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junger, schöner Herr; Sie sind, wie es scheint, ein großer Freund, von adeligen Siegeln. — „Allerdingswar Alfred's kurze Antwort, „doch was kümmert das Euch?" — „Nun sehen Sie, mein lieber, junger Herr," fuhr der Fremde mit kriechender Gleißnerei fort, indem er mit zitternder Hand aus einem Papier einen Siegelring von blinkendem Stahle hcrvorbrachte, in welchem das Wappen der Familie Eichcnhvrst eingegraben war, und ihn Alfreden darrcichte, — „hier habe ich etwas, das Sie vielleicht brauchen können." — „WaS soll mir der Ring?" erwiderte Alfred, der natürlich das Wappen nicht kannte, — „wenn Ihr mir einen Abdruck gestatten wollt, so" — „Ach nein, behalten Sie den Ring; er hat für mich weiter keinen Wcrih, und Sie können dann noch so viele Abdrücke machen, als Ihnen beliebt." — „Aber wie kommt Ihr als Fremder dazu, mir, dem Fremden, ein Geschenk zu machen?" — Der Wiedereintritt von Alfred's Freund in das Zimmer ersparte dem Verlegenen die Antwort. Der Freund mahnte zum Ausbruche, da bereits die Rückantwort vom Commandanten angelangt sei, daß sie jeden Augenblick willkommen seien, und als ihm Alfred das eben Borgefallene mittheilte, herrschte er ihm leise zu: „Ja, so gib ihm ein Douceur uud nimm den Ring zu Dir! Alfred that es, reichte dem Fremden etwas aus seiner Börse, das dieser nach einiger Weigerung annahm, steckte den Ring in Gedanken au den Zeigefinger der rechten Hand, und hierauf schritten sie fröhlich und wohlgcmnth der Wohnung deö Kommandanten zu.
Der Empfang der beiden Gäste im Hanse des Commandanten war herzlich. Der Sohn desselben, der auö dem Ca- dettenhause einen Kameraden, den jungen Mar von Eichenhorst, mitgebracht hatte, freute sich außerordentlich, nun auch zwei seiner früheren Jugcndgcnossen auö der Pension in S. bei sich zu sehen. Der Vater aber, dem nur im Allgemeinen zwei ehemalige Jugendfreunde seines Sohnes angemeldet worden waren, war schmerzlich überrascht, in Alfred's Zügen den Sprößling des unglücklichen Sebastian von Eichenhvrst zu erkennen, und ihn hier in Gesellschaft seines Cousins, des Kadetten Max von Eichcnhvrst, sehen zu müssen. Doch als er bemerkte, daß Beide einander fremd waren, wich seine Besorgniß. Mit stillem Schmerze ruhte jedoch sein Auge auf Alfreden, welcher ganz das Ebenbild seines Vaters an sich trug, der ein warmer Freund des Commandanten gewesen war, uud über dessen unglückliches Ende noch immer unauflösliche Zweifel in seiner Brust lebten.
Hugo, der Sohn des Eommandauteu, führte, da er wußte, daß auf den Vater uuausschieblichc Geschäfte warteten, seine Freunde in das anstoßende Zimmer, um dort ohne weder zu stören, noch gestört zu sein, der heitern Unterhaltung mit ihnen zu pflegen. Natürlich uud der Sitte gemäß war es, daß er seine Gäste zuvörderst beiderseitig einander vorstellte. „Ihr seht hier," sagte er, indem er sich an seine ehemaligen Penstons- genosscn wendete, „einen wackeru Freund von mir vor Euch, der mir Eucrn Verlust ersetzen mußte, den Cabelten Max von Eichenhorst; uud in diesem," fuhr er fort, sich an Max wendend, „stehst Tu Bernhardt Tranbcnsteiu uud Alfred, zwei Freunde, die der Himmel in S. mir zuführte." (Anders als „Alfred" kottutc Hugo seinen Freund nicht bezeichnen, da ein anderer Name von ihm nie genannt worden war.) Der Name „Alfred" trieb mit Blitzesschnelle alles Blut aus Maxens Gesichte, um es eben so schnell wieder'glühend roth zu färben, und als er eben jetzt den Ring an Alfred's Hand erblickte, ergriff er hastig dieselbe und schnaubte, als er das Wappen erkannt hatte, mit grimmiger Geberde, dunkclrothem Gesichte und vor Wuth halberstickter Stimme Alfred an: „Woher, Frecher, dieser Ring an Ihrer Hand!?" Alfred, den — sowie die klebrigen, dieser Auftritt höchlichst empörte, erwiderte in halber Verwirrung: „Solchem Fragen gebühret keine Antwort!" — „Ha, Bube!" rief Max, außer sich vor Wuth, „noch trotzen willst Du mir, verruchter Bastard des Brudermörders!? Wart', Du sollst mir büßen!" — und schon griff er nach dem Degen an der Wand, als Hugo uud Bernhardt des Wütheuden sich zu bemeistcrn suchten. Auf den gehörten Lärm war der Vater herbcigekommen uud erblickte mit Schaudern die schreckhafte Scene.
