waldsen ihr zeigt und erklärt, welche er in Marmor ansgcfnhrt hat oder erst anSsühren will.Hier, Frau Gräfin," spricht er mit bescheidener Würbe, aber mit funkelnden Augen,liier ist das Modell meines Jason, welches mein erster, großer Schritt ans der steilen Balm der Kunst gewesen." Die ruhige Hoheit des Helden, der sein erbeutetes, goldenes Bliest auf der linken Schulter trägt, während er mit der rechten fest den Speer ge- sastt hat, entzückte die kunstverständigen Beschauer. Sie fühlten mit stolzer Erhebung, das; hier eine Morgenröthe am Himmel der Kunst aufgegangen sei, der eine Sonne folgen müsse von überwältigendem Glanze. Dann zeigte Thorwaldsen ihnen noch j andere Modeste und Zeichnungen, die er später in Marmor aus» führen sollte; seinen Achilles, ein herrliches Basrelief; Mars, kolossal, wundervoll auf seiner Lanze rnbend, die Hand nach dem Oelzweig ausgestreckt; eine Zeichnung zu seinem Adonis, den Canvva später für ein Meisterwerk erklärte.

Ueberwältigt von dem unverhofften Genuß, der ihr zu Theil geworden, ermattet von der Aufregung, die stets mit tief­gefühlter Bewunderung der Kunst verbunden ist, sehnte sich Jngeborg endlich heim in die trauliche Stille ihres Gemachs.

Schn wir uns noch wieder Jngeborg?" hatte der junge Künstler leise gefragt, als er beim Abschied einen langen Knst auf die schone Hand drückte, die sic ihm gereicht.Ja, wir müssen unS noch Wiedersehen," hatte sie ihm ebenso geantwortet

gewiß einst!" Der folgende Tag war zur Abreise aus der heiligen Roma bestimmt, die jetzt eine so liebliche Erinne­rung in ihren Mauern barg.

Der Abend dunkelte, einer jener köstlichen Abende des Südens, wo die Natur »ach der Schwüle des Tages neu auf- zuathmen scheint in Schönheit und Tust. Ans dem Balkon ihres Hotels sehen wir Jngeborg und ihren Gemahl wieder; die Aufregung und das Entzücken dieses Tags haben sic erschlafft, sie blickt mit nmwvlkten, fenchtschimmernden Augen zu ihm auf und sagt:Und nun, Du Lieber, erkläre mir dieses Näthsel, das Du mir zu lösen versprochen. Erscheint das Ganze nicht wie ein Märchen voll Duft und Glanz, das mich umgaukelt und doch Leben und Wirklichkeit ist?"Schwärmerin!" sagte der junge Mann und streichelte lächelnd ihr schönes, dunkles Locken- Haar.So ganz ein Märchen ist cS nicht; höre, wie es ge­kommen und bedaure dann, daß ich den poetischen Zauber ab- gestrcift, den Deine Phantasie über dich Wiedersehen gebreitet hatte. ES ging ganz unglaublich natürlich zu:

Gestern traf ich mit Deinem Berthel in einem Capä zu­fällig zusammen; ich erkannte ihn sogleich an seinen langen, gelben Locken, ich suchte und fand eine Gelegenheit, ein Ge­spräch mit ihm anzuknüpsen und erstaunte niebt wenig, als er mir in unserer Muttersprache antwortete. An meinem Accent habe er sogleich meine Nationalität errathen, sagte er mir spä­ter im Laufe der Unterballung, welche bald in Fragen und Antworten ihren raschen Fortgang nahm. Ter junge Künst­ler, als solchen errieth ich ihn schon bei unscrm ersten Zu­sammentreffen, nannte nun seinen Namen, ich erinnerte mich, ihn schon in Kopenhagen gehört zu haben, als er in der Aka­demie der schönen Künste daselbst den ersten Preis errang, der ihn befähigte, vier Jahre in Nom zu studiren. Der liebens­würdige, junge Mann lud mich darauf ein, gelegentlich einmal fein Atelier zu besuchen und wir setzten die Stunde auf folgen­den Tag fest.Aber ich bringe meine Jngeborg mit,"" hatte ich hinzngefügt. Bei Nennung dieses Namens stutzte er, eine feine Rothe überzog einen Moment lang sein edles, blasses Ge­sicht; ich lächelte,' aber schwieg. Mein Plan war gemacht. Er sollte nicht minder überrascht werden, als Du, wenn ich Euch Beide so unerwartet zu einander führte. Das Weitere weißt Du. Siehst Du nun, meine kleine Poetin, wie Dein Märchen sich aufgelöst hat in die einfachste Wirklichkeit?" Die junge Frau lächelte.Dock nicht so ganz, wie Tn meinst, Lieber! Isis nickt wie ein Märchen, daß der arme 'Knabe Berthel und die kleine Jngeborg sich i» einem Saale des Va- ticans Wiedersehn, nach einer Reihe von mehr denn 20 Jah­ren: der Knabe als der talentvolle Thorwaldsen, der die glän­zendste Laufbahn seiner Kunst mit festem Fuß betreten und kühn die Hand nach dem goldenen Vließ anSgestrcckt hat, dem Loor-

