inS Hofthor ein, ein hoher Mann, mit langen, schon gebleichten Locken saß darin, er beugte sich etwas vor und seine bellen. blauen Augen sckanten mit seltsamem Ausdrucke aus dies zierliche, weise Haus und seitwärts auf eine» langen, von dunkeln Hecken eingefassten Gang, welcher zum Garten führte, der hinter dem Hanse lag. Indem hielt der Wagen vor der Haus« thür, die Bedienten öffneten den Schlag und der hohe Fremde schritt rasch die Marmorstnfen hinauf. Eine feine, schlanke Fraucngestalt in tiefer Tranerkleidnng, trat ihm an der Thüre entgegen, reichte ihm, unfähig ein Wort zu sprechen, die Hand und führte ihn ein. — „Jngeborg!" sagte der hohe, schlanke Mann mit den langen Hellen Locken nach einer kleinen Pause, ,,so sehen wir uns wieder!" — und er drückte die feine wachsbleiche Hand ehrfurchtsvoll an seine Lippen und deutete mit den Angen ans das düstere Gewand der Trauer, das die blaffe Frau umhüllte. „So lange ich lebe, werde ich das Wittwenkleid tragen," antwortete sie kaum hörbar: „seit vier Jahren trage ich es. Aber heute zum ersten Mal, seit jener düstern Zeit des Grams und der Verzweiflung, die meine Seele umfing, fällt ein Strahl himmlischen Lichts und reiner Freude in die Nacht meiner Seele und der kommt mir von Ihnen! — Dank, o Dank Ihnen, Berthel! daß ich Sie so nennen darf, ja, daß Sie selber mir dieses Recht gegeben, das ist Freude, daS ist Glück für mich die ich doch allen Ansprüchen ans Glück entsagt zu haben glaubte. — Aber nun kommen Sie, ich muß Sie meinen Gästen znführcn, die vor Verlangen brennen, dem Etatsrath Thorwaldscn ihre Glückswünsche zu Füßen zu legen." — Thorwalbsen reichte ihr schweigend seinen Arm und sie traten in die glänzenden Gesellschaftszimmer ein, welche heute zum ersten Mal seit dem Tode des Grafen, den Freunden und Bekannten der Wittwe wieder geöffnet worben waren.
Als die Spieltische arraugirt, der ältere Theil der Gesellschaft daran platzirt ward und der jüngere Theil derselben sich an Musik, Gesang und den geselligen Spielen ergötzte, die für die Jugend so anziehend sind, war cs völlig Abend geworben. In dem großen, geschmackvollen Garten, der hinter dem Hause lag, brannten unzählige Pechpfanncn und bunte Lampen, welche zwischen den hohen, dunklen Bäumen ein zauberisches Licht verbreiteten. — Aus dem langen, finstern Gange, welcher vom Hofthor ans in den Garten führte, traten zwei Gestalten hervor; ein hoher, schlanker Mann im langen, weiten Mantel und eine Dame im schweren, schleppenden Traucr- gcwand. — Sie gingen langsam Arm in Arm, erst zu dem Teich rechter Hand, in welchem Gold- und Silberfische einst dem Knaben Berthel so gar lieblich gebäucht, dann zu den, zerstreut zwischen Beeten blühender Blumen liegenden Rasenplätzen, ans denen die schönen, weißen Mensche» von Stein standen, gerade so wie damals, als sie dem Kinde so viel Furcht und hernach so nnendilch viel Freude bereitet hatten. — Wie damals der rolhe Abendhimmcl über den Kindern lag und Alles mit glühender Rölhe übergoß, so glühte jetzt das rolhe Lickt der Pechpfannen und Lampions durch die Dämmerhelle des Sommerabends und übergoß die weißen Gebilde von Stein mit röthlichem Glanze. — Der hohe, schlanke Mann stand plötzlich still, überwältigt von diesem Anblick, der ihn so unabweisbar an jenen einen Abend seiner Kindheit mahnte, welchen er nimmer vergessen hatte in der Arbeit und den Triumphen seines reichen Künstlcrlebcns. Er faßte die Hand seiner Begleiterin, deren feines, bleiches Gesicht wie rosig angehaucht schien und blickte sie lange, lange fest an. „Jngeborg," sagte er und seine Hellen, blauen Äugen leuchteten von göttlicher Begeisterung, „Dank, o Dank Ihnen! Sie zaubern mich, wie ein Märchen, wieder in meine Kindheit zurück, in jenen unvergeßlichen einen Abend, dessen nothwendige Folge die Entwickelung meines ganzen später» Lebens war. Jenes Wort des Knaben: „Wenn ich groß bin. will ich auch solch' schöne, weiße Menschen von Stein machen!" ist ein prophetisches gewesen; fortan dachte ich nichts mehr, und sah nichts mehr als jene wunderbaren Gebilde von Stein und im wirren Durch- einander gaukelten vor meinem innern Auge fabelhafte Formen und Gestalten, die ich später gebildet und veredelt in Marmor meiseln sollte. — Jener eine Abend hat in die Seele des
