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langgewachsencr Mensch mit einem hübsche» interessanten Gesichte, seine Kleidung deutete an, da» er zu den armen Leuten Irlands gehört hatte. Der Offizier entfernte sich, als er ihn einige Augenblicke betrachtet, gequält von Gewissensbissen.
Unter den Zuschauer» dieser grauenvolle» Scene befand ! sich auch Patrik O'Darcy's Bruder. Nach vollendeter Exekution begab er sich in die Wohnung der Wittwe des Erschossenen, schwere Nacheflüche gegen die Mörder halblcise ausstoßend. Kaum war er cingctreten, so klopfte es au die Thur.
— „Es ist der Pfarrer!" sagte eines der Kinder, das geöffnet hatte.
Als der Mann Gottes in die Hütte trat, fand er Patrik O'Darcy's Bruder beschäftigt, ein altes Pistol zu putzen, die zwei ältesten Buben des Todreu schmolzen Blei, um Kugeln zu gießen; die arme Wittwe saß nahe am Heerde in einem großen Lehnstuhle und sah mit trockenem Auge und fast wahnsinnigem Blicke auf diese »m sie her vvrgenvmmenen Zurüstnngen.
„Wollt Ihr einen Mord begeben?" fragte der Priester ! mit ernster Stimme Patrik O'Darcy's Bruder.
— „Sie haben meinen Bruder mit kaltem Blute getöd- tet, meinen unschuldigen Bruder," antwortete der Matrose und fuhr fort, die rostige Waffe herzustellcn, die er in der Hand hatte.
„Wie!" sagte der Geistliche, „Rachegedanien in dem Herzen eines Christen? Verbietet Gott nicht, Blut zu vergießen? Ueberlaßt ihm die Sorge, de» Schuldigen zu strafen; furchtbare Gewissensbisse in diesem, ewige Strafe in jenem Leben, werden die hier begangenen Unthaten rächen."
Lange fuhr er in diesem Tone fort; bald schüttelte der Matrose den Kopf, bald wagte er einen kurzen Einwurf.
Endlich schienen doch die Worte des Priesters,Eindruck aus ihn zu machen, er warf seine Arbeit weg, dachte einen Augenblick lang nach und sprach dann: „Ich glaube wirklich, daß Ihr Recht habt, sein Gewissen soll mich rächen. Ich verspreche Euch, keine Hand gegen ihn aufzuheben."
Am Abend dieses Tages, als der Offizier sehr schmerzlich ergriffen des am Morgen vorgefallenen Ereignisses gedachte, stürzte der Sergeant blaß und mit gesträubtem Haar in sein Zimmer und übergab ihm einen schwarz gesiegelten Brief, der nur folgende Worte enthielt:
„Patrik O'Darcy ist gestorben am 1. Oktober 1798.
Hauptmann O'Gunnel wird sterben am 1. Oktober 1799.
„Zwölf Monate."
— „Wer hat Euch diesen Brief gegeben?" fragte der Hauptmann.
„Patrik O'Darcy!" antwortete der Sergeant mit bebender Stimme.
— „Patrik O'Darcy ist todt, Ihr alter Narr!"
„Ich habe seiner Exekution beigewohnt und war zugegen, als sein Leichnam in den See geworfen wurde," versetzte der Sergeant, „wären aber auch die eben ausgesprochenen Worte die letzten, die je aus meinem Munde gehen, so würde ich doch schwören, daß Er es gewesen, der mir den Brief gegeben.
O'Gunnel war keineswegs abergläubisch, doch verursachte ihm dieser gcheimnißvolle Brief einige Unruhe, die aber in einiger Zeit verflog; vierzehn Tage später dachte er nicht mehr daran.
Am 1. November befand er sich in Dublin, als ihm seine Hauswirthin einen Brief übergab, den ihrer Angabe nach ein langgewachsener Irländer gebracht hatte, und dieser Brief glich auf ein Haar dem frühem, nur daß die Anzahl der Monate nur »och in eilf bestand. Beim Lesen des zweiten Billets fühlte O'Gunnel seine Furcht sich erneuern, seine Gewissensbisse wurden heftiger als früher, die Vorwürfe seines nicht schuldlosen Gewissens begannen in ihm die Ueberzeugung aufkommen zu lassen, daß bei dieser seltsamen Begebenheit eine höhere Hand im Spiele sein dürfte. Niemand hatte um seine Reise nach Dublin gewußt, er selbst war erst am Abend zuvor äuge« kommen, welch lebendes Wesen hätte daher wohl seine geheimen Gedanken errathen und ihn am genannten Orte auffiuden können? Eine immerwährende sonderbare Unruhe bemächtigte sich seiner, Schlaf und Appetit verließen ihn. Vergebens versuchte er diesen Gemüthsleiden dadurch zu entgehen, baß er sich in
das Gewühl der Vcrgiiügungenk'stürzt-, nichts vermochte seine trüben Gedanken zu verscheuchen; die ^moralische Strafe, der er verfallen schien, verfolgte ihn überall. (Schluß folgt.)
