forschend auf Geliert. Plötzlich aber verwandelte sich der Ausdruck feines Gesichtes, alle Muskeln bebte» und er sagte: „Herr, was sind Sie für ein Mann! Wie können Sic Einem in Herzensgrund hineinschauen; ich habe mich ja Tag und Nacht abgehärmt und war grimmig auf die Welt und auf Alles, daß ich nickt Schulze werden soll, und Sie, Sie habe» ja geholfen, das in mir niederzukämpfen. O Herr, schon wie ich das in Ihrem Buche gelesen, habe ich's gespült, aber jetzt sehe ich's noch mehr, Sie sind ein Mann Gottes, der Einem das Herz aus dem Leibe nehmen und um und um wenden kann. Ich habe gemeint, ich konnte keine Minute mehr glücklich fein, wenn mein Nachbar, der Hans Gottlieb, Schulze wird, und mit dem Spruch von Ihnen, da ist mir's geworden, wie wenn man mit einem Zanbersprnch einem das Blut Mt."
„Ja, guter Mann, das freut mich; glaubt mir, es hat Jeder an sich allein eine ganze Gemeinde zu regieren. Was nur die Menschen immer treibt, alsbald über Andere regieren zu wolle»! Was kann Euch daran liegen, Ortsrichtcr zu werden, wenn Ihr, um es zu werden, vielleicht Schlechtes thnn müßt? Was wäre der Ruhm nicht nur eines Torfes, der ganzen Welt, wenn Ihr vor Euch selber keine Achtung mehr haben könntet? Laßt's euch genügen, Eure täglichen Pflichten mit Rechtschaffenheit abzutragen, freut Euch Eures WeibeS und Eurer Kinder, nnd Ihr seid glücklich, was braucht Ihr mehr? Glaubt nicht, daß Ehre und Amt Euch glücklich mache» würde. Freuet Euch, und abermals sage ich, freuet Euch, ein guter Muth ist ein tägliches Wohlleben, das sage ich mir oft vor, wenn ich dem Kummer nachgcben will, nnd wen» auch das Elend nicht unsere Schuld wäre, so ist der Mangel an Gelassenheit und Geduld im Elende gewiß stets unsere Schuld."
„O wenn nur auch meine Frau da wäre, daß die das Alles auch Horen könnte: ich gönne mir das gar nicht so allein, ich kann eö nicht so behalten und möchte ihr doch Alles Wort für Wort wieder erzählen. Wer hätt'S geglaubt, daß wenn man ans einer Klafter Holz steht, man in den Himmel hineinschauen kann?"
Geliert nickte still, dann sagte er: „Ja, freuet Euch Eures Thuns, wie ich mich Eurer Gabe freue. Euer Holz ist Opferholz. In alten Zeiten, und das hat seinen guten Grund, weil die Menschen noch nicht im Geiste beten nnd danken konnten, war eö Gewohnheit und Gesetz, etwas ans dem Besitze darznbringen als Zeichen seiner Hingebung; das waren die Opfer, und je wertb- voller es war, was man geben und leisten mußte, um so würdiger war das Opfer. Unser Gott will kein Opfer mehr in Tempeln, sondern was Ihr der Geringsten Einem thut, das thnt Jhr Gott; das sind unsere Opfer. — Mein lieber Freund, ich danke Euch herzlich, Ihr habt mir Gutes gethan, daß Ihr mir ein Zeichen gegeben, ein sicheres, unläugbarcs, daß Ihr meine Worte ins Herz hinein gelesen und daß ich nicht umsonst dahinlebe, und bewahrt in Eurer Seele euch den Gedanken, daß Ihr einem Menschen, der so oft unüberwindlich traurig und niedergeschlagen ist, eine rechte Freude gemacht. Ihr habt mir nicht nur Helle Lichter am Ehristbaum entzündet, der Baum selber brennt, leuchtet und erwärmt; der Busch brennt und verbrennt nicht, das ist ein Bild von der Erscheinung des heiligen Geistes, der Erinnerung an das Höchste in der Wüste des Lebens, in Trauer und Noth. O lieber Mann, ich war dem Tode nahe. Was ist der Schritt in die Ewigkeit für ein feierlicher, bebender Schritt! Welch ein Unterschied zwischen den Borstellungen des Todes bei gesunden Tagen und am Rande des Grabes! Und wie soll ich dessen würdig werden, daß ich noch lebe? Dadurch, daß ich noch besser sterben lerne. Und seht, wenn ich hier nun einsam sitze, meinen Gedanken nachgehe und sie fasse und banne, da kann ich denken: in fernen Thalen, auf fernen Bergen leben Menschen, die Menschen, die meine Gedanken in sich tragen, und für sie lebe ich und sie sind mir nab, bis wir und einst wiederfinden , dort, wo es keine Trennung und keinen Unterschied mehr gibt. Sei du Bauer und ich Gelehrter, gib mir deine Hand, leb' wohl!"
Und nochmals faßten sich die weiche und die harte Hand, und Christoph zitterte fast, als Geliert die linke auf seine Schulter legte.
Sie schüttelten sich die Hände und es war, als ob damit etwas zu Herzen ginge, so eindringlich, so voll, wie dennoch kein Wort vermag.
