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der Festlichkcltt» ausmachte, und dieser entledigte sich seines Auftrags sowohl durch vorzügliche Exekution als geschmackvolle Auswahl der vorzntragenden Stücke in glänzendster Weise. Unter andere» führten zwei berühmte Virtuosen, Eharpentier und Danguy, auf dem Dudelsack und der Leier mitten in der großen Tafelrunde Stücke auf, die Rameau eigens für diese Veranlassung componirt hatte.
Die Vermählung selbst fand um Mitternacht in der St. Eustachekirche statt, und Rameau spielte, mit Bewilligung des Organisten der Pfarrei, während der Ccrcmonie in meisterhafter Weise, gleichsam zum Abschied von diesem Instrumente, die Orgel. Am folgenden Tage schickte ihm Ritter Bernard für seine Bemühungen eine Gratification von 1200 Livres. Herr Bazin war schon längst bezahlt, Frau Rameau wußte sich vor Glück kaum zu fassen und die gute Lombard theiltc dasselbe. Man hatte von diesem Feste und der gelungenen Aufführung des EoncerteS viel gesprochen. Rameau erlangte große Ehre dadurch. Seine Oper sollte ihn nun vollends in die Höhe bringen; die theilweisen Proben fielen sehr befriedigend ans; aber der Neid schlief nicht. Die Eifersucht der Musiker sprengte überall aus, die Musik sei bizarr, unverständlich, überspringe alle herkömmlichen Regeln und tauge höchstens für Gelehrte oder Liebhaber des Ungewöhnlichen. Endlich kam die Generalprobe heran; die Mitglieder des Orchesters waren alle an ihrem Platze. Trotz des bösen Willens, den man rege zu machen gewußt hatte, ging alles gut bis an den zwecken Act, den sogenannten Höllcnact. Als der enharmonischk Gang des Parzenlerzettes kam, hielten die Musikanten auf einmal still vor dieser ihnen ganz neuen Schwierigkeit. Rameau bat den Orchcstcrdirigenten gelassen, noch einmal anzusetzen.
Es läßt sich nicht ansführen, Herr, sagte dieser.
Vielleicht nickt auf den ersten Anblick, versetzte Rameau. Versuchen wir cs immerhin.
Das zweite Mal, ging cs nickt besser als das erste Mal, eben so wenig glückte es bei der dritten Wiederholung.
Die Musikanten murrten, als man sie bat, noch einmal ! anzufangen, und, auf wiederholtes Begehren erklärte der Dirigent, er könne sich mit Aufführung einer solchen Musik nickt befassen, und dabei' warf er voller jVerdruß seinen Tactstock auf die Bühne, daß er beinahe zwischen die Füße Rameau's rollte. Ohne sich irre machen zu lassen, stieß er ihn mit einer Fußbcwegnng wieder bis an den Rand des Orchesters, und sagte, als er den Stab wieder im Bereiche seines Herrn sah, zu diesem:
Merken Sie sich, mein Herr, daß Sie hier nur der Maurer sind, und ich bin der Architekt. Fangen Sie diese Stelle noch einmal an!
Diese Festigkeit machte Eindruck auf die Widerspenstigen. Jetzt wurde die Schwierigkeit überwunden und die Probe endigte ohne weitere Störung.
Damals war eine erste Vorstellung ein großes Ercigniß. Es gab nur drei Theater in Paris, die Oper, die Lomöcliu krangaiss und die italienische Komödie. Deßhalb waren diese Feierlichkeiten eben so selten, als Aufsehen erregend. Am Mor- gen schon des 1. Octvbcr 1733 war deshalb ganz Paris in Bewegung. Alle Zugänge zur Oper waren mit Wagen und Fußgängern gefüllt. Nur mit großer Mühe hatte Rameau eine kleine entlegene Loge für seine Frau, Fräulein v. Lombard und seinen Freund Marchand erlangen können.
Seine Gegner, die mächtiger und namentlich weit ränke- j voller als er waren, hatten ihrerseits den ganzen Saal mit ihren ! Anhängern besetzt. Wie schlug das Herz der armen Frau Rameau beim ersten Bogenstrich der Ouvertüre, die Freunde versuchten sie vergeblich zu beruhigen, sie selbst bedurfte bald des Muthes, denn, vom ersten Act an, gab sich eine heftige Kabale im Parterre kund. Der Anfangs seltene Beifall verstummte plötzlich und unter einer nur von mißfälligem Gemurmel unterbrochenen Stille wurden die übrigen Acte des Stückes aufge- führt. Marchand war wüthend; Frau Rameau wurde beinahe ohnmächtig; Fräulein v. Lombard getraute sich nicht zu sagen, was sie dachte, denn sie behauptete, eS sei eine Strafe des Himmels, weil Rameau die Kirche um des Theaters willen I
aufgcgebcn habe. Dieser selbst ging traurig nach Hause.
