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Nr. 304
Amts- unä Anzeigeblatt für äen vberamtsbezirk Lalw
Mittwoch, den 28. Dezember 1932
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Jahrgang 105
Der Kampf um den Reichstag
Vertagung oder Auflösung im Januar? — Die Haltung der Parteien zur Regierungserklärung entscheidet — Vorbereitung des Reichshaushalts
TU. Berlin, 28. Dez. Der Aeltestenrat beS Reichs, tags tritt am Mittwoch. 4. Januar, um iS Uhr zu einer Sitzung zusammen, um die kommunistischen Anträge auf sofortige Einberufung des Reichstags zu behandeln. Wie wir hören, werden die Kommunisten beantragen, daß -er Reichstag möglichst sofort zusammenlritt. Ter früheste Zeitpunkt, der in Frage kommt, würde Montag, -er 9., oder Dienstag, >0. Januar, sein. Es ist aber fraglich. ob die andern Parteien mit einer so frühen Einberufung des Reichstags einverstanden sein werden. Es ist möglich, daß der Reichstag sich erst Mitte Januar wieder versammelt.
Die Tatsache, daß der Aeltestenrat des Reichstages erst am 4. Januar zusammentreten wird, wertet man in politischen Kreisen als Anzeichen dafür, daß man versuchen wird, es nicht sofort »um parlamentarischen Bruch kommen zu lassen und zunächst wenigstens der Reichsregierung Gelegenheit zur ungestörten Ausarbeitung ihrer Pläne zu geben. Lallten sich keine Zwischenfälle ereignen, so würbe mutmaßlich die Regierungserklärung im Reichstage etwa um den 17. Januar herum abgegeben werden Die zweite Hälfte des Januar wäre damit der äußerste Termin. an dem die Neichstagsparteien offiziell »um Kabinett Schleicher Stellung zu nehmen hätten.
Kommt eine abermalige Vertagung des Reichstags nicht zustande, so ist vor oder nach der Abstimmung über die Mißtrauensvoten mit der Auflösung zu rechnen. Den Ausschlag geben auch diesmal die Nationalsozialisten, die bisher keine Neigung zeigen, den Waffenstillstand mit Herrn von Schleicher zu verlängern. Von einer erneutes Anssprache des Kanzlers mit Hitler, von der man vor Weihnachten hörte, ist vorerst nichts bekannt.
Die Pressemeldung, wonach die Reichsregierung beabsichtige, den neuen Retchshaushalt durch Notverordnung in Kraft zu setzen, eilt zum mindesten den Tatsachen insofern voraus, als die Reichsregierung durchaus gewillt ist, den Haushalt ans dem ordnungsmäßigen Wege zu verabschieden. Ob dies möglich ist, hängt allerdings nicht van ihr ab, sondern von der Stellungnahme der Parteien. Eine vorzeitige Konfliktmöglichkeit bildet der von dem Vorsitzenden Torgler bereits für den IV. Januar einberufen« Haushaltsausschnß des Reichstages. Die Einberufung erfolgte. obwohl der Finanzminister hatte Mitteilen lasten, baß er zu diesem Zeitpunkt den geforderten genauen Aufschluß über den Stand der Reichsfinanzen und über den Haushalt noch nicht werde geben können. Der Reichsfinanzminister wird fedoch versuckien, den Wünschen des Haushaltsausschusses so frühzeitig wie möglich Rechnung zu tragen und jedenfalls von sich aus keinen Konflikt mit dem Ausschuß suchen. Es ist fedoch nicht ausgeschlossen, daß er dem Ausschuß ivenigstens einen vorläufigen Bericht erstattet, oder erstatten läßt.
