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Nr. 260

Amis- unä Anzeigeblall für äen Oberamtsbezirk Oalw

Samstag, den 10. Dezember 1932

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Jahrgang 105

Vertagung des Reichstags bis Januar

Regierungserklärung über die Winterhilfe Präsidialgesetz und Straferlaß

angenommen

TN BerNn. 10. Dez. Im Reichstag erhielt gestern abend vor der Entscheidung über die Vertagung des Reichstages Staatssekretär Dr. Planck das Wort, der für die Neichsregierung folgende Erklärung abgab: »Die SieichSregicrung ist entschlösse», Maßnahmen für eine be­sondere Winterhilfe zu treffen, soweit eS die finanzielle Lage zuläßt. Sic wird sich bemühen, im Ausschuß zu einer Ver­ständigung mit den Parteien über das Ausmaß der Aktion -n gelangen.

Vizepräsident Esser schlug nunmehr vor, dem Präsiden­ten die Ermächtigung zu erteilen, in Verbindung mit dem Aeltcstenrat die nächste Rcichstagssitzung zu bestimmen. Tie Abg. Löbe iLoz.i und Torgler lKomm.f betonten, daß die Erklärung der NelchSrcgierung ihnen zu unbestimmt set und verlangten eine Rcichstagssitzung für nächsten Mon­tag. Diese Anträge wurden aber gegen die Antragsteller abgelehnt.

Dem Präsidenten wurde die nachgcsuchte Ermächtigung zur Einberufung des Reichstages erteilt. Tie nächste Ncichs- tagssißung wird voraussichtlich Mitte Januar stattsindeu.

Der Reichstag verabschiedete in feiner gestrigen Sitzung nach mehrstündiger Aussprache das Amnestiegesetz im wesentlichen nach den Ausschubbeschlüssen. Ein nachträglich etngcbrachtcr Zentrumsantrag fand nur insoweit Zustim­mung als er den sog. Zersetzungshochverrat von der Amnestie ausnimmt. Dagegen wurden weitere Forde­rungen des Zentrums, wonach u. a. auch Nohcitsdelikte nnd Meineid ausgenommen werden sollten, abgelehnt. In dieser Fassung fand der lHeseyrniwurf ln -er Schliißüdstliirirrunü Annahme, und zwar mit 30ä Stimmen der Nationalsozia­listen, Sozialdemokraten und Kommunisten gegen 144 Stim­men des Zentrums, der BBP., der Teutschnationalen. der DVP. und des Volksdienstcs, bet vier Enthaltungen. Die für ein verkassungsänderndcs Gesetz erforderliche A-Mehr- heit ist damit erreicht.

Zuvor hatte der Reichstag die dritte Lesung und die Lchlußabstimmung über den nationalsozialistischen Gesetz­entwurf betr. die Stellvertretung des Reichs­präsidenten vorgenommen. In der Schlußabstimmung wurden insgesamt S3l Stimmen abgegeben, davon 404 mit Ja. 127 mit Rein. Die für dieses vcrfassungsändcrnde Gesetz notwendige Zweidrittelmehrheit mar damit erreicht. Der Reichstag setzte dann die sozialpolitische Aussprache fort und verabschiedete nach Abschluß der Aussprache in dritter Lesung den Geietzcntwurs des Zentrums über die Streichung des sozialpolitischen Teiles der Notverord­nung vom 4. September. Tic Teutschnationalen und die Deutsche Volkspartei enthielten sich der Stimme. Der durch Annahme des Zenirumsentwurfs ausgehobene sozial­politische Teil der Notverordnung vom 4. September umfaßt die Ermächtigung an die Negierung zu Aenderungen bei der Sozialversicherung

Eine Abstimmung über die Anträge, die die vollkommene Aufhebung einzelner Notverordnungen forderte, konnte ab­gebogen werden. Ein Antrag, der auch die von den Sozial­demokraten geforderte Winterhilfe enthielt, wurde dem Ausschuß überwiesen. Es blieb daher nichts anders übrig, daß auch die sonstigen Anträge zur Winterhilfe dem Ausschuß überwiesen wurden, so daß der gesamt« Fragenkomplex nicht

me^'r geklärt werden konnte.

