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schon viel besser und geduldiger gemacht, als ich von Natur und Gewohnheit es war. AVer ich kann unmöglich länger in dieser elenden Dachkammer bleiben, ich habe weder Raum noch Lust hier zu arbeiten, denn wenn etwas auf meinem Handwerk verdient werden soll, so muß ich eine geeignete Werkstätte haben, in welcher ich athmen und mich bewegen kann.
„Das Haus deines seligen Onkels, beim Kanal, wäre just der geeignete Platz für mich; wie manches heitere Lied habe ich mit meinem alten Meister dort aus der Hobelbank gesungen, Ach! dort werd' ich mich behaglich und heimisch fühlen. Und dort war cs anch, wo ich Dich zum erstenmale sah; dort pflegte ich auch jeden Abend mit dir in dem hübschen kleinen Sprechzimmer, mit dem freundlichen grünen Getäfel zu sitzen, wenn ich mit dem alten Meister Flock aus der Werkstätte kam. Auch denke ich noch mit Freude daran, wie er an Sonn - und Feiertagen seinen silbernen Becher aus dem Gläserschrank im Alkov hervorznlangen Pflegte, und so auf gesellige Weise mit mir trank. Und als mein Probestück als Geselle fertig war, und die hübsche Bahre in der Werkstätte paradirte, und du in meine Arme sankst; als er aber über der Bahre deine liebe Hand in die meinige legte und sprach: „Nimm sie hin Franz, und zeige dich ihrer würdig!" Mein Haus soll eure Heimath, und' alles was darin ist, euer Eigenthum sein, wenn ich einst, einer seligen Auferstehung gewärtig, in diesem Schrein schlafen werde!" —
„Ach! aber alles dies sollte nimmer geschehn", seufzte Johanna. „Der Sarg liegt nun leer dort aus dem Speicher, und erschreckt die Kinder in der Dunkelheit; das liebe alte Haus steht in einem üblen Ruf, und Niemand will es weder kaufen noch miethen, der viele» seltsamen unglücklichen Todesfälle wegen, die sich dort zugctragen haben."
„Gerade Liese Zufälle sind uns günstig, Johanna; in Anbetracht dieser Umstände will Herr Storch billig losschlagen, und einen halbjährigen Kredit für das Angeld bewilligen. Im Laufe von sechs Monaten werden gewißlich die so lang hinaus« gezögerten Angelegenheiten deines Onkels endlich zum Abschluß kommen, und wir werden doch wenigstens so viel bekommen, um unsere Schuldigkeiten bereinigen zu können. Das Haus ist alsdann unser Eigenthnm, und du wirst sehn, daß wir dort glücklich sein und gedeihen werden. Gewiß, cs ist nicht der Fehler dieses armen Hauses, daß dort drei Kinder und zwei ältere Personen im Laufe weniger Monate an den Blattern gestorben sind; und daß es einigen müßige» Burschen gefallen hat, „das verwünschte Haus" an die Mauern zu kritzeln, kann nur einfältige alte Weiber abschrcckcn. Ich liebe dieses Haus, und werde cs immer lieben, und wenn Herr Storch mein Angebot, ohne andere Sicherheit als mein Wort, annimmt, so gehört dieses Haus heute schon unser, und morgen können wir einziehen."
„O! mein lieber Franz ! du kannst nicht glauben, wie es mir widerstrebt, unsere Schuld an diesen Herrn Storch zu vergrößern, glaube nur, er ist kein guter Mann, so freundschaftlich und höflich er auch zu sein scheint. Mein Onkel selbst konnte ihn nicht wohl leiden, obwohl es nicht in seiner Natur lag, irgend ein Geschöpf Gottes zu hassen. So oft Herr Storch kam, um über Geschäfte und Rechnungen zu sprechen, so wurde mein Onkel still und düster, und gab mir stets einen Wink, mich in meine Kammer znrückzuziehen.
„Ich weiß wohl, daß Herr Storch damals ein Auge auf dich gehabt hat", sagte Franz mit selbstzufriedenem Lächeln; „allein ich war der glücklichere Bewerber. Es war eben ein Narrenstreich von diesem alten Hagestolz ; doch alles Ließ ist nun vergessen, und die Aufmerksamkeiten, die er einst für dich hegte, bat er nun auf mich übergehen lassen. Er mahnt nie wegen des Hauszinses, und an der Kindstaufe streckte er mir sogar Geld vor; kurz, er thut mir mehr zu Gefallen, als irgend Jemand thun würde."
„Allein die Art und Weise, wie er mich ansieht, kann ich nicht ertragen, Franz ; und ich setze durchaus kein Vertrauen weder in seine Freundschaft, noch in seine Rechtschaffenheit. Wer weiß, auf welche Weise er in den Besitz eben dieses Hauses, das er nun verkaufen will, gekommen ist; überhaupt kann ich nicht begreifen, daß er so große Ansprüche auf meines On
kels Hinterlassenjchaft haben soll. Ich hörte meinen Onkel nie davon reden. Gott allein weiß, waö uns noch übrig bleiben wird, wenn diese großen Ansprüche alle gedeckt sein werden, und doch galt mein Onkel für einen reichen Mann."
