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Sckwester sind sie mir, denn ihre Heimath ist ja die meine, wie ihr Gott der meine ist. Wie ich, frei von meiner sterblichen Materie, ewig vollkommen werden muß, so werden's auch diese mit mir, und die Nachtigall, die in meine» Blüthen sang, und die Blume, die in meinen Lenzen blühte, sie werden, wie ich, mit mir von Stufe zu Stufe zur Vollkommenheit gelangen. Ach, von meiner lieben heimathlichen Welt umgeben, werde ich nicht selig wandeln i» der Nähe Jehova's, wo Du und alle meine Lieben, wo jeder Mensch, von den ersten unserer Väter an, so ganz, wie ich ihn, mich wieder lieben, und jedes Geschöpf meiner Heimath in himmlischer Vollendung nm mich sein wird!
„Sulamith, Sulamith, wohin schwingt Dich Deine Phantasie? rief ich. — Die Liebe Jehova's, rief sie, ist das Felder Geister, ewige Schönheit das Ziel der Gestalten! O laß mir mein Glück, mein Geliebter, Du kannst mir dafür kein Schöneres geben! — So glaube denn immerhin, antwortete ich, nach Deinen Träumen, liebe Seele, bis Dich die Welt und ein reiferer Verstand, wann Du stark genug bist, nm solchen Traumes nicht mehr zu bedürfen, daraus erwecken.
„Wir wurden durch die Stimme des Vaters unterbrochen, der mit einem Fremden unten durch den Palmengang wandelte und uns suchte. Wir traten ihnen entgegen. Der Fremde war Go mala. Mein Entzücken schildern keine Worte. Langsam fand ich mich soweit wieder, daß ich dem Alten und Sulamith sic als meine Braut verstellen konnte. Erröthend gestand sie den Grund ihrer Ankunft, und mit thränenvollen Äugen schloß sie der Alte an das Herz, Sulamith aber stand lange stumm und zitternd i» heftigem Kampf mit sich selbst, endlich drückte sie Comalen mit Heftigkeit an sich und rief: Vergib, Du bist meinem Herzen sehr nahe verwandt, aber das that ihm so weh! Nun iü's gut, Du wirst glücklich sein! — Sie wollte mehr sagen, aber Thränen erstickten ihre Stimme, die dem Vater und mir deutlich genug das Geheimniß ihres Herzens verriethen.
„Unsere Abreise, auf die anfänglich Eomala sehr gedrungen hatte, wußte die Familie unseres Wirtbes durch ihre Liebe gegen uns zu verzögern, so daß Eomala Zeit genug batte, um die Verfassnng von Snlamith's Seele und deren ganze Herrlichkeit zu erkennen.
„Eines Abends, als ich mich mit Eomala allein im Garten befand, begann sic zu mir nach einem langen, tiefen Schweigen: Mein Clärens, Tn hast die ganze Innigkeit meiner Liebe erfaßt, und weißst ganz zu schätzen, was ick Dir war und bin! Wenn aber nun eine höhere Pflicht, als die ist, die mich zu der Deinigen macht, mich von Dir riefe, wie würdest Du eS tragen können? — Eomala, unterbrach ick stc, was ist Dir? Du weinst, was kann Dich so seltsam bewegen? — Mache Dich gefaßt auf ein schreckliches Wort, sprach sie leise; wir müssen uns trennen. — Trennen! rief ick, nimmermehr! — Die Leidenschaft wollte mir mehr Worte ciugeben, da fuhr der Gedanke an Sulamith mir pfeilschnell durch die Seele und ihr Name entfuhr meinen Lippen. — Tu verstehst mich, mein Geliebter, crwiederte sie; der Verlust meines einzigen Glückes wird mich die Erfüllung einer heiligen Pflicht, die Errettung des liebevollsten, reinsten Wesens vom frühen Grabe oder freudenlosen Dasein, ertragen lehren; Dir wird dieses Wesens Engelhuld reichen Ersatz für Len Verlust Deiner Eomala zu geben vermögen. -- Nein, niemals, niemals laß ich Dich! rief ich ans; jetzt erst, jetzt fühl'ich ganz, was Du mir sein wirst! - Clärens, crwiederte sie, soll Dich ein Weib an Stärke besiegen? Wüßte ick, daß Dich Sulamith weniger glücklich machen könnte, als ich, so würde mich keine Macht der Welt Dir entreißen, nun aber weiß ich, daß sie es kann, und darum ermanne Dich, und laß gegen Deine Freundin die Achtung an die Stelle der Leidenschaft treten. — Und Du? sprach ich. — Sie stand stumm, und häufige Thränen entrollten ihren Augen; plötzlich schaute sic mit leuchtendem Blick in die Höhe und enteilte hastig durch die Gänge.
