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sich zwischen dunklen Hecken hinzog, sprang der Knabe entlang, ungeduldig das Ende desselben ersehnend, und überzeugt, hinter demselben etwas unglaublich Schönes zu sehen. — Endlich war das Ende erreicht, der Weg bog um eine Ecke und nun stand der Knabe mitten in einem Garten, so schön, daß seine kühnsten Erwartungen übertroffen wurden.
Da waren Beeke mit den schönsten blühenden Blumen, ein kleiner Teich, in dem rothe und weiße Fische schwammen und gar nicht scheu waren, sondern an's User kamen, als sie den Knaben erblickten; Rasenplätze, weich und sastiggrün, auf dem große weiße Menschen standen, in den verschiedensten Stellungen, die alle zu ihm hinsahen, wie es ihm dänchte, aber sich weder bewegten, noch zu ihm sprachen. Anfangs wollte es ihm Angst werden, er wollte fortlanfen, so schnell er konnte, aber die weißen Menschen sagten ihm ja nichts und blieben so unbeweglich, wie zuvor. Da sagte er sich ein Herz und trat näher zu Einem derselben, der auf einem hohen, weißen Postament stand und eine Schaale mit Früchten in der Hand hielt, die auch weiß waren. Er küßte an ihm hinanfkletternd die Hand desselben und wollte um Verzeihung bitten, daß er hier ohne Er- laubniß sei, — aber die Hand war kalk wie Stein und da fiel ihm ein, daß sein Vater gesagt, man mache auch Menschen und Thiere aus Stein und daß diese hier solche Steinmciischcn sein müßten. Und wie ihm dieß eingefallen war, hatte er auch keine Furcht mehr und lief von Einem zum Andern und konnte sich gar nicht satt sehen an diesen schönen, weißen Menschen von Stein.
Das dauerte eine ganze Zeit; denn er hatte auf einer Anhöhe ein kleines Häuschen gesehen, mit Strohdach und bunten Fensterscheiben, um die grüne Ranken wuchsen. Das war gar zu schön; er wollte schon die Thüre öffnen, um das Innere dieses kleinen Schlosses zu sehen, als er plötzlich den gelben Kies hinter sich knistern hörte, der die Wege des Gartens bedeckte. Er blickte sich um und sah ein kleines Mädchen auf sich zulaufen, mit fliegendem, weißem Kleid und dunkelbraunen Locken, welche von einem rosafarbigen Bande zusammengehalten wurden. Unserm Berthel wurde gar seltsam zu Mnthe, als er dieß kleine, liebliche Geschöpf gewahrte, das so schnell cs konnte, auf ihn zu kam; er glaubte vom Traum befangen zu sein und wußte doch, daß er wachte und Alles, was um ihn her geschah; — ein Gefühl, das er schon einmal empfunden, als er im Herbst im Theater gewesen, zum ersten Mal in seinem Leben. Ach! das war gar zu herrlich gewesen! Es wurde „Oberon" gegeben und da gerade der Geburtstag des kleinen Berthel war, so wollten die armen Eltern ihm ein Vergnügen machen und gingen mit ihm ins Theater. — O, das hatte Las Kind nicht gedacht, daß es soviel Pracht und Herrlichkeit in der Welt gäbe! Die vielen Lichter und Lampen, die Tausende schöngepntzer Mensche», die herrliche Musik— die kleinen Engel, die mit ihren weißen Kleidchen und langen Locken herauf und herunter schwebten und am Ende mit der Königin in die Luft stiegen. Da glaubte das Kind auch, es wäre ein Traum und es wußte doch, daß es wachte. Aber immer und immer dachte es daran und träumte davon, und als es jetzt so einen kleinen Engel im weißen Kleide und rosafarbenen Band in langen Locken auf sich flattern sah, da glaubte es, es wäre einer der Engel, die damals den Thron der Königin umschwebten. Das kleine Mädchen aber mit dem weißen Kleide stand jetzt dicht vor ihm und schaute ihn mit großen, verwunderten Augen an, indem es fragte: „Wer bist Du?" „Ich bin Berthel," sagte der Knabe und betrachtete unablässig das reizende Kind. Dann fragte er mit stupider Verwunderung: „Aber Du hast ja heute keine Flügel an den Schultern wie damals."
