Neuer deutscher Vorschlag in Genf
Der Endkamps in den Verhandlungen über die Gieichberechtigungsfrage
--- Genf, 11. Dez. !1teichsaußcnminister von Neurath hat den fünf Großmächten folgenden neuen Vorschlag übermittelt, der zur endgültigen Lösung der Gleichberechtigungs- frage als Schlußerklärung der gegenwärtigen Beratungen von diesen angenommen werden solf.
Die Vertreter Deutschlands, Englands, Frankreichs, Italiens und der Vereinigten Staaten haben informelle Besprechungen in Genf vom 6. Dezember bis ... abgchalten. Der sranzösische Ministerpräsident hat hierbei folgende Erklärung abgegeben:
„Frankreich stimmt überein, daß eines der Ziele der Abrüstungskonferenz darin besteht, Deutschland und den übrigen entwafsneten Mächten die Rechtsgleichheit in einem System zu gewähren das sämtlichen Nationen die Sicherheit gewährleistet." Der deutsche Außenminister hat nach Kenntnisnahme dieser Erklärung seinerseits erklärt, daß die Rückkehr Deutschlands in die Abrüstungskonferenz nur dann erwogen werden kann, wenn die folgenden Punkte für die Haltung der an den gegenwärtigen Besprechungen beteiligten Regierungen auf den kommenden Verhandlungen der Abrüstungskonferenz maßgebend sind:
1. Der Gleichheit des Statins ist in dem künftigen Ab- rüstungsabkommen in jeder Hinsicht praktische Auswirkung
-zu geben und sie ist infolgedessen die Grundlage für die weiteren Arbeiten der Abrüstungskonferenz hinsichtlich der ent- waffneten Staaten.
2. Die Formulierung, „das System der Sicherheit für alle Nationen gewährleistet", schließt bas Element der Sicherheit in sich, bas in einer allgemeinen Abrüstung liegt, wie dies von der Völkerbundsoersammlung anerkannt worden ist.
Die an den gegenwärtigen Besprechungen beteiligten Vertreter kommen überein daß diese Punkte in Zukunft die Haltung bestimmen, die ihre Negierungen auf der Abrüstungskonferenz einnehmen werden.
Ueber den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen der fünf Großmächte über die Gleichberechtigungsfrage wird von deutscher Seite folgende Darstellung gegeben: Die letzten Besprechungen haben die deutsche Frage zum Kernpunkt gehabt. Eine offizielle Stellungnahme der französischen Negierung zu den beiden deutschen Punkten liegt bisher noch nicht vor. Jedoch hat Paul Boncour eine Erklärung dahin abgegeben, daß Ministerpräsident Serriot keine weiteren Zugeständnisse zu seiner Gleichberechtigungsformel machen kann. Paul Boncour hat hierbei bin»naefiigt. daft er >e!ner'e'ts nicht in der Lage
Die Krieasschuldensrage
Wird Frankreich zahlen?
--- Paris» 11. Dez. Der Finanzausschuß der französischen Kammer hat sich mit 25 Stimmen bet 9 Stimmenthaltungen gegen die am 15. Dezember fällige Schul-enzahlung an Amerika ausgesprochen und den Weg eines Schiedsgerichts abgelehnt. Der Auswärtige Ausschuß hat hingegen mit 21 gegen 3 Stimmen für die Zahlung gestimmt, sie aber an Bedingungen geknüpft, die von der Negierung der Vereinigten Staaten im voraus anzunehmen wären, aber nach Auffassung französischer politischer Kreise kaum Aussicht auf Erfüllung haben. Je fünf Mitglieder beider Ausschüsse wurden betraut, einen gemeinsamen Entschließungsentwurf auszuarbeiten.
Wie der Washingtoner Korrespondent der „Times" erfährt, hat sich Hoover auf Grund seiner letzten Note bereit erklärt, die gesamte wirtschaftliche Lage in Zusammenarbeit mit England durch einen geeigneten „Ausschuß" zu nn- tersuchen. Dieser Ausschuß sei die internationale Wirtschaftskonferenz. Es sei dabei in Aussicht genommen, die Frage der ausländischen Schulden in ih'-en Beziehungen zu greifbaren Gegenleistungen zugunsten der amerikanischen Waren zu erörtern.
Neue polnische Schuldennote an Amerika. Der polnische Botschafter überreichte eine neue polnische Schuldennote, in der — ähnlich wie in der englischen und der französischen Note — Zahlungsaufschub gefordert wird. Polen erklärt als besondere Warnung in der Note weiter, daß im Falle der Ablehnung, die Dezemberrate zu stunden, Polen nicht in der Lage sei, für seine Privatanleihen aufzukommen.
