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Nr. 300
Kmls- unä Knzeigeblall für äen Oberamlsbezirk (alw ^
Donnerstag, den 22. Dezember 1932
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verantwort!. Schriftleitung: Friedrich Hans Scheel« Bruck und Verlag der A. OelfchlSger'fchen Snchdruckerei
Jahrgang 105
Winterhilfe und Arbeitsbeschaffungsplan
Abschluß der Arbeiten des Reichskabinetts — 36 Millionen zur Verbilligung von Lebensmitteln und Brennstoff - 500 Millionen Sofortprogramm zur Arbeitsbeschaffung
TU. Berlin, 22. Dez Das Reichskabinett besohle sich gestern nachmittag zunächst mit der Winterhilfe und führte die Beratungen hierüber zu Ende. Es wurde beschlossen, ein Winterhll.Sprogramm in Höhe von 38 Millionen Mark nach den in der Oeffentlichkeit bereits bekannt gewordenen Grundsätzen durchzuführen. Amtlich wird dazu mitgeteilt:
Die öffentliche Winterhilfe erweitert die bisherige in der Zeitdauer, der Art und dem Umfang der Leistungen und im Pcrsonenkrcis. Sie wird für die drei Monate Januar bis März gewährt, verbilligt Len Erwerb von Lebensmitteln und Kleiderstoffen, vor allem aber dehnt sie den P e r s o n e n k r c i s erheblich aus. Bei den Lebensmitteln besteht die Grundleistung in der Verbilligung des Erwerbs von monatlich 4 Pfd. frisches Rind- oder Schweinefleisch oder von frischem Fett oder frischer Wurst um 30 Npf. beim Pfund. Familien von 4 und mehr ZuschlagSempfängcrn können zwei BerbilligungSscheine erhalten und auf den zweiten Verbilligungöschein teilweise auch Niickenfett und Liesen beziehen. Familien mit drei Zuschlagsempfängern können ebenfalls einen zweiten Verbilligungsschein erhalten, wenn von den ZuschlagSempfängcrn mindestens zwei über IS Jahre alt sind. Je einmal im Monat kann der besagte Haushalt nach seinen besonderen Bedürfnissen anstelle des Fleisches oder der Wurst auch Schweineschmalz, frischen Seefisch oder Roggenbrot wählen. Schmalz und Brot als Gegenstand der Winterhilfe wird den Hilfsbedürftigen ohne eigenen Haushalt und der verbilligte Bezug von Milch kinderreichen Familien besonders erwünscht sein. Bei den Brennstoffen wird der Erwerb von 2 Zentnern Kohle im Monat um 80 Pips, beim Zentner verbilligt. Für Steinkohle, Braunkohlenbriketts oder Koks kann je nach den örtlichen Verhältnissen auch Tors oder Holz gewährt werden.
Nach der bisherigen Regelung wurde die öffentliche Winterhilfe nur Unterstützuttgsempfängcrn gewährt, die Fami- licnzuschläge erhielten, bzw. einen eigenen Haushalt führten. Die neue Regelung dagegen umfaßt alle Hauptunterstützten in der Arbeitslosen- und Krisenunterstützung uud in der öffentlichen Fürsorge, sowie bedürftige Empfänger von Znsatzrente nach dem Ncichsvcrsorguugsgcsctz. Die Führung eines eigenen Haushalts wird nur für die Verbilligung von Brennstoff vorausgesetzt. Ausgabestellen für die VcrviUigüimvjweiuc siNu wie bisher für die Hauptunter- stützungscmpfänger der Arbeitslosenversicherung und Kriscn- fürsorge die Arbeitsämter, für alle übrigen die Dienststellen der öffentlichen Fürsorge. Bezugsstellen für die verbilligten Waren sind alle Verkaufsstellen, die die betreffenden Waren führen und sich bereit erklären, den Verbilligungsschein in
Das Amnesliegesetz in Kraft
TU. Berlin, 22. Nov. Nachdem der Reichspräsident bereits am Dienstag abend die Amnestievorlage unterzeichnet hat, trat das Gesetz nach der gestern erfolgten Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt in Kraft. Die Schätzungen über die Zahl der amnestierten Personen gehen zum Teil erheblich auseinander, doch dürfte es sich um etwa 10 000 bis 15000 Personen handeln.
