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es der Kaiserin, die sich nicht wenig über die drolligen Einfälle des Kleinen belustigt haben solle.
Ueber die entdeckte Verschwörung liest man in einer Korrespondenz des „Courrier de Paris" aus Madrid: „Man sagt: die Königin sollte am Gründonnerstag entweder in ihrer eigenen Kapelle während des Gottesdienstes oder in einer andern Kirche, welche sie Nachmittags besuchen würde, ermordet werden. Nach vollbrachtem Mord hätten sich gewisse Klaffen der Bevölkerung unter dem Rufe: „Es lebe die Religion! Es lebe der unumschränkte König!" erhoben; am Ostersonntag sollten mehrere Provinzen auf den Ruf der Hauptstadt antworten. Heute würde das ganze Land in Flammen stehen! Aber Mittwoch Abend bekam das Ministerium von diesem abscheulichen Komplotte Wind und traf sofort die erforderlichen Vorkehrungen. Die Königin blieb und bleibt noch in ihren Gemächern und der Palast wird anfs sorgfältigste bewacht. Seit Donnerstag Abend dauern die Verhaftungen in Madrid und der Provinz ununterbrochen fort. Man bedauert unter den Eingezogenen mehrere Geistliche zu finden, deren einige wegen ihres Politischen Fanatismus bekannt sind; auch einige Adelige und mehrere Carlistenoffiziere sind unter denselben. (St.A.)
Die Waisen aus Schweden.
(Fortsetzung.)
„Und habt Ihr nach dem ferneren Schicksal der unglücklichen Jngeborg nicht weiter geforscht?" fragte der greise Barfüßer.
„Wohl kehrte ich," fuhr Vanini in seiner Erzählung fort, „mit einigen Köhlern an die Stelle zurück, wo der Blitz die Eiche versengt und mein Roß mich abgcworfen hatte; aber außer dem von Pferden niedergetretenen Grase fanden wir keine Spur, und auch diese verlor sich alsbald in einem seichten Waldstrom."
„Vier Jahre waren vergangen, und ich hatte meinen Aufenthalt in der Hansestadt mit dieser Reichsstadt vertauscht, nach wie vor mein Gewerbe treibend. Einsmals ritt ich gen Fried- berg, um bei einem Manne, mit dem ich wohl vertraut war, eine Summe Geldes zu erheben, die er mir schuldete, und welche ich dem achtbaren Altbürger und Wollenweber Wirhäuscr zu leihen versprochen hatte. Bei meinem Eintritt zeigte mir der Friedbcrger einen Fingerreif, welcher ihm so eben als Pfand überlassen worden war. Ich nahm den Ring in meine Hand, um die Güte der Steine zu prüfen, und stellt Euch mein Erstaunen vor, es war einer der Ringe, welche ich Jngeborg znm Geschenke gemacht hatte, mit den Reliquien vom Kreuz des Erlösers. Ich forschte eifrig nach dem Manne, der diesen Ring gebracht, und erfuhr nun, daß es JonaS Torkelson gewesen war, der schon seit einigen Jahren mit den beiden Kindern Jngcborg's in des Altbürgcrs Wixhänscrs Hans seine Herberge aufgeschlagen hatte. Von Jngeborg wußte der Mann nichts."
„Schnell schnürte ich meinen gefüllten Säckel um den Leib, bestieg mein Roß und eilte Torkelson nach. Aller Haß und Grimm, den ich gegen den Schweden gehegt hatte, war neuerdings erwacht. Ich hatte beschlossen, wenn er mir keine Nachricht von Jngeborg zu geben vermöchte, mich blutig für die einst erlittene Unbill zu rächen, da ick ihn allein nur für den Störer meines geträumten Glückes hielt. Aber sein Geschick hatte schon blutig geendet. Ich war von der gewöhnlichen Heerstraße abgckommen und hatte mich im Walde verirrt, und als ich endlich auf andern Wegen spät die Stadt erreichte, dem Wollenwcber sein Geld brachte und aus dessen Hause trat, sah ich, umringt von einem Haufen Volks, Torkelson vor mir als eine Leiche. Er war auf der Heerstraße erschlagen worden."
Tie barmherzige Schwester war aufgesprungen, und mit angstvoll keuchender Brust beugte sie sich über den Verwundeten. „Und wohin sind die beiden Kindlein gekommen?" fragte sic, die Augen starr auf seine Lippen gerichtet.
„Nehmt Ihr also Antheil an ihnen, ehrwürdige Schwester?" fragte erstaunt der Mönch.
„Um Gottcswillen, sagt es mir! mein Leben hängt dran!" bat dringend die Nonne.