Die ReichStagsausschüssc arbeitsfähig Im Reichstag bildeten sich gestern abend noch zahlreiche Neichstagsausschüffe, so daß jetzt sämtliche Ausschüße ar­beitsfähig sind. Bereits heute vormittag wird der sozialpolitische Ausschuß zusammentrctcn, um die Anträge über Winterhilfe vorzuberatcn, die dann am Montag im Hanshaltsansschuß endgültig verabschiedet wer­den sollen. Auch der volkswirtschaftliche Ausschuß will schon in Kürze seine Beratungen über die Arbeits- beschafsungsanträge aufnehmen. Mit dem Zusam­mentritt des Auswärtigen Ausschusses ist erst nach der Rück- reise des Außenministers zu rechnen. Wie dieLandvolk- Nachrichten" erfahren, finden gegenwärtig zwischen dem NeichSkommissar für Arbeitsbeschaffung, Dr. Gereke, und den übrigen beteiligten Stellen Verhandlungen darüber statt, in welcher Form praktisch die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung durchgeiührt werden soll. Es han­delt sich hierbei nicht um die Feststellung der eigentlichen Kreditquellen die ja durch die Bereitstellung der für d>e Mehrbeschäftigung nicht verwendeten Stcuergutscheine und andere bisher nicht abgerufene Kredite bereit? für die erste Zeit festliegen sondern um die technische Durchführung im einzelnen.

Welche Straftaten fallen unter die Amnestie?

Der vom Reichstag mit der für Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittelmehrheit getroffene Gesetzentwurf über Straffreiheit gewährt in seinen wesentlichen Bestim­mungen Amnestie bet politischen Straftaten und bei Straftaten auS wirtschaftlicher Not. Bezüglich der Straftaten aus politischen Beweggründen oder aus Anlaß von wlrtschaftspolitlkchen Kämpfen wird Straf­freiheit in der Form gewährt, daß Strafen, die bei Inkraft­treten des Gesetzes rechtskräftig erkannt worden waren und noch nicht verbüßt find, erlaßen werden, wenn sie auf Geld­strafe oder auf eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren lauteten. Freiheitsstrafen von längerer Dauer werden zunächst nm 5 Jahre herabgesetzt, die Neststrafen werden noch um die Sälite gemindert. Zuchthausstrafen werden dabei in Ge­fängnisstrafen umgewandelt.

Bon der Amnestie ausgeschlossen sind Ver­brechen gegen das Leben und Verbrechen gegen 8 l der Not­verordnung vom ü. August 1032, gegen den politischen Terror sowie gemeingefährliche Verbrechen mit Todese"^olg. Ferner Landesverrat und Verrat militärischer Geheimnisse, wenn die Tat aus Eigennutz begangen wurde. Ferner Verbrechen gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. Verbrechen des schweren Raubes, sowie schließlich Hochverrat, wenn die Tat darauf gerichtet war. die Reichswehr oder die Polizei zur Erfüllung ihrer Pflicht, das Deutsche Reich und seine Länder gegen Angriffe in ihrem äußeren und inneren Bestand zu schützen, untauglich zu machen.

Bei Straftaten, die aus wirtschaftlicher Not deS Täters oder seiner Angehörigen begangen wurden, wird Amnestie dahin gewährt, daß Strafen, aus die bei Jnkrast- kreten des Gesetzes bereits rechtskräftig erkannt worden ist,' die aber noch nicht vollstreckt sind, erlaßen werden, wenn sie auf Geldstrafe oder ans eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 6 Monaten lauteten. Voraussetzung für einen Erlaß die­ser Strafen Ist aber, daß der Täter überhaupt noch nicht oder mit Freiheitsstrafe von insgesamt höchstens 8 Monaten vor­bestraft ist.

Die Wahrheit über denFall Straffer"

Auch Feder hat um Urlaub gebeten TU. Berlin, >u. Dez. Die Prcste ergeht sich