Erscheinungsweise: Vigltch mit Ausnahme äer Lonn- unä Festtage

Anzeigenpreis:

,) im Anzeigenteil: äteSeil«20Soläpfenntg« d) im Reklametetl: «lieSetleSSSoläpfennig«

Aus Sammelanzeigen Kommen 50°/, Zuschlag

Für Platzvorschriften kann keine Gewähr übernommen weräen

Gerichtsstand für deiäe ^eile ist (alw

Nr. 301

Amts- unä Knzeigeblatt für äen vberamtsbezirk (alw

l7!777!i

ML

Freitag, den 23. Dezember 1932

vezugspreisr

In äerStaät SöSoläpfennig« wöchentlich mit llrägerlohn Post-Sezugsprets 35 Solä- pfennige ohne Lestellgclä

Schluß äer Anzeigen­annahme S Uhr vormittags

Sn gLllen höherer Sewnlt besteht kein Nnsprnch anf Lieferung cker Leitung oiier auf<kzahlnng öe, Sezugiprets«,

Fernsprecher Nr. S

verantwort!. Lchriftleitung: Zrteärich tzans Scheele Oruck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen vnchliruckerei

Jahrgang 105

Die Landwirtschaft an der Jahreswende

Reichsernährungsminister von Braun über die Lage der Landwirtschaft und die

Wechselwirkung zwischen Stadt und Land

^ Berlin, 22. Dez. Im Runösunl hielt gestern der Reichs- Minister für Ernährung und Landwirtschaft. Freiherr von Braun, einen Bortrag über Las Thema «Die Landwirt­schaft an der Jahreswende". Er führte unter anderem aus: Die Wiederherstellung der Ertragefähigkeit der Landwirt­schaft konnte im Jahre 1882 nicht erreicht werden. Gerade in den typisch bäuerlichen Gebieten des Westens, Lüdwestenö und Nordens, deren Schicksal auf das engst« mit dem Ge­deihen der Vieh- und Milchwirtschaft verbunden ist, hat sich die Lage ausgesprochen verschlechtert. Die Ver­kaufserlöse der Vieh- und Milchwirtschaft waren im letz­ten Jahre um mehr als 2 Milliarden Reichsmark niedriger als im Wirtschaftsjahr 1828-29.

Di« Not unserer Bauern trifft auch schwer die Sied­lung. aus die unser Volk für die Zukunft große Hoffnungen setzt. Denn die Erzeugnisse der Viehwirtscl-aft sind die typi­schen Produkte der Arbeit des Siedlers. Wenn Schweine und Ninder, wenn Schmalz und Butter nichts bringen, daun kann auch der Siedler trotz härtester Arbeit nicht vorwärts kommen, ja er kann auch, wie sich gezeigt hat, seine Zinsen und seine Tilgungsraten nicht abzahlcn.

Die Getreideernte reichte erstmalig seit Jahrzehn­ten zu einer überreichlichen Deckung des einheimischen Be­darfs aus. Dadurch entstand für die Getreidepolitik «ine recht schwierige Lage. Trotzdem gelang es, von der großen Ernte bereits etwa die Hälfte wenigstens zu Borkriegs­preisen unterzubringen. Die Gewährung einer Ausfallbürg­schaft für die Tüngemittellieferung im Herbst ermöglichte die Durchführung einer geordneten Herbstbestellung.

Das Vorgehen gegen die Ztnsspannen im land- wirtsltmstlichen Kreditapparat, Hand in Hand mit der Sen­kung des Reichsbankbiskonts und mit der Senkung der Zin­sen für den Hypothekarkrcbit brachte insgesamt für die deutsche Landwirtschaft eine Senkung der Zinslast auf Wie- der-Borkriegsstand. Während im Wirtschaftsjahr 1931-32 die Landwirtschaft noch rund eine Milliarde Reichsmark an Zin­sen aufbringen mußte, wird die gesamte Zinslast im Wirt­schaftsjahr 1832-38 wahrscheinlich nur etwa 640 Millionen Reichsmark betragen.

