Aus Stadl und Land
Calw, den 7. Februar 1933.
Neubestellung der Waisenrichter AlS Waiseurichter der Stadt Calw sind vom Gemeinderat Oberpräzeptor Baeuchle, Privatmann Costenba- der und als Stellvertreter Bäckermstr. Friedrich P frommer und Stadtrat Stüber erneut bestellt worden.
Bon der Mg. Ortskrankenkasse für den Oberamtsbezirk
Calw
wird uns geMicben: Nachdem die Beitragshöhe in der Oeffentlichkeit immer wieder einer Kritik unterzogen wird, »ins, erneut festgestellt werden, da» Kasscnvorstanb und -ausschuß und selbstverständlich auch die Bermaltung schon seit Jahren bemüht sind, den Beitragssatz so nieder wie nur irgend möglich zu bemessen. Wenn es nun bis jetzt nicht möglich war, »nt den Beitragssenkungsaktioiien anderer Krankenkasse» voll und ganz Schritt zu halten, so ist dies darauf zurückzuführen, baß im Obcramtsbezirk Calw die Grundlohnshöhe an der unteren Grenze liegt und baß deshalb das Beitragsaufkommen trotz des verhältnismäßig hohen Prozentsatzes ein sehr niedriges ist. Die statistischen Erhebungen, die soivohl vom Württ. Krankenkasscnverband als auch vom Deutschen Hanptverband schon seit Jahren angcstellt werden, haben jeweils einwandfret nachgewiesen, daß die hiesige Kaffe bezttgl. ihrer Beitragseinnahinen weit unter dem Landesdurchschnitt steht. So haben z. B. die Nachbarkassen Nagold und Neuenbürg trotz gleichen oder gar niedrigerem Beitragssatz an Beiträgen 6—11 Kt pro Kos? und Jahr mehr eingenommen als die A.O.K. Calw. Da eie Ausgaben der hiesigen Kasse den obengenannten Kaffen und auch vielen andern in Württemberg in den Hauptposttionen in nichts nachstehen, ist es im Laufe der Jahre nicht ser- wunderlich. wenn sich aus finanziellem Gebiete Unterschiede herausbilden, die letzten Endes in der Höhe des Beitragsfußes zur Auswirkung kommen müssen. Zudem hat die A.O.K. Calw verschiedene Jahre höhere Leistungen gewährt als die ivettauS meisten Kassen des Landes. Es bliebe also nur noch übrig, festzustellen, ob vielleicht die Verwaltungskosten von ausschlaggebender Bedeutung für die Höhe des Beitragssatzes sein könnten. Aber auch hier ist zu sagen, daß sich diese Kosten — und dies wurde von der Aufsichtsbehörde anläßlich der letzten durchgreifenden Prüfung der Verwaltung festgcstellt — in durchaus normalen Grenzen halten. Sie bewegen sich genau in der Höhe des Landesdurchschnitts. Schließlich muß noch sestgestellt werden, daß die Erschaffung des Erholungsheims und der Zahnklinik im Jahr 1824, also unmittelbar nach der Inflation, der Kaffe eine starke finanzielle Belastung gebracht hat, die zu beheben manches Opser erforderte. Erfreulicherweise darf aber auch gesagt merd-m, daß beide Nebeneinrichtungen infolge sparsamster Wirtschaftsführung sich selbst tragen, daß also die Höhe des Beitragssatzes dadurch in keiner Weise beeinflußt wird. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die hiesige Kasse seit ihrem Bestehen eine Reihe von Risiken versichern muß, von denen man vom ersten Tag ihrer Mitgliedschaft an weiß, daß es sich nur um sog. Zuschußrtsiken handelt. Alle Versuche, hier eine Aenderung und Besserung zu erreichen, sind fehlge- schlagen, weil eben die gesetzlichen Bestimmungen wenigstens auf diesem Gebiet den sogenannten „starren Zustand" angenommen haben. So ist es auch nicht verwunderlich, daß von rund 6888 Mitgliedern 5888 in Stufe I—VII und nur rund 288 in Stufe IX—XVI