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Van Dyk im Palastc Brignole.

sForlsetznng.)

Alle drei begaben sich auf die Straße und wunderten, ohne ein Wort zu wechseln, bis zur Schlnpfpforte; hier fanden sie einen Monn dicht verhüllt in dunklem Mantel, der sic zu erwarten schien.Das ist ohne Zweisel unser Gegner," sprach der Gras Brignole.Cr ist es," entgegnet» Pallavicini. Ihr kennt also Gippino?"Durchaus nicht; er begegnete mir in der Straße Ballst, fragte mich, ob ich ein Edelmann lei, erklärte mir seine Angelegenheit und ich zeigte mich willig." Daran habt ihr wohl gethan, in Euch haben wst wenigstens keinen hinterlistigen Anflanercr zu befürchten."Sv habe ich auch gedacht."Danke Euch."

'Man zog nach dem freien Felde; Van Dyk ging zwanzig Schritte voraus; in einem kleinen Tamarindengehölze, dessen Zweige die Dunkelheit der Nacht noch vermehrten, blieb er stehen.Hier also, Graf Gippino, wollt Ihr mit meinem edlen Hanse in die Schranken treten?"^ Van Dyk griff ohne zu antworten nach dem Degen.Ich sage Euch zum voraus, daß ich mich kräftig verkheidigeu werde, denn ich will nicht in der ersten Nacht meiner Ehe eine Witlwe machen." Vau Dyk sprang auf den Platz und legte sich aus. Alsbald banden die beiden Gegner ihre Klingen.' Der Kampf dauerte nicht lange; Van Dyk bekam einen gewaltigen Stich in den rechten Arm; von schwachem Körperbau, bereits von der Auszehrung heim- gesucbt, die ihn in jungen Jahren hinnahm, erfchöpst durch die Leiden des schrecklichen Tages stürzte er kraftlos zu Loden. Ich werde Euch einen Wundarzt schicken," rief Graf Lrignole frostig aus, und begab sich mit San Gallo zurück.

Pallavicini war mit der zartesten Sorgfalt um den Künstler bemüht.Mein Freund," sprach Van Dyk,ich habe Geld genug, um Deinen Palast und Deine Villa wieder zu kaufend Ich gebe cs Dir; lauf diesem Menschen nach, schlage Tick, für mich mit ihm; Du wirst glücklicher sein, als ich, Tu wirst ihn tödten."

Dein Blut entströmt; ich muß cs stillen; beruhige Dich."

Laß es entströmen; laß' mich sterben. Weißt Lu wohl, daß er im Triumph narb seinem Palastc zurnckkelirt; welche Freudenthränen, welche Liebkosungen, welch' glühende Umar­mungen harren dort seiner! Jbm öffnet sich das Paradies, mir die Hölle! Gehe, sage ich, hole ihn ein, che er die Wälle erreicht har."

Beruhige Dich! beruhige Dich! Morgen wollen wir wieder anfangen. Ich will Dich verbinden."

Ach! Du hast wohl Furcht!"

Nun schmäht er mich am Ende noch!"

Gut, ich will ihm selbst nachlanfen, laß' . . . laß' . . . ich will Fluch . . ."

Er sank ohnmächtig zurück.

Als er wieder zu sich kam, begann der Tag die Gipfel der Aprnnineu zu färben. Welch' fürchterlicher Traum!" waren seine ersten Worte.

Mit wirren Blicken schaute er auf der Landschaft umher und benetzte Pallavicini'S Hände mit seinen Thräuen; bann deutete er mit dem Finger nach dem blutigen Boden, verzog das Gesicht zu einem bittern Lächeln, und schlug die Augen mit einem Aus­drucke gen Himmel, den nur große Seelen in den Stunden voller Verzweiflung ihrem Antlitz zu verleihen vermögen.

Fühlst Tu Dich stark genug, um in die Stadt zurück­zukehren?" sprach Pallavicini.

Wohl, aber was soll ich in der Stadt thun? Alles ist verloren. Sieh', wie sich die Sonne lachend erhebt; wie freu­dig die Natur aussieht. Ich habe diese» Morgen im Traume die Lerche singen hören. Welche Ironien gibt unS Gott! Was geht die Natur mein Mißgeschick an? Müßte sie jedes leiden­den Geschöpfes wegen den schwarzen Schleier nehmen, so würde die Trauer ewig dauern. Gut! gut, so kleide Dich in Azur und Gold, schöner Himmel Italiens, das mildert die Leiden Deiner Kinder."

Ich glaube, wir können zurückkehren/' sprach Pallavicini.

Du bist von Marmor, wie die Villa, welche Du hast erbauen lassen. Hast Du je geliebt?"