Knaben ein unauslöschliches Bild gegraben, gleich wie mit Flammcnschrift; hat den göttlichen Fnnke» geweckt, welcher sonst vielleicht ewig in mir geschlummert hätte, ohne zur Er- kenntniß seines Daseins zu kommen; jene eine Stunde war die Geburtsstundc des unsterblichen Genius, welchen die Menschen Kunst nennen. — Und diese Erkcnntniß danke ich wiederum Ihnen, — lassen Sie mich sagen — danke ich Dir, Jngeborg? — Dir, Alles Schöne »nd Herrliche, was ein Menschenleben schmückt. Dir allen Ruhm, welcher mein Haupt umgibt, jede heilige Stunde der Erhebung und der unmittelbaren Nähe der Gottheit, die ich fühle, wenn der Geist in mir »ach Schaffen ringt, — ja, warum soll ich cs nicht sagen, das Bewußtsein der Gottähnlichkeit, welche im Schaffen selbst liegt, — Alles dank' ich Dir, Dir, Jngeborg! — Du bist der Engel meines Lebens gewesen und daß das Geschick mich Dir zugesührt, das hat mich den Segen einer liebenden Vater- Hand erblicken lassen!" Ein lichter Funke glänzte im Auge deS Meisters, ein köstlicher Diamant. — Es war eine Thräne des reinsten Entzückens, ein heiliger Thau des Himmels. Auch Jngeborg's blasse Wangen waren von Thränen übcrflulhet, aber es waren süße Thränen der Freude. Wie dunkel auch ihr Geschick gewesen, der ihr den geliebten Gatten in der Blüthe der Jahre entrissen, — dieser Moment tilgte alle Schatten eines jahrelangen Grams ans der Seele eines Weibes und ans zwei reinen Menschcnherzen stieg ein herrlicher Lobgesang zu dem tiefdunkcln, sternenfunkelnden Nachthimmel. —
Die Stunden verrannen, die Gäste der Gräfin L. saßen an den reichbeladencn Tafeln, der kostbare Wein perlte in den krystallencn Gläsern. Oben an der Tafel saß der gefeierte Gast in der Heimath, der Professor der Akademie der schönen Künste von St. Lnca, der Ritter von Danncborg, der Etatsrath Thor- waldsen. Aller Angen hasteten auf ihm mit unverkennbarer Bewunderung und gerechtem Stolze, seine Wangen glühten, seine Augen leuchteten. Auch die Gräfin Jngeborg sah trotz ihrer tiefen Trauerkleidung seltsam verändert aus, ein wunderbarer Ausdruck von Gehobcnheit, fast von Begeisterung glänzte auf ihrer edeln, hohen Stirn; die Gäste blickten sie staunend an, sie wußten ja auch nicht, welch' süßen Trost fortan ihre Seele barg. — Und der Champagner schäumte und perlte, die Gläser klangen aneinander, ein lauter Hörncrtusch begleitete den begeisterten Toast und „es lebe Thorwaldscn!" erscholl es wie aus Einem Munde. „Gott segne Berthel Thorwaldscn!" flüsterte die Gräfin Jngeborg so leise, daß nur der edle Meister es hörte. Ein dankender Blick seiner Hellen, blauen Augen sagte ihr, daß sie verstan den sei.
Allerlei.
— Aus Peckelsheim wird der „P. Z." unterm 10. Mai geschrieben: Vor einiger Zeit wurde bier einer Katze zwei jungt Füchse unterlegt. Außer den beiden Füchsen war nur noch eine junge Katze schließlich der alten gelassen, welche mit besonderer Vorliebe die Füchse auszeichncte. Nachdem die kleinen Findlinge über fünf Wochen in Friede und Eintracht mit der Stiefmutter und Stiefschwester gelebt hatten, erhielten dieselben vor zwei Tagen zum ersten Male Fleisch, welches sie mit der größ- tcn Gier verschlangen, jedoch sich schon denselben Tag an der jungen Katze vergriffen, welche sic in der darauf folgenden Nacht buchstäblich in Stücke zerrissen. Dennoch ließ die alte Katze ihre Pflegbcfohlenen nicht im Stich, bis auch sie von den beiden kleinen frechen Burschen angefallen wurde; sie wagte eS daher nicht, sich ihnen unmittelbar zu nahen, sondern sitzt, etwas erhöht, fast den ganzen Tag neben dem Lager und blickt, unter den jammervollsten Tönen, erstaunt auf die unnatürliche
Brut herab.-
Dreisilbige Charade.
Tannen, Fichten, Fohren, Kiefern,
Müssen uns die Erste liefern.
Frei zu leben wie die Zweiten,
Ist, wer's muß, nicht zu beneiden.
Und das Ganze ist hienieden,
Wem das Erste ist beschicken.
Lruck mid Vertag der E>. W. L a iser'schen Vsct'handMng. Üiedakv-n : Hstjtr.