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nur Noten ab, und Gott weiß, daß in diesen Noten oft sehr wenig Gedanken sind!
Wie, rief der Fremde lebhaft, Sie schrieben Noten ab?
Ja, um davon zu leben, mein Herr. ES verlohnt sich wirklich nicht der Mühe, etwas Besseres und Edleres thnn zu wollen, und den Menschen, welche einander nicht einmal die Früchte auf den Bäumen gönnen, die Gott har wachsen lassen, de« Menschen die Früchte unseres Geistes, welche der Gedanke hat wachsen lassen, darzubringen. Ich habe viele Bücher geschrieben, ich habe den Franzosen lange Gelegenheit gegeben, zu denken, aber es war umsonst, sie dachten nicht! Jetzt gebe ich ihnen Gelegenheit zu singen, und sie singen!
Aber cs will mich bedünken, als ob die Franzosen zuweilen eine ziemlich rauhe und unmelodische Musik machten, rief der Fremde lebhaft, als ob ihnen die rechte und wahre Harmonie verloren gegangen wäre, und eine große, ungeheure Dissonanz bald unsere Ohren zerreißen sollte. Sie, welcher zugleich ein großer Musiker, und ein großer Philosoph sind. Sie werden mir sagen können, ob ich irre, ober ob meine Befürchtungen Wahrheit sind!
Nein, Sie irren nicht, mein Herr, sagte Rousseau leise, diese Dissonanz ist da, sie durchklingt schon die Luft von ganz Frankreich, und eines Tages wird sie sich anflöscn zu einem fürchterlichen Accord und sich zu einem Liede gestalten, welches die Armen und Geächteten, die Verstoßenen und von der Noth des Daseins Gebrandmarkten, welches alle Diejenigen singen werden, die jetzt in dem Schmutz ihrer Lumpen und dem Staub ihrer Niedrigkeit außerhalb der Schranken der Gesellschaft stehen, die keinem Stande angehören und keine Rechte haben. Mit diesem Liede des Hasses und der Rache werden sie eines Tages kommen, ihre Rechte des Menschen ciuzusordern, und wehe dann Denen, welche sie ihnen bisher verweigert hatten. Sie werden eine fürchterliche Rache au ihnen nehmen!
Und wer sind Diejenigen, welche dem Menschen die Rechte des Menschen verweigern können? fragte der Fremde hastig.
Es sind die Bevorzugten und Besitzenden, sagte Rousseau feierlich, es sind die Stände, welche Diejenigen hinarrsweiscn, die zu arm sind, die Abgaben zu zahlen, und vermeinen, daß das Volk, welches auf der Straße wohnt, von der Arbeit seiner Hände lebt, von dem Schweiße jedes Tages jeden Tag fristet, daß dieses Volk keinem Stand angehöre, und daher keine Recht.», sondern nur Pflichten habe. Es sind die Priester und Aristokraten, welche den Sturm heranfbeschwören, der eines Tages ausbrechen wird, und an ihrer Spitze steht der König!
Der König? fragte der Fremde erstaunt. Was verschuldet der König! Was hat er Uebles gethan?
Er hat das Ueble gethan, daß er geboren worden ist als der Sohn seiner Vater, als der Enkel Ludwig des Fünfzehnten, dessen böses Beispiel die französische Nation demoralisirt hat, dessen schmachvolles Leben auf der Stirn des französischen Volkes als ein dunkler Fleck steht, den cs eines Tages mit Blut von seiner Stirn wcgwischen wird!
Das ist ein fürchterliches Wort, mein Herr! Sind Sie ein Prophet, welcher in die Zukunft zu schauen vermag?
Nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenhict, und aus dieser prophczeihe ich die Zukunft, wie die Augurn es thaten aus dem Fluge der Vögel, und die Zcichcndeuter aus allerlei Zeichen und Andeutungen, die ihr Auge zu verstehen wußte.
Haben auch Sie solche Zeichen und Andeutungen beobachtet? fragte der Fremde leise und fast ängstlich.
Rousseau wiegte leise sinnend sein Haupt. Ich habe sie gesehen, sagte er, und Jedermann, der nicht blind ist, oder sein Auge nicht absichtlich schließen will, muß sie sehen. Das Schicksal hat das Leben dieses unglücklichen Königs gezeichnet, und wieder und immer wieder hat es auf ihn mit drohendem Finger hingezeigt. Aber Niemand hat auf diese Warnung geachtet, damit das Wort des großen Griechen sich erfülle, das gehcimnißvoll fürchterliche Wort: Diejenigen, welche die Götter verderben wollen, strafen sie zuerst mit Blindheit, auf daß sie den Abgrund nicht bemerken, vor welchem sie stehen!
