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nach vollbrachtem Strcifzng znrückgekehrt, ihre sinnlich erregten Spiele trieben und sein neuer Freund ihm aus dem reichen, wunderbaren Buche seines Lebens erzählte.
Auch er wurde dann mittheilsam und berichtete von dem kalten, besonnenen Laude da drüben über dem Occan und von dem eigenen unglücklichen Geschicke.
H)er Häuptling lieh ihm hierbei ein geneigtes Ohr, als er aber zu seiner Flucht und Bcrschreibung kam, da schüttelte er unwillig das Haupt und cntgegnete: „Zwei Blumen mögen noch so nahe bei einander wachsen, sie tragen doch verschiedene Dlüthen; Du wirst in Deiner Heimath nie wieder einen Bruder finden."
„Es gibt in unserem Wesen einen festen, unabweisbaren Zug, wir nennen ihn Charakter; wer solchen hat, muß handeln, nicht nach seinem Geschmack, sondern nach seiner Ueberzengnng," entgegnete der Doktor. „Mein Bruder ist ein Charakter und hält Wort."
Ein bitteres Lächeln spielte als Antwort um die Lippen des Häuptlings.
„Du mußt trübe Erfahrungen gemacht haben, daß Du au die Menschheit nicht mehr glaubst?" srug theilnehmend der Arzt.
Der Gefragte starrte lange vor sich hin; an seiner Seele schien das trübe Erlebte noch einmal vorüberzuzichen und in seinem Auge blitzte es unheimlich auf, als müsse er wieder zum Messer der Rache greifen.
Nach einer Pause Hub er an:
„Ich hatte einen Freund, wie Du einen Bruder; nächst meinem schönen Weibe und meinen Waffe», war er mir der herrlichste Schatz. Meine Seele liebte es, an seiner Brust zu ruhen und ihm zur Seite Streifzüge in die Ferne zu machen. Bei einem dieser Ausflüge schützte er Krankheit vor und blieb zurück; als ich heimkehrte, fand ich die Hütte leer. Die Rache trifft nicht so rasch wie der Blitz, aber sicherer, nicht so schnell wie der Pfeil, aber tödtlicher.
„Ein ganzes Jahr lang durchstreifte ich in unermüdlicher Verfolgung das Land. O, es ist etwas Herrliches, einen Todt- feind zu verfolgen, wenn wir um das Opfer immer engere und engere Kreise ziehen und cS mit dem stechenden Blick der Schlange endlich festhaiten und vernichten.
„Du hast mir erzählt von den Kämpfen Tausender in Eurem Lande: es klingt recht gewaltig und doch ist es nichts. Wie kann da Jeder seine ganze Kraft und Gewondtheit entfallen, wie wir es in Verfolgung eines Einzelnen können.
„Da biegen sich die Sehnen, da schauen wir ans jedem gebogenen Halm und Blatt den Gang des Feindes heraus, da stählt unser Wille den vor Erschöpfung zusammenbrechenden Körper, daß wir rastlos uns an die flüchtige Ferse des Feindes hängen."
„Endlich erreichte ich sie. Der Elende! Als er mich sah, brach er wie ein geknickter Grashalm zusammen und wagte keinen Widerstand, denn er wußte, daß die Rache übermenschliche Kräfte verleiht."
Der Häuptling hielt erschöpft inne, sein Gesicht hatte sich verändert, ein Hauch von Wemuih und tiefen Schmerzes breitete sich über dasselbe und düster sinnend starrte er wieder zur Erde.
„Und was thatest Du?" frug der Doctor aufgeregt und gespannt.
„Laß dies dunkle, blutige Bild verschleiert!" und mit dem alten Flammenblick setzte er nach einer Pause hinzu: „Ich rächte mich. — Aber Du bist ein blasser Mann, Du kennst das Süße der Rache nicht, und wenn du hcimkehrst und Dein Bruder dich von der Schwelle weis't, drückst Du ihm lächelnd die Hand. Komm dann wieder zu uns und hole Dir heißeres, dunkleres Blut."
„Glaube nicht, daß es so lammfromm ist;" entgegnete der Arzt, „Eure heiße Lust fächelt meine Stirn, Eure Sitten und Gewohnheiten erfüllen mein Wesen und Eure Glutgedanken von Haß und Rache fanden längst ein Echo in meiner Brust; wenn ich heimkehrte und den Bruder treulos fände, dann bohrte ich ihm ein Messer ins Herz, schärfer und giftiger als das Eure.
Doch," fügte er hinzu, „ich fühle mich wohl hier, indem son« nenfuiikclndcn Lande und mag cs nicht mit dem dumpfen, gewitterschwülen Vaterlande vertauschen."