Der Wechselherr richtete unbeweglich seine großen dunklen Augen aus die barmherzige Schwester, als wolle er einen zwi
schen ihr und ihm liegenden Nebel gewaltsam durchdringen. „Die Kindlein," erwiderte er, „habe ich erzogen, als ob es meine eigenen wären. Es ist Olav, der junge Graf v. Nerike, und seine Schwester Ulrike."
„Olav! Ulrike! meine Kinder!" rief außer sich die barmherzige Schwester. „Ich sehe euch wieder!" Und niederknieend in die Mitte des Zimmers, hob sie das thränenperlende Antlitz znm Himmel. „Gott! Gott! wie danke ich dir!" rief sie mit freudig bebenden Lippen. „Du hast mich nicht zu Schanden werden lassen, du hast mein Leben gefristet, damit ich meine Kinder wieder sehe! — Aber wo sind sie? damit ich sie an meine Brust drücke, netze mit meinen Freudcnthränen, sie überhäufe mit tausend Liebkosungen. Staunt mich nicht an, als wäre ich eine Wahnsinnige. Ich bin Jngeborg — die unglückliche, verfolgte, tausendmal gequälte Jngeborg!"
»Ihr — Ihr Jngeborg?" stammelte Vanini. „Ihr kommt, mir zu fluchen, mich zu verabscheuen. Ich war es ja, der Euch von der Seite Eurer Kinder riß, daß Ihr auf immer ihre Spur verloren hattet."
„Nein, ich segne Euch!" versetzte Jngeborg. „Ihr wäret ja meinen Kindern ein Vater, den armen Waisen ein Fürsorger und gewiß ein liebevoller. Unglücklicher, verblendeter Mann, Ihr liebtet mich, wie sollte ich Euch fluchen? Ihr hattet ja keine Ahnung, daß ich das Weib eines Andern war. In jener schrecklichen Nacht, wo ich mich in Euern Armen schon verloren gab, rettete mich Gott durch seinen Blitzstrahl. Scheu geworden, warf Euer Roß mich und Euch zu Boden. Hier fand mich der treue Brun in tiefer Ohnmaäit liegend, und als ich wieder znm Bewußtsein erwachte, war ich schon durch eine große Strecke getrennt von dem Ort des Schreckens. Was aber ans meinen Kindern und ans Jonas Torkelson, meinem Bruder, geworden, wußte mir Brun nicht zu sagen, da er sogleich, um mein Schicksal besorgt, Euch in einiger Entfernung gefolgt war. Und wem wir nun begegneten, und wen wir auch fragten, Niemand hatte sie gesehen, noch etwas von ihnen vernommen. Wir zogen nach Brüssel in Flandern, aber der Bruder meines Gemahls war kodt, und ich durchirrte verzweifelnd nah und fern gelegene Länder, nach meinen Kindern suchend. Und setzt — nach einer langen Reihe von Jahren — jetzt endlich finde ich sie wieder! Doch wo sind sic? O stillt bald die
Sehnsucht eines MntterherzenS."
„Euer Sohn, Gräfin, kämpft in diesem Augenblick unter dem Banner dieser Stadt, die bis jetzt seine Hcimath war," erwiderte Vanini; „er wirb wiedcrkehren aus dem Kampfgewühl als Sieger, und freudetrunken in Eure Arme sinken. Doch Eure Tochter — der Allmächtige mag sie schirmen! Sie war
es, nach der ich fragte, als ich auf der Straße, in meinem
Blute schwimmend, in Euern Armen erwachte."
In diesem Augenblick entstand vor dem Hause und unten ans der Hausflur Lärmen, die Stubenthüre ward anfgerissen, und in buntem Gemisch drängten sich Rathsknechte, edle Herren, und Haus der Stubeuknecht herein, und aus ihrer Mitte trat der schwedische Graf Beukt Nerike, die leichenblasse, doch holdselig lächelnde Tochter in den Armen haltend.
" XIV.
In dem sonst geräuschvollen ansehnlichen Haus des Altbürgers Wixhäuser hatte, wie in den meisten Häusern der Stadt, den ganzen Tag über die tiefste Stille geherrscht. Die Dienstleute und Arbeiter des reichen Fabrikherrn waren zum Theil mit ausgezogen gen Kronenberg oder trieben sich auf den Wällen oder in den'Schenken umher; an Arbeit dachte an diesem Tage kein Zunstgcnosse.
Schon weit war die Nacht hereingebrochen, und die melancholische Ruhe noch durch nichts gestört worden. Zwei Knechte, die daheim geblieben waren, das Hans zu hüten, saßen in einer Hinterstnbc und thaten bei einer Kanne Wein sich gütlich, viel über Fehde und Kriegeszüge disputireud, und tief die sich rö- thenden Nasen in die Humpen tauchend. Die Mägde plauderten in ihrer Kammer.
(Fortsetzung folgt.)
Druck unvVerlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung. Redaktion: Hölzle.