beerkranz der Unsterblichkeit, ein zweiter Jason; die kleine Inge» borg als ehrbare Gattin des hoch und edclgeborencn Grafen Harald L. und über Berge und Meere hat ihr Lebensweg die zwei geführt, bis er stein den Mauern der heiligen Roma zusammcnführt.Künstlerlovs! würde ei» Dichter oder eine Phantastin, wie meine kleine Frau hier sagen, Künstlcrloos, das immer von dem anderen gewöhnlicher Menschen abweichen muß! ich aber, als der große Prosaiker, der ich bin, sage wieder; ganz naturgemäß! Der Knabe Berthel wurde in der Hütte der Armuth geboren, die kleine Jngeborg im Hause ! des NeickthumS; ihre Wege liefen weit auseinander» Ein blin- der Zufall führte eines Abends den Knaben auf eine Stunde in einen fremden Garten, wo die kleine Jngeborg war, die sich sehr freute, einmal mit einem Kinde ihres Alters zu spie- len, da sie selbst keine Geschwister hatte; daher ihr dieser Abend so unvergeßlich blieb. Der Knabe, der spät nach Hanse kam und um den die Eltern natürlich besorgt gewesen, erhielt seine Strafe und wurde nicht wieder allein ansgeschickt. Später kam er in die Zeichncnschule und sie wurde in der Schweiz erzogen, wo die Schwester ihrer Mutter lebte, welche Letztere inzwischen gestorben war. Da war es wiederum natürlich, daß sich die Kinder nicht wiedergesehen haben. Nachdem der Knabe groß geworden und den Preis errungen, pilgcrte er nach Rom, der Wiege seiner Kunst, rang lange vergeblich, verzweifelte fast schon und wollte heimkchren in sei» Vaterland, als das Glück in Gestalt eines reichen Mäccn sein armseliges Stübchen betrat und die Anfertigung seines kolossalen Jason aus Mar­mor verlangte. Dies war das erste Blatt, das er vom Baume des Ruhmes gebrochen, daran Blatt an Blatt sich rei­hen wird, bis ein voller Loorbcerkranz seine goldene Locken schmückt. Meine kleine Jngeborg aber kehrte ans der Pension am Evmersee heim in ihre Vaterstadt am grünen Belt, als der Knabe Berthel nicht mehr dort weilte; ein anderer ar­mer Sterblicher gerieth in ihre Nähe und hätte sich unfehlbar seine Schwingen an ihrem strahlenden Licht versengt, wenn sie nicht barmherzig gewesen und ihn in ihre Arme genommen hätte, um ihn dnrch's Leben zu tragen. Der arme Staubgeborene aber fühlt göttliche Dankbarkeit in seinem kleinen Herzen und liebt und segnet seine schöne Wohlthaterin. Wenn er ihr eine Freude bereite» kann, ist er überglücklich, daher hat er, einem lebhaften Wunsch seiner Gebieterin zu Folge, sie nach Italien, in die uralte Hauptstadt der Welt und hier ihrem Gespielen wieder zngeführt. Das Alles ist ganz natürlich und keineswegs märchenhaft."

Tie junge Frau war froh bewegt. Sie sprang aus und schlang ihre beiden Arme um den Hals ihres Gatten.Theurer," sagte sie unter Thränen läckclnd.Das Natürliche an dieser Sache ist, wie an den meisten, ja gerade daö Wunderbare da­ran; die Natur ist die wahre Mutter der Wunder und das Menschenleben das seltsamste Märchen!"

(Schluß folgt.)

Allerlei.

In Marseille sehnt man sick nach dem Ratten­fänger von Hameln. Die minder belebten Straße» wimmeln dort des NachtS von Ratten und in de» Häusern kann man sich vor ihnen kaum retten. Die zahlreichen Katzeupatrouillen vermögen wenig gegen den überlegenen Feind. Das alte Haus­mittel gegen die Ratten, welches darin besteht, daß mau einer Ratte, die lebendig in einer Falle gefangen wird, eine kleine Schelle um den Ha!s hängt und sie davon laufen läßt und vor deren Schellengeläute die übrigen Natten Reißaus nehmen, scheint man in Marseille nicht zu kennen.

Ei»e fenerfeste Geldki st e. Unter dieser Nnbriz ruft ein amerikanisches Blatt seinen Lesern zu: Steckt das Geld in die Köpfe Eurer Kinder! dort isl's besser und sicherer aus­gehoben, als in Euren Gcldkisten.

Lruckund LerlagtcrG.W.Zalsrr'schc-iBiichy.indluAH. Redaki'-u: Hölzlc

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