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wieder geltend zu machen. — Ihr seht demnach, Herr Bertbold Wirhänser, daß ich Eurer ehrenhaften Werbung weder Vorschub leisten, noch sie ablehnen kann, bis das Schicksal meiner Pfleglinge sich entschieden. Bleibt Olav seiner Jugendneigung getreu und wünscht fürder die Bcrbindung mit Euerm altbürgcr- lichen Hause, und treten nahe Verwandte oder Stand und Verhältnisse nicht bindernd seinen und seiner Scbwefler Wünschen entgegen, und meine Stimme wird annoch etwas geachtet wie die eines Vaters, dann nehmt Wort und Handschlag: Ulrike wird Eure Schnur, wie Jhr's begehrtet. Bis dahin, werthe Freunde, wollt Encb bescheiden."
Der Altbürger stand ob dieser Rede des Wechselherrn höchlich verwundert, und Rudolph schaute trübselig drein. Ulrike war ein bleiches Wachsbild geworden. Sie konnte sich über das, was ihr so eben offenbart worden war, nicht freuen; ihre heißen Wünsche waren auf eine ungewisse Zukunft vertröstet. Den Geliebten, an dem sic mit der ersten Glnth jugendlicher Leidenschaft hing, konnte ihr ei» bis daher unbekannter Vater, das Machtwort einer Königin, der erwachende Ehrgei; eines Bruders rauben.
Während dem im Hause des Wechselherrn so Wichtiges verhandelt wurde, schleuderte Olav langsam und nachdenklich durch die belebten Gassen. Er hatte kein Acht, was um ihn j her vorging; er bemerkte nicht, wie besonders der weibliche Thcil der Vorübergehenden den schönen Jüngling mit Aufmerksamkeit musterte, wie manch einladender Feuerblick seinem Auge zu begegnen suchte. Unfreundliche Gedanken schienen ihn zu beschäftigen, denn seine jugendliche Stirne wurde zuweilen von krause» Falten verunstaltet, und seine Augenbrannen zogen sich auf Augenblicke düster zusammen.
Als er um die Ecke einer Straße bog, standen die Begrüne und der alte Kriegömann vor ihm, deren Retter aus Räubers Händen er gleichsam gewesen war. Der Knecht grüßte ehrerbietig, die barmherzige Schwester überrascht und verwirrt. Doch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, überflog sie der Jüngling mit einem kalten theilnahmloscn Blick, dankte kaum merklich und schritt au ihnen vorüber.
,,So groß und schön müßte er jetzt sein, Brun, wenn er noch lebte," begann die Beginne, ihm mit einem sehnsüchtigen Blick nachschanend. „Ach, dieser Jüngling — seine Züge — diese krystallrcinc», großen, blauen Angen — zieht mieb'S doch mit einerbesondern Ahnung, mit einem unerklärlichen Gefühl zu ihm hin, wie eine Mutter zu ihrem Kinde. Aber vergebliche Hoffnung! grausame Täuschung! Nie wohl werde ich meinen Sohn, nie meine Tochter wieder sehen! — "
„Beruhigt Euch, erlauchte Frau — doch dieses Wort habt Ihr mir ja strenge untersagt — " erwiederte der alte Knecht; beruhigt Euch, Schwester Maria, das Ziel Eurer Lei- ! den ist vielleicht nicht ferne. Kam uns doch in Rom mit jenem Pilgrim, der vor einigen Jahren vom fernen Norden nach der heiligen Stadt gezogen war, die gute Kunde, daß Euer Gemahl noch lebe, zwar der Freiheit beraubt, aber doch nicht hoffnungslos verloren. Euer grimmigster Feind, Bo Jonsson, der Rcichsdrost, ist todt, wie das Gerücht geht, und wer weiß, ob Euer Gemahl nicht schon frei ist und der Seinigcn harrt. Gott wolle eS geben, daß jch mit guter Nachricht zurück kehre, nnd Ihr bald Gemahl und Kinder in die Arme schließen »löget. Harrt hier meiner in dieser volkreichen Stadt, wo Ihr Euern Feinden nicht allzu nahe seid, im Fall sie noch mächtig sein sollten, um Euch schaden zu können, nicht allzu fern, wenn sich die Dinge zum Besten gewendet haben."
„Geleite Dich der Herr und seine heiligen Hcerschaaren, Du treuer Diener, der mich nicht verließ, als ich heimgesucht ward von überschwänglichen Leide», verfolgt von meinen Feinden nnd Freunden, und verlassen war von der ganzen Welt," sagte die barmherzige Schwester. „Du hast Armuth und Noth redlich mit mir getheilt, und warst meine Stütze, als mein Vertrauen auf Gott sinken wollte. Ziehe hin und forsche, wie cs in der Hcimath steht, ich werde Deiner hier im Hause zur kleinen Einung harren, die Pflicht übend an allen Unglücklichen. Leidenden und Kranken dieser lebensfrohen Stadt, wie ich es bisher that in dem fernen Wälschlandj"
«je reichte ihm die Hand, welche der alte Diener gerührt
an die bärtigen Lippen drückte; das Herz wollte es ihm abdrü- cken, die verehrte Gebieterin allein in der fremden Stadt zurück lassen zu müssen. Er wandte sich zum Gehen, um die hervor- gnellenden Thränen zu verbergen. Die Beginne sah ihm lange nach mit schmerzlichen Blicken, bis er um eine Ecke der Straße verschwunden war, dann verlor sie sich in einem der Häuser, um bei einem Kranken ihre Bcrnfspflicht zu erfüllen.
