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Gabriele oder das Mädchen von Ikon».
Original-Novelle aus der Zeit Gustav Adolph'S von Schwede».
(Fortsetzung.)
Unter solchen Gesprächen langten sie in Mailand an, wo Valentin einen Brief seines Vaters vorsand, von dein er seinem Freunde Folgendes verlas:
Mein Lohn!
Du hast den Fenerbrand in Dein unbewachtes Herz geworfen, und ich ahne, es wird, so lange Jngcndgluth in ihm wohnt, nie mehr seinen alten HimmclSfrieden finden. Doch nichts von Mißbilligung; ihr Ausdruck müßte Deine Leidenschaft nur noch mehr entflammen. Was über Dich kam, eS hätte früher oder später doch — sei cs unter welcher Form cs wolle — über Dich kommen müßen, das sagte mir längst schon die erwachte Kraft Deines Gemüths. Ich kann Dich nur bitten, dieses verzehrende Feuer der Leidenschaft zu dämpfe», nicht zu unterdrücken Deine Liebe, von irdischer Begierde reinigen, in Einklang zu bringen mit de» übrigen Reichthümern Deines Herzens ; nur so vermag sie über Dich jenen Zauberhimmel auS- zubreiten, unter dem allein des Künstlers Geist zur Reife gelangen kann, denn nur solche Liebe ist die Mutter der ewig schaffenden und belebenden Grazie, aber entflohen ist sie, sobald sie zur Leidenschaft wird. Mit der milden Gluth des Friedens möge sie Dich durchwärmen, und Dich jeden Menschen, jedes Schöne mit solcher hinreißenden Innigkeit lieben lehren, mit welcher Du an Deiner Geliebten hängst, so, nur so vermag sie Dich wahrhaft zu bereichern. Folgst Du ihren Begierden, so wird bald Deine ganze reiche Welt in den engen Kreis eines einzigen Menschen gebannt werden, und, magst Du auch immerhin die Reinheit Deiner Seele bewahren , wirst Du gleichwohl bei diesem Tausch als Künstler und Mensch mehr verlieren, als Du an Glückseligkeit gewinnst. Die Welt wird über dem Künstler sein Kunstwerk vergessen, und mag er darin noch so liebenS- würdig erscheinen, als Individuum wird er doch auf allgemeines Wohlgefallen unmöglich Anspruch machen können, denn kein Mensch vermag Jedem zu gefallen. Legst Du hingegen Deinen ganzen Himmel, wie ihn jeder Künstler in ewiger Reinheit in sich tragen soll, in Deine Gebilde, dann wird cs blos auf die Vollkommenheit Deines Innern ankommcn, wie weit Du die Achtung der Welt fordern kannst. Die Ansprüche des durch Vernunft Veredelten sind ewig und allgemein gültig, da ein Mensch auf dieser Stufe nicht mehr als Einzelner, sondern als berufener Vertreter der ganzen Menschheit spricht.
Wie der Mond in nie getrübtem Frieden durch die Räume schwebt, und mit seinen Strahlen ein geheimes zauberisches Leben in die Natur ausgießt, so soll der Künstler seinen Lauf vollenden, unbekümmert um das Kämpfen und Treiben der Welt, frei von Leidenschaft, ewig ein Kind, dnrch's Leben wallen, und mit dem, was die Natur ihm spendet, seine Welt beglücken und erfreuen. Sv nur ist er, was er sein soll, das wahre Kind der Natur, dem seine Mutter unmittelbar jene Gaben reicht, die der Mensch, welchen die Welt von ihr entfernt hat, nach langem mühsamen Suchen so selten findet.
Du, der Du durch Natur und Erziehung der Kunst geweiht bist, der Du als Mensch verloren bist, wenn Du als Künstler cs bist, prüfe Dich wohl, ob Du von diesem seligen Pfade nicht abirrst, ob Du gewiß bist, jene heilige Kindheit in Dir bewahren zu könne». Bist Du da nickt mehr wie sonst, o dann ergreife jetzt keine Palette, dann wirf Dich lieber mit vollem Herzen in den wilden Sturm des Lebens; nur in ihm wirst Du Dich selbst wiederfiiidcn und erstarkt die leichte Bahn Deiner Jugend wieder betreten, bann komme zurück in Dein unglückliches, vom Krieg zerfleischtes Vaterland und kämpfe mulhig mit den Kampf Deines Glaubens.
