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Daumen und einen an den Finger, den man den Goldfinger nennt, übersandt. Diese Ringe umfaßten Reliquien von dem wahren Kreuz des Erlösers, und waren von Frau Jngeborg freundlich angenommen worden. Ich wartete daher nur einen günstigen Augenblick ab, um ihr meine Liebe darzuthnn und ehrlich um ihre Hand zu werben."
„Eines Tages treffe ich den alten Brun, ihren Diener, auf der Hausflur mit dem Packen einiger Kisten beschäftigt; ich eilte bestürzt hinauf und finde Jngeborg traurig und allein bei ihren beiden Kindern. Mit Thränen in den Augen entdeckte sie mir, daß JonaS Torkelson sich im Hafen nach einem Scbiff umschaue, das sie an das jenseitige Ufer trüge, dieweil mäebtigc Feinde, die nach ihrem Verderben trachteten, ihre Spur gefunden hätten, und sie deßhalb morgendeu Tages die Hansestadt meiden müßten, um in Flandern bei einem Schwäher Schutz zu suchen. Da hielt ich nicht länger an mich, ich that ihr kund meine inbrünstige Liebe, ich bot ihr meine Hand und schwur ihr, sie mit meinem Bluff gegen jede Unbill und gegen jedweden Feind zu schirmen."
„In der Gluth meiner ungestümen Leidenschaft hatte ich sie umschlungen, und brennend ruhten meine Augen in den ihri- E gi-n. Erschreckt von meiner Heftigkeit, duldete sie einen Augenblick meine Liebkosungen, dann aber rang sie sich plötzlich aus meiner Umarmung los, und mit einem lauten Schrei stieß sie mich wild von sich, init ihrem jüngsten Kind in eine Kammer enteilend, und fest die Thür hinter sich verschließend. In diesem Augenblick trat Torkelson herein. Ohne Hehl erzählte ich ihm den ganzen Vorgang, und freite bei ihm ohne Weiteres um die Hand seiner Schwester. Da aber stieg dunkle Gluth in das Gesicht des rauhen Mannes; er nannte mich wüthend einen elenden Krämer, der aus den Markt gehen, daselbst sich ein Weib freien sollte, und wies mir sonder Umstände die Thüre."
„Voller Grimm, Rache schnaubend, eilte ich nach Hause. Tausend Pläne schwirrten mir durch den Kopf, keiner dänchte mir der rechte. Ta fiel mir ein Kerl ein, häßlich und verschmitzt, wie ein Sohn der Hölle, den ich schon in Ulm und Augsburg gesehen, und der mir erst Tags zuvor auf dem Hafendamm begegnet war. Das Gewerbe dieser Tenfelslarve ließ sich an seinem Aenßeren errathen. Ihn wollte ich zu dem Werkzeug meiner Rache, zu meinem Mitgchülfen machen. Es hatte keine Schwierigkeit, dieses Galgengesicht aufznfinden. Wir waren bald des Handels einig."
„Ich wußte, baß Torkelson cs nicht gerathcn fand, auf einem Schiff den Weg nach Brabant zu suchen, a»S Furcht, dem Raubschiff eines Wikingers in die Hände zu fallen, und vielleicht nach Schweden znrückgeführt zu werde»; er hoffte zu Land seinen Feinden zu entkommen. Ich aber war fest des Willens, um jeden Preis die schöne Jngeborg zu besitzen."
„In Gesellschaft meines unehrbaren Genossen machte ich mich aus und folgte den Flüchtigen, deren Spur wir bald aufgefunden hatten. Unfern des Wescrstromes fanden wir in einem Wald, auf einem freien Rasenplatz, Jngeborg mit ihren beiden Kindern, dem alten Diener Brun und einigen Knechten, von der mühselige» Reise Rast haltend, und ihre Rosse weiden lassend in den saftigen Grashalmen des Dickichts. Meine Augen suchten Jonas Torkelson, denn an ihm wollte ich erst meinen Haß kühlen, und dann meine blutbefleckte Hand nach dem schönen Weibe ausstrecken. Aber mochte er noch zurück, oder, um eine Nachtherberge auszumitteln, voraus sein; er fand sich nicht bei der Truppe. Mein Gefolge stürzte sich auf die Knecbte, und es begann ein hitziger Kampf. Ich warf mich vom Roß, stürzte, wie der Falke auf seine Beute, auf Jngeborg, die mit einem lauten Schrei mir ohnmächtig in die Arme sank; faßte sie um den Leib, schwang mich wieder in den Sattel und jagte quer durch den gelichteten Wald."