Der denlsche Vorstoß in der Minderheitenfrage
Zur Agrarbeschwerde des Deutschtums in Polen
Die Rede, die der Reichsaußenminister von Neurath vor dem Bölkerbundsrat zu der groben Agrarbcschwerbe des Deutschtums in Polen gehalten hat. mar von weittragender grundsätzlicher Bedeutung, da sie die gesamte Ent- deutschungspolitik der polnischen Negierung, die planmäßige Sabotage aller Vorschläge des Völkerbundes durch Polen und sodann die grundsätzliche Fehlerhaftigkeit des Minderheitenschutzes des Völkerbundes eingehend darlegte. In Genk ersieht man daraus den festen Entschluß der deutschen Negierung, jetzt das gesamte Minberheitenschutzproblem des Völkerbundes aufzurollen und grundlegende Abänderungen zur Sicherung der Minberheiteninteressen zu fordern.
Sollte auch der neue Bericht des Dreierausschusses den deutschen Interessen nicht entsprechen, so wird die deutsche Regierung das offizielle Versagen des Minberhci- tenschutzverfahrens des Völkerbundes rücksichtslos fest- st e l l e n.
Politische Kurzmeldungen
Ter Reichskanzler wird in der zweiten Hälfie dieser Woche, voraussichtlich am Donnerstag, durch den Rundfunk die Grundlinien seiner Negicrungsarbeit darlegen. — Der Reichspräsident empf-»g am Samstag das neugewählte Prä-
wäre, die Gleichberechtigungsformel Hcrrlots weiter aus- zulegen. Der deutsche Außenminister hat daraufhin den deutschen Standpunkt vom 29. August dargelegt und betont, daß Deutschland die moralische, juristische und qualitative Gleichberechtigung, auf die es ein uneingeschränktes und unverzichtbares Recht habe» fordert. Die deutsche Negierung sei jedoch bereit, über die quantitative und zahlenmäßige Gleichberechtigung Verhandlungen aufzunehmen. Die deutschen Darlegungen sind jedoch auf ein entschiedenes „N e i n" des Vertreters Frankreichs gestoßen. Macdonald hat daraufhin vvrgeschlagen, daß Sachverständige der Großmächte nunmehr auf Grund der deutschen und französischen Erklärungen eine neue Einigungs formet suchen sollen. Nach maßgebender deutscher Auffassung kann es sich jedoch hierbei nur um eine Gegenüberstellung des deutschen und französischen Standpunktes handeln.
Ministerpräsident Macdonald hat sodann die vom Außenminister Simon im englischen Unterhaus vorgetragcne Erklärung über die Regelung der Gleichberechtignngsfrage ausgenommen und gesucht, eine Einigung auf der S i - mongrunblage zu finden, jedoch sind diese Versuche zunächst ohncErfolg geblieben. Der deutsche Vertreter hat gleichfalls den Standpunkt vertreten, baß eine Einigung jetzt aus -er Grundlage des Simonvorschlages gesucht werden müsse. Auch diese Versuche sind au dem französischen Nein gescheitert. Nach dem Vorschlag Macdonalds hat sich ein stärkeres Verständnis für den deutschen Gleichberechtigungs- standpnnkt bei sämtlichen übrigen Mächten mit Ausnahme des Vertreters Frankreichs gezeigt. Macdonald hat auch weiterhin die Einigungsversuche fortgesetzt und von neuem die Verhandlung um den Simonvorschlag gruppiert.
Im Laufe des Samstagvormittag sind Sachverständige der fünf Großmächte zu internen Beratungen zusammengetreten, an denen von deutscher Seite der Abrüstungsreferent des Auswärtigen Amtes, Geheimrat Frowein, tcil- nahm. Macdonald und von Neurath haben Mitteilen lassen, daß sie am Sonntag abend ab'iireisen gedenken.