Christoph wußte nicht, wie er die Treppe hinunter gekommen war; unten warf er noch die überzähligen Scheite Holz, die er zurückbehalten hatte, polternd vom Wagen, nnd dann fuhr er rasch fort aus der Stadt. Erst in Lindenthal gönnte er sich und seinen
Pferden Ruhe und Futter. Er fuhr leer dahin, er hatte nichts mehr auf dem Wagen und nichts im Beutel, und doch, wer weiß, welche Schätze er heimbrachtc, und welche unauslöschliche Flammen er zurückließ dort bei jenem einsamen Gelehrte».
, Geliert, der sonst bei seinem Bruder aß, ließ sich heute das Essen ans sein Zimmer bringen und blieb allein, auch ging er nicht mehr aus; er hatte Bewegung genug erlebt und hatte Gesellschaft an den Gedanken.
O, zu wissen, daß cS freie, empfängliche Herzen gibt, das ist eine Seligkeit für den einsam Schaffenden und cs ist ihm so wunderbar, als tauchte er seine Feder in Sonnenstrahlen und als schriebe er lauter Licht.
Der Regentropfen, der aus der Wolke rieselt, weiß nicht, ans welche Pflanze er fällt; in ihm ist Erquickung, aber für wen? Und ein Gedanke, der hinaustönt ans einem Mciischcnherzen, und ein Menschenthun, ja ein ganzes Menschenleben gleicht dem Regentropfen , der ans der Wolke fällt; die ganze Lebensdauer währt nicht länger, als der Tropfen zum Fallen braucht. Und zu wissen, wo du fortlebst und wie du wirkest — du kannst cs nicht fassen.
Und in der Nacht, still war's ringsum, nichts regte sich, die ganze Erde war eine einzige Rnhe. Da saß Geliert in seiner Stube bei der einsamen Lampe, seine Hand lag auf einem offenen Buche nnd sein Blick starrte hinein in die leere Luft, und plötzlich überkam ihn wieder jene unsägliche düstere Schwcrmuth, die überhaupt nach besonders aufgeregter Heiterkeit sich so leicht einstellt. Es ist, als ob die Seele, Plötzlich hinausgehobe» über Alles, sich des Schweren, das sie schon erfahren, erinnern müsse, wie sich das auch als Freudcnthräne im Auge ansdrückt. Dieser Zug der Schwermut!) war aber iu Geliert noch ein besonderer: eine Äengst- lichkeit hatte sich in ihm festgesetzt, die mit der kranken Brust und mit dem nagenden heimlichen Schmer; im Kopfe zusammenbing, eine Furchtsamkeit, welche seine Lcbeusgewohuheit noch erhöhte. Umgeben von lauter Liebe nnd Huldigung i» der Welt, konnte er ein Bangen nicht los werden, daß plötzlich das Ungeheuerste und Entsetzlichste über ihn hcrcinbrcche, nnd so starrte sein Blick hinein; er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und heftete gewaltsam Blick und Betrachtung auf die Gegenstände, nnd sprach fast laut vor sich hin: „Wie wohlthuend ist das Licht! Wäre nicht ei» Licht von außen, das uns die Gegenstände erhellt, wir würden verkommen in Dunkelheit, in nächtlicher Verschaltung. Und das Licht ist ein sanfter, bei uns wachender Freund, der uns, wenn wir in Kummer versunken, zeigt, daß die Welt noch da ist, daß sie uns ruft und lockt, und Pflicht und Freude erheischt: du darfst nicht in dir vergehen, siche die Welt ist noch da, und ein Freund in unserer Nähe ist wie ein Lickt, das uns die Gegenstände beleuchtet, wir könne» sie nicht vergessen, wir müssen sie sehen und uns an ihnen erholen. Wie schwer ist das Leben nnd wie wenig vollbringe ich! Ich möchte die ganze Welt zu Güte und Liebe erwecken, aber meine Stimme ist zu schwach, meine Kraft reicht nicht aus;- wie wichtig ist, was ich thue!"
(Schluß folgt.)
Allerlei.
— In dem vierten Bande seiner Memoiren erzählt Guizot folgende Geschichte: Als Louis Napoleon nach dem Straßburger Putsch von Louis Philipp nach Amerika entlassen wurde, erschien auf der Fregatte kurz vor dem Absegeln der Unterpräfekt von Lo- ricnt und fragte Louis Napoleon, ob er, in New-Aork angekom- men, Geldmittel finden werde. Auf dessen verneinende Antwort erklärte der Unterpräsekt: „Der König beauftragte mich, Ihnen diese 15,000 Francs ciuzuhäiidigen, welche sich in Gold in diesem Kästchen befinden." Der Prinz nahm das Kästchen, der Unterpräsekt kehrte an's Land zurück, nnd die Fregatte segelte nach Amerika. Später hat sich der Kaiser für diese Gabe gegen die Erben Louis Philipps durch Beschlagnahme ihrer Güter glänzend rcvan- chirt, wie mänuiglich bekannt.
— Zu den vorzüglichsten aller Hühner gehören die andalusi« scheu. Sie geben nicht nur ein ausgezeichnetes Fleisch, sondern sind auch die besten Leger, die man haben kann. Man rechnet 5 bis 6 Stück Eier pro Woche auf jedes Huhn. Die Eier sind größer als die aller anderen Hübner, selbst als die der gerühmten schwarzen Spanier, überaus wohlschmeckend und von Farbe lichtblau mit dunkleren Flecken.
Drua und Verlag der Ä. W. Zai ser'fchen Buchhandlung. Rrdakliou: Hölzle.