„Die Advokaten und das Gericht müssen dies abmachen," erwiderte Franz; „ich weiß nur so viel, daß ich ein Narr wäre, wenn ich jetzt dieses Haus nicht kaufen würde."
„Die Wahrheit zu gestehen, Franz", wandte Johanna :n bittendem Tone ein, „ich fürchte mich, in dieses Haus znrück- zukehren, so lieb mir auch jedes.Plätzchen darin von Kindheit an war. Ich kann die traurigen Ereignisse, welche den Tod meines Onkels begleiteten, nicht aus dem Gedächtnisse verdrängen, und jo oft ich über die lange Brücke, an dem Lcichcnhause für Ertrunkene, mit seinem nieder» Fenster, vorübergche, fühle ich einen unwiderstehlichen Trieb hincinzublicken, um zu sehen, ob er nicht mehr da liegt, erwartend, daß man ihn in seinen eigenen Sarg lege, und anständig auf einem Kirchhof begrabe."
„Ach! dein Gehirn beschwört alte Ammen-Märchen herauf, meine Johanna! Wir haben von deinem guten freundlichen Onkel nichts zu befürchten, denn, wenn wirklich sein Geist um uns sein könnte, so , würde er uns nnr Glück und Segen bringen. In diejcr Hinsicht bin ich ganz beruhigt; er war ein frommer, gvttesfürchtiger Mann, und hat in seinem Leben nichts gethan, was seine Ruhe im Grabe stören könnte. Man sagt zwar, er habe sich ertränkt; allein ich bin vollkomme.: überzeugt, daß es nicht wahr ist. Wenn wir nicht unglücklicher Weise beide abwesend, ich in der Fremde und du bei deiner sterbenden Tante — deiner Mutter — Schwester gewesen wären, so wäre er jetzt noch unter uns. Wie oft habe ich ihn aber auch gewarnt, allein^,, der Kalleboe Bai zu segeln. Allein er that cs eben jeden Sonntag. So lange ich bei ihm in Arbeit stand, machte ich mir eine Ehre daraus, ihn zu begleiten , und als ich fortging, versprach er mir, nimmer ohne Schiffer zu fahren."
„Ach Gott! das war ein unglückseliger Christtag!" seufzte Johanna. „Auch habe ich es erst aus den Zeitungen erfahren, daß er vermißt wurde; und daß Herr Storch seinen Leichnam im Todtenhause für Ertrunkene erkannt und veranlaßt hatte, daß er nicht in, seinem eigenen Sarg in geweihte Erde, sondern als Selbstmörder begraben wurde, erfuhr ich auch erst, nachdem alles vorüber war."
„Grämen wir ans nicht länger darob, Johanna, cs lag ja nicht in unserer Macht dies zu verhüten. Laß uns lieber
— um das Andenken unseres gütigen Wohlthäters zu ehren
— das Hans, welches er bewohnte, und in welchem er für uns arbeitete, in Stand setzen, es in Liebe bewohnen, und von den mysteriösen Anschuldigungen und üblen Nachreden reinigen. Unsere Wohlfahrt war ja sein einziges Bestreben."
„So sei es denn, wie du willst, Franz", sagte Johanna, seinen Vorstellungen nachgebend. Zu gleicher Zeit hob sie das eben erwachte Kind ans der Wiege, streckte es seinem jungen Vater entgegen und sprach: „Möge Gott dieses unschuldige Kind beschützen, und cs uns erhalten." (Forts, folgt.)
Allerlei.
— jEin Wink für Landwirthe.j Bei dem dieß- jährigen theilweisen Futtermangel und in dessen Folge sich auch vertheucrndcn Kleesameiis ist es gewiß von großem Werth, auf die reiche Ernte desselben aufmerksam zu machen. Wie im trocknen Sommer 1842, so zeigt sich auch Heuer nämlich eine große Menge Samen, welcher aber, um denselben rein und in ziemlichem Quantum zu erhalten, che der Klee geschnitten wird, abgczupft werden muß, welche Mühe sich gewiß lohnen wird, um so mehr, als bei dem immer mehr sich steigernden Bedarf die Preise stets gleichen Schritt halten, und auf diese Weise mancher Landwirth seinen Bedarf von Samen sich selbst verschaffen kann, ohne ihn kaufen zu müssen, und an Fnttcr zu verlieren.
Auflösung des Räthsels in Nro. 70:
E—_ Pfropfzicher.
Druck undDerlag der G. W. Za ifer'schen Buchhandlung. Redaktion: HSlzle.