Man bemüht sich nun auf Grund dieser Tatsachen, die Agrarzölle für ganz überflüssig zu halten mit der Be­gründung, daß sie gegen eine Nebercrzeugung Im FnlnnLe nichts nützen könnten. Dies Ist nur sehr bedingt richtig,' denn auch bei Uebcrerzeugung können Schleuderpreise des Weltmarktes weiteren Preisrückgang bei uns erzeugen. Bei einem erheblichen Teil unserer Produktion sind wir aber vor allem in gar keiner Weise an die Grenze der Bedarfsdeckung durch Eigenproduktion gelangt. So werden in der Fcitver- sorgnng Deutschlands, deren Wert unter Zugrundelegung des Kleinhandelspreises auf etwa 2,25 Milliarden Reichsmark geschätzt wird, erst etwa 40 Prozent im Jnlande produziert

Die Handelspolitik ist eines der allerwichtigsten und viel­fach weit unterschätzten Mittel für den Wiederaufstieg der Landwirtsckmft. Wir werden wie ich hoffe durch die in letzter Zeit erfolgte Kündigung mehrerer Handelsverträge mit anderen Ländern die Lösung unerträglicher Zollbindungen der wichtigsten landwirtschaftlichen.Er­zeugnisse erreichen und durch autonome Zollgcstaltung und andere geeignete handelspolitische Maßnahmen den Prcis- druck der vom Weltmarkt nach Deutschland zu niedrigsten Preisen hereinströmeniden landwirtschaftlichen Produkt« auf­sangen.

Das neueste Rezept, das in der Agrarpolitik Eingang ge­funden hat, ist das der K a rt e l l l e r u n g. Es ist aber un­möglich. jedem einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb vor- »nschrciben, wie er seine Produktion zu regeln hat. also wie­viel Kühe und Schweine er zu halten, wieviel Getreide und Futter er anzubauen hat. Es war möglich, eine gewisse Plan­wirtschaft beim Zuckerrübenbau dnrchzusührrn. Aber schon hier waren und sind die Schwierigkeiten außerordentlich groß. Es gibt meist, wie beispielsweise beim Getreidebau, keine andere Möglichkeit der Beeinflussung des Produktions- «mfanges als über den Preis.

Als weiteres wird der Landwirtschaft Unkostensen­kung empfohlen. Es ist zweifellos richtig. Laß niedrigere Unkosten Lebensfrage für die Landwirtschaft sind. Leider sind die Möglichkeiten der Unkostenlenkung für den einzelnen außerordentlich begrenzt; denn Steuern. Soziallasten, di« Preise für industrielle Bedarfsartikel. Zinsen. Löhne. Las alles sind Faktoren, die von dem einzelnen Landwirt nicht beeinflußt werden können. Und doch muß ein Ausgleich zwi­schen den Produktionskosten ter Landwirtschaft und den Prei­sen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse geschaffen werden.

Als letztes der Rezepte zur Sanierung der Landwirtschaft wird empfohlen, auf die Hebung derKaufkrast der Städte z« warten oder Liese in erster Linie anzustreben.

Kein Bauer darf außer acht lasten, - in den Städten fünf bis sechs Millionen Arbeitslose monatlich einen Unter­stützungssatz von weniger als 50 Reichsmark beziehen und daß diese Unterstützung neben den Ausgaben für Wohnung und Heizung nur noch zu kümmerlichster Ernährung hin­reicht. Auch die Lohn- und Gehaltsvcrhältnisse der noch in Arbeit befindlichen städtischen Bevölkerung haben sich in den letzten Jahren so verschlechtert, daß sie zwangsläufig eine Einschränkung der für Lcbcnsmittclbeschasfung zur Ver­fügung stehenden Mittel zur Folge halten. Es ist nicht leicht, zwisclren diesen Kaufkraftverhältntssen und der Notwendig­keit, der Landwirtschaft zu helfen, den Ausgleich zu finden. Irgendwie muß diese Aufgabe aber gelöst werden.

Die Aktion der Neichsregierung zur Winterhilfe mit einem Gesamtaufwand von 37 bis 88 Millionen Reichsmark stellt hier einen Schritt dar. Sie eröffnet für Fleisch, Brot, Milch usw. durch die Verbilligung mit Neichsmitteln Aosatz- möglichkeiten, die ohne die Verbilligung durch Rcickiszuschüffe einfach nicht vorhanden wären. Bei voller Berücksichtigung der durch die geschwächte Kaufkraft gegebenen Verhältnisse darf man aber nicht vergessen, daß die Kaufkraft eben doch nur einer der prcisbildenden Faktoren ist, der gleichberechtigt neben den anderen Faktoren wie Einfnhr und Fnlandspro- duktion steht.