Was die Haltung der NSDAP, gegenüber dem Kabinett Schleicher angeht, so hat sich an ihrer
Potilijche.Äusschreitlliioen
Kommunistischer Uebcrsall aus Nationalsozialisten TU. Berlin, 28. Dez. In der Landwehrstrabe in der es in letzter Zeit wiederholt politische Schlägereien gab. überfiel am Dienstag gegen Mitternacht rin großer Trupp Kommunisten einige SA.-Männer. In der sich entsptnnenden Schlägerei sielen auch mehrere Schüsse. Ein Nationalsozialist wurde schwer, zwei seiner Kameraden leicht verwundet. Beim Eintreffen des Ueberfallkommandos flüchteten die kommunistischen Angreifer in die Nächstliegenden Häuser und bewarfen die Beamten von dort aus mit Ziegelsteinen. Etwa 23 Personen wurden verhaftet.
Sprengstossanschlag bei Kiistrin An dem Wohnhause des früheren Anstaltsbeamten Berne- bs^ in dem Torfe Ltolberg bet Kiistrin, der kürzlich aus der NsDAP. ausgetreten ist, explodierte am Dienstag früh ein Sprengkörper, der geringen Materialschaden anrichtcte. Per- sonen wurden nicht verletzt. Im Zusammenhang mit dem Anschlag wurden mehrere Mitglieder der NSDAP, verhaftet.
Die Ermordung des SA.-Mannes Hentsch Wie aus Dresden berichtet wird, ist der in der Talsperre von Malter ausgefundene SA.-Mann von feinen eigenen Kameraden ermordet und in den Stausee versenkt worden. Es kann als sicher gelten, daß der 27jäh- rige Funker Rudolf Schenk aus Dölzschen bei Dresden, der »Rührige Telegraphen-Bauarbeiter Friedrich Fränkel ans Dresden und der 20jährige Erwerbslose Walter Wvictk, ebenfalls aus Dresden, zum mindesten an der Ermordung deS Hentsch beteiligt sind. Die Genannten waren mit dem Er- rnvrdcte« zusammen in -ex Dresdener SA. gewereu.
grundsätzlichen Opposition bisher nichts geändert. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der »Fall Straffer", über den nach Ablauf des Straffer von Hitler erteilten dreiwöchigen Urlaubs am 29. Dezember eigentlich irgend eine Entscheidung fallen müßte, die Haltung der NSDAP, zugunsten der Regierung beeinflussen wird.
Die Durchführung deS Sofortprogramms.
Die Vorfinanzierung des 500-Mtllionen-Sofort- programms für die Arbeitsbeschaffung liegt, wie der »Lokalanzeiger" erfährt, vorbehaltlich der noch ausstehenden endgültigen Beschlüste des Kabinettsausichustes im wesentlichen fest. Sie geschehe aus der Grundlage der Steuergutscheine mit der bei ihnen vorgesehenen Tilgungsdauer von 5 Jahren. Eingeschaltet würden die Gesellschaft kür öffentliche Arbeiten und die Rentenbankkreditanstalt. Man erwäge ferner, die Gesamtschulb, die den bei dem Sofortprogramm als Unternehmer austretenden Gemeinden hierbei erwächst, von vornherein zu konsolidieren und für sie eventuell durch Reichszinszu schlisse erträg- liche Bedingungen zu schassen. Die durchsührungsbestim- mungen des Programms würden erst etwa Anfang Januar erlasten werden.
Maßnahme« zum Schutz von Land- «ud Waldwirtschaft.
Durch eine Verordnung des Reichsministers für Ernä- rung und Landwirtschaft und -es ReichSwirtsä-aftSministers wirb ab 1. Januar 1933 die Einfuhr von Schweineschmalz und Papierholz unter Einfuhrbewilligung gestellt. Für Schweineschmalz gilt das Bewilligungsverfahren, das einer übertriebenen Voreinfuhr entgegenwirken soll, nur bis zum 18. Februar 1933. Die Einfuhrregelung für Papierholz soll den Absatz des deutschen PapierholzeS sicherstellen.
