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Nr. 291
Montag, den 12. Dezember 1932
Jahrgang 105
Vergleichslösung in der Gleichberechtigungsfrage
Rückkehr Deutschlands zur Abrüstungskonferenz — Ein erster Anfangserfolg
TU, Gens, 12. Dez. Die Reichsregierung hat in den frühen Morgenstunde» des Sonntag dem in Gens weilenden Neichsaußcnminister mitgeteilt, daß das Kabinett die in der Eamstagbesprechung dxx Fsinfmächte ausgcarbeitete n:ne Regrlnug sür die Cleichberrchtigungsfragr «»nimmt «nd damit ihre Rückkehr in die Avrüstnngskonfercnz erklär». Der Inhalt der neuen Formel «st im wesentlichen der, dzß einer der Grundsätze der Abrüstungskonferenz ist» Deutschland und den übrigen eutwas'netcn Staaten die Gleichberechtigung zu gewähren im Nahmen eines Systems, das sür alle Nat»onen gleiche Sicherheit Vorsicht.
Der Wortlaut der Vereinbarungen.
Die große Schlußerklärung der sünf Großmächte über die gleichzeitige Regelung der Gleichberechtiguugs- und Sicherheitssrage ist Sountagmittag von den Vertretern Ler fünf Mächte unterzeichnet worden. Die englische, französische und deutsche Abordnung veröffentlichten gleichzeitig den Wortlaut der nunmehr endgültig getroffenen Vereinbarungen in den drei Sprachen. Ter deutsche Text Ler Vereinbarungen hat folgenden Wortlaut:
1. Die Negierungen des Vereinigten Königreiches» Frankreichs und Italiens haben erklärt, daß einer der Grundsätze, die die Konferenz letten sollen, darin bestehen mutz. Deutschland und den anderen durch Vertrag abgerüsteten Staaten die Gleichberechtigung zu gewähren in einem System, das allen Nationen Sicherheit bietet und daß dieser Grundsatz in dem Abkommen, das die Beschlüsse der Abrüstungskonferenz enthält, verkörpert werden soll.
Diese Erklärung schließt in sich, daß die Rüstungsbeschränkungen für alle Staaten in dem in Aussicht genommenen Abrttstnngsabkommen enthalten sein müssen. Es besteht Einigkeit darüber. Laß die Art nnd Weise der Anwendung dieser Gleichberechtigung auf der Konferenz erörtert werden wird.
2. Aus der Grundlage dieser Erklärung hat Deutschland seine Bereitwilligkeit ausgesprochen, an der Abrüstungskonferenz wieder teilzunehmen.
3. Die Regierungen des Vereinigten Königreiches. Frank, reich. Deutschland und Italien, sind bereit, gemeinsam mit allen anderen europäischen Staaten feierlich noch einmal zu bestätigen, daß sie unter keinen Umständen ver- suchen werden, gegenwärtige oder künftige Streitfragen zwischen den Unterzeichnern mit Gewalt zu lösen. Ties soll einer näheren Erörterung der Frage der Sicherheit nicht vorgrcifen.
4. Die 5 Regierungen der Bereinigten Staaten, des Bereinigten Königreiches, Frankreich, Deutschland und Italien, erklären, daß sie entschlossen sind, auf der Konferenz gemeinsam mit den anderen dort vertretenen Staaten darans hin- zuwirken. daß unverzüglich ein Abkommen ans - gearbcttet wird, das eine wesentliche Herabsetzung und eine Begrenzung der Rüstungen Herbeis ührt und gleichzeitig eine künftige Revision zum Zwecke der weiteren Herabsetzung vorsieht.
Genf, den kl. Dezember 1082.
gcz. Macdonald. Vorsitzender, Norman Davis, John Simon, Panl-Boneour, von Neurath, Aloisi.
Der Wert der Genfer Einigungssormel
Zu der Vereinbarung der ki Großmächte Über die Gkeich- berechtignngsfrage wird von maßgebender deutscher Seile nachfolgender Standpunkt eingenommen: Durch die neue Vereinbarung ist setzt trotz zweifellos zu erwartender anderslautender Auslegungen der Grundsatz der Gleichberechtigung aller Staaten auf der Abrüstungskonferenz anerkannt worden. Es bleibt der deutschen Regierung nach wie vor offen, die Konferenz wieder zu verlassen, falls in den weiteren Verhandlungen der Grundsatz der Gleichberechtigung keine praktische, den deutschen Interessen entsprechende Anwendung findet. Die deutsche Regierung würde sich aber in einem solchen Falle in einer besseren Vage als bisher befinden, da dann eine flagrante Verletzung der gegenseitigen Vereinbarungen festgestellt werde» könnte. Man ist sich natürlich auf deutscher Seite vollständig darüber im klaren, daß die praktische Anwendung der setzt rein grundsätzlich anerkannten deutschen Gleichberechtigung auf der Abrüstungskonferenz ans fortlaufende und große Schmierigkeiten stoßen wird und daß die praktische Durchführung der deutschen Gleichberechtigung aui der Grundlage der gegenwärtigen Vereinbarungen vvn Deutschland gegen alle Widerstände durchge- sctzt werden muß. Andererseits wird aus deutscher Seite betont. das, es taktlich nicht mehr richtig erschien, außerhalb der Abrüstungskonferenz zu bleiben, da die Schwierigkeiten ln diesem Falle noch weiter gewachsen wären. Tie deutsche Negierung habe letzt volle Freiheit, auf der Abrüstungskonferenz über die praktische Durchführung des Gleirh- bercchtigungsgrundsatzeS zu verhandeln.