AIS Endergebnis meiner Betrachtungen möchte ich fest­stellen, daß es kein irgendwie geartetes allein gültiges Rezept für die gegenwärtig zu treibende Agrarpolitik gibt. Keine Schlagwortpolitik kann uns helfen. Eine organische Agrarpolitik ohne Schlagworte ist der Weg, der gegangen werden muß. Es gilt nicht, wirtschaftliche Theorien durchzusetzen und zu verwirklichen, sondern es gilt, daS wirtschaftlich Vernünftige zu tun". Es sollten alle, die deutsches Korn bauen und deutsches Brot essen, einander nicht als Gegner, sondern als Weggenossen betrachten, die znsam- mengehalten werden durch gemeinsames Blut und durch deutschen Boden.

Das Programm des Arbeilskommissars

Der Ncichskvmmistar für die Arbeitsbeschaffung. Dr. Ge- reke, äußerte sich vor Pressevertretern über seine Arbcits- bcschaffungspläne. Da die Verhandlungen über die Gestal­tung dieser Pläne noch andauern, muhte Dr. Gcreke Einzel­heiten zurückstellen. Dr. Gereke erklärte, auf Grund der Verhandlungen mit der Neicksbank laste sich sagen, daß sich das Sofortprogramm im Nahmen der vom Neichsbank- präsidenten Luther in seiner Münchener Rede enthaltenen Ausführungen über die Kreditausweitcrnngsmöglichkciten

Paris, 23. Dez. Kammer und Senat traten am Don­nerstag zusammen, um die Regierungserklärung entgegen- znnehmen, die in der Kammer vom Ministerpräsidenten Paul-Boncour verlesen wurde. Paul-Boncour stellte in seiner Erklärung eingangs fest, baß die Regierung sich der Schmierigkeiten, die ihr bevorstünden, durchaus bewußt sei. Sie habe nicht die Macht gewünscht, aber auch nicht abgelchnt. Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts zeige, daß sie die Politik des vorhergehenden bewußt fort setzen werde. Diese Fortsetzung sei nicht nur eine herzliche Ehrung für den scheidenden Ministerpräsidenten Herriot. Eine dere wesentlichsten Aufgaben der neuen Ne­gierung sei die Wiederherstellung der Staats­all torität, da man zur Durchführung vieler Reformen zunächst das notwendige Instrument brauche, d. h. einen modernen Staat, in dem die Autorität unumstritten sein werde. Die Negierung müsse sofort einige Hindernisse be­seitigen, und zwar zunächst die Finanzen gesunden, den Fehlbetrag ausglcichen und bas Gleichgewicht des Haushalts­plans wieder Herstellen. Die Negierung beabsichtige ener­gische Beschränkung der Ausgaben.

Die zweite wichtige Ausgabe sei die allgemeine Regelung der Kriegsschuldenfrage. Die Negierung verspreche, dieser Aufgabe alle Kraft zu widmen. Eie sei der Ansicht, daß die augenblickliche verwickelte politische Lage in den Vereinigten Staaten eine äußerst vorsichtige Bcrhandlungs- führung erforderlich mache. Die Richtung dieser Verhand­lungen sei durch den Kammerbeschluß vom 13. Dezember gegeben. Die neue Regierung erkenne an, daß in Washing­ton ernste Anstrengungen gemacht worden seien, um die Schwierigkeiten zu beseitigen. Die srdnzöfische Negierung sei außerordentlich glücklich, jede Möglichkeit einer Annähe­rung der Gesichtspunkte zu ergreife», und werde die Wer-

Tages-Tpiegei

NeichsernährungAm'nister v. Brau« sprach gestern im Rnud- sunk über die Lage der Landwirtschaft. Der Minister wieS auf die Wechselwirkung zwischen Stad« und Land hin nnd betonte, daß es ein alleiugültiges Rezept z«r Beseitigung der Agrarnot nicht gebe.

Zur Arbeitsbeschaffung sollen «ach einer Erklärung des Reichskommissars Dr. Gereke Kredite in Höhe von 500 Millionen RM. bereitgcstellt werden.

