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eben Augenblicken bei; allein sie trennte eö von ihrer Liebe ganz. Eie überließ es der Zeit, den Umstände». Der Graf, der mehr dabei zn bedenken batte, backte desto öfter an diese schönste Stunde seines Lebens, da Wilhelmine ganz sein würde. Nun aber, nachdem das Wort Liebe ans dem Herzen des Mädchens war, nnn sie ihm sagen konnte ohne Nnckoalt: ich liebe dich! -a erst entfaltete sich die schöne Seele des Mädchens ganz dem Geliebten. Vorher hatten alle ihre Gespräche ei» nngewisies Kolorit. Alle ihre schönsten nnd heiligsten Empfindungen hingen an dem Worte Liebe; dnrsie sie das niebt ausjprechen, so mußte sie auch den reichen Schah ihres Herzens verjchließen. Jetzt aber, da der Sonnenstrahl der Liebe den Kerker des schönen Schmetterlings geöffnet halte, l ob sieh ihre Seele ans den schönen Schwingen der nenen Gefühle hoch empor, und der Graf schwamm in dein »»anssprechlichen Suirme des Entzückens mit der Geliebten in die ewigen Gefilde der Tilgend nnd der Ewigkeit. Alles, waS noch von alten Vorurtbeilen in jciner Seele da war, verbarg sieb, wie giftiges Ungeziefer ln die heimlichsten, kältesten Falten seines Herzens vor der belebenden Warme der Liebe und der Vollkommenheit des Mädchens.
Tic Frau von Dürbeck wagte es nur einmal, ein paar spöttische Anmerkungen über seine Liebe zn Wilhelminen zn machen. Er nahm sie so frostig, so ohne alle Vertheidignng ans, sah dabei seine Schwester so durchbohrend an, daß sie von der Zeit an schwieg. Nech hatte der Gras nichts von einer Helrath gesagt, die Fra» von Türbeck fühlte, daß die geringste Beleidigung WilhelminenS Leranlassnng zn der Hciralh sein könnlc. Sie behandelte also das Mädchen artig, aber kalt und steif, nnd schlug ihr Bruder die Saite einmal an, io antwortete sie nichts als: ich habe dein Versprechen, Bender! Jndeß wurde das Vertrauen der beiden Liebenden nnbegränzt. Ter Graf konnte nickt eine Minute ohne Wilhclminen znbringen. Sie hatten keine andern Geschäfte, als die sic zusammen verrichten tonnten. Ter frühe Morgen vereinigte sie, die Mitternacht trennte sie erst. Ter Graf fühlte sich bei Wilhelminen groß nnd edel. Die Bewohner seiner Güter wurde» unter dem segnenden Hauche der Liebe ihres Herrn glücklich. Wilhelmlnc wurde als der Schntzgeist der Güter angcbetet.
Mit jedem Tage wurde der Wunsch des Grasen feuriger, Wilhclminen bald ganz sein zu nennen. Er tonnte nur eie Manier nickt finden, es seiner Schwester zn erklären, daß ihre ehemalige Jungfer ihre Schwägerin werden soll e. An dreier Kleinigkeit hing sein Entschluß. Wilheimine ahnte cs nicht. Sie glaubte, er, der unter den Sternen mit ihr ging, der vor den tausend Angen des Himmels ihr sagte, ich liebe dich, würde seinen Triumph darin finden, es der ganzes Welt zn jagen. WilhelminenS Liebenswürdigkeit, des Graseil sehnendes Verlangen, eine versteckte, aber mit jedem Tage mehr erwachende Sinnlichkeit befestigte des Grafen Entschluß, nicht mehr zn zögern, immer mehr. Er nahm fick fest vor, eS seiner Schwester kurz weg zn sagen; da mußte die Frau von Türbeck ans einen Monat verreisen. Sie nahm so zärtlich von ihrem Bruder Abschied, selbst von Wilhelminen, sie ließ gegen ihren Bruder sogar ein Paar Worte fallen, die ihm die angenehme Hoffnung gahcn, daß seine Schwester nicht ganz unbeweglich über diesen Punkt bleiben würde.
Er wollte sogleich reden. Tie Frau von Dürbeck verschloß ihm mit der Hand den Mund. Wenn ich znrückkomme, ries sie, lieber Bruder, dann hoffe ich, sollst du mit mir zufrieden sein. Ich hoffe, mein Bruder liebt mich so brüderlich, daß er ohne mein Wisse» keinen Schritt thun wird, der mich so nahe angeht! und mit diesen Worten hüpfte sie in den Wagen.
Nun waren die beiden Liebenden ganz allein. Tie Einsamkeit, die Liebe, die nahe Hoffnung ihrer vollkommenen Vereinigung, die sckönen Sommcrabenbe, die Sinnlichkeit verriethen sie. Sie wurden Mann nnd Weib, ehe sie der Altar vereinigte. Der Graf schwor zu den Füßen seiner verrathenen Geliebten feste Treue. Wilhelmine erstaunte, daß er schwor, was sie nie bezweifelt hatte.