„Bei der Glane des heiligen Michael! wenn ich noch der Zeit gedenke, wo ich Euch die ersten Handgriffe eines Trvß- bnben beibrachte, und sehe nun einen so stattlichen Junker vor mir, so habe ich baß eine große Freude, sagte der Rathskneebt Hanemann Jäckel, der dem mißgelaunten Olav auf der Straße begegnet war nnd ihn gestellt hatte. „Hätte ich's Euch dock- gleich damals ansehen sollen, daß Ihr zu Helm nnd Schild geboren seid nnd adeliges Blut in Euer» Adern fließt. Und wie schmuck ihr angethan seid. Kein Wunder ist's, daß alle Dirnen vornehm nnd gering, mit lüsternen Blicken nach Euch schielen, wie meine Katze nach einem Teller voll Erbsen mit Speck. Seht da rechts nnd links, wie sichS hinter den damast'nen Vorhängen regt nnd bewegt, wie'S hervorgnckt, gerade wie auf dem Altarblatt die EngelStopfchen ans den Wolken. Ja blinzelt nur, huscht nur vor- und rückwärts, bas ist doch all' umsonst.
! Ein brannlockiges Mägdlein bat schon längst meinen schmucken Junker in Ketten und Bande» gelegt."
„Weißt Du das so gewiß?" fragte Olav, und mußte »»willkürlich über die drollige Lobpreisung des Dicken lächeln.
„Warum sollte ich eS nicht wissen?" erwiederte Hane- mann zuversichtlich. „Des Altbürgers Wirhänser, des reichen Wüllknappen, Töchterlein ist's, die Ihr »sinnt, nnd die ohne Euch nimmer lebe» kann. Verging dock-, während Ihr Eure Zeit in den wälschen Landen znbraebtet, fast kein Tag, wo Fräulein Bertha nicht Eure Schwester heimgesnchc und von Euch nur Liebes nnd Gutes geplaudert hätte. Und als Ihr gestern znrückkamt, nnd die liebliche Maid so vor Euch stand — haha! da zappelte auch Euer Herz wie der Dieb am Galgen. Frau Trine, mein Eheweib, hat Euch genau beobachtet."
„Daß ich Bertha Wirhänser wohl leiben mag, n-i. :cd nicht längnen; meine Neigung zu ihr wuchs mit mir auf, und ich kenne keine andere. Ob aber sie gleichgesinnt gegen mich ist, wäre noch sehr in Frage zu stellen. Der Junker von Garben, ich bab eS noch am Abend meiner Ankunft bemerkt, scheint viel bei ihr zu gelten."
„Ach, wenn eS das ist, waS Eure Stirn so kraus in Falten legt, so laßt sie immerhin wieder glatt werden; Euer Argwohn ist dann ein unnützes Geplage. Jungfrau Bertha mag den Junker von Earben wobl leiden, wegen seines biedern Wesens, nnd er weiß gar zierlich zu reden und freundlich zu i thnn; aber das wird ihm doch alles nichts Helsen; hr Herz bleibt Euch eigen für und für. Drum weg mit der weinerlichen Miene, mit dein Geseufze nnd Gestöhne; überlaßt das jenen weibisch thuenben Gesellen, die dünnbeinig nnd gespreizt einher- schreiten, sich schnüren, das Baarthaar znstntzcn, am Halse Krause oder Linnenkragen wohl hundertmal zurecht rücken, nach feinen Oelen nnd Salben riechen, und wenn ihnen ein hübsches Mägdlein anfstößt, gleich ein herzbrechendes Ach! »nd Oh! ansstoßen, nnd die Angen verdrehen wie Einer, der aufdem Rost geschmort wird; des Abends vor Liebe sterben wollen, und am Morgen drauf ihre magern Waden mit der Nachthaube einer lustigen Dirne ansstvpfen. Jeb bi» freilich nur ein gemeiner Mann, nnd habe wenig Kennkniß dessen, was die vornehmen Leute quält nnd plagt, nnd von dem Minnegekose war ich nimmer ein Freund. Frau Trine, mein Weib nahm ich nur, damit sie mir meine Suppe koäw, mein Strohbctt anf- schüttle und meiner pflege, falls mir eine Gläne zwischen die Rippen führe, oder ein Schwert mein Fell anfschlitzc, öderem Sieebthnm mich befalle; aber ich denke, wen die Minne quält, der gehe hin zu seinem Herzlich nnd sage ihr's frisch von der Leber weg, wv's ihn drückt nnd qnält, und ich will mein Wehr,zeug i» den Mainstrom werfen, wenn er nicht in der Zeit, welche man braucht, um ein Ave Maria zu beten, weiter kommt, als mit all' dem Geseufze und Wehklagen in einem Jahr. _ _ (Fortsetzung folgt.)
Redigirt, gedruckt und verlegt von lH. W. Zaiser.