Ich beschwöre Sie, öffnen Sie meine Augen, lassen Sie mich sehen! rief der Fremde dringend. Was sind das für Zei-
eben, von welchen Sie reden? Was für böse Omina, die Bezug haben aus König Ludwig, haben Sie bemerkt?
Nicht ich allein, Jedermann kennt diese bösen Omina, mein Herr! Sollten Sie allein nicht von ihnen gehört haben? Wissen Sie nickt, was Alles sich zutrug schon bei der Geburt Ludwigs des Sechzehnten?
Nein, ich weiß nichts davon, und ich bitte Sic, sagen Sie cs mir!
Es ist wenig in den Augen der Kurzsichtigen, viel in den Augen der Sehenden! Dieser König ward nicht geboren, wie die Könige, seine Vorgänger es waren, und darum fürchte ich fast, er wird nicht sterben, wie sie. Sonst versammelt sich die Königliche Familie in dem Zimmer der Königlichen Prinzessin, welche der Natur ihren Tribut abtragen und der Welt ihre heiligste Pflicht erfüllen will, indem sie ihr einen Burger gebiert.
Sonst werden die Kinder der Prinzessinnen geboren unter' dem SegenSrnf der Könige, und das Haus Frankreich umsteht seine Wiege und gibt ibm die ersten Grüße. Die Dauphine aber war ganz allein in Versailles, als ihre Niederkunft sie überraschte. Niemand von der Königlichen Familie war neben ihr; von Fremden umgeben gebar sie den Sohn, und Fremde nahmen ihn in ihre Arme. Man sandte einen Courier ab, um die Geburt des Prinzen in Paris zu verkünden; vor der Barriere von Paris stürzte er mit seinem Pferde und starb auf der Stelle, und seine Botschaft verhauchte auf den Lippen eines Sterbenden.
(Schluß folgt.)
Allerlei.
— Aus dem Tagebuche eines deutschen Musikdirektors in Ostindien. Montag: Wegen der große» Hitze bei Tage Nachts um 2 Uhr Regimentsparade. — Früh um 6 Uhr schlafen gelegt, aber bald erwacht. Ein Vampyr (aber nicht der Maschner'sche) wollte mich an den Fußsohlen anzapfen. — Stiche der MnSkito's so arg, daß mein Gesicht aussieht wie pnnktirte Achtelnoten. Beim Ankleiven einen Scorpion im Stiefel gefunden. Dienstag: Einen BirmancntodschlagünW' marsch componirt, indessen mein Bedienter seinen Bedienten prügelte. Anmeldung eines Schwarzen, der für zehn Silbergroschen Courant sich des Nachts ausziehen und von den Mus- kitos wollte stechen lassen, damit ich in Ruhe. Angenommen. — Noch keinen Brief aus Madras; wahrscheinlich hat den Postboten ein Löwe gefressen. Heute starb in dem hoffnungsvollen Alter von 200 Jahren Miss Baba, der Elephant, der seit 56 Jahren unserm Regiment angehörte. — Mittwoch : Im Gasthaus zu den drei Braminen höchst billige Schildkrötensuppe gegessen; der Henkeltopf 6 Pfennige. — Die vacante Stelle eines Elcphantcn in unserm Regiment ist heute durch einen Ziegenbock besetzt worden. — Die Hitze heute so arg, daß in den Notenbüchcrn ein Presto in ein Adagio umgeschmolzen. — Das gelbe Fieber wüthet schrecklich; in meinem Musikchor hat cS bereits die Posaune, die große Trommel und das Piston hinweg- gerafft. — Donnerstag: Das gelbe Fieber hat in der Nacht auch noch die zweite Trompete geholt. — Zum Vicegouvcrncur geritten und eine Clavicr in Ordnung gebracht, das seit 1817 nicht gestimmt worden war. — Zum Äbendbrod Nashornbeefsteak, Cactnssalat und etwas kalte Klapperschlange. — Freitag: Großer Schreck während des Mittagschlafes im Gartcnhanse, wo ein bengalischer Tiger hcrcinguckte und Appetit auf Mufik- directorenlende verspürte. — Denselben mit der Esklarinette sechsmal aus den Hirnschädcl geschlagen und dann eilige Flucht ans einen Gnmmibanm, wo ich sechs Stunden lang kleben blieb re.
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1—'" —- Zwei Leute geriethcn mit einander in einen harten Wortstrcit. Der eine kam in Hitze und gab dem andern eine derbe Ohrfeige. „Hm!" erwiderte dieser, „soll das Svaß oder Ernst scin'd „Ernst," antwortete der erste trotzig- „Das ist Dein Glück," Vers,. e dieser, „denn dergleichen Spaß versteh ich nicht."
Auflösung der Charade in Nro. 58: Hanswurst.
Druck und Verlag der G. W. Zaiscr'scheu Buchhandlung. Redaktion: Hölzle.