Selbst dieses geheimnissvvlle Vergnügen, selbst diese halbe Reue, diese Unruhe, die den geheimen Genuß begleitete, gab
ihrer Liebe einen Reiz mehr. Ist etwas süßeres, als den Kummer eines geliebten Herzens tragen helfen? und war denn der Tag ihrer Verbindung nicht so nahe?
Was hakte der Graf nnn seinem geliebten Weibe zn verschweigen ? Er entdeckte Wilhclminen die Äbneignng seiner Schwester gegen ihre Verbindung. Wilhelmine lächelte. Er fuhr fort: sich, meine Einzige, du bist mit ihr in einem so seltsamen Vcr- hältniß gewesen —
Ich bin ihre Jungfer gewesen, sagte Wilhelmine. Sie merkte nicht, daß er das Wort umging. Ich liebe meine Schwester, fuhr er fort, und so wünschte'ich, daß sie zufrieden mit unserer Verbindung wäre. Dagegen hatte Wilhelmine nichts. Sie wünickie das lelbst. Allein ans einigen Wendungen seines Gesprächs merkte sic auch, daß der Graf einen Werth auf das Opfer legte, das er ihr brachte. Sie wurde tiefsinnig. Sie verlangte, er sollte das gar nicht als ein Opfer anschen ; allein die feurige» Versicherungen seiner ewigen Liebe verjagten sehr bald die aufsteigenden Zweifel aus ihr Seele wieder. Sie fühlte, sie würde für einen Bruder eben die Schonung haben. Sie war ja schon des Grafen Weib. Sie willigte sehr gern in das Benehmen, das er sich und ihr vorschrieb, gegen die Frau von Türbeck.
Wie die Frau von Dürbeck zurück kam, so kündigte sie ihrem Bruder den Besuch seines Oheims, eines sehr stolzen Grasen von Rollenhageu, und einiger anderer Verwandten an, ohne nur mit einem Worte weiter seiner Liebe gegen Wilhelminen zn erwähnen. Dem Grasen mußte der angckündigte Besuch ans tausend Gründen nnangenehm sein. Alle» seinen Vcr- wancten, die kommen wollten, besonders seinem Oheim, war er Ehrerbietung schuldig. Er kannte den Stolz seiner Familie, nnd eben so gut kannte er auch Wllhelminciis Empfindlichkeit gegen, auch den allerkleinstcn Schein der Zurücksetzung. Er befürchtete niiangenehinc Scene»; ob er gleich fest entschlossen war, Wilhelmincn die Rechte zn verschaffen, die seiner Frau gebührten.
Seine Gäste kamen an. Am Abend kam Wilhelmine zn Tisch. Sic selbst halte, uns die Erzählung des Grafen von dem Stolze seiner Verwandten, eS sich verbeten, mit zn essen. Allein der Gras drang darauf. Wie sie in den Saal trat, wendeten sich aller Blicke ans sie. Der Graf faßte ihre Hand, und führte sie zn seinem Oheim. Die Mamsel Gart- hoff, mein gnädiger Oheim; ein sehr achtnngSwerthcs Frauenzimmer, die sich das Vergnügen macht, meiner Schwester Sohn zu erziehen. Der alte Gras war noch artiger, als sei» Neffe gedacht hatte. Man setzte sich, man behandelte Wilhelmincn ans keine Weise unartig; allein man redete solche Dinge, von denen sie nichts wußte, nnd mischte sic sich, was sic ein Paarmal that, in das Gespräch, so antwortete man ganz kurz ab. Selbst dem Grafen lieg man nicht Zeit, mit ihr zn reden, was was er einige male versuchte, um sie zn heben. Nach Tische ging Wilhclmine. Eine alte Dame fragte: Sie hatten einmal eine Kammcrjttngfer, liebe Dürbeckcn, war das nickt das Mädchen? Der Graf crröthcte. Für eine Kammerjnngfer weiß sie sich doch ganz gut noch zn benehmen. — Sic ist bescheiden, sagte der alte Graf, und das ist allemal gut, wenn diese Leute wenigstens einsehen, unter was für Menschen sie sind. Der Graf glühete innerlich. Aber was sollte er hier sagen? Seine Schwester hatte ihn gebeten, sich gegen seine Verwandten von allen seinen Wünschen nichts merken zn lassen. Er fand das für das Beste, um seine Geliebte nicht anöznsctzen.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— Der König von Preußen hat bei seiner Abreise von Sanssouci von seinem Hanshaltnngspersonale den herzlichsten Abschied genommen. Wie sie gingen und standen, die Küchenjungen mit berußter Schürze, mußte» Alle im mittleren (Kuppel-) Saal erscheinen, um das Lebewohl ihres Herrn zn Horen. Die Königin war so bewegt, baß sic vor dem Gemahl den Saal verlassen mußte.
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