Das Kind verstand seine Frage nicht. Jetzt erklärte ihr der Knabe, daß er sie für einen der schönen, kleinen Engel hielte, die er im Theater gesehen und so lieb hätte, daß er immer an sie dächte. Das Kind lachte ihn aus. „Ich bin Mama's kleiner Engel," sagte sie, und verstehe Dich nicht!" „Wie heißt Du denn?" fragte der Knabe. „Jugeborg," sagte sie und damit nahm sie ihn bei der Hand und sagte: „nun komm, wir wollen zusammen spielen." „Ich will mich verstecken," sagte Berthel, „und Du sollst mich suchen. Aber halt
Dir ja die Augen zu, daß Du mich nicht siehst." Die kleine Jngeborg trat hinter ein Gebüsch, der Knabe verkroch sich hinter eins der hohen Postamente, worauf die schönsten Statuen standen. Aber er war doch neugierig zu sehen, wo die kleine Jngeborg ihn suchen würde. Darum guckte er hervor und im Nu hatte sie seine langen, gelben Locken gesehen und lief auf ihn zu. „Nun mußt Du mich suchen," sagte sie und das Spiel ging seinen raschen Gang. (Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
Wo opfern?
(Aus der DldaSkalia.)
Ein lieblich Opfer für den Höchsten,
In welchem Tempel es zu weih'»?
In welchem? O, in diesem nächsten;
Tritt in dies Haus des Elends ein.
Hier, wo des Daseins letzte Kräfte Der Fleiß an karges Leben wagt;
Hier, wo dem nützlichen Geschäfte Das Schicksal Kleid und Brod versagt.
Komm' her in diese stille Kammer,
Wo unverdienter Kummer weint.
Und wo das Unglück allen Jammer Erbarmungslos zu häufen scheint.
Hierher an dieses Schmerzenslager,
Auf dem ein Herz vor Noth vergeht;
An dieses da, wo bleich und hager Die Schaar verlafs'ner Kinder steht.
Hier opfere — hier sind die Hallen,
Die sich die Gottheit auserkor;
Ein Wohlgcruch zu Wohlgefallen Steigt hier der Opferrauch empor.
Hier opfere zu Dank und Sühne,
Denn keine Stell' ist heiliger.
Dem Höchsten willst du dienen; diene Und lege deine Gabe her.
Laß And're Dom' an Dome reihen.
Bereichern Kirch' und Klerisei;
Laß Weihrauch sie und Lichter weihen Und stiften Mess' und Litanei:
Laß And're dieß — du aber mehre Den Werkbau der Barmherzigkeit;
Bereit zu milder Gabe, höre Wo Armuth um Erbarmen schreit.
Wo opfern? — des Bedrängten Hütte,
Die ist ein Dom, unüberreicht;
Ein Altar steht in ihrer Mitte,
Dem sonst kein heil'ger Altar gleicht!
Wo? Hier nur gibt auf milde Hände Des Höchsten Auge freundlich acht;
Nur hier, sonst nirgends, wird die Spende Zum Opfer, das wir Gott gebracht.
— In der Nähe von Segeberg kam ein Storch an, der einen Pfeil im Halse trug. Der Storch arbeitete so lange mit dem Schnabel, bis er die Rohrstücke abgebrochen hatte. In Böhmen wurde ein grüner Storch geschossen.
— Bei einer Bücherauktion in Augsburg wurde in diesen Tagen die erste Bibel von Gutcnberg und Faust für 2336 Gulden verkauft. Sie koinmt in die kaiserliche Bibliothek nach Petersburg.
— Nach Erörterungen', die bei Verhandlung der'Zuckerfrage in der preußischen Kammer stattgefunden haben, kommen jährlich etwa 20 Millionen Centner Roh-Zucker auf den europäischen Markt, während die Rübe im Zollverein eirca 2 Millionen Ctr. Zucker producirt. Von dem Zucker, der im Gebiete des Zollvereins cbnsumirt wird, sind ^7 Rllnkelrüben- zncker.
Truckund Verlag derG.W.Zaiser'scheiiBuchhandlung. Redaktion: Hdlzle-
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