Die Staatsanwaltschaften werden nunmehr die notwendigen Schritte ergreifen, damit die unter die Amnestie fallenden Ltrasgesangenen möglichst bald ihre Freiheit wieder erhalten Unter die Amnestie fallen viele Straftaten, die in der Ocssentlichkeit seinerzeit grobes Interesse erregten. So werden die vor den Sondergerichten wegen Transportgefährdung anläßlich des Berliner Verkehrsstrciks Verurteilten amnestiert. Auch die in vielen Landsricdensbruch- prozessen Verurteilten werden aus den Strafanstalten entlassen werden. Ebenso wird den kürzlich vom Ohlauer Sondergericht verurteilten Reichsbannerlenten die Amnestie zngutekommen. Auch die bisher von Sondergerichten abgc- urtcilten politischen Straftaten, soweit es sich nicht um Totschlag aus politischen Beweggründen handelt, fallen unter die Amnestie. Außerdem fallen sämtliche politischen Veleidi- gungsprozesse unter die Amnestie.
Nationalsozialisten zur neuen Notverordnung
Zu der neuen Verordnung zur Erhaltung des inneren Friedens schreibt Rechtsanwalt Dr. Frankl! in der NSK, daß die neue Verordnung bereits in erheblichem Umfange den wiederholt und nachdrücklich von den Nationalsozialisten vertretenen Wünschen entspreche. In dieser Stunde grüble» die Nationalsozialisten erneut die von den Antilerrorver- ordnungen der Papen-Regierung verfolgten unö verurteilten SA- und SS-Männer und Parteigenossen, lieber 50 Sondergerichtsverhandlungen seien durchgeführt oder ein-
Zahlung zu nehmen und den sonst gegebenen Vorschriften zu entsprechen.
Die für die neue Winterhilfe notwendigen Mittel — rd. SS Millionen — werden von der Ncichskasse ausgebracht. Außerdem werden im Notwerk der deutschen Jugend besondere Mittel für die gemeinsame Verpflegung von jugendlichen Arbeitslosen zur Verfügung gestellt.
500 Millionen Sofortprogramm für Arbeitsbeschaffung
Das Ncichskabinett befaßte sich nach der Verabschiedung des Wintcrhilfsprogramms mit Kragen der Arbeitsbeschaffung und mit allgemeinen handelspolitischen und wirtschaftlichen Fragen. Wie die TU. erführt, ist über ein Sofortprogramm für die Arbeitsbeschaffung in voraufgegangenen Besprechungen zwischen dem Finanzminister von Krosigk, dem Wirtschaftsminister Warmbold, dem Ar- beitsbcschaffungskommissar Gereke und dem Netchsbank- präsidenten Dr. Luther eine völlige Einigung erzielt morden, und zwar dergestalt, dab für dieses Sofortprogramm 500 Millionen bereitgestellt werden sollen. Diese Einigung wurde vom Ncichskabinett bestätigt.
Ueber die Einzelheiten des Programms und feine Finanzierung wird sich der Nctchskommissar für die Arbeitsbeschaffung am heutigen Donnerstag ausführlicher vor der Oeffentlichkeit äußern und am Freitag abend iw Rundfunk verbreiten. Nach diesem Programm werden, wie verlautet, die öffentlichen Körperschaften günstiger gestellt sein als das in den früheren Arbeitsbeschaffungs- Maßnahmen der Fall war.
