Kriegs- und Friedens-Erlebnisse.
Erzählung.
(Fortsetzung.)
Es war am 1. Januar 1814, als das schlesische Heer in drei Kolonnen bei Mannheim, Caub und Koblenz über den Rhein gieng, ohne daß eine dieser Kolonnen großen Widerstand gefunden hatte. Am 8. war das Hauptquartier des Feldmarschalls Blücher in st. Wendel. Marschall Marmont war an diesem Tage in Saarbrücken angckom- men, hatte sich dort mit dem General Durutte, der von Koblenz kam, vereinigt, und die steinerne Brücke sprengen lassen. Es schien seine Absicht hier stehen zu bleiben. Da ließ der Feldmarschall die Reiterei gegen seine Flanken vorrücken.
Noch hielt das Husarenregiment, in welchem Felir diente, hinter dem Angriffe in Reserve, als das eine, schon engagirte leichte Reiterregiment in ein hartes Gedränge mit dem, auf diesem Punkte überlegenen Feinde gcricth. Da erfolgte der Befehl zum Vorrücken auch für die Husaren, und eine Minute später brachen sie in die feindlichen Reihen ein. Die linke FlügelEskadron der ChevaurlegerS hatten den härtesten Strauß zu bestehen. Felir, auf dem rechten der Husaren, sah den Rittmeister jener in größter persönlicher Gefahr, und unternahm es, gefolgt von einer Anzahl seiner Leute, sich Bahn zu brechen bis zum Knäuel der den befreundeten Offizier und eine Handvoll seiner Leute umwickelte. Vor den Säbeln Hordau's und seiner Husaren wichen die Franzosen rechts und links zur Seite, und Felir erreichte eben den Mittelpunkt des Kampfes dort, als der Rittmeister, am Kopfe schwer verwundet, zu sinken begann. Noch gelang cs ihm, einen zweiten Hieb des feindlichen Reiters aufzufangen, der Jenen tödtlich getroffen haben würde. Die leichten Reiter fanden jetzt Muße, ihren schwer verwundeten Officier aus dem Gefechte zurück zu bringen, dieses aber ward heftig fortgesetzt. Die Franzosen machten zuletzt weichend eine rückgängige Bewegung gegen Metz, boten jedoch den Alliirten oft wieder die Stirn, und auch Felir traf noch das Loos, von feindlicher Klinge am rechten, eben zum Streiche erhobenen Arme bedeutend getroffen zu werden.
Im Kreise der Verwandten und Befreundeten hatten Mathilde und Felir den letzten Abend ihres Beisammcn- seyns in Wiederau verbracht. Inniger schmiegte das Mädchen bei jedem erfolgenden Glockcnschlage sich an des Jünglings Brust, jeder kündete ja ihr es an, daß die herbe Trennung um eine Stunde näher gerückt. Vollmers Beide blieben die Nacht über im Schlosse und mit den Liebenden vereint. Die Gemüther waren ja nicht so gestimmt, um der Nachtruhe entgegen sehen zu können. Da drangen durch die hohen Spiegelfenstcr des Wohnzimmers des jungen Tages erste goldene Strahlen herein und Mathilde zog mit sanfter, bittender Gewalt den Geliebten hin
zum Fenster, das sie öffnete, und Beide sahen dem majc- stctischen Schauspiele des Aufganges zu.
Auch die klebrigen der Hauses und der Gäste fanden nun bald sich ein. Vom Hofe herauf vernahm man schon den Rädcrklang des vorfahrenden Wagens, und Hordau's Reitknecht ließ seinem Herrn es melden, daß er mit den Pferden bereit sey. Da schlang Mathilde beide Arme um des Geliebten Hals, und leitete ihn darauf ins kleine, anstoßende Kabinet.
„Nur einen Augenblick lang noch begehre ich mit Dir allein zu seyn," — sprach sie dort — „eS will der Trennung ernste Minute gern zeugenlos gefeiert sey». Und ob ich Dir auch nichts zu sagen verlange, was irgend ein Ohr scheuen möchte, so ist es doch ein süßer Wahn, ist süße Täuschung, dem Herzen wohlthuend, der Glaube, Du seyest ohne Anderer Gegenwart mir inniger noch ergeben.
Im langen, heißen Kusse tranken die Liebenden noch Erkräftigung für die letzte schwere Minute . . . bald sah Felir das ihm so theuer gewordene Wiederau hinter sich, die Thurmspihe sank hinter den Hölzern nieder, der rück- gewendcte Blick konnte sie nicht mehr auffinden. Mathilde und Rosalie standen lange Arm um Arm gewunden, Wange an Wange geschmiegt, auf dem Balkon, da sie gestern noch zuletzt gewesen. Der Freundinnen heiße Wünsche zogen dem Geschiedenen nach, ihre Thräncn, seinem Abschiede geweihet, stoffen in einander. — —
Macdonald hatte am 24. Juni 1812 den Niemcn überschritten, über Samogitien sich ansgcbrcitct, war bis Constantinc, auf der Straße nach Riga, vorgedrungcn und hatte von da ans Mictau und Licbau den 20. Juli durch preußische Abthcilungcn bescyen lassen. Die Hauptkolonne überschritt dagegen am 18. August dne Mischa bci Salanty, und General Kleist, durch 3 Bataillons, 2 EskadrionS und 8 Kanonen in seiner rechten Flanke gedeckt, thcilte sich hier. General Grawert ging mit den Preußen über Bauske und Eckau gerade nach Riga vor, und die Division Grand- jcan wendete sich rechts, die Düna aufwärts nach Friedrichsstadt und Jakobsstadt, um die rechte Flanke Wittgensteins zu bedrohen, und Dünäburg zu belagern.
Unfern Dahlenkirchen bestand Felir sein erstes Gefecht. Der Jüngling hatte mit Sehnsucht den Augenblick herbei- gcwünscht, wo er durch bewiesenen Muth, durch gezeigte Kampfeslust sich gleichsam erst in den Kreis der älteren, in frühere» Kämpfen erprobten Offiziere einrcihen werde; hatte im Voraus; darauf sich gcfreuet, der fernen Geliebten cs berichten zu können, daß er nicht Neuling mehr, daß er seiner Waffe Erstlinge sich erworben.
Etwas Ernstliches gegen Riga konnte der Marschall nicht unternehmen; so lange das Belagerungsgeschütz nicht angekommen und Wittgenstein noch immer so nahe in seiner rechten Flanke stand.
Am 6. und am 9. August geschahen Ausfälle aus Riga, beide aber wurden nach leichten Gefechten zurück gewiesen. Bedeutender und erfolgreicher war der Ausfall vom 22. August, wo unter dem General Lewis eine an 5000 Mann starke Kolonne den rechten Flügel des Be-