden Verdachts einer Reihe von Betrügereien im Betrage von 80,000 bis 90,000 Tbalern, welche er seit dem Jahr 1850 gegen die hiesige Landesbank ver­übt haben soll, in Untersuchungshaft genommen worden.

(Fr. Anz.)

Ein Aufruf, den die bekanntesten Turner und Turnfrennde in Deutschland erlassen, ladet die Turner zum 10.12. August nach Berlin ei», um das 50jährige Turnjnbilänm und Jahns Andenken zu feiern.

In Berlin, der Metropole deutscher Intelligenz, haben die Stadtbehörden eine recht hübsche Einrichtung getroffen. Aus An­laß eines Falles, wo einem Dissidenten die Beerdigung auf einem Parochialkirckhof versagt wurde, stellte sich heraus, daß die sämmt- lichcn Kirchhöfe in Berlin, mit Ausnahme des Armcnkirchhofs, Eigenthum der Kirchengeuieindeu seien und diese nicht gezwungen werden können, daselbst Personen, welche nickt zur Gemeinde ge­höre» oder aus der Kircke ansgeschieden sind, zu beerdigen. Nun faßte der-Magistrat den Beschluß, es solle ein Kirchhof ohne jeglichen contessionellen Cbarakter und ein besonderer Raum für die Armen errichtet werden. Wo dieselben ruhen, also Lutheraner, Reformirte, Uuirte oder wer sonst acm stirbt, und seiner Confes­sio» wegen vor dem Tode nickt katechisirt ward, dort wird auch den Dissidenten ein Kirchhof errichtet. Aber, damit man ganz cor- rcct verfahre und auch den reichen Dissidenten Rechnung trage, wird für einevollkommene Trennung des Raums zwischen Armen und Dissidenten" gesorgt werden.

In Aachen hat ei» Kriegsmann besser und christlicher gebetet und gepredigt, als der Garnisonsprediger. Es war näm­lich ein Füsilier beim Sckeibensckießen erschossen worden, den un­glücklichen Thäter, eine» Kameraden, traf nicht die geringste Schuld und er war in Verzweiflung. Dennoch donnerte der Prediger Pe­ters am Grabe vomsündigen Mörder". Die Mutter, sagte er, wird rufen: Mörder, gib' mir meinen Sohn wieder! Die Ge­schwister: Mörder, gib uns den Bruder wieder!" rc. Der Un­wille des Bataillons, das am Grabe stand, und des Publikums wurde immer lauter. Da trat der Commandcnr Oberst v. Schle­gel! hervor und sprach tief bewegt: Keine Einrichtung, kein Ka­merad trägt die Schuld des Unglücksfalles, der unfreiwillige Thä­ter ist so tief zu beklagen wie das Opfer! Kameraden! laßt uns auch für ihn beten!

Tilsit, 23. Juli. DasDanz. D." meldet: Seil eini­gen Tagen wir hier eine schaudererregende Thal erzählt. Es soll nämlich vor etwa acht Tagen im Kowohler Walde in der Nähe eines dort befindlichen Kirchhofes und dicht am Wege ein Knabe von etwa sechs bis acht Jahren an einen Baum genagelt gesunden worden sein. Quer am Baumstamm soll ein Brett genagelt ge­wesen sein und hat so die Form eines Kreuzes gebildet, und an diesem Brette sollen die Hände des Knaben, am Baumstamme aber die Füße angenagelt gewesen sein. Auch soll derselbe einen Mes­serstich in der Brust gehabt haben. Die Kleider des Kindes sind anständig gewesen.

Aus Australien ist für Garibaldi ein prachtvoller Ehren­säbel im Werthe von 300 Dollars eingetroffen und dem britischen Gesandten in Turin übersandt worden, damit er ihn weiter nach Caprera befördere.

Im Königreich Neapel nehmen die hölzernen Heiligen Partei für den verjagten König Franz. In Novara wuchs der Madonna eine mächtige Lilie, das Zeichen der Bourbonen, aus dem Kopfe, in Neapel schwitzten die Christnsbilder mächtige Tropfen über das sündige Volk und der Komet am Himmel prophezeit den Tod Vic­tor Emanuels.

Neapel, 25. Juli. Der Kardinal-Erzbischof von Neapel, Monsigncur Riaro Sforza, wurde wegen Betheiligung an der Verschwörung des Fürsten Montemiletto verhaftet. (T. d. S. M.)

Neapel, 30. Juli. Es ist ungenau, daß der Cardinal- Erzbischof Riaro Sforza verhaftet worden sei. Die Nachrichten in Beziehung auf Unterdrückung der Räuberbanden lauten besser. Ein Bericht des Pays, welcher vom Constitutionnel abgedruckt witd, erzählt:Mgr. Merode, welcher sich fortwährend ungeachtet der Befehle des Kardinals Antonelli und des Papstes selbst wei­gerte, den päpstlichen Soldaten (welcher bekanntlich einen franzö­sischen Soldaten verwundet hatte) an die franz. Militärbehörden auszuliefern, stieß in der Aufregung in Gegenwart des Generals Goyon sehr beleidigende Worte gegen den Kaiser Napoleon aus. Goyon gebot ihm hierauf Stillschweigen und bedeutete ihm, da er

ihm seines geistliche» Standes halber zwei ihm gebührende Ohr­feigen nicht wirklich geben könne, so gebe er sie ihm moralisch und fügte noch bei, er sei bereit, ihm Satisfaction zu geben. Merode schützte aber seinen geistlichen Stand vor und lehnte ab. Goyon hielt die Merode zugefügte Beleidigung aufrecht und ließ sofort den Soldaten abholen, welcher endlich ausgeliefert worden ist. (T. d. H. T.)