Das engere Büro der Abrüstungskonferenz, das aus Hcnderson, Benesch, Politis und Drummond besteht, hat die Einberufung des Präsidiums der Konferenz zu Dienstag und des Hauptausschusses zu Mittwoch dieser Woche beschlossen. Die Einberufung erfolgt in -er Hoffnung, daß in der gegenwärtigen Fünfmächtebesprechung doch noch eine Einigung zustanöekommen und damit die Rückkehr Deutschlands in die Abrüstungskonferenz erfolgen wird.
sidium des Reichstags. Reichslagspräsidenlen Göring und die Vizepräsidenten Esser und Löbe. Der zweite Brzeprüsidenl Rauch, konnte wegen Erkrankung an dem Empfang nicht teilnehmen. — Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held hatte am Samstag mittag eine Aussprache mit dem Reichskanzler, die, wle verlautet, schwebenden Fragen gegolten hat. — Der Reichsrat wird sich in seiner nächsten Vollsitzung am Donnerstag mit der vom Reichstag beschlossenen Amnestievorlage beschäftigen. Auf die Tagesordnung rverden außerdem die vom Reichstag beschlossenen Gesetzentwürfe über die Stellvertretung des Reichspräsidenten und dir Aushebung der sozialpolitischen Bestimmungen der Notverordnung vom 4. September d. I. gesetzt werden. — Der „Völkische Beobachter" schreibt: Die Aushebung des sozialpolitischen Teiles der Notverordnung könne als großer Erfolg im Kampf gegen das Papcnsystem verbucht werden. Die während des BVG.- Streiks in Berlin festgcnommenen Demonstranten, die vom Sondergericht abgeurteilt worden sind, oder deren Aburteilung noch bevorsteht, werden unter die Amnestie fallen. — Die Gauleiter und Landesinspekteure der NSDAP., der Ehrt des Stabes, Nöhm, sowie der Führer der Preutzcnfrak- tion, Kube, haben sich einmütig für die Einheit der Partei ausgesprochen. Die nationalsozialistische Neichstagsfraktion hielt eine Treuekuuögebuug für Adolf Hitler ab. — Bei einem Vorgehen gegen den illegal fortbestehenden Roten Frontkümpserbuud in Erfurt war die Polizei gezwungen, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Hierbei wurde ein Roter Frontkämpfer durch Handschuß verletzt. Ein weiterer erhielt einen Prellschuß. Es wurden im ganzen 29 Personen festgenommen und eine größere Menge von Material und Waffen beschlagnahmt. — Die Meldungen, daß der Plan, ein Werkjahr für die Abiturienten zu schaffen, gefallen sei, ist verfrüht. Für den 19. Dezember ist eine Konferenz der Länder nach Berlin berufen, in der die Ent'cheidung getroffen wird. Die Finanzierung soll anscheinend so ermöglich! werden, daß die Eltern die Kosten selbst tragen, und zwar für ein halbes Jahr. — Die Zahl der Deutschen, die augenblicklich in irgend einer Form öffentliche Unterstützung erhalten, hat jetzt 19 Millionen erreicht! — Nach einer Schätzung werden sich die Gesamteinnahmen der reichsgesctz- lichen Krankenkassen im Jahre 1932 auf etwa 1293 Millionen Rm. gegen 2199 Millionen im Jahre 1929 belaufen, von denen 1159 Millionen Nm auf die Beiträge entfallen. Die Gesamtausgaben werden auf rund 1L19 Millionen Nm. geschätzt. — Hiernach werden sich also Gesamteinnahmen und -ausgaben 1932 etwa die Wage halten. — Der 14. Parteitag der KPD., Bezirk Nuhrgebiet, der am Samstag vormittag lll Uhr in der Westfalenhalle in Dortmund stattsinden sollte, ist bald nach der Eröffnung auf Anordnung des Dortmunder Polizeipräsidenten wegen des dringenden Verdachts der Vorbereitung illegaler Handlungen aufgelöst worden. Znr Durchführung der Maßnahmen war die gesamte politische Polizei aufgeboten. — Nachdem gegen den Staudartenpastor Fuchs im Zusammenhang mit der Kynauer Sprengstofsan- gelegenheit richterlicher Haftbefehl erlassen worden 'st, hat bas evangelische Konsistorium in BreSlau seine vorläufige Dienstenthebung (Suspension vom Amt) vcrsügt. — In einer Note, die der russische Botschafter in London an den permanenten Unterstaatssckretär des englischen Außenministeriums gerichtet hat, wirb erklärt. Laß die russische Ne
gierung zur Aufnahme von Verhandlungen über ,t,ren Handelsvertrag bereit sei. — Die außerordentliche Vollver- sammlung des Völkerbundes bestätigte in geheimer Abstim- mung die Ernennung des bisherigen stellvertretenden französischen Generalsekretärs Avenvl zum ständigen General- iekretär des Völkerbundes. - Nach einer Mitteiluna des ja- panischen Oberkommandos wurde an der westlichen Linie der chinesischen Ostbahn der Belagerungszustand wieder aufgehoben. Die Japaner behaupten. 9099 Freischärler, darunter 8 Generale, gefangen genommen zu haben. — Der japanische Kriegsminister Araki verlangte erneut den Austritt Japans aus dem Völkerbünde, falls dieser seinen Widerstand gegen die japanische Politik nicht aufgebe. — Die amerikanische Negierung hat sich auf Anfrage Japans bereit erklärt» sich an einem mandschurischen Schlichtungsausschuß zu betet, ligen, falls dieser nicht organisch mit dem Völkerbund zu- sammenhängt. — Präsident Vargas hat eine Verordnung unterzeichnet, die den Anbau von Kaffee in Brasilien für die nächsten drei Jahre verbietet.