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Durch Verordnung des Reichswirtschaftsministers vom 24. Dezember 1932 sind Torf st reu und Torfmull aus die Liste derjenigen Waren gesetzt worden, deren Ausfuhr ohne Bewilligung verboten ist. Dleie Maßnahme soll selbstverständlich die Ausfuhr von Torfstreu und Torfmull nicht behindern. Sie bezweckt vielmehr nur. eine einheitliche Bearbeitung der ausländischen Märkte für Torsstreu und Torfmull sicherzustellen, nachdem sämtliche Torfwerke, di« bisher an der Ausfuhr von Torsstreu und Torfmull beteiligt waren, sich zu einem Torfausfuhrsyndikat zusammengeschlosten haben.
Die Ausgleich st euer für Mineoalöle lMine- ralölsteuerj. die in der Zeit vom 1. Juli bis 8«. September mit einem Satz von 9,10 Rm. für einen Doppelzentner als last aufgehoben gelten konnte, wird jetzt durch «ine neue Verordnung vom Reichsminister der Finanzen und Reichs- wtrtschastsminister vom 1. Januar 1988 an bis aus weiteres auf den vom 1. Mat d. I. bis Ende des ersten Halbjahres geltenden Satz von 8,80 Rm. je Doppelzentner wiederer- höht.
Imierpcli.ssä e Erfolge des neuen französischen Kabinetts
Das Haushaltszwölftel von der französischen Kammer angenommen
TU. Paris, 28. Dez. Die französische Kammer hat am Dienstag abend mit 524 gegen 53 Stimmen das vorläufige Haushaltszwölftel verabschiedet, das sich auf 5,01 Milliarden Franken beläuft. Der Finanzausschuß der Kammer beschäftigte sich mit der Beteiligung Frankreichs an der ö st e r r e i ch i s ch e n 300 Millionen SchilltngAnleihe und sprach sich mit 12 gegen 6 Stimmen für die Uebernahme der Garantie der Regierung für den französischen Anteil an dieser Anleihe aus, der bekanntlich 100 Millionen Schilling beträgt. Der Auswärtige Ausschuß der Kammer hatte sich ebenfalls mit 12 gegen 1 Stimme für die Annahme der Garantie ausgesprochen. Der diesbezügliche GesctzeSvorschlag wird heute in der Kammer beraten werden.
Ueber 40 Milliarden schwebende inner, Schuld in Frankreich
Der Umlauf der Schatzanweisungen in Frankreich ist tn der Begründung, die dem Haushaltszwölftel vorausgcgan- gen war, ausführlich behandelt worden und beläuft sich nach Ausführungen des GeneralberichtcrstatterS auf 7 Milliarden Franken. Hiervon wurden 5 Milliarden tm August 1926 von der Kammer verabschiedet und 2 Milliarden im Juli 1932. Hinzu muß man jedoch noch die zwei Milliarden Franken Schatzanweisungen rechnen, die im September von der Kammer genehmigt wurden, um vorläufig den Saldo der Rcnken- konvertiernng anszngletchcn. Zu diesen 9 Milliarden Schatz- auweijungeu wird ma» voraussichtlich «och Milliarden
Tages-Spiegel
Der Aeltefteurat des Reichstags wird am 4. Jauuar zu« Festlegung der Beratungen des Reichstags wieder zusam« meutreteu. Der ReitMag wird frühestens zum 19. Januar eiuberuje» werden.
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Bou der Haltung des Reichstags zu den Mißtrauensvoten gegen die Regierung wird die Vertagung oder Auslösung des PLrtameuts abhäuge«.
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Als Schutzmaßnahmen für Land- «ud Forstwirtschaft sind di« Einfuhr von Schweineschmalz und Papierholz unter Ei«, suhrbewilligung gestellt wordc».
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Der Borstand der Deutschnationale» Bolkspartei hat Richtlinien für die Behebung der deutschen Not angenommen und diese in einem -entschnationaleu Ausbanprogramm zu« sammengesaßt.
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Die französische Kammer beschloß gegen die Stimmen der Rechten die Ausgabe von fünf Milliarde« nener Schatz» bonds.
