200

Freudcngeschrci flog ihm Gabriele in die Arme.Wo ist Clä­rens?" waren Balentin'S erste Worte; bittend blickte ihn der Knabe an, eilte dann hinaus und kam nach wenigen Minuten mit Wein und Oel wieder, womit er seines Freundes Wunde wusch und sie mit seiner Schurze, so gut er konnte, verband.

Wo ist Clärens?" wiederholte Valentin. Mit gesenktem Blick streckte Gabriele seine Hand nach Lei» Meere ans , und zog Clärens Schreibtafcl ans dem Busen. Aus ihrer Decke las Valentin folgende Worte:

Ich bin in den Händen der Piraten. Ihre Fahrt geht nach Tunis. Rettung ist allein von Malta ans möglich, eile daher nach La Valetta und suche dort den Grvß- Commenthur, Johann von Auson."

Wie kamst Tu zu dieser Tafel, mein Gabriele?" sprach Valentin nach langem, schmerzlichem Schweigen. Gabriele cr- wiederte:In Dein Blut, mein Geliebter! sah ich Tick' sinken, von Dir rissen mich die Wiithendcn, und brachten mich zu vielen andern Unglücklichen auf ein Schiss, wohin bald auch Clärens geschleppt wurde. Ein wildes Geschrei der Räuber erhob sieb, und wir sahen die Anker lichten. Schnell eilte Clärens auf mich zu, barg seine Cck reibtafel in mein Kleid, faßte mich wild um die Hüften und schleuderte mich im Augenblick, als das Fahrzeug abstieß, in ein Gebüsch am Ufer. Niemand hatte die That gesehen und schnell sah ich die Segel entschweben."

Valentin achtete nicht der Schmerzen seiner Wunden, und wandelte mit seinem Gabriele ohne Verzug nach Syrakus, und von dort nach Malta. Ter Groß-Commcnthur nahm die Fle­henden freundlich auf, gab aber Valentin, welcher sein ganzes Vermögen in Rom zur Freikaufung seines Freundes anbot, die Versicherung, daß Clärens Rettung ohne fremde Mitwirkung, durch ihn und seinen Orden, sei cs durch Gewalt oder Gelb, bewerkstelligt werden würde, indem sie Niemand näher am Her­zen liege, als ihm. Er behielt bis zu Valentin's völliger Ge­nesung die Fremden bei sich, dann aber bat er sie, wieder nach Rom zurückzukchrcn und dort auf Clärens Zurückknnst zuver­sichtlich zu hoffen. Valentin, der eine nahe Verbindung zwi­schen dem Ritter und seinem Freund einsah, jedoch zu besck'eiden war, um sich eine Frage darüber zu erlauben, schiffte sich mit seinem Pflegcsohn ein und kam nach Nom zurück.

Als weder von Deutschland, noch von Malta ihm Knude zukam, nagte eine schreckliche Unruhe au seinem Herzen, doch gab ihm bald sein Gemüth, wo nicht Beruhigung, doch niänn- liche Ergebung in sein Schicksal, und mit Wcmnth ergriff er die Palette wieder, um im Bilde die Stimmung seiner Lcele auszudrücken. Das Gemälde, an dessen Ausführung er schritt, stellte ein engcS, von Felscngcbirgen umgebenes, Thal vor, zur Linken sprang ein Fclscnhang hervor, und zur Rechten stürzte sich stäubend ein Strom hernieder. Ein Ungewitter brauste über die Landschaft, und vom Felscnbang streckte Franziska die Arme nach dem Thal, in Gefahr, vom Sturm nietergeschlendcrt zu werden; hoch bis an die Brust wurde zur Rechten von des Stromes Wogen Clärens Gestalt umschäumt, die Regengüsse peitschten sein Haar, und hülseflchend wendete er sein Antlitz ju's Thal, denn in dessen Mitte stand Valentin verzweifelnd, und wahllos, wo er retten sollte, zum Himmel blickend, der sich in Nauer. Klarheit über die felsenumlagernden Wolken brei­tete. Ein goldener Strahl schien von seinen Höhen nieder, und senkte sich dreifach gespalten durch die Wolken auf die Häupter der.Gestalten, und hoch im Blauen schwebte ein himmlischer Jüngling in Gabrielc's Gestalt. Er war beinahe unbekleidet, senkte friedlich sein Haupt gegen Valentin, und hob bedeu­tungsvoll seine Rechte in die strahlende Höhe.

Mit ungewohnter Theilnahme stand Gabriele vor der Lein­wand, und sah ihm stundenlang zu. Als jedoch Valentin eines Tages den ober» Theil von Franziska's Gestalt, die sich mit entblößtem Busen niederbeugie, zu zeichnen begann, sah ihn Valentin plötzlich hoch erröthen und hastig das Zimmer verlassen.

Er gieng ihm nach und fand ihn in heftiger Bewegung unter der Laube. Beinahe mit Gewalt mußte er ihn in's Zim­mer zurückbringcn, wo er wünschte, daß ihm Gabriele zu der Engelsgcstalt des Jünglings, entblößt wie sie war, sitzen sollte.

