Nach fünftägigen Debatten ist am 7. Mai endlich die Grundsteuerverhandlung im preußischen Herrenhause geschlossen worden, freilich ohne die Parteien irgendwie mit einander versöhnt oder vermittelt zu haben, aber doch mit einem Siege des Ministeriums und zwar einem bedentendern, als man es selbst zu hoffen gewagt haben mag. Sämmtliche Grundsteuervorlagcn sind mit 110 gegen 81 Stimmen, also mit einer relative» Mehrheit von 29 Stimmen angenommen worden.
Deutsche Stimmen aus Paris warnen Deutschland, sich in Sicherheit zu wiegen. Der Feind schleiche heran, gleichsam wie der Dieb in der Nacht. Damit es kein Aufsehen mache, marschir- ten französische Truppen des Nachts aus weiter zurückgclegenen Garnisonen an die deutsche Grenze, in den Militärwerkstätten herrsche seil einigen Wochen eine fabelhafte Thätigkeit, alles wie kurz vor dem Kriege von 1859.
W Die Kaiserin von Oestreich ist am 6. von Sevilla abge« reist, um sich über Gibraltar nach Triest zu begeben.
Pesth, 8. Mai. Kurz vor Beginn der Unterhaussitzung verbreitete sich das Gerücht, daß Graf Ladislaus Telcki, das Haupt der Exaltirten in Ungar», in seiner Wohnung erschossen gefunden wurde. Präsident Ghiczy tritt ein und bestätigt von seinem Sitze auS die Trauerknude; das Haus brickt in eine» Verzweiflungsschrei aus, kein Auge bleibt trocken; auf den Galerien werden Damen unwohl und entfernt. Nachdem sich die Aufregung in Etwas gelegt, ergreift Deak das Wort und beantragt mit thränenerstickter Stimme, das Haus bis Montag zu vertagen. Die Sitzung wird aufgelöst. Die Stadt in größter Aufregung; von vielen wird ein Selbstmord bezweifelt. (Oestr. Z.)
In Ungarn herrscht eine lebhafte Aufregung; ernste Ereignisse werden erwartet. Die Comitate protestircn in Masse gegen die Zwangsmaßnahmen für Erhebung der Steuern.
Aus Wien wird geschrieben: Der ungarische Hofkanzler Vay steht fester als je in dem Ministerium, mit dessen deutschen Colle- gen er sich vollständig einig erklärt und ausgesprochen hat, daß er selbst die Auflösung des ungarischen Landtags unterzeichnen werde, wenn derselbe die Steuern verweigern sollte.
Im guten Land Tyro l geht's hoch her, seil der Landtag die Protestanten, will sagen Ketzer hat abfahrcn lassen. Die Geistlichen haben besondere Dankgottesdienste und Prozessionen veranstaltet, wie sonst gegen die Heiden und Türken.
Bern, 11. Mai. Gestern Nacht ist der schöne, gewerb- reiche Flecken Glarus (Kantonshaupkort mit etwas über -4000 Einwohner) größtenthcils abgebrannt. Kirche, Rathhaus, Post, mehrere Fabriken, alle Gasthöfe liegen in Asche. Das Feuer ist noch nicht (9 Uhr Vormittags) bewältigt. Zwei Spritzen sind mit verbrannt; 3000 Menschen obdachlos. lT. d. S. M.)
In Rom fehlen 17 Millionen in der Eiscnbahnkasse.
In Paris ist ein in einem Kloster bei Florenz gefundener Beichtstuhl ausgestellt, welcher eine Feber enthält, bei deren Druck ein Teufel in Mannsgröße mit Hörnern, großen, herausstehendcn Augen, heraushängender Zunge und Negerhaar herausspringt, von einem Gerassel und unterirdischem Getöse begleitet. Wen» der Beichtvater ein Geheimniß heransbringen wollte und Widerstand fand, wurde der Teufel beschworen und dann machte sich die Sache. Dieser Beichtstuhl soll auch in England ausgestellt werden.
(Stuttg. A.)
Vom Prinzen Napoleon ist nun eine Broschüre gegen den Herzog von Aumale erschienen, welche den Titel führt: Prozeß gegen den Herzog von Aumale und den Baron Feuchercs. Es ist darin die alte Geschichte wieder aufgerührt, daß die Orleans den alten Prinzen Cond6 durch seine Maitresse, die Baronesse Feuche- res, persuadiren ließen, dem Herzog von Aumale sein großes Vermögen zu vermachen. Dem Erben wurde aber die Zeit zu lang und der Prinz erhing sich oder wurde erhängt. Es scheint, die Herren sind an der schönen Linie angelangt, wo die Retourchaisen beginnen. Jedenfalls scheint Prinz Napoleon ein Duell mit einem Stück Papier in der Hand angenehmer zu finden, als ein anderes mit dem Degen in der Faust.
In Paris macht ein schrecklicher Vorfall großes Aufsehen. Ein Arbeiter konnte am 15. April seine Miethe nicht bezahlen und bat um Ausstand. Der Eigenthümer verweigerte auch die Annahme einer Abschlagszahlung von 25 Frcs. und traf Maßregeln, die Familie ohne Möbel aussetzen zu lassen. Der Arbeiter, hierdurch aufs Aeußerste gebracht, ermorderte seine zwei Kinder und dann sich selbst. — Mehr als 2000 Arbeiter begleiteten die unglückliche Familie zur letzten Ruhestätte; bei der Rückkehr gab es tumultua-
rische Scene», bei denen die schrecklichsten Drohungen gegen die Eigenthümer ausgestoßen wurden.