In internationalen Kreisen wird die Vereinbarung über die Gleichbercchtigungsfrage zunächst als die theoretische Anerkennungder deutschen Gleich brrrch. tigung gewertet und übereinstimmend sestgestellt, -ab nach der Neuregelung das künftige Abrüstungsabkommen auch kür Deutschland die allein bindende Regel bilden muß. Jedoch geht aus der Vereinbarung nicht hervor, welche praktische Anwendung dieser Grundsatz sinket, somit, in welcher Weise der deutsche Nüstungsstand endgültig geregelt wird. Der endgültige Nüstungsstand Deutschlands wird von dem Zustandekommen des künftigen Abrüstungsabkommens und damit von dem Schicksal der ganzen Abrüstungskonferenz abhängig gemacht. Es versteht sich aber von selbst, daß im Falle eines Cchciterns der Abrüstungskonferenz aus anderen Gründen oder infolge der unlösbaren Flottengcgensätze Deutschland seine volle Handlungsfreiheit erhält.
Alles in allem: Die letzt gefundene Einigungsformel hat »»«der die Abrüstungskonferenz noch die deutschen Forderungen aus Gleichberechtigung praktisch einen Schritt vorwärts gebracht. Die Verwirklichung der deutschen Forderungen steht auch heute genau wie im Juli ds. IS. «och bevor.
Ein beachtlicher Anfangserfolg.
Staatssekretär z. D. v. Rhetnbabe« sprach am Samstag abend über eine Reihe deutscher Sender über das mit der Annahme der Gleichberechtigungssormei erzielte Ergebnis der Fünfmächtekonserenz. Er hob mit Befriedigung hervor -aß es gelungen sei, im Kampf gegen Len Versailler Vertrag einen beachtlichen Anfangserfolg zu erzielen. Gegenüber der Formel Herrlots, nach der die deutsche Gleichberechtigung nur als eines der Endziele der Konferenz gelten sollte. ,ei die Tatsache, daß die Gleichberechtigung als einer der Grundsätze der Abrüstungskonferenz von alten Großmächten anerkannt worden fei. ein unbestreitbarer Fortschritt. Lang und dornig fei der Weg gewesen, den Deutschland znrücklegen mußte, bis ihm endlich dieses selbstverständliche Zugeständnis gemacht worden sei. Wenn man
Tages-Tpieqel
Die Genfer Fünfmächtebesprechunge« sind gestern mit der Unterzeichnung einer Vergkcichssormck abgeschlossen war» den, durch welche die deutsche Stellung aus der Abrüstuugs» konserenz verbessert wird.
Trotz des Vergleichs muß sich Deutschland im weiteren Bcr» laus der Abrüstungskonferenz aus praktische Schwierig, keite» gefaßt mache«. Die Vergleichslösuug wird in Pa, ris begrüßt, da sie die «ngetreuute Behandlung von Gleichberechtigung und Sicherheit Vorsicht.
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Vor dem Entschluß zur Rückkehr in d e Abrüstungskonferenz fand am Samstag eine Unterredung zwischen v. Hinken, bnrg und v. Schleicher statt.
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Reichskanzler von Schleicher beabsichtigt eine weitgehende Acndernng der Antiterror- nnd der Preffenotvero.dnung.
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Mit der Leitung der Reichsanstalt sür Arbeitsvermittlnng ist an Stelle des zum Reichsarbeitsminister ernannten Dr. Syrnp -er Präsident des Lan-esarbeitsamtes Stuttgart, Kälin, kommissarisch beauftragt worden.
letzt auf Ler Gegenseite mit Auslegungen vcriuchen werde» den Wert der Genfer Einigungssormel sür Deutschland her- abzuketzen. so stehe einwandfrei fest, daß die im neuen Jihr beginnenden Arbeiten der Abrüstungskonferenz nur noch auf der Grundlage der deutschen Gleichberechtigung stattiinden können.
Reichsanßeuminister von Neurath hat Genf verlaßen
Netchsaußenminister von Neurath hat gestern abend in Begleitung von Geheimrat Katzenberger und Legationsrat Bölkers Gens verlaßen und triiit heute mittag in Berlin ein. Die deutsche Regierung wird an der zu Dienstag ein- berufenen Präsidlalsthung der Abrüstungskonferenz ?»m ersten Male wieder teilnehmen und ebenso wie in der Mitt» wochsltzung des Hauptausschusses durch Gesandten von Weiz- käcker vertreten sein. Macdonald und Paul-Böncour verließen gleichfalls am Sonntagabend Genf.