Reichskanzler von Schleicher hat, wie der Deutsche Landkreistag mittcilt, am Mittwoch Vorstandsmitglieder des Landkreistages empfangen. Die Vorstandsmitglieder haben dabei ihre Auffassung zur Frage der Arbeitsbeschaffung vor- gctragcn und betont, daß die schwierige Finanzlage der Landkreise nur durch schleunige Arbeitsbeschaffung erleichtert werden könne. Allein die Vergebung öffentlicher Arbeiten sei in der Lage, die Privatwirtschaft wieder anzukurbeln und die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen zu senken. Eine Finanzierung lediglich durch Darlehen müsse wegen der damit verbundenen nicht zu verantwortenden Vermehrung der gemeindlichen Schulden vermieden werden. Die Einbeziehung der Steuergutscheine in den Finanzierungsplan entspreche der Auffassung des Landkreistages. — Der Neichskommlssar für Arbeitsbeschaffung, Dr. Gereke, hatte eine Besprechung mit den Vertretern der kommunalen Rcichsspitzenverbände, in der die Durchführung eines öffentlichen Arbeitsbeschaffungsprogramms (Sofortprogramms ausführlich erörtert wurde.
geleitet worden, bei denen gegen Nationalsozialisten fünf Todesurteile, über 100 Jahre Zuchthaus und an die 200 Jahre Gefängnis ausgesprochen wurden. D>e Nationalsozialisten würden nicht ruhen und rasten, bis sie auch den Letzten wieder der Freiheit entgcgcngeführt hätten.
Hugenberg zur Schuldenfraqe
— Berlin, 22. Dez. Dr. Hugrnberg gab den Vertretern der amerikanischen Presse in Berlin einen Empfang. Tie Zusammenkunft diente einer Ausspra..,e über das Problem der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten unter besonderer Berücksichtigung der S ch u l - e n f r a g e.
Dr. Hilgenberg erklärte u. a., Deutschland sei ein Land ohne Gold, verfüge zur Zeit aber über einen Aussuhrüber- ichuß, der aus dem -Handelsverkehr nicht mit den Vereinigten Staaten, soirdern mit anderen Ländern stamme. Er werde zur Bezahlung der deutschen Schulden an die Vereinigten Staaten verwendet, reiche dafür aber nicht mehr aus. Besonders bemerkenswert waren die Zahlen, die Dr. Hugen- berg zum Schuldenproblem gab. Danach betrugen die deutschen Außenschulden Ende Februar 1032 etwa 23 Milliarden Mark. Allein aus 21 Milliarden RM. Krediten ergaben sich deutsche Zahlungsverpflichtungen von 1,438 Milliarden. Zn- rückgezahlt hat Deutschland von 1030 bis 1032 etwa 8,5 Miltarden NM. Weitere Kapitalrückzahlungen, so tagte Dr. tzugenberg, seien jetzt ausgeschlossen. Der Abfluß dieser gewaltigen Summen habe die deutsche Wirtschaftskatastrophe herbeigeführt. ES fehle in Deutschland vollkommen a„ Betriebskapital. Müßten die Zinsen in der bisherigen Höhe weiterbezahlt werden oder würden weitere Rückzahlungen an Kapital gefordert, so werde Deutschland zusammenbrechen. und das Kapital werde für Gläubiger und Schuldner verloren sein. Deutschland habe Überbohe Zinsen gezahlt. Ähre Weiterzahlung übersteige die deutschen Kräfte.
Tages-Spiegel
DaS Neichskabinett hat gestern die Beratungen über Winter, Hilfe und Arbeitsbeschasfungsplau abgeschlossen. Die nächste Kabinettsitzung wird nach Neujahr stattsinde«: die Entscheidung über die Neickstagsauslösung erwartet man für Mitte Januar.
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Der Arbeitsbeschasfungsplau der Negierung wird noch vor Weihnacht«:, wahrscheinlich am morgigen Freitag bekannt, gegeben werben.
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Der tnnerpolitische Weihnachtsfricde wird von einem Teil der Regierungsmitglieder, unter ihnen Reichskanzler von Schleicher, zu einem kurzen Urlaub über die Feiertage aus» genutzt werden.