Allerlei.
— Die K. Ztg. erzählt aus Holstein „folgende kleine wahre Geschichte." Zwei dänische Offiziere, der eine von der Garnison in Rendsburg, der andere von der in Altona, treffen einander im Theater der letztgenannten Stadt, und es entspannt sich unter ihnen, während sie von einem der dänischen Sprache mächtigen Altonaer belauscht werden, ein Zwiegespräch, welches folgendermaßen beginnt: RendSburger Offizier: „Wie geht eS Euch hier in Altona?" Altonaer Offizier: Schlecht, sehr schlecht, wir werben hier an eannilka behandelt." Nendsburger Offizier: „Nun, da könnt Ihr noch von Glück sagen, in Rendsburg werden wir gar nicht behandelt."
— Eine interessante Erfindung. Die Herren Schüssel und Thouret aus Berlin wollen in England ihre Erfindung, alle beliebigen Gegenstände — die stärksten Hölzer sowohl wie die feinsten Klcidungsstoffe — feuerfest zu machen, verweriheu, und gaben vergangene Woche eine öffentliche Vorstellung, um durch eine Reihe von Experimenten die Stichhaltigkeit ihrer Erfindung zu beweisen. Die Versuche fielen befriedigend aus und die Erfindung ist ohne Zweifel von großer Bedeutung, wenn der feuerfeste Stoff, wie Erfinder versichern, wohlseil ist, sich zum Anstrich eignet und beim Waschen oder Färben dünner Stoffe ohne Beeinträchtigung der Qualität und Farbe der letzteren augewendet werden kann.
— Was nur unsere Nachbarn, die Franzosen und Russen, die so viel und laut vom ewigen Frieden singen, mit den Kanonen allen anfangen? Frankreich hat solcher Fenerspeicr 300 in Essen gießen lassen und Tottleben im Aufträge Rußlands in derselben Fabrik noch mehr bestellt.
— Nach dem Journal de Chimie Mebicale wird in Amerika gegen Brandwunden ein einfaches Mittel angewandt, nämlich Brennnessel- fvrtlea nraim) Tinctur. Man läßr zerschnittene Brennnesseln einige Tage in Weingeist stehen und benetzt mit dieser Flüssigkeit die Brandwunden, indem man in derselben angefeuchtete Compresseu auflegt. Die heilende Wirkung soll überraschend sein.
— Die vom Hofprediger Dr. Schwarz in Gotha gehaltene Predigt über die „Ehe," welche jetzt in einem zweiten Abdruck erschienen ist, wird die Ohren mancher unserer neumodischen Frauen unsanft berühren. Sie verbreitet sich über die Textesworte Epheser 5, 22—32 und behauptet, daß der Spruch: „die Weiber seien unterthan ihren Männern" eine Wahrheit enthalte, die, weil begründet in dem naturgemäßen Verhältniß der Geschlechter, auch jetzt noch und für alle Zeiten eine unwandelbare Gültigkeit habe. Erst ganz vor Kurzem hörten wir aus dem Munde eines seine „Gehülfin" beglückenden Ehemannes das offene Bekenntniß:
Seit uns des Priesters Hand Am Traualtar verband.
Hat meine Frau — was bin ich nicht geplagt! —
Nie wieder „Ja" gesagt,
— In Jütland und auf den dänischen Inseln hat man Störche gesehen, die aus dem Süden zurückkehrten. Man prophezeit daraus einen gelinden Winter.
Räthsel.
Ein Mädchen, jung und lieblich.
Das war mein Zweites lang.
Bis daß sie zur Ersten zu machen Es endlich mir gelang.
Ihr freundliches Gemülh,
Das ist ihr Ganzes fürwahr;
Sie bleibt, wenn auch nicht mein Erstes,
Mein Zweites immerdar.
Auflösung des Reim-Räthsels in Nro. 90: eben.
Druck und Verlag der G.W. Zaiser'schen Buchhandlung. Redaktion: -tzölzlc.