Gabriele schlug ihm mit sichtbarer Angst sein Verlangen

! ab. Valentin fand von dieser Stunde an das Betragen seines PflcgesohuS gänzlich verändert, welcher, anstatter sonst beinahe nie von seiner Seite wich, und gemeiniglich bis spät in die Nacht unter der Laube, oder auf einsamen Spaziergängen weilte, ! nun schüchtern seine Nähe floh, und sich mit Einbruch der Nacht in sein Gemach verschloß.

Valentin, dem das Modell zu seinem Gemälde unumgäng­lich nothwcndig war, konnte nicht von seiner Bitte Massen, aber machte Gabriele damit stets nur scheuer und widerspenstiger.

war ihm jedoch nicht möglich, seinen Pflegling durch Strenge zur Folgsamkeit zu bringen, und er beschloß daher, wiewohl mit einiger Selbstüberwindung denn er mußte das Bild, gerade wie es war, stehen lassen geduldig eine Aen- dernng in Gabrielc's Betragen abzuwarten.

Einst kam er von einer Gesellschaft junger Freunde nach Hause, zuviel genossener Wein hatte seine Phantasie erhitzt, und als flehten Franziska und Clärens lebend und in Wirklichkeit von seinem Bilde zu ihm herüber, so stand er glühend vor dem­selben. Gabriele saß mit der Laute still in einer Ecke; wie ihn Valentin erblickte, umfaßte er ihn wild, führte ihn vor sein Gemälde hin und beschwor ihn, ihm nur seine Bitte nicht mehr abzuschlagen. Sein Angesicht glühte, und sehnend schaute er bald aus Gabriele, bald nach seinem Bilde. So hatte ihn dieser noch nie gesehen, eine kalte Angst überfiel ihn, zitternd entwand er sich Valentins Armen und floh in sein Gemach.

Wüthend eilte dieser ihm nach, stieß die verschlossene Thüre auf, und befahl ihm zn folgen. Gabriele bedeckte mit beiden Händen das Gesicht und stammelte:niemals, niemals, eher gieb mir den Tod!" Da faßte Valentin außer sich den Knaben an den üppig wallenden Locken und riß ihn grimmig zu Boden.

Mit einem leise» Klageruf sank Gabriele nieder, und Valentin floh, wie von Furien gepeitscht, ans dem Hanse.

Er rannte in dumpfer Betäubung durch die Staßen.

Endlich kühlte sich sein Blut, und von Liebe und Neue getrieben flog er seiner Wohnung zu. In Gabrielc's Zimmer waren blutige Spuren auf dem Boden zu sehen, Gabriele war verschwunden. Im ganzen Hause, im Garten, auf allen be­kannten Stellen stickte er vergebens seinen Liebling. So brachte er verzweifelnd den Tag' dahin, und schon war die Lonne nieder- gegangen, als ihn seine letzte Hoffnung zu dem Gottesacker an der Pvramide des Caisius, wo Gabrielc's Vater ruhte, zog.

Dort fand er ihn ohnmächtig auf des Vaters Grab liegen, das von Blut und Thränen entstellte Gesicht in die bcthanten Halme gedrückt. Bebend nahm er ihn in die Arme und trug ihn nach Hanse. Er ließ ihn auf ein Ruhebett nieder und knöpfte ihm daS Gewand auf, da wallte ei» holder Busen ihm jugendlich wogend entgegen, und in unnennbarem Weh sank er an dem Lager nieder.

Das Mädchen schlug sanft die Auge» auf, und ihre Hand mit Thränen benetzend, sprach Valentin:Kannst Tu, Engel! mir vergeben?" Weinend barg sic ihr Haupt in die Kissen.

O! tröste Dick'," rief er,um meiner Liebe willen!" Sie schüttelte wehmüthig das Haupt, schaute dann auf das ge« genübcrstehendc Bild Franziska's und sprach:Nun bin ich wohl hülflos und allein!"Ja, hier wärest Du eö," cntgegnete Valentin,doch fern in meinem Deutschland ist noch ein Plätz­chen, wo man Deine Thränen stillt. Dort wird Dich meine zärtliche Schwester schwesterlich liebend empfangen."Schwe­ster?" rief das Mädchen, sah dann still vor sich nieder, und Tu mein Buiber?" lispelnd, sank sie dem Freunde heiter an'S Herz.

Valentin machte nun alle Anstalten zur Abreise, und sandte ein Schreiben au den Commenthur nach La Valetta, worin er ihn von dem Vorgegangcueu und von seiner Heimkehr benachrichtigte. iFortsetzuug folgt.)

Allerlei.

Ein Kranker klagte einem mürrische» Arzte in London, daß er weder liegen, noch sieden, noch sitzen könne. Der Arzt antwortete ihm kurz: ein Mittel ist noch übrig, hängt Euch auf.

Truck unt Verlag rer G. W Zalser'schcn Buchhandlung. Rcdaktiu»: -öljlc.