Aber auch dort pochte eine neue Zeit gewaltig an die Pforten des Althergebrachten und die Brandung eines wilden, aufgeregten Meeres schäumte an die Felsen des Bestehenden und suchte sie in den Abgrund zu reißen.
Wer kennt diese Tage nicht? Das ruhige Blut hat jetzt bequem zu reflectiren und wir wissen Alle, warum die so rasch aufgefprossene Saat der Freiheit so schnell und krankhaft in'S Kraut schoß und so viel Ungesundes und Schlechtes absetzte.
Es thnt nicht gut, die Hand in die Wnndenmale zu legen; selbst Thomas hat sich dadurch nur einen zweifelhaften Zweiflerruhm erworben; auch ist hier nicht der Ort näher darauf einzugehen, als zum Verlauf der Erzählung unumgänglich nothwendig ist. , (Forts.' folgt.)
Allerlei.
— Morgens oder Abends? Als die Legung des T e legra p Hen-Tau eS durch den Atlantischen Ocean gelungen war, fand sich fast in allen Zeitungen die Notiz, daß eine Nachricht, die Mittags 12 Uhr von Irland abgegangcn, Abends zwischen 8 und 9 Uhr in Neufundland angekommen sei. Jeder, der die Sachverhältnisse kennt, konnte leicht einsehen, daß hier Jrrthum obwalten müsse und bald brachten auch mehrere Zeitungen die Berichtigung, es müsse nicht Abends, sondern Morgens heißen. Es ist für viele Ihrer Leser sicher nicht ohne Interesse, der Sache auf den Grund zu kommen.
Bekanntlich haben wegen der Kugelgestalt der Erde nicht alle Punkte der Erde zu derselben Zeit dieselben Tageszeiten, gegen Osten treten dieselben früher ein als gegen Westen, es kann auch wohl als bekannt vorausgesetzt werden, daß dieser Unterschied auf 15 Längengrade 1 Zeitstunde betagt, so daß der, welcher 15° (eireu 225 deutsche Meilen) östlich von uns wohnt, 1 Uhr hat, während cs bei uns 12 Uhr ist; wer dagegen eben soweit westlich von uns wohnt, dessen Uhr zeigten dieselbe Zeit, wenn sie richtig geht. 11 Uhr. Wenden wir Mn dies auf die Entfernung von Irland und Neufundland an, welche Punkte das Telegrapheu-Tau bekanntlich verbindet. Irland hat Liren 10° östlicher Länge, Neufundland 40° westlicher Länge, dies macht einen Unterschied von 50 Graden, dem ein Zeitunterschied von etwas über drei Stunden entspricht. Ist cs deshalb in Irland früh 6 Uhr, so ist in Neufundland zu derselben Zeit erst Nachts 3 Uhr, 9 Uhr in Irland entspricht 6 Uhr in Neufundland re. Wenn also ein telegraphisches Signal Mittags 12 Uhr von Irland abgeht, so wird, da wir annch- mcn können, daß der galvanische Strom fast in demselben Augenblicke das Ende des Taues erreicht, in welchem er in den Anfang eintritt, (denn der galvanische Strom durchläuft in 1 Secuude ungefähr 60,000 Meilen) das Signal in Neufundland ankommen, wenn die Uhren 9 Uhr Vormittags zeigen. Man lasse sich nicht dadurch täuschen, daß in Amerika die Nachrichten früher sein sollen, als bei uns, von wo sie ansgehcn, sie sind in Wirklichkeit nicht früher da, sondern nur ein Unbedeutendes später, da aber die amerikanische Zeit hinter unserer zurück ist, so entsteht diese auffallende Erscheinung. Was will man dazu sagen? Wenn die Telegraphcndrähte erst bis Kalifornien reichen, so wird man das, was z. B. 1. Scpt. gegen Abends bei uns sich ereignet, den 1. Sept. Morgens beim Kaffeetische schon in Et. FränziSko wissen können. Der Telegraph überfliegt die Sonne bei ihrem Ritt uni die Welt.
Sinnspruch.
Schnell, wie der Wind sich drehet,
Dreht sich das Glück. Wen seine Kunst erhöhet,
O! der vergesse nicht, wie bald er fallen kann!
Er lerne seinen Stolz durch Furcht des Wechsels zähmen, Was ihm der Zufall gab, kann ihm der Zufall nehmen.
Auflösung des Räthsels in Nro. 85: Millionär und Missionär.
Lruck.und Verlag der <8. W.
Zaisersschcn Buchhandlung. Redaltiau: Hol jlc, °