„Die Ankunft des Vaters entriß mich aus meiner Betäubung, und stillschweigend folgte ich ihm ans sein Zimmer. Nickt lange, so öffnete sich die Thüre des Gemachs, und Eomala trat au Snlamith's Hand langsam und mit gesenktem Haupt
auf mich zu. Mit einem himmlischen Lächeln legte Sulamith Eomala's Hand in die meine, diese aber fiel ihr mit dem Ausruf weinend nm den Hals: Nein, Du sollst mich nicht über- winden, was brächte Dir Dein Sieg, Du engelreine Seele?
— Sulamith erhob ihre Augen zu», Himmel und sprach.- Mein Geliebter, dort bist Du mein in ewig seliger Liebe. Hienieden bist Du der Gedanke meiner Tage, und der Traum meiner Nächte!
— O mein Kind, meine Sulamith, rief ihr der Vater zu, komm an mein Herz, hier ist noch reiches Maas von Liebe und Trost! — Sie flog ihrem Vater entgegen, und nach langem Umfassen sank sie halb uiimächtig zu seinen Fußen nieder.
„Der Alte bat uns nunmehr selbst, unsere Abreise zu beschleunigen, und eine ängstliche Besorgniß befiel mich bei dem Gedanken an den Abschied von Sulamith. Der Morgen der Abfahrt kam heran, von ihrem Bruder und dem Vater begleitet, folgte uns Sulamith bis in den Hafen. Mit holdem Erröthen drückte sie dort den ersten und letzten Kuß auf meine Lippen, schaute dann friedlich hinaus in die offene See und sprach, indem sie mich und Eomala voll tiefer Wemuth bei den Händen faßte: Kehret glücklich in eure Heimath wieder, und wenn Ihr dort die schönen Tage eurer Liebe lebet, und zuweilen an die Fernen denket, die euch lieben, so weinet eine milde Thräne um die arme Sulamith. — Ihre Hände entsanken den unfern, und mit mattem, sterbendem Blick sah sie nach ihrem Vater und Bruder zurück, die sich mit stillem Schmerz über sie beugten. Wir stiegen zu Schiff; da senkte sic sich zwischen jenen Beiden auf die Kniee, und faltete in inbrünstigem Gebet um eine glückliche Fahrt für uns die Hände vor die Brust, in welcher Stellung die Gruppe der Edel» unser» Blicken entschwand."
„So weit die schriftliche Erzählung unsers Freundes." fuhr der Commentbur fort. „Ich «ahm Urlaub und begleitete meine Lieben nach Schottland. Von dort aus nothigte Clärens mich, mit ihm nach Deutschland zu reisen, nm Euch mit sich zu nehmen, damit Ihr in den Armen der Liebe und Kunst ein glückliches Leben mit uns thcilet."
„Ja," sprach der alte Liebenstein, „die Stürme haben ausgetobt, ein langer, seliger Abend wartet unser. Mein Sohn, Du hast die reichsten Güter bewahrt im Sturme Deines Lebens und versöhnt gibt Dich die feindliche Welt den ruhigen Armen Deiner Kunst wieder."
„O mein Vater," crwiederte Valentin, „wohl kehre ich reich und glücklich wieder in ihre Arme, aber auf zwei Leichenhügeln muß ich den Tempel meines Friedens erhöhen. Was ich in Franziska verlor, vermag ja doch kein Gut des Lebens zu ersetzen."
„Die Welt," sprach der Commtenhur, „kann nur nehmen was sie gab; was ein reines Herz sich erzogen hat, das wird ihm kein Tod und keine Bosheit entreißen, denn es ist eins worden mit dem Geist und lebet, wie er, in Ewigkeit."
Den Blicken der Reisenden offenbarte sich allmählig die Küste von Schottland. Der Commentbur zeigte seinen Freunden die im Morgengold schimmerden Felsen von Clärens Heimath. Tie Sonne schwebte hoch über dem Meere, als sie dieselbe erreichten. Da lag am Gestade erhöht die Felsenburg ihres Freundes und mit lautem Jubel schifften sie dem Ufer entgegen.
Als sie dem Schlosse nahe genug kamen, um von den Bewohnern bemerkt werden zu können, flog Gabriele aus der Pforte, breite.tc lächelnd ihre Arme gegen die Kommenden, drückte Valentin mit Inbrunst an's pochende Herz und bedeckte seinen Mnnd mit Küssen.
Wenige Wochen darauf erscholl die Burg von den schmetternden Tönen der Mnflk. Auf allen Gesichtern lag Frohsinn und Lust. Im Saale wurde fröhlich geschmaust, gescherzt und getanzt.
Da erhob sich der ehrwürdige Eommenthur mit dem Pokale und sprach: „Lasset uns trinken auf das Wohl unseres lieben Doppelpaares! Hoch die treuen Bräute Gabriele und Eomala, hoch die wackern Bräutigame Valentin und Clärens! Segne die Vorsehung ihre Pfade und lasse ihre Enkel sich mehren wie die Sterne des Himmels!"
Truck un« Verlag der G. W' Z aiser'schen Buchhandlung. Redakt,'au : Hol - lc.