versichert sind. Diese Zahlen reichen allein schon aus, dem Fachmanne die Erklärung für den hier bestehenden verhältnismäßig hohen Beitragssuß zu geben. Wenn man jedoch bedenkt, daß ein großer Teil der versicherten Fomrlienväter einschl. Frau und Kinder biß »um Alter von lb Jahren, letztere soweit sie keinen krön- kenverstcherungspflichtigen Beruf ausüben, im Durchschnitt monatlich an Krankenversicherungsbetträgen 5—7 an die Kaffe abzusühren hat und dafür dte auch heute «sch nicht unbedeutrnt-en Reqc'Kistungen ansprechen kann, io ist dies immer noch sehr mäß>g gegenüber den sogenannten freien Beruss'rankenkassev die für Leistungen im Ausmaß -er hiesigen Kaffe an Mnnatsbeiträgen 8 und mehr Mark erheben 2arum muß bei der Beurteilung der Höhe des Beitragssatzes auch immer wieder in Betracht gezogen werden, welche Einnahmen ein solcher auslöst. Es gibt Mittel und Wege, um die Soziallasten zu verringern. Dteielbrn wahrzunchmen, ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers. Damit soll aber nicht gesagt sein, baß bei der Inanspruchnahme der Kasscnleistungen nunmehr die Vernunft ausgeschaltet werden könnte. Es ist nicht zuletzt mit in die Hand der Bezugsberechtigten gelegt, für eine rasche Beitragsermäßi- gung die Wege frei zu machen. Daß eine Besserung der Wirtschaftslage wesentlich dazu beitragen wird, einen Lasten- ausgletch auf sozialem Gebiet herbeizuführen, ist unbestreitbar.
Vom Ragolbbahnausschutz.
Am Samstagnachmittag tagte der Nagoldbahnausschuß ! Rathaus in Pforzheim, letztmals unter dem Vorsitz v> Oberbürgermeister Gllndert. Eine Reihe von Verkehrs- u Fahrplanangelegenheiten der Nagoldbahn und ihrer A schlösse wurde beraten und einmütig entsprechende Vorst, kung bet der Retchsbahndirektton Stuttgart beschlossen. Z wurde die Führung der beiden Sommer-Etlztig« ar im Winterhalbjahr an Sonntagen und Verbesserung des W genmaterials gewünscht. Auch sollen wegen übersichtlicher Ausgestaltung desamtlichen Fahrplanbuch« die Neichsbahndtrektionen in Stuttgart und Karlsruhe ang gangen werden. Ferner wurden Entschließungen gefaßt w gen Zuteilung von zwei Triebwagen an die Statt, Pforzheim zum Befahren der Strecken Wilferdingen—Müh acker und der Enz- und Nagolöbahn sowie wegen Eiufül rnng des elektrischen Betriebes auf -er N« Solbbahn. Zum Schluß der Sitzung sprach der Vertret 5." ^udelskammcr Calw dem Vorsitzenden den Dank d, Nagoldbahnausschuffes für seine jahrelange wertvolle MI arbcit und die besten Wünsche für die Zukunft aus.
Der Bortrag von Prof. Mnckermann
abend im Bad. Hof-Saal, nicht w Ipruuglich vorgesehen erst am Mittwoch statt. Prof. Mu
kermann, ein Wissenschaftler von Weltruf, wirb über „B e r- erbung und die Zukunft unseres Volkes", ein Thema von außerordentlicher Bedeutung, sprechen. Niemand sollte sich die wohl nicht wieöerkehrende Gelegenheit entgehen kaffen, den hervorragenden Gelehrten, dessen Aufenthalt in Calw nur einer Reihe glücklicher Umstände zu verdanken ist, anznhören.
Vorträge von Rektor Trappmann.
Der in Calw wohlbekannte Rektor Trappmaun spricht aus Veranlassung des Evang. Jugendrtngs Calw in zwei Vorträgen über die G e s ch l e ch t e r f r ag e, die die junge Generation in unserer Zeit besonders stark beivegt. Die taktvoll« und klare Art, in der der Redner über diese Frage spricht, hat überall starken Eindruck gemacht. lSiche Ai'.zeigcutcil.j Brief aus Gechiugen.