O mein Valentin, Du weißt, daß dieses Krieges unselige Stürme mich hauptsächlich bestimmt haben, Dir in friedlichen Weiten die Ruhe Deines Gemüthes zu bewahren, Du magst daher in dem Rath, Dich selbst in diese Stürme zu werfen, den Schmerz des Vaterherzens lesen. Doch nicht unmännlich will ich gleich einem Verlorenen Dich beklagen, Du wirst, Du mußt den Frieden Deiner Seele, wenn Du ibn verloren, sei's auf Gefahr Deines Lebens, wiederfindcn. Die Sonne geht
auf, die Röthe der Jugeud schmückt ihr liebendes Antlitz und alle Welt breitet sich glücklich der Holden entgegen, aber beschwerlich wird ihr Lauf und heiße Gluth sprüht ihr vom mühevollen Erklimmen der Bahn glühendes Angesicht auf die Fluren nieder und dunkle Wolken umlagern ihre himmlischen Züge; da kommt ihr Abend und in seligem Lächeln, wie sie neugeboren über die Hügeln schaute, entschwebt sie den Gefilden. So wirst auch Du die Wonne Deiner Jugend wiederfinden! — (Forts, folgt.)
Allerlei.
DaS Heimweh und der Kaffee.
Wenn ich mich nach der Hcimath sehn'
Und in dem Aug' die Thräncn steh'n,
Nchm' ich die Kaffecpfann' zur Hand Und sied' die Frucht aus fernem Land;
Wenn sie dann dampft und sprudelnd kocht Und links und rechts stets aufwärts pocht,
Wird'S leichter mir um's bange Herz,
Zur Wonne wird mir jeder Schmerz!
Kaffee, Kaffee, du cdlcS Kraut!
Wer dich das erstemal gebraut.
Der lebe hoch und ewig froh.
Auch alle Weiber singen so!
Die Mädchen alle groß und klein,
Sic stimmen jubelnd mit mir ein.
Ob schön, ob häßlich — einerlei.
Dir Kaffee bleiben alle treu!
Dein Arm umfaßt die ganze Welt,
Wo nur noch ist ein Kreuzer Geld.
Wer ist wie du, wer ist dir gleich?
Wer hat ein ähnlich großes Reich- Kaffee! so ruft der Muselmann,
Der Buschmann trinkt, so viel er kann,
Der Rufs, der Schwed', der Deutsche auch Schlürft dich mit Lust in seinen Bauch.
Drum frag' dich: wie griffst du es an.
Daß also glücklich deine Bahn;
Daß jeder Nacke williglich Vor deinem Joche beuget sich;
Daß du auch in dem fernsten Land Als Fürst und König anerkannt?
Die Politik, die wüßt' ich gern.
Die dich gemacht zu solchem Herrn. '
Haha, du that'st den Weibern schön Und dachtest dann mit schlauem Sinn:
Der Mann folgt seiner Liebsten nach,
Wie'S eine ausgemachte Sach.
D'rum hat dein Reich verschlungen ganz Die Völker all', mit Ruhm und Glanz,
D'rum stehet es auch felsenfest.
Auf Weibcrlist, sie ist die best'.
Ich will mit deiner Politik O Kaffee! suchen auch mein Glück;
Ich werbe um der Weiber Gunst,
Weil anders Werben doch umsonst.
Unmögliches das leisten sic.
Begeistert von der Kaffcc-Brüh.
Ich trinke Kaffee selber dann Recht fleißig, als ein Wcibermann!
Wenn Weiber jemals was erdacht Und Gutes auf die Bahn gebracht.
So ist's der edle Kaffeetrank,
Selbst Dichter wissen ihnen Dank- Drum leb' der Kaffee und das Weib,
— Auch die, mit dürrem, magern Leib —
Wenn nur die Zung' ist fähig noch.
Den Mann zu bringen unter's Joch.
Truck und Verlag der G.W'L a iscrfchen Buchhandlung. Redalli»,: H»l,lc.