haben Sie die Güte, hier einen Augenblick auf mich zn warten, ich will Ihnen meine Gattin bringen."

Mit diesen Worten ging er in sein Gemach zurück.

Sprachlos schauten sich Van Dyk und Pallaviciui eine Zeit lang an.

Willst Du einen guten Rath, Van Dyk?"

Ja."

Entferne Dich schleunig."

Unmöglich: Was würde der Graf sagen?"

Was geht das Dich an?"

Er würde glauben, ich sei ein Narr."

In einer Viertelstunde wirst Du es sein."

Ich überlasse mich meinem Geschicke zur Führung."

Bedenke doch, daß Tu verwundet bist, daß Deine Hand den Pinsel nickt regieren kann."

Ich werde mit der linken Hand malen."

Du bist blaß, Du leidest, Tn ringst mit dem Tode und wirst bei der Arbeit unfehlbar sterben."

Desto besser."

Die Thüre öffnete sich und die Gräfin trat ein.

Es war, als erleuchtete sie die Gallerte mit den Strahlen mit ihrer blendenden Schönheit. Selbst Pallavicini mußte einen Ausruf des Erstaunens Niederkämpfen; denn so schön hatte er sie nie gesehen. Sie trug ein Kleid von schwarzem brochirtem Seidenzcuge; der dunkle Stoff erhöhte das glänzende Weiß der entblößten Scknltern und Arme. Mit himmlischem Lächeln begrüßte sie die beiden Fremden, wandte sich dann gegen Van Dyk und sprach mit unvergleichlicher Anmnth: Äkcistcr, ich stehe zu Evern Befehlen, und schätze cs mir zur großen Ehre, Euch sitzen zu dürfen."

Gehen wir in das Atelier," sagte der Graf Brignole, Herr Van Dyk wird Palette, Pinsel und Leinwand aussu­chen.Alle vier begaben sich in das Atelier, welches unmit­telbar an die Gallerie stieß.

Jetzt seid Ihr zu Hause," fuhr der Graf fort,erlaubt Ihr, daß wir bleiben?"

Van Dyk gehörte nicht mehr der Erde an; er antwortete nicht, Pallavicini aber, den ein gewaltiges Mitleid mit seinem Freunde ergriff, sagte kaltblütig zn dem Grafen:Ich kenne Van Dyk; man muß ihm seine Bequemlichkeit verschaffen; er malt nicht gerne vor Zeuge», gehen wir."

Die Gräfin und Van Dyk blieben allein im Atelier.

Ich kenne nichts so Schönes, als Euer Portrait der Marchesa Velletrie," sprach die Gräfin in vertrautem Tone, als wollte sie ans leichte Weise ein Gespräch anknüpfen.

Ich werde Allem ausbieten, Euer Lob zu verdienen," entgegnete der Maler schüchtern.

Das habt Ihr Euck jetzt schon erworben. Ich kenne die Marchesa von Velletrie nicht. Wie ist sie?"

Ich habe sie nie gesehen, Donna."

Wie? Ihr habt ihr Porträt gemackt.

Ach! die Marchese . . . Entschuldigen Sie, Signora, ick bin ganz bei meiner Palette, bei meinen Farben . . . Ziemlich gut, glaube ich."

Es scheint, Ihr vergeht Eure Modelle sehr leicht . . . O! Ihr wollt mich sitzend malen; ich liebe bas nicht. Ick wünscke stehend, lachend, eine Blume in der Hand gemalt zu sein."

Gefällt Euch dieses Kleid?"

Nein, Signora."

Ach! Ihr findet cs vielleicht zn düster?

Ich würde den Anzug vorziehen, den Ihr im vorigen Jahre bei dem Feste im Palaste Doria getragen habt."

Wäret Ihr am Feste der Rogazivni im Palaste Doria? Ich habe Euch nicht gesehen."

Ich hatte die Ehre, mit Ench zn tanzen, Euch zu spre­chen.Es scheint, Ihr vergesst eben so leicht Eure Tänzer, als ich meine Modelle."

Das ist schön, ich habe so viele Tänzer gehabt."

Und ich so viele Modell."