Die Gesamtzahl aller bei den Arbeitsämtern als arbeitslos gemeldeten Personen betrug am 15. Dezember schätzungsweise 5,6 Millionen, was eine Vermehrung gegenüber der Ziffer am Stichtag, dem 30. November, um etwa 250 000 Personen bedeutet.
Der Reichsaußenminister veröffentlicht im „Heimatdienst" eine» Artikel zur Gleichberechtigungssragc, in dem er fest, stellt, daß Deutschlands Gleichberechtigung in Gens unzwei, bentig anerkannt worden ist.
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Ans London kommt die Nachricht von dem Plan einer neuen Fünserkonferenz in der Abrüstnngsfrage. I« Berlin ist hiervon nichts bekannt.
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In der Sowsetnnion sollen führende Persönlichkeiten v-r» haftet worden sein, die einer Verschwörung z«m Sturze Stalins a»gehörteu.
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Der Mtirttemberglfche Landtag vertagte sich gestern bis Mitte Januar. Der Staatshaushalt wird im Februar berate« werden. *
Hcindelsvereinbarun^en mit Frankreich
Eine Zusatzvcreinbarung znm deutsch-sranzöfischeu Handelsabkommen
TU. Berlin, 22. Dez. Amtlich wird mttgeteilt: Die am 21. November in Berlin eingclciteten Verhandlungen zur Überprüfung des deutsch-französischen Handelsabkommens vom 17. August 1027 sind am Mittwoch zun Abschluß gelangt. Sie haben zur Paraphierung einer Ausatzverein- barung geführt, die unverzüglich den beiderseitigen Regie- rungen zur Genehmigung und Unterzeichnung vorgelegt werden wird. Für die vorläufige Anwendung der Zusatz» Vereinbarung ist der 1. Februar 1043 in Aussicht genommen.
Gleichzeitig werden in Berlin Verhandlungen über , rr Abschluß eines Abkommens zur Siegelung von Zahlungen aus dem Warenverkehr, sowie über Erleichterungen für den Reiseverkehr geführt.
Die deutsch-englischen Zollverhandlungcn über Weihnachten
vertagt
Zwischen einer deutschen und einer englischen Regierungsabordnung haben bekanntlich dieser Tage in Berlin Verhandlungen stattgesundcn über die Frage der Zollbehand- lung gewisser Waren in England, die für die deutsche Ausfuhr von besonderem Interesse sind, sowie über Vorschläge hinsichtlich der Kohlenmengen, die über England nach Deutschland zur Einfuhr zugelassen werden sollen. Nachdem ein erster Meinungsaustausch über die Möglichkeit gegenseitiger Zugeständnisse zum Abschluß gekommen ist, hat die englische Abordnung Berlin verlassen. Die Ergebnisse werden den beiderseitigen Negierungen unterbreitet. Die Verhandlungen werden nach den Feiertagen wieder ausgenommen werden.
Spannmw zwischen Italien und Südslawieu
Berlin, A. Dez. Die italienische Protestnote an Jugoslawien wegen der Entfernung des dalmatinischm LvwenS führte zu einer Interpellation im jugoslawischen Senat. Der Außenminister erklärte, aus den Vorgängen in Trau und Veglin sei unbegreiflicherweise in Italien ein Stimmungs- ausbruch gegen Jugoslawien entstanden. Die Belgrader Negierung bedauere, baß im italienischen Senat gewisse unvorsichtige und peinliche Worte gesprochen worden seien. Die Würde der jugoslawischen Nation gestatte es nicht, von der Parlamentstribüne aus diese Polemik mitzumachrn. Jugoslawien müsse kaltes Blut und ruhige Nerven bewahren und die Augen osscn halten. Es sei immer noch zu einer Verständigung bereit. Man müsse aber einsehen. daß eine solche Politik des Friedens keine Politik des gebeugten Nackens sei.