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Di« Zollsahndungsstelle Stuttgart ist erneut umfangreiche» Schiebungen mit dentsche» Wertpapieren aus die Spur gekommen. Insgesamt sind etwa SO 900 Reichsmark verschoben worden.
zählen muffen, sobald dte algerische Staatsanleihe verabschiedet ist, so baß dann im Laufe des Jahres und einschließlich der fetzt vorabschiedeten 5 Milliarden insgesamt für 15 !4 Milliarden Franken Schatzanweisungen tn Umlauf sind. Zählt man diesen 15>4 Milliarden noch die 27 Milliarden Kriegsanleihe hinzu, so ergibt sich eine laufende innere Schuld von über 40 Milliarden Franken.
Nebel an der Wasserkante
Der Schiffsverkehr ruht
TU. Hamburg, 28. Dez. Seit Samstag abend lagert über dem gesamten Unterelbegebiet und der Nordseeküste ein« dichte Nebeldecke, dte die Schiffahrt stark behindert. Die Störung machte sich um so empfindlicher bemerkbar als sich gerade am 24. Dezember stets ein außerordentlich reger Schiffsverkehr tm Unterelbegebiet entwickelt. Zahlreiche Schiffe aller Nationen waren gezwungen, besseres Weiter abzuwarten. Am Montag nachmittag setzte der Schiffsverkehr tn vollem Umfange wieder ein. Er kam ledoch bald darauf erneut zum Erliegen, da sich am Spätnachmittag wiederum eine Nebclbank von der Nordsee elbabwärts schob.
Am Dienstag morgen stießen im Katser-Wilhelm-Kanal bei Kilometer 64 wahrscheinlich infolge des Nebels der finnische Dampfer »Ester Thorden" »nd der Hamburger Motorschoner »Jupiter" zusammen.
Slraßersschlocht in einer irischen Slodl
zwischen Gewerkschaftsmitgliedern TU. Dublin, 28. Dez. In der irischen Stadt Kilrush in der Grafschaft Cläre kam es am Weihnachtsabend zu einer Stratzensch>.l,t zwischen den Angehörigen zweier Gewerkschaften. die sich wegen Lohnstreitigkeiten tn die paare geraten waren. Bei dem Kampf, der mehrere Stunden dauerte, wurden etwa 100 Personen verletzt. Die aus nur 12 Mann bestehende Ortspolizei mußte machtlos zusehrn und konnte sich auch durch wiederholtes Abfeuern von blinden Schliffen keine Achtung verschaffen. Die an der Straßenschlacht beteiligten etwa 200 Personen benutzten als Waffen außer einigen Revolvern Steine, Bierflaschen. Mistgabeln und Eiscnstan- gen. Ein Rühriges Kind wurde durch einen Armschuß schwer verletzt. Die Kämpfenden hausten wie die Wilden in der Stadt. Sie drangen tn drei Häuser ein und zerstörten sämtliche Möbel. Drei auf der Straße stehende Kraftwagen wurden vollkommen zertrümmert.
Neue Kriecisvorbereiiunyen in Südamerika
Die Kolumbier wolle« Leticia zuriickerobern.
TU. Rio de Janeiro, 28. Tez. Die kolumbianische Regierung trifft nunmehr ernstliche Vorbereitungen, die im September von den Peruanern beichte Hafenstadt Leti- cta am Amazonas zurückzuerobern. Es liegen bereits zwei grobe kolumbianisch« Transportschiffe klar, die Maschinengewehre, Gewehre, Luftabwehrgeschütze und große Mengen Munition geladen haben. Weitere Schiffe sollen in nächster Zeit ausgerüstet werden.
Inzwischen haben peruanische Vertreter in Rio de Janeiro Vorstellungen gegen die Maßnahmen der Kolumbianer erhoben. Sie weisen darauf hin, baß dir kolumbianischen Schiffe durch brasilianisches Gebiet kommen werde», wenn sie den Amazonas hinauf nach Leticia fahren.