Innerpolitische Maßnahmen der Reichsregierung
v. Schleicher strebt Verständigung an —
Notverordnung
TU. Berlin, 12. Dez. Wie verlautet, wird Reichskanzler von Schleicher in der Rede, die er am kommenden Donnerstag über alle deutschen Sender Hilten wird. Mitteilung darüber machen, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen eine Aufhebung der verschiedenen gegen den politischen Terror gerichteten Verordnungen in Frage kommen kann. Für den Fall einer Beruhigung des politischen Lebens dürften voraussichtlich die Sonder- gerichte ausgehoben werden. Auch die Verordnung über die Einschränkung der Pressefreiheit wird unter dieser Voraussetzung fallen. Tie Sondergerichte wurden bekanntlich am ü. August eingesührt. Der Reichskanzler wird sich in seiner Rede auch mit dem Nepublikschutzgesetz besaßen, das Ende ds. Js. «bläust. Soweit dieses Gesetz den Schuh der Reichsresorm. die Neichsfarben nnd den Ehrenschutz für Minister und politische Persönlichkeiten umfaßt, soll das Gesetz durch Notverordnung verlängert werden.
Sozialpolitischer Ausschuß für Winterhilfe.
Der Sozialpolitische Ausschuß des Reichstags faßte am Schluß der Aussprache über die Winterhilfe einstimmig einen sich aus dem nationalsozialistischen und dem sozialdemokratischen Antrag ergebenden Beschluß, der die Reichsregierung aussoröert, alsbald durchgreifende Maßnahmen zu treffen, durch die den großen Massen der notleidenden Bevölkerung eine angemessene WcihnachtShikse und Winter bei Hilfe gewährt wird. Der Pcrsonenkreis soll sich auf alle Arten von Empfängern öffentlicher Unterstützungen, Kleinrentner. Kriegsbeschädigte »sw. erstrecken. Die Winterhilfe soll in unentgeltlicher Lieferung von Naturalien und Kleidungsstücken je nach den örtlichen Verhältnissen bestehen. Sie Lars aber nicht zu einer Verminderung der GelLnn'er- stützung führen. Die Mittel für die Durchführung der Winterhilfe stellt das Reich den Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Verfügung.
Annahme fand auch ein Zcntrumsantrag, wonach die -Hilfsmittel für andere Zwecke der Wohlfahrtspflege weder vom Reich verrechnet, noch von den Gemeinden verwendet werden dürfen. Alleinstehende sollen von Ler Winterhilfe nicht ausgenommen werden. Der Beschluß wird hinsichtlich seiner finanzielle» Auswirkungen am heutigen Montag im Hae,shaltSausfchuß des Reichstags überprüft werden.
Milderung der Antiterror- und Pressebevorstehend
Neue englische Schuldennole an Amerika
TU. London, 12. Dez. Die englische Negierung hat eine neue Note den Bereinigten Staaten in der Schulöensrage überreichen laßen. In ihr bedauert sie. daß Amerika das Stundungsgesuch für die am 15. Dezember sällige ZaUnng nicht angenommen hat und erklärt, daß die fällige Lumme in Gold gezahlt werden soll, iedoch nicht auf das Zinsenkonto, sondern ganz auf dasKapitalamortisationskonlo der englischen Schuld an Amerika. England wünscht eine Beschleunigung der Schuldenverhandlungcn, so daß bis zu n 15. Juni nächsten Jahres, wo eine neue Zahlung fällig würde, reiner Tisch geschaffen wird.
Frankreich will feine« Zahlni-gsverpKichiungen unter gewissen Bedingungen Nachkomme«.
Die französische Negierung hat in einem Kabinettsrat am Sonntag morgen einstimmig den Beschluß gefaßt, der Zahlungsverpflichtung am 15. Dezember unter gewissen Bedingungen nachzukommen. Dieser Beschluß wird im Lau'e eines am heutigen Montag stattfindenden Ministerrats ratifiziert werden.
Generalstreik in Ealamanca
Blutige Zusammenstöße und Plünderungen
-- TU. Madrid, 12. Dez. In der spanischen Universitätsstadt Ealamanca ist der Generalstreik erklärt worden. Die Streikenden plünderten die Läden, wobei es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam. Mehrere Plünderer trugen Cchußverletzungcn davon. Später mußten nech Infanterie und Pionierabteilungen eingesetzt werden Zvr Wiederherstellung der Ordnung sind Polizeiverstärkungen aus Madrid herangezogen worden. Zahlreiche Verhaftungen wurden vvrgcnommcn.
Der Streik hat sich inzwischen ans die Provinz Sa»g- manca ausgedehnt. Bisher sind 2M Ortschaften von der Streikwelle ergriffen worden. Der Antobpsverkchr ist überall unterbrochen worden. In Gson haben Arbeiter d>e Bahngleise aufgeriffcn nnd elektrische Anlagen gesprengt, wodurch der Betrieb in mehreren Gruben stillgelcgt worden ist. In Ovido ist der Stierkampspletz in Brand ae- steckt. Tie Kommunisten fordern zu weiteren Sabotageakten auf.