Ihr scheint gereizt, Signor Van Dyk, verzeiht einen Scherz."

Wenn wir aber immer plaudern, so wird eS mit meinem Portrait nicht vorwärts gehen."

Euer Portrait ist fertig, Signora."

Fertig! Ihr habt nicht einen Piusclstrich gcthan."

Fertig seit einem Jahre. Wir können gehen."

Van Dyk stand auf, verbeugte sich vor der Gräfin und ging nach der Thüre zu.

Ihr entfernt Euch im Ernste?" sprach die Gräfin.

Ich gehe und Ihr erlaubt mir, den Schlüssel vom Ate­lier zu mir zu nehmen; ick will diesen Abend wicderkchrcn, und die letzte Hand an Euer Portrait legen."

Muß ick dazu sitzen?"

Es ist unnölhig; das Portrait ist fertig."

Wann werdet Ihr mir dieses Räthscl lösen?

Morgen."

Soll ich meinem Gatten etwas davon sagen?"

Wie Ihr wollt."

Ich werde Nichts sagen."

Das wird besser sein."

Van Dyk verschloß die Thüre des^ Ateliers und begab sich zimi Grasen Pallavicini auf die Tcrasse.Eine sehr kürze erste Sitzung/' sprach Graf Brignole.Diesen Abend wird die letzte stattfinde»," erwiderte der Maler.In der That, eine wunderbare Leichtigkeit."

Van Dyk und Pallavicini traten aus dem Palaste. Als sie an der San Carlo-Kirche vorüber waren, fragte Pallavicini seinen Freund:

Nun, wie befindest Du Dich?"

Geheilt."

Völlig."

Es fehlt mir nur noch das Mittel, von dem Du ge­sprochen hast."

Du sollst es haben."

Eine dem Kloster entkommene Närrin. Eine Thörin, die Einen mit jedem Worte tobtet .... Zwei Tage vcrhci- rathet und bereits das Benehmen einer Cokette von vierzig Jahren."

Gut, gut; bleibt cs aber auck bei dieser Bekehrung?"

Oh! sei ruhig. Wie heißt die Person, von der Du gesprochen?"

Heute Abend sehen wir sie, das verspreche ich Dir."

Diesen Abend also, erwarte mich um sieben Uhr vor San Carlo; ich habe noch eine Angelegenheit zn ordnen."

Van Dyk lief nach Hanse und nahm von der Wand sei­nes AltovcS ein verschleiertes Bild ohne Nahmen; es war das Kniebild der Gräfin Brignole, ein herrliches, aus dem Ge­dächtnisse im Rauscke einer glühenden Leidenschaft ausgefübrtes Meisterwerk; nur bemerkte man daran, daß die so feste Hand des Künstlers am Buse» des bewundernswürdigen Weibes ge­zittert halte, und daß die Aufregung des Liebenden zur Ver- rätherin an dem gewöhnlich so kräftigen Pinsel geworden war.'

Van Dyk hüllte sich in diese Leinwand, wie in ein Klei­dungsstück, warf seinen Mantel darüber und kehrte zum Palastc Durazzo zurück. Ohne sich melden zu lassen, schritt er rasch durch die Gallerie, öffnete das Atelier und stellte das Portrait der Gräfin in einen Rahmen. Dann rief er einen Bedienten herbei und sagte:Verkündet dem Grafen, das Portrait sei­ner Gemahlin sei vollendet." So verließ er den Palast.

Einige Tage später heiratbete er die Tochter des Lord Ruthvcn, Grafen von Goree; diese improvisierte Ehe hatte er den thätigcn und klugen Unterhandlungen Pallavicini's zu ver­danken. Aber der arme Künstler war tief im Herzen verwun­det worden; in einem Alter von vierzig Jahren starb er an der Abzehrung. Die Frauen haben manchen Künstler getödtet; die Künstler aber haben nie eine Frau getödtet.

Das ist die Geschichte, die man mir eines Tags im Pa­laste Durazzo in Genua vor dem von Van Dyk gemalten Por­trait der Gräfin Brignole erzählte.

Druck und «erlag der G. W. Zaifer'schen Buchhandlung. Redaktion : Hölzle.