Dos Schicksal der Mandschurischen Frage
TN. Genf, 11 . Dez. Die außerordentliche Vollversammlung des Völkerbundes nahm am Freitag eine, vom Präsi- dinm ausgcarbeitete Entschließung an, in der jetzt vorläufig die weitere Behandlung des japanisch-chinesischen Streitfalles dem 19gltebrigen Sonderausschuß übertra- gen wird, in dem jedoch die beiden streitenden Mächte Japan und Ehtna nicht vertreten sind. Der 19er Ausschuß soll in kürzester Frist unter dem Vorsitz des belgischen Außenministers Hymans zusammentrcten. Die außerordentliche Vollversammlung wird vorläufig geschlossen bleiben, jedoch offiziell ohne Sitzungen weitertagen, um falls notwendig wieder zusammentrcten zu können und zu den Vorschlägen des 19er Ausschusses Stellung nehmen zu können.
*
Chinesisch-japanischer Zwischenfall bei Schangheikwan
Wie amtlich gemeldet wird, ist ein japanischer Panzerzug in der Nähe von Schanghaikwan von regulären chinesischen Truppen beschossen worden. Tie Mannschaft des Panzer, zugcs eröffnete dann auch ihrerseits das Feuer. Dabei wurde auch das Quartier des chinesischen Brigadckommandos in Mitleidenschaft gezogen. In der japanischen Meldung wird die Hoffnung ausgesprochen, daß das Ereignis keine ernsten Folgen haben möge. Die chinesischen und japanischen Behörden sind in Verhandlungen eingetreten, um eine friedliche Beilegung des Zwischenfalles zu ermöglichen.
Bon der Weltreise zurück
Erstes Originalbild von der Ankunft des Kreuzers „Karlsruhe" im Kieler Hafen. Der Kreuzer hat. wie bekannt, eine einjährige Weltreise ausgeführt, vornehmlich in die amerikanischen Gewässer, wo er erfolgreich ?ür Deutsch-
lank non der
-4M
MM
WEM
'-MW
-VS,
Be'..tz»ti-.a tevhait begrüßt. Die Heimkehr des Kreuzers -st noch insofern von Interesse, als der Hellseher Hanussen ihm bei seiner Ausfahrt den Untergang prophezeit hatte. Die'« Prophezeiung hatte bei Angehörigen der Besatzung begreifliche Beunruhigung ausgelöst, hat sich jedoch glücklicherweise als völlig haltlos erwiesen.
Telegrammwechsel mit Oesterreich
TU. Wien» 11. Dez. Nach Mitteilung der Staatskorrcspon- denz hat Reichskanzler v. Schleicher anläßlich seiner Amtsübernahme an den Bundeskanzler Dr. Dollfuß folgende Depesche gerichtet: „Nachdem mich der Herr Reichspräsident an die Spitze der Neichsregierung berufen hat, drängt es mich. Ihnen Herr Bundeskanzler, meine aufrichtigsten Wünsche für das Wohlergehen des deutschen Volkes in Österreich zu übermitteln. «es- Reichskanzler v. Schleicher.'
Bundeskanzler Dr. Dollfuß hat mit dem folgenden Telegramm geantwortet: „Mit dem Ausdruck des herzlichsten Dankes für die freundlichen Worte, die Eure Exzellenz anläßlich ihrer Berufung an die Spitze der deutschen Reichsregierung an mich zu richten die Güte hatten, verbinde ich meine aufrichtigsten Wünsche für eine erfolgreiche Tätigkeit des unter Ihrer Führung stehenden Kabinetts zum Wohle des deutschen Volkes. gcz. Bundeskanzler Dr. Dollniß.