„Zwei Stunden mochte ich mit meinem schönen Raube das Weite gesucht haben, als ich bemerkte, daß ein einzelner Reiter mich verfolgte. Ich stutzte und stand still, kampfgcrüstct den Kühnen erwartend. Doch zu meinem Erstaunen hielt sich der Mann immer in einer gewissen Entfernung, behutsam eine allzugroße Annäherung vermeidend. Ich glaubte deutlich de» Knecht Brun zu erkennen. Erzürnt und Verrath fürchtend.
wollte ich ihm zu Leibe, aber der Knecbt wich behende zurück und ließ mich auch nicht beikvmmen. Grollend ob dieses Zufalls, setzte ick meinen Weg fort, hoffend, endlich ein Haus oder eine abgelegene Schenke aufznfinden, wo ich mir Rast und dem schönen Weibe Erholung gönnen könnte."
„Die Nacht begann einzubrcchen, und über uns hatte sich ein tobendes Unwetter zusammen gezogen. Dickte Finsterniß umgab uns, und nur die grellen Blitze erleuchteten noch meinen mühsamen Pfad. Dumpfe Donner rollten über die rauschenden Wipfel der Bäume weg, von den Klagetönen Jn- geborg's untermischt. Plötzlich schlug ein flammender Strahl dickt mir zur Seite in eine alte Eicke, daß sie lickterloh anf- brannte, gleichzeitig folgte ein prasselnder Tonnerschlag. Wild schnaubte mein Roß, bäumte sich, schlug über, und schleuderte mich weithin gegen den Stumpf eines Baumes, daß ich bewußtlos liegen blieb, und Blut aus Mund und Nase mir quoll."
„Als ich wieder zum Bewußtsein erwachte, hatte sich schwarze Nacht um mich gelagert. Ich war einsam, von meinem treuen Roß verlassen und von Jngeborg keine Spur. Es dänchte mir Alles nur ein fürchterlicher Traum. Endlich erblickte ich durch die Finsterniß ein Licht, und mühsam mich zwischen den Bäumen durch Büsche und Dorncngestrüppe arbeitend, gelangte ich in eine einsame Köhlcrhütte, wo ich den Tag erwartete, der mich in Reue und Mißmuth fand."
Der Wechselherr hielt erschöpft inne. Die Beginne stand tieferschüttert zu seinen Füßen und weinte.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
In Manchester geht es den Fabriken so gut, daß die Erde nicht Stoff genug erzeugen kann, »m Dampf und Räder zu befriedigen. Der seit 10 Jahren um nahe an 100 Prozent gestiegene Absatz von Baum wolle n w a aren hat in Verbindung mit einer jährlichen Gold- und Silbereinsuhr von fast 50 Million Pfund Sterling den Handel in eine solche Blnthe gebracht, daß man bittend und suchend um Baumwollenfasern ans- sckant nach New-OrleanS, nach Brasilien, Egypten und Ostindien. Trotzdem aber, daß die rohe Baumwolle so rar ist und für den Bedarf nicht mehr ausreichen will, liefert doch England die Banmwollengarne der deutschen Weberei wohlfeiler, so daß diese im Stande ist, die Quadratellc baumwollenes Gewebe um kr., sage eine» halben Kreuzer zu liefern. Wenn das so forigcht, kann's unmöglich mehr lange dauern, daß die Elle solchen Zeugs gar nichts mehr kostet; dann erst feiert diese Baumwvllenindnstrie ihren höchsten Triumph.
— Die Cvchinchina-Hühner haben sich bekanntlich zuerst bei den Engländern und neuerdings auch bei den Deutschen schon als eine beliebte Gattung in der europäischen Federvieh- zncht eingebürgert. Dagegen gelang es bis jetzt noch nicht, die auf den moluckischcn Inseln einheimischen wilden Mele-n-Hüh- ncr zu zähme», obwohl ihre Zähmung wegen ihrer überaus nahrhaften Eier wünschcnswerth wäre. Das Ei des Mele-u- Hnhns ibci den Eingeborenen: Eiam Mele-u) ist nämlich 5—7 Zoll lang, mißt im mittleren Durchmesser reichlich 2 Zoll und enthält sehr wenig Eiweiß, höchstens den achten Theil seines gestimmten Inhalts, der dem Gehalte von 0—8 Eiern des ostindischen Haushuhns gleichkommt. Ein einziges gesottenes Mele- u-Ei würde für eine Mahlzeit eines Europäers ausreichen; der Eingeborene der Molucken vermag es nur bei besonders starker Eßlust zu verzehren. Hahn und Huhn, beide von schwarzem Gefieder, unterscheiden sich wenig von einander. Sie erreichen die Größe eines unserer großen Hanshähnc, bleiben jedoch in der Wildheit mager. Ihr Fleisch ist aus diesem Grunde nicht sehr schmackhaft. Gelänge es, sie zu zähmen, zu züchten und zu mästen, so würden sic vermnthlich fetter und schmackhafter werden.
— „Na! Glauben's etwa, daß i meine Beine gestohlen hob?" rief Jemand, der sehr dünne Beine hatte, als ein Borübergehender, welcher mit seinem Stocke schwenke, ihn gegen das Schienbein stieß. „Gott bewahr!" antwortete der Unvorsichtige, „hätten's sich doch g'wiß a paar bess're ausg'sucht!"
Nedlgirt gedruckt und verleg! von G. W. Zaiser.