Ich habe mich getäuscht, sagte er; ich glaubte, mein Geschmack müsse gefallen. Ich muß Verzicht leisten und dem Theater entsagen.
Unterdessen hatten sich die regelmäßigen Besucher der Oper nach dem Stücke im Foyer zusammcugcfunden. Aber Niemand wagte sich zu Gunsten einer Musik anszusprechen, welche eine so allgemeine Mißbilligung erfahren hatte. Da inmitten einer zahlreichen Gruppe, unternahm es Hr. de la Popliniöre, das Werk seines Schützlings zu vcrthcidigen.
Aber, sagte man ihm, wir kennen Musiker, die keineswegs zu den Anhängern dieser Musik gehören.
Das will nichts sagen, erwiderte der Gencralpächter; die sind als Partei betheiligt.
Dennoch, fragen wir einen von ihnen, rief der Prinz von Conti auS.
Gerade ging Eampra vorüber. Er war ein geregt denkender Mann, und hatte glücklicher Weise keinen Withcil an den gegen Rameau geschmiedeten Kabalen genommen.
Nun, was halten Sic von dem Werke? fragte ihn der Prinz.
Gnädigster Herr, antwortete der Musiker, in dieser Oper ist Musik genug, um daraus zehn Opern zu machen, wie man sie uns alle Tage aufführt. Der Mann wird uns Alle in den Schatten stellen.
Die Aeußerung kam herum, machte Glück und bei der zweiten Aufführung offenbarten sich den aufmerksamen Zuhörern ganz neue Schönheiten. Der Erfolg steigerte sich mit der dritten, mit der vierten Aufführung und wuchs mit jeder ferneren Darstellung.
Dreißigmal hintereinander wurde das Werk unter allgemeinem Applaus aufgeführt, und Rameau, getröstet, entsagte dem Theater keineswegs; denn er brachte noch dreiundzwanzig Stücke, theilS Oper», theilö Ballets, auf die Bühne.
Nach dem großen Erfolge des „Hippolyt und der Aricia" war der arme Organist ein zu berühmter Mann geworden, um langer in der bescheidenen Rue du Ehantre verweilen zu können, und mit wahrhaftem Leidwesen hörte Herr Bazin, dessen Achtung für seinen MiethSmann in dem Maße zunahm, als dieser sich immer erhob, daß Rameau seine Wohnung liuo clos bong enkunts in der Nähe der Oper verlegen werde. Frau Rameau wollte sich nur nickt an den Gedanken gewöhnen, sich von ihrer guten Lombard trennen zu sollen. Denn durch die vielfachen Beschäftigungen ihres Mannes immer mehr vereinsamt, war ihr die Gesellschaft des Fräuleins von unendlichem Trost. Sie getraute sich nicht, ihrem Manne ihren Kummer anzuvcrtraueii; aber auch der Componist war der alten Dame zugethau, die ihm oft seine musikalischen Brouillons ins Reine schrieb. Er machte Frl. v. Lombard den Vorschlag, zu ihnen zu ziehen. Diese willigte mit Freuden ein und blieb bis an ihr Lebensende die theuerste Freundin dieses vcrehrungswnrdi- gen Ehepaares.
Beinahe alle Werke Rameaus erlangten einen großen Erfolg. Unter anderen machte eine seiner Opern, „Castor und Pollux", ein solches Glück, daß einer seiner Feinde, Monret, aus Eifersucht darüber wahnsinnig wurde. In Ehareuton cin- gespcrrt, sang er fortwährend den Dämonenchor aus „Castor und Pollux: „(Zu'au t'eu llu tonnorro".
Rameau war einer der größten Musiker, die je gelebt haben. Er vereinigte die doppelte Eigenschaft eines Theoretikers und erfinderischen Tonsetzers in sich. Seine Tanzmelodien hatten einen so großen Erfolg, daß man lange Zeit hindurch gar keine anderen in Italien spielte. Eines seiner Werke, ÜZoroastcr", wurde ins Italienische übersetzt und mit ungemeinem Erfolg in Dresden aufgcführt. Eine andere Oper, „Pla- taea", trüg in sechs Vorstellungen 32,000 Livres ein. Im Jahre 1747 setzte ihm die Oper einen Jahrgehalt von 1500 Livres aus, das er bis zu seinem Tode bezog. Kurz vor seinem Hintrittc, den 12. September 1765, war er mit dem St. Michaels-Orden dccorirt und geadelt worden.
Druck und Verlag der G. W. Zaiscr'schcn Buchhandlung. Redaktion: HSl jle.