Paris. Man liest in der „Presse": König Franz II. macht ein Anlehen von 9 Mill. Fr. — Die Petition der Römer an Napoleon III. , um von ihm die Räumung Roms zu verlangen, ist mit tausenden von Unterschriften bedeckt.' Sie wurde bei dem franz. Gesandten niedergelegt. (H. T.)
In Limoges ist nach einer Depesche am 6. Mai ein heftiges Feuer ausgebrochen, das bereits einen ganzen Stadttheil verzehrt hatte und am nächsten Tage noch nicht gelöscht war. Der Präfekt wurde durch einen nicderstürzenden Balken schwer verletzt.
Dem neuesten parlamentarischen Ausweise zufolge beläuft sich die fundirte Nationalschuld Englands gegenwärtig aus 785,961,998 Pfund und die Summe der zu zahlenden Interessen auf jährlich 23,579,340 Pfd.
Petersburg, 9. Mai. Im Gouvernement Kasan sind bei einem religiösen Aufstande 70 Bauern erschossen worden. General Bibikoff ist nach Kasan abgesendet. — In Pensa fanden ebenfalls Ruhestörungen statt. (S. M.)
Eine telegraphische Depesche ans Petersburg bringt die neuesten Nachrichten aus Ehina. Die Mandschn-Garnison von Peking hatte sich empört. Der Kaiser soll die Absicht habe», eine große Gesandtschaft auf dem Landwege über Petersburg nach Paris und London zu schicken.
Allerlei.
— Ein origineller Prozeß kam neulich in den Vereinigte» Staaten Nordamerikas zur Verhandlung. Ein Pfarrer hatte seit 10 Jahren die Manuskripte seiner Predigten bei der Feuerversicherungs-Gesellschaft Aetna versichert. Da brach unlängst in dem Hanse dieses. Geistlichen Feuer aus, und alle seine Predigten wurden ein Raub der Flammen. Er verlangte sofort von der Feuerversicherungs-Gesellschaft Schadenersatz dafür, erhielt aber von derselben die Antwort, daß sie ihm nichts vergüte, da seine Predigten keinen Heller werth gewesen seien. Die Sache kam vor's Gericht. Der Pfarrer ließ eine ^enge Personen vorrufen, welche alle bezeugten, daß dessen Predigten sehr gehaltvoll waren, weß- halb die Kirche stets znm Erdrücken voll gewesen sei, worauf die Richter die Affekuranzgesellschaft zur Bezahlung von 2000 Dollar (5000 fl.) an den Pfarrer als Schadenersatz für dessen in Rauch anfgegangene Predigtmanuskripte, verurthcilte.
— Die japanesischen Ehemänner sind in vieler Beziehung weit schlimmer daran, als die europäischen. Wenn nämlich eine verheirathete Frau Schulden macht, ohne sie wieder zu bezahlen, so wird der Mann, welcher sie, auch wenn er vorher nichts davon wußte, nicht deckt, sammt der Fra» als Sklave dem Gläubiger übergeben, und muß demselben so lange gehorchen, bis er bezahlt hat.
— (Einfaches Mittel, kräftige Gurkenpflanzen für's freie Land zu ziehen.j Es ist bekannt, daß Gurkenpflänzchen, wenn sic ans dem Mistbeete ins freie Land versetzt werden, oft lauge trauern und eingehen, und doch kann man in kalten Lagen außerdem keine Gurken ziehen. Eine recht einfache Manier, die ich schon seit Jahren anwcnde, ist folgende: Man sage der Hausfrau oder Köchin, sie möge, wenn sie Eier aufschlägt, dieselben an der spitzigen Seite öffnen und auslaufen lassen. In diese Eierschalen fülle ich dann gute gesiebte Erde, nachdem ich vorher ein Löchlein unten durchgestoßen habe, und in jede so vorgerichtete Schale lege ich einen Gurkenkern und setze erstere entweder in ein Kästchen mit Erde oder in's Mistbeet. Die Verpflanzung kann dann geschehen, wenn die aus den Eierschalen hervor- sprossendcu Pflanzen schon 6 bis 8 Blätter haben. Es wird die Pflanze nach recht gutem Angießen sammt der Eierschale ausgeho- hoben, in der hohlen Hand der letzter» ein Druck gegeben und sammt und sonders aus's Beet verpflanzt. Die Kraft der Wurzeln treibt die zerbrochene Schaale auseinander.
— Weise Vorsicht. In einer Dorfschenke in der Nähe von Zeitz steht über der Stubenthiire: „Bei vorkommenden Zwistigkeiten und Schlägereien werden die verehrten Gäste ersucht, Tische und Stühle nicht zu zerbrechen. Hinter dem Ofen liegen Knüppel!"
Auflösung des Räthsels in Nro. 36: Pomade.
Druck und Perlug der S. W. Zaiser'schen Buchhandlung. Redaltia»: H ö lzle.