Alfred aber hatte bereits durch eine Seitenthüre in den Vorsaal und von da in das Freie sich geflüchtet. Obgleich die
Sonne bereits im Mittage stand, drang er doch rastlos vorwärts nach dem Schlosse seiner Mutter, um an ihrer Seite von dem sinnverwirrten Auftritte sich zu erholen. Die lebhafte Aufre- gung in seinem Innern beflügelte seine Schritte, und als die Nacht hcreinbrach, nahm er aus einem Torfe einen Boten mit sich, welcher ihn zu der verwittweten Hildegard, deren Aufenthalt er, so gut es ihm möglich war, andeutcte, geleiten sollte.
Endlich gelangten sie bei dem Schlosse Eichenhorst an. Noch schimmerte Kerzenscheiu durch die Fenster des von Hildegarden bewohnten Zimmers. Dem pochenden Alfred ward von einem erstaunten alten Diener Einlaß gewährt. Hildegard, durch das Pochen am Thore und das Gebell der Hunde auf den späten Zuspruch anfmercksam gemacht, trat an's Fenster und sah eine männliche Gestalt hastig über den Hof schreiten. Sie eilte, ciuc^Kerzc in der Hand, bis an die Treppe entgegen, — und ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihr bei Alfreds Anblick.
„bim des Himmels willen! Was ist das? Alfred! Du hier? So spät und so verstörten Blickes? Bei allen Heiligen, sag' an, was gibt es, was ist geschehen?" —Alfred begütigte die Mutter durch eine» Wink, wankte die Treppe hinauf und führte die einer Ohnmacht Nahe in's Zimmer. Als er sie daselbst auf die Ottomane gebracht und sich neben ihr niedergelassen hatte, eröffncte er, nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, seine Mittheilnngen mit dem Berichte von seinem Ausflüge zu Bernhardt Tranbenstein, knüpfte daran die Veranlassung seiner Reise nach G., erwähnte des Vorfalls im Gastause daselbst und endigte mit der Darstellung des von einem gewis- sen Max von Eichenhorst erlittenen frevelhaften Uugcbührnisscs im Hause des Commandanten, und wollte eben die Mutter mit Fragen über den Sinn der ihm von Maxen widerfahrenen Beschimpfung bestürmen, als er bemerkte, daß die Mutter athem- und regungslos dalag. Jnnigst bekümmert um das theure Leben der bcklagcnswcrthen Mutter, rief er eiligst die wenige Dienerschaft herbei, und vereint mit den Bemühungen dieser gelang cs ihm, die gebundenen Lebensgeister der Theuern wieder zu entfesseln, und das Bewußtsein derselben allmählig wieder herbeiznfnhren.
Nachdem Hildegard sich hinlänglich wieder gekcästigt und gefaßt glaubte, und die Dienerschaft entfernt war, begann sie, wiewohl mit häufigen Pausen, welche ihr angegriffener Zustand »öthig machte, folgende Eröffnung an Alfred. (Forts, folgt.)
Allerlei.
— Eine neue Maschine wird von einem Mr. Rvwlcy augckündigt, vermittelst welcher Rüben und andere Felder aufs Beste mit Dungpulvcr bestreut und gleichzeitig von allen schädlichen Insekten befreit werden sollen. Der Beschreibung nach, die in einem Shefficlder Blatt vorliegt, ist es ein Fächerapparat, der das Dungpnlver auf die Pflanze streut, bei seinem schnellen Zusammenziehen aber auch die Luft so verdünnt, daß die Jnscctcn in die Maschine hineiugezogen werden. Dort werden sie sofort zermalmt und kommen bei dem nächsten Fächcr- schlage selbst als Dünger mit dem Dungpulver vermischt wieder zum Vorschein. Sie müssen somit die Kohlstaudc befruchten, die sie eben benagen wollten. Als DünguugSpulver wendet der genannte Erfinder Kalk mit ein Sechstel Ruß versetzt an.
— Der Lehrmeister deö Johann Strauß. Vor wenigen Tagen ist in Wien ein einfacher Bürger und Buchbinder, Namens Martin Lichtscheidel, gestorben. Wir nehmen von dem Heimgang dieses Mannes deßhalb Notiz, weil der ehemalige Wiener Orpheus, der im Jahre 1849 verstorbene Johann Strauß (Vater) bei demselben das Buchbinderhandwerk erlernte. Nicht selten erbat sich der unvergeßliche Liebling des Publikums als Lchrjuuge von seinem Meister die Gunst, daß er vor der Feierstunde in das Dachstübchen (die Schlafstätte der Gesellen und Lchrjungen) gehen und geigen dürfe, „weil cs ihn so sehr darnach jucke." „Du hättest lieber ein Musikant werden sollen, als ein Buchbinder," hat ihm der alte Licht- schcidcl zu wiederholten Malen gesagt. Strauß wurde ein Musikant — uud was für einer!
Truck und Perlag derG. W. 2 »ife r'schen Buchhandlung. Redaktion: Holzle.