Im engsten Kreis der Anverwandten konnten in Geltungen der 78 Jahre alte Chr. Schneider sen. und seine 75 Jahre alt« Ehefrau Gottliebin geb. Böttinger ihr 58jährigcs Ehejubiläum feiern. Beide, insbesondere der Ehegatte, der seine Landwirtschaft noch selbst betreibt, erfreuen sich sowohl geistiger wie leiblicher Frische. Der Liedcrkranzchor brachte dem Jubelpaar unter Leitung von Hauptlehrer Gehburger ei» wohlgelungenes Ständchen. — Infolge Schlagan- falles verschied unerwartet rasch die überaus beliebte, seit Jahren hier angestellte Krankenschwester tm Alter von 68 Jahren. Schwester Luise Köhler von Calw wollte am Sonntag aus dem Nachmittagsgottesdienst in die Gemeinschaftsstunde gehen. Ans dem Wege wurde sie von einem Herzschlag ereilt, d?r ihrer nimmermüden, segensreichen Tätigkeit als Pflegerin der Kranken ein jähes Ende setzte. Der Krankenpflegeverein verliert in der Verstorbenen eine tatkräftige Helferin.
Wetter für Mittwoch «nb Donnerstag
Infolge einer nordwestlichen Depression ist für Mittwoch und Donnerstag immer noch unbeständiges, ziemlich mildes Wetter zu erwarten.
ch
Nagold, 6. Febr. Zwischen Emmingen und Wildberg wurden etwa 280 Meter unterhalb dem Psronborfer Steinwerk 14 Morgen niedere Kultur eines Privatwalbes durch einen Waldbrand vernichtet.
Mtndersbach, 6. Febr. Durch Heitzlausen des Motors ist in der Scheune von Bürgermeister Dürr Feuer ausgebrochen. Dte einheimische Wehr war schnell zur Stelle. Die Nagolder Motorspritze konnte bas Wohnhaus, bas allerdings durch Wasser stark gelitten hat, retten. Die mit Vorräten gefüllte Scheuer ist vollständig niedergebrannt.
Weilderstadt, 6. Febr. Auf Grund der 3. Württ. Notverordnung hat das Oberamt Leonberg zur Deckung des Abmangels tm Voranschlag der Stadtpflege für 1933 eine Bürgersteuer in Höhe von 580 v. H. angeordnet. — Das Angebot des Sägwerksbesitzers Häußler in Hausen, wonach dieser für die 600 Festmeter Nadelstammholz aus den Möttlinger Stadtwaldungen 4S v. H. der Lanbesgrundpreis« bietet, wurde vom Gcmeinderat angenommen.
SCB. Leonberg, 6. Febr. Heute früh zog eine Abteilung des 18. Reiterregimentes durch Leonberg. Die 3. und 5. Eskadron dieses Regimentes halten von morgen bis zum 18. Februar ein Winterschteßen mit Karabinern, leichten un- schweren Maschinengewehren und Minenwerfern ab, bas sich zwischen Malmsheim, Magstabt, Schafhausen, Wetlder- stadt absptelt.
wp. GönrUngen, OA. Tübingen, 6. Febr. In der Nacht zum Montag wurde zwischen Gönningen und Genkingen der 25 Jahre alte Hilfsarbeiter Ernst Bader von Hier erschaffen. Der Täter namens Sp., der anfangs der zwanzig«! Jahr« steht, stammt aus Hirsau und ist im Arbeitslager Genkingen als Rechnungssührer beschäftigt. Sp., -er SA.-Mann ist, gibt an, bei politischen Händeln bedroht worden zu sein und macht Notwehr geltend. Das Näher« wird die gerichtliche Untersuchung bringen.
SCB. Stuttgart, s. Febr. Das Innenministerium hat eni- gegen dem Vorgehen anderer Länder bis jetzt davon abgesehen, Demonstrationen der KPD. für das ganze Land zu verbieten. Es hat zunächst die Polizeibehörden angewiesen, gegen den Mißbrauch der Versammlungsfreiheit und gegen sonstige Störungen -er öffentlichen Ordnung Lurch die KPD. mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einzuschreiten und, wenn nötig, örtliche Verbote zu erlassen.
SCB. Stuttgart, g. Febr. Mit Wirkung ab 1. März ist an Stelle des bisherigen Jnfanteri«führerS 5, Generalmajor Geyer, der zum Chef des Stabes des Gruppenkommandos 2 ernannt wurde, Oberst OßwalL, bisher Abteilungsleiter tm Reichswehrministerium, zum Jnsanterieführer 5 ernannt worden. Wie Generalmajor Geyer ist auch Oberst Obwald Württemberger: er ist aus dem ehemaligen 8. fwürtt.) Infanterie-Regiment Nr. 126 hervorgegangen und seit 1. Okto- ber 1931 Oberst.