»

Der Reichskanzler wird heute dem Reichspräsidenten über die letzten Arbeiten des Reichskahinctls a«? den Gebieten der Wirtschaftspolitik »nd der Arbeitsbcfcha,s«ug Bericht erstatten.

*

Tr. Gereke spricht heute aher.d im Nulch'unk über «Die vor­dringlichst-. Ausgaben der Arbeitsbeschaffung". Der Vortrag wird von alle« deutschen Sender« übernommen.

Das französische Kabinett Paul-Boncour erhielt nach Ab­gabe -er Regierungserklärung vor der Kammer eine Mehr, heit von 150 Stimmen.

Die Friedensvermittlnng des Bölkerbundsratcs in Süd- amerika ist bisher ebenso erfolglos geblieben wie im Fer, »en Oste«.

bis zu 2,7 Milliarden halten werde. Für die ersten Maß­nahmen komme ein Betrag von rund 500 Millionen Mark in Frage. Die Kredite würden unter besonders günstigen Bedingungen auf Antrag gegeben werben.

Dr. Gereke hofft, daß sich der Jnstanzcnzug so beschleu­nigen lasse, daß höchstwahrscheinlich schon im Januar die Aufträge an die Unternehmer erteilt werden könnten. Be­sonderen Wert legt der Neichskommistar darauf, daß schnelle Arbeit geleistet werde. Aus dem Gebiete der Hausreparaturen seien seinerzeit vom Netchsarbeits- ministertum bereits 50 Millionen Mark zur Verfügung ge­stellt worden, was eigentlich das Fünffache bedeute, wenn man bedenke, daß 80 vom Hundert der Hausreparaturen der Hauseigentümer selbst tragen müsse. Darüber hinaus sollen jetzt insbesondere für die Jnnenreparaturen weitere '50 Millionen Mark zur Verfügung gestellt werden Als ein weiteres Beispiel für die Möglichkeiten der öffentlichen Arbeitsbeschaffung bezeichnete Dr. Gereke Brückcnbau- t en. Fehlinvestitionen dürften selbstverständlich nicht Vor­kommen. Aus diesem Grunde würden die Richtlinien für die Gewährung der Gelder besonders scharf fein.

Handlungen mit der festen Absicht führen, eine Gcsamt- lösung vorzubereiten, um der Unordnung ein Ende zu bereiten, wie sie die Last der zwischenstaatlichen Schulden für die wirtschaftliche Wiederherstellung darstcllt.

Tie vorherige Negierung habe tm Anfang daran gearbei­tet, die Abrüstungskonferenz aus der Unsicherheit und der Verlangsamung hcrauszusinden, in die sie sich zu verlieren drohte. Die neue Negierung werde diese Arbeit sortsetzen. Ein konstruktiver Vorschlag, der die notwendige Verbindung zwischen Abrüstung und Sicherheit in genauen Formeln oorlege, Formeln, die nicht nur einem dieser Begriffe dienlich wären oder die Verschiebung des anderen zulieben, sei eingereicht worden. Die Negierung werde ihn vcrtc^rgen. Ein wichtiges Ergebnis sei erzielt worden: die Rückkehr eines großen Staates zur Abrüstungs­konferenz, dessen Anwesenheit notwendig sei, um den abzu- schließenden Abkommen und Garantien und der Kontrolle, die aus diesem Abkommen folgen müsse, volle Wirk­samkeit zu geben. Die französische Negierung werde dar­über wachen, daß man ans der loyalen Anerkennung einer Gleich berechtung innerhalb der gleichen Pflichten und innerhalb einer positiven Organisation internationaler oder wenigstens europäischer Sicherheit nicht etwa Schlußfolge­rungen ziehe, die zu einer Aufrüstung führten, die mit den Zwecken der Abrüstungskonferenz sowie mit den Friedens­verträgen unvereinbar wäre.

Zum Schluß behandelte Paul-Boncour noch kurz die Lage der französischen Landwirtschaft und streifte ferner die Frage der Arbeitslosigkeit.

Nach erfolgter Aussprache sprach die Kammer der Regie­rung Paul-Boncour mit 865 Stimmen gegen SIS Stimme« bei einigen Enthaltungen daS Vertrauen aus. Di« Mehrheit beträgt somit ISO Stimmen.

Regierungserklärung in Paris

Das Kabinett Paui-Boncour wird außen- u. innenpolitisch den Kurs Herriots beibebalten