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Wohl hundertmal, aber nie mit solcher Gewalt, wie Du."

Hast Tu Weiber geliebt, die Dir Liebe zeigten, und dennoch sieb mit Andern vcrheirathctcn?"

Gewiß."

Was hast Tn dann gethan?"

Ich habe mich getröstet."

Halt, das ist sonderbar; Deine Rede beruhigt mich. Du crzeigii mir eine Wohlthat, reiche mir Deine Hand, daß ich sie drücke!"

Gott sei es gedankt, Du bist in der Besserung begriffen. Nimm mich bci'm Arme, schlendern wir sachte zur Stadt zurück. Höre, die Gräfin Bei."

Sprich' mir ihre» Namen nicht mehr aus.

Wohl die Gräfin ist schön, hinreißend schön, das ist wahr; sie hat den durchsichtigsten Roseuteint, leuchtende Augen azurblau, wie der Golf von Genua, Korallenlippen, Zähne wie Perlen, einen Hals, wie Elfenbein, plastisch geformte Schulter», eine Taille, oh, eine Taille! Ich kenne nur eine Frau von foleber Taille; das ist die Venus Deines Freundes Tiiian von Venedig. Von ihrem Geiste, von den Eigenschaf­ten ihres Herzens, ihrer Seele hast Du nie mit mir gespro­chen; ich sehe, Tu kümmerst Dich wenig darum. Gib mir vier und zwanzig Stunden, und ich gebe Dir eine andere Gräfin Brignole."

O! schweige, schweige, das ist unmöglich,!"

Unmöglich? Ich will Dir etwas Besseres geben, als die Gräfin Brignole. Ich habe meinen Palast verloren, bietet man mir einen ander», so tröste ich mich alsbald, auf Edelmanns Work! Gut . . Du lachst. Laß die singenden Lerchen und die Natur bei Seile, die Deiner spottet; spreche» wir vernünf­tig. Mein Freund, alle Gräfinnen Italiens sind das Blut nicht werth, daS soeben ans Deinen Künstleradern geflossen ist."

Nun aber, von welcher andern Frau willst Du sprechen."

Gebencdeiet sei die wnnderihäiige Mutter Gottes, die in der Straße wohnt, in welche wir eintrcten. Wir sind ge­heilt. Inleressirst Du Dich bereits für eine andere Frau?"

Bloße Neugierde."

Ich verstehe. Die Liebe eines Künstlers ist, glaube ich nur eine sonderbare Neugierde. Wäre die Venus der Villa Adriani taufend Fuß unter der Erde verborgen, Du würdest sie bei vollem Sonnenscheine ausgrabcn, um sic zu sehen, und zuerst zu umarmen."

Allerdings."

Ihr seid Menschen, die sich von ihren Sinnen beherr­schen lassen; Eure Unbeständigkeit ist zum Sprichworte gewor­den; Ihr legt cui Geliebtinneu-Mnseum, wie ein Gemäldeka- binet an; es gehört zu Eurem Handwerk, Ihr studirt die Na­tur, und worein andrer Mensch den idealen Gegenstand seiner platonischen Träume, seiner unvergänglichen Leidenschaft sehen würde, da sehet Ihr nur ein schönes Modell. Nun, ich will Dir ein Modell geben, welches Venus Aphrodite in ihrem Bade dazu bringen könnte, sich ans Neid zu verhüllen."

Ihr Name?"

Du sollst ihn morgen erfahren. Heute heile Dein Fie­ber und ruhe.

Unter solchen Gesprächen waren die beiden Freunde bis zur Thürc ihrer Wohnung gelangt. Tie Stadt lag noch in tiefem Schlafe. Ein Wundarzt wurde gerufen; er fand die Wunde unbedeutend, obgleich viel Blut geflossen war, und ver­ordnet» nur 24 Stunden Ruhe.

Am andern Tage erschien ein Diener in der Livree der Brignole mit einer Botschaft in dem Zimmer des Van Dyk. Pallavicini kleidete den Künstler an, der noch sebr schwach war und blaß anSsah. Der Graf Brignole ersuchte Van Dyk, sich i» seinen Palast zu begeben.

Ein sonderbarer Fall," sprach der Künstler;was will der Graf von mir? Er kennt mich nicht, hat mich nie erblickt. . ."

Man muß sehen," sagte Pallavicini. Soll ich Dich begleite» ?"

Gewiß, ich werde nicht allein gehen. Das ist eine tcufelische Falle, die man mir legt. Der Graf hat eine Vcr- muthnng. Geschwinde, geschwinde, nach dem Palaste Durazzo."