Paris, 27. Juli. Die päpstliche Allokution wurde heute bekannt; der Papst beklagt die Anerkennung des Königs Viktor Emanuel durch den Kaiser, dem er jedoch für seine mili­tärische Unterstützung Dank weiß. Damit steht auch eine uns aus Rom gemachte Mittheilung im Einklang, daß Pius IX. einen sehr beruhigenden Brief von Ludwig Napoleon erhalten habe. Auch der General Goyon, der sehr redselig ist, hat seinen Offizie­ren versichert, daß der Kaiser dem Papst das Patrimonium Petri erhalten wolle. Unterdessen ist der König Victor Emanuel noch viel nngenirtcr in seinen Auslassungen, als der Baron Ricasoli. Wir haben mit Personen gesprochen, welche ihm vor wenigen Ta­gen vorgestellt wurden; er spricht von dem Marsche nach Rom und gegen Venetien, von einem zweiten Kriege gegen Oestreich wie von Dingen, die bevorstehend seien und sich von selbst verstehen. In unseren diplomatischen Kreisen ist die Meinung vorherrschend, daß der Kaiser im Lager von Chalons eS versuchen wolle, dem König von Preußen das Versprechen der Neutralität im Falle eines Krieges in Italien abzulocken. (Was auch ^diplomatische Kreisemeinen" mögen, der König von Preußen ist nicht der Mann, sich von Ludwig Napoleon etwasablocken" zu lassen.

(S. M.)

In vielen Gegenden des türkischen Reiches sind die Heuschrecken in nie gesehener Menge erschienen, namentlich gilt dieß von Mesopotamien. Sie kommen dort in so dichter Wolke heran, daß buchstäblich die Sonne verdunkelt wird; Tags darauf ist die ganze Ernte verschwunden, und die fürchterlichen Gäste zie­hen weiter.

Der Familien-Stammbaum oder das Familien-

Albun».

Nachstehenden Aufsatz, der Probenummer derErziehung der Gegenwart" entnommen, geben wir, um daß die darin enthal­tenen herrlichen Idee» einer neuen Erziehungsmaßregel auch im Kreise unserer Leser und Leserinnen Eingang finden mögen.

Von dem Familien-Wohl hängt das Staats-Wohl ab. Je mehr Tugenden die Familie in ihren einzelnen Gliedern zur Ent­wicklung bringt, um so reicher daran wird der Staat sein. Je mehr in der Familie der Einzelne gewöhnt ist an Recht und Ge« setz, an Wahrhaftigkeit und Treue, an Zuverlässigkeit und Grab- heit, kurz an die Heilighaltung alles Edeln, Wahren und Guten im Menschen; um so mehr wird er auch nach Außen, in der Ge- sammtheit, für diese Heilighaltung einzustehen sich bereit und ge­drungen fühlen". Darum ist es denn die Pflicht jedes Einzelnen in seiner Familie an seiner und an des Ganzen Veredlung zu arbeiten. Darum muß Jeder mithelfcn und in sich einen Theil zu der Menschheit liefern, in der und durch die die Aufgabe des Jahr­hunderts gelöst werden soll. Laßt uns in jeder Familie den sittlichen Mächten wieder ein Weihaltar mit hochloderndem Feuer errichten; laßt uns ein neues Familienband schaffen, welches aus allen schönen Tugenden gewebt ist, und die einzelnen Glieder um­schlingt!

In den großen Adels-Familien ist es der Stammbaum, welcher die Ahnen und deren Thaten aufgezählt enthält. Den Anfang bildet gewöhnlich ein hervorragender Mann, der durch irgend eine bedeutende Thal sich zu besonderem Ansehen brachte. Diese Macht, dieses Ansehen, sollte sich in der Familie vererben. Jedes folgende Glied sollte sich in Hinblick auf den Familien-Stamm­baum eines gleichen Ansehens befleißigen, sollte das Familien-An- sehen durch gleiche Thaten befestigen, vergrößern. Wenn sich dies Streben auch zumeist nur auf äußere Stellung und äußere Macht richtete, so hatte es doch im Wesentlichen, namentlich in Hinblick auf die Zcitverhällnisse, eine sittliche Grundlage. Denn in diesen hervorragenden Kreisen konnte und sollte ei» sicherer Grad von Bildung, Ehre, Vaterlandsliebe durch eine sorgfältigere, mit allen Mitteln ausgerüstete Erziehung leicht erreicht werden.

Leider ist diese Grundlage im Verlauf der Zeit vielfach ver­loren gegangen. Es bildete sich eine Adelskaste, von der Friedrich der Große sagte:Auf seine Geburt soll er sich nichts einbilden, denn das sind nur Narrenspossen; sondern es kommt nur alle Zeit