SCB. Stuttgart, S. Febr. Heute vormittag stürzte etn 28 Jahre alter Dachdecker aus Stetten t. R. vom Dach deS vierstöckigen Hauses Blumenstraße 44 auf die Straße hinunter und blieb schwer verletzt auf den unmittelbar den Gehweg entlang führenden Straßenbahngleisen liegen. Sein Sturz in die Tiefe wurde durch einen Berbinbungsdraht der Straßenbahnstromleitung aufgohalten, den der Mann im Fallen zerriß.
SCB. Stuttgart, g. Febr. Die Reichsbahndirektion Sinkt- gart teilt mit: Auf dem Nebenbahnhof Faurndau, der eingleisigen Nobenbahnstrecke Göppingen—Gmünd, fuhr heute kurz vor 6 Uhr der Güterzug mit Personenbeförderung 806 Göppingen—Gmünd ab, ohne den Abfahrtauftrag des Fahrdienstleiters abzuwarten. Vom Nachbarbahnhof Rechberghausen war um diese Zeit ber Personenzug 1 Gmünd—Göp« pingen unterwegs. Durch die Aufmerksamkeit ber Lokomotivführer, die ihre Züge rechtzeitig zum Halten bringen konnten, wurde ein Zusammenstoß auf freier Strecke verhütet.
SCB. Corres, OA. Maulbronn, 6. Febr. Sonntagnacht wurde ein Nationalsozialist, der tn Uniform war und sich auf dem Heimweg befand, von sechs Kommunisten überfallen und niedergeschlagen. Er erlitt nicht unerhebliche Verletzungen. Der Vorfall wurde der Staatsanwaltschaft angezetgt.
Heilbronn, 6. Febr. Ueber das Vermögen der Firma Bausparkasse Deutsche Heimaterde, Gesellschaft mit beschränkter Haftung tn Wüstenrot, Sitz Wüstenrot, ist am 1. Februar 1933 das Konkursverfahren eröffnet worden.
SCB. Göppingen, 6. Febr. Im Anschluß an einen am Sonntagnachmittag von der nationalsozialistischen SA. «indem Stahlhelm durchgeführten Propagandamarsch durch mehrere Straßen der Stadt bildeten sich nach dessen Auflösung an verschiedenen Stellen der Hauptstraße starke Ansammlungen von politischen Gegnern. Die in ihre Unterkünfte abziehenden Nationalsozialisten und Stahlhclmlcute wurde» von kommunistischen Stvrungstrupps mit Schmäh- rufcn begleitet. Die Polizei schritt zur Räumung der gefährdeten Straßenteil« unter Zuhilfenahme des Gummiknüppels.
SCB. Röhlingcn OA. Ellwaugen, 6. Febr. Am Sonntag abend stürzte das Wohnhaus von I. Oppold hier vollständig zusammen. Die Bewohner des Hauses konnten durch Abrieseln der Wände aufmerksam gemacht, noch tm letzten Augenblick ihr Leben retten.
mp. Wangen, 6. Febr. Im Tal der Unteren Aigen bet Primisweiler ereignete sich ein Eisschnb von bisher noch nie erlebtem Ausmaß. Ein riesenhaftes Etsgeschicbe von wohl 1 Kilometer Länge geriet ins Stocken, so daß der Argen über die Ufer trat und in einer Länge von 688 Meter und wohl 188 Meter Breite über fruchtbares Acker- und Wiesenland dahinschoß. Die Eismassen, zu Wällen von 1 bis 2 Meter Höhe geschichtet, haben das Argenbett auf einen Kilometer Länge völlig zugcdeckt. Die auf Wiesen und Felder geschobenen Eismassen bedecken 288 Morgen.
wp. Amtszell, OA. Wangen, 6. Febr. Als der 6jährige Sohn der Familie Kathan zu Bett gebracht wurde, kam er auf bis jetzt noch nicht ganz geklärte Weise mit dem im Schlaf, zimmer aufgestellten elektrischen Ofen, dessen Kabel offenbar an einer Stelle unzureichend isoliert waren, tn Berührung und ivar sofort tot. Die Lurch den Arzt vorgenommene künstliche Atmung blieb ohne Erfolg.
Geld-, Volks- und Landwirtschaft
Börse
SCB. Stuttgart, 6. Febr. Während ber Aktienmarkt uneinheitlich lag, kam es am Nentenmarkt zu weiteren KurS- einbußen, teilweise bis zu 2 Prozent.
L.C. Stuttgarter Landesproduktenbörse vom 6. Februar
Weizen 28-22,58 (19,58—20),- Roggen 17—17,25 (16,58 bi» 16,75),- Hafer 12,58—13 (12,25—13),- Weizenmehl 31—31,58 (38,58-31): Brotmehl 24—24,60 (23—23,50),- alles ander« unverändert.
Leonberger Pserdemarkt
Am 14. Februar findet ber altbekannte Leonberger Pferdemarkt statt. Dieses Jahr wird wiederum eine Reitervorführung und Zuchtpferdeprämiierung verbunden, auch die Pferdelotterie mit Geldgewinnen wird wieder stattfinden.
Biehpreis«
Obersonthcim: Kühe 138—338, Ochsen 458, Jungvieh 68 bis 268 — Ravensburg: Anstellrinder 70—220, trächtig«
Kühe 280—328, Mtlchküh« 188—888, Kalbeln 288—348
Eingesandt
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Ueber das Streuen bei Glatteis.
Es ist verständlich, wenn einer schimpft, ber durch Glatteis zu Fall kam, verständlich auch, daß man in einem solchen Fall einen Sündenbock sucht, ber dafür verantwortlich gemacht werden kann. Manchmal ist einer da und sind Vorwürfe begründet, manchmal aber auch nicht. Dafür, Saß am letzten Samstag nicht schon um 147 Uhr morgens gestreut war, kann weder den Hausbesitzern noch der Stadtverwaltung etn berechtigter Vorwurf gemacht werden. Denn trotz aller Fortschritte auf dem Gebiet -er Wettervoraussage kann das Entstehen von Glatteis meist nicht vorausgesehen werden. In der Tat hat denn auch am Samstag der feine Regen, ber beim Berühren des kalten Bodens sofort gefror und Glattei» erzeugte, wie einwandfret feststeht, erst -wischen 14 und 147 Uhr morgens eingesetzt. Es konnte also unmöglich um dies« Zeit oder kurz nachher schon gestreut sein. Seitens der Stadtverwaltung geschieht alles, was billigerweise verlangt werden kann, um die natürlichen Gefahren des Glatteises zu ver- mindern. Es besteht strenge Anordnung, daß, falls bis mor» genS 6 Uhr Glatteis entstanden sein sollte, die dafür bestellten städtischen Arbeiter um diese Zeit, und wenn es später ent- steht, alsbald geweckt werden. Jeder Arbeiter hat seinen bestimmten Streubeztrk, so daß Gewähr für ein möglichst rasches Bestreuen der Straßen gegeben ist. Daß nicht alle» gleichzeitig gestreut werden kann, ist einleuchtend,- zuerst kom- men dt« wichtigsten Verkehrsstraßen an dte Reihe, dann di« weniger begangenen Wege.
Durch diese städtischen Maßnahmen soll aber, darauf s«t ausdrücklich hingewtesen, den Hausbesitzern ihr« Pflicht zum Bestreuen der Gehwege und Straßenüber- gänge nicht gbgenommen werden. Wie überall tm deutsche» Vaterland«, haften diese für all«n Schaden, der durch et» Versäumnis ihrerseits entsteht. Denn die Schnelligkeit, mit der den Glatteisgefahren vorgebeugt werden muß, kann nur erreicht werden, wenn jeder Einzelhausbesttzer rechtzeitig seine Pflicht tut. Die ortspolizeiliche Vorschrift vom 19. Dezember 1902 lautet: „Bei Glatteis sind die Gehwege vom Hausbesitzer auf di« Länge seines Anwesens mit Sand ober Asche zu bestreuen (ebenso die Stratzenttbergänge), und zwar, sofern das Glatteis über Nacht eintritt, bis spätestens morgens 148 Uhr, sofern eS vor 9 Uhr abends eintritt, alsbald mit dessen Eintritt". ES mutz also nicht vor 7 Uhr, sondern erst vor 714 gestreut sein. Falls bet der hiesigen Einwohner- schaft der Wunsch überwiest, es solle verlangt werben, -atz schon um 7 Uhr oder 147 Uhr morgens gestreut ist, so steht der Abänderung der ortSpolizetlichen Vorschrift nichts ent- gegen. Für MetvrrngSäußerungen hierüber bin ich dankbar.
Bürgermeister Göhn«r.