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Damals hatten sich eben in dem sangreichen Schwaben die ersten Liederkräuze gebildet, die wie billig die Hand zu poetischen Zwecken boten. Die Städte in der Umgegend zeigten frenndiiacbbarliche Sympathie kür Marbach und stellten gloriose Licdcrfesteznm Besten unseres Denkmals an, wir jungen Damen von Marbach stickten eine prächtige Zahne mit einer Lyra aus blauem Grund und einem Blumenkranz auf weißer Seide, bei dem die Anfangsbuch­staben der Blumen das Wort Marbach bildeten. Unser Sänger­kranz zog in Hellem Triumphe mit dieser Zahne ab, sang, trank, jubelte und hielt Festreden zu Ehren Sebiller'S, und brachte eine für unsere bescheidenen Hoffnungen reiche Ausbeute zurück.

Endlich war Marbach so reich geworden, um wenigstens den Beginn des Unternehmens wagen zu können. Zunächst sollte die Stätte für das zukünftige Denkmal bereitet werden, und eS war längst ein anmuthiger Platz dazu auserschcn worden: eine Anhöhe, von der man den schönsten Blick auf die freundliche Gegend auf den Hellen blauen Neckar mit seinen grünen Ufern und auf Thürme und Schloß der Stadt Ludwigsbnrg, einer spätem Heimath Schillers, hat. Um bei der Wahrheit zn bleiben, muß ich zwar gestehen, daß der Platz den prosaischen Namen Schelincngrüble trug, und in alten Zeiten ein Versteck für räu­berisches Gesindel gewesen sein soll. Er war ein kahles, steini­ges Haidcland, auf dem nur magere Bäume gediehen und nichts blühte als rothe Blutnelkcn, die wir als Kinder häufig dort gesammelt habe». Aber ein romantisches Plätzchen war cs doch, gesucht von allen sinnigen Gcmüthern, und auf der alten Steinbank, die einst auf dem schönsten Punkte der Anhöhe ein Naturvcrchrcr errichtete, hat schon manch liebendes Paar in die sinkende Sonne geschaut, lange eh' das Lchelmcngrüble zur Schillershöhe geworden ist.

Dieser Platz also sollte geebnet, bepflanzt und zum Hain umgeschapt werden, um dereinst die zu hoffende Büste des Dichters aufzuuehmen. Kein kleines Werk, aber Liebe und Begeisterung dafür war in alle Volksschichten gedrungen. Alle wetteiferten, daS Ihre dazu beantragen. Selbst die ärmsten Handwerker und Tagelöhner verpflichteten sich zu unentgeltlicher Arbeit dabei, und an einem schönen Frühlingsmorgen begann unter verständiger Leitung ein rühriges schaffen und Treiben, ein Fahren, Tragen und Graben auf dem alten Schelmengrüble, als gelte es, die Gegend umzugestalten. Muntere Jungen schaff­ten die Steine fort, die kräftige Männer ausgruben, Andere führten gutes Erdreich herbei, um dem dürren Grund aufzuhel­fen; wieder Andere gruben tiefe Löcher, worin die neuen Bäume, Platanen, Akazien, Kastanien, eingesetzt werden sollten, und das war ein fröhliches, unverdrossen Schaffen. Es ist selten, daß der arme Arbeiter den Schweiß seines Angesichts um eines idealen Zweckes willen vergießt; wenn er eS aber thut, so liegt etwas Belebendes und Erhebendes darin.

Und die gebildete Bevölkerung, di« nicht Steine graben und Karren führen konnte, die lustwandelte unter den emsigen Arbeitern, um sie durch freundliche Worte zn ermuntern, und spendete in reicher Fülle den guten Neckarwein aus ihren Kellern, um sie bei frischem Muth zu erhalten; Alles um die Vater­stadt in Schiller, ihrem berühmten Sohn.

Das war der poetische Jugendtraum der alten Stadt Marbach.

Und es ist ein Traum geblieben. Zwar ist das fröhlich begonnene Werk gelungen, das Schelmengrüble ward Schillers­höhe genannt, und aus dem einst so dürren, kahlen Haideland wehen die hohen Bäume eines dichten grünen Haines, der nun mehr als je zuvor von liebenden Paaren, fröhlichen Hochzeits­gesellschaften nnd sanglustigen Liedcrkränzen besucht wird. Aber mit dem Hain waren die Mittel der kleinen Stadt erschöpft, die Theilnahme deS auswärtigen Publikums verkühlt. Der Haupt­stadt standen ganz andere Wege und Quellen offen, als dem bescheidenen Landstädtchen; wo wir bei Licderkränzen und an den Kätzchen poetischer Mädchen auklopften, da bettelten sie bei Königen und Kaisern, bei Fürsten und Grafen, und längst hat Stuttgart auf dem Schloßplatz hinter dem Fürstenbau sieg­reich das eherne Standbild des Dichters aufgepflanzt. Wir Marbacher freilich konnten schwer den schönen Traum verschmerzen, in dem wir schon unter einer edlen Halle das Dichterbild aus weißem Marmor sich aus der grünen Umgebung erheben sahen;

wir meinten, das Bild könne sich nie recht daheim fühlen in jener steinernen Umgebung, und wir lebten der Hoffnung, es werde eines schönen Tages der Wunsch noch in Erfüllung gehen, den ein junges Stadtkind von Marbach, das auch ein Körnchen Poesie ans Schiller'S Heimathflur aufgelcsen, einst so sehnsuchts­voll ausgesprochen hatte.

Einst hast voll starker Jugendkraft Du dich, o Schiller, aufgerafft.

Als in der Hauptstadt öden Mauern Dein reicher Geist »och mußte trauern.

Kühn schrittest aus dem enge» Haus Ins weite Leben du hinaus.

Dir dünkt' ein frei und frisches Streben Biel besser als solch kühles Leben.

Nun wollen zwischen kalten Steinen Sie bannen dich im Bild hinein.

O, daß dein großes warmes Herz Nur Einmal schlug durchs kalte Erz,

Laß deines Geistes reiche Wellen Einmal den starren Busen schwellen!

Du ließest dich auch jetzt nicht banrecn.

Du schrittest selbst im Bild von dannen Vom Ort, wo einst Du junger Aar,

Dein erster Flug gehemmct war.

Doch meide nicht dein Vaterland,

Komm an des Neckars blüh'nden Strand,

Dort liegt ein Städtchen klein und arm,

Drin schlagen Herzen treu und warm.

Wo du verträumet wunderbar Der goldnen Kindheit erste Jahr.

Da weile du auf luft'gcr Höhe,

Daß frei dein Auge niekersehe Auf deiner Heimath grüne Flur,

Auf Gottes herrliche Natur,

Die, seit ein Herz schlägt, immerdar Die schönste Dichterheimath war.

Und hast tu so zum rechten Ort Das edle Bild geführet fort.

Dann schwinge ruhig, großes Herz,

Dom Bild dich wieder himmelwärts. O- Wildermu th. (Schluß folgt.)

Allerlei.

Landwirthfchaftliches.

Düngmittel für /lachs und andere Sorten öligter Art.

Die öligten Saatfrüchte fordern vor allen eine große nnd regelmäßige Zuführung von Feuchtigkeit und Kohlenstoff. Diese Eigenschaft besitzt nun das Salz in hohem Grade. Ein am»" rikanischer Gutsbesitzer versuchte daber das Salz hierzu, streute es zur Saatzeit in den Boden, im Verhältniß von etwa dop­pelt so viel, als der Same beträgt, und hatte den erwünsch­ten Erfolg hiervon. Es verbessert die Quantität und Qualität des Flachses, insbesondere die Menge des Flachssamens. Hier­aus läßt sich nun schließen, daß es mit Vortheil auch auf an­dere Saaten öligter Art angewendet würde.

Sinnsprnch.

Willst du dir ein hübsch Leben zimmern,

Mußt ums Vergangene dich nicht bekümmern.

Und wäre dir auch was verloren.

Mußt immer thun wie neu geboren;

Was jeder Tag will, sollst du fragen.

Was jeder Tag will, wird er sagen;

Mußt dich an eignem Thun ergötzen.

Was Andre thun, das wirst du schützen;

Besonders keinen Menschen Haffen,

Und das Ucbrige Gott überlassen.

Truck und Verlag der G. W' Z a lsc r'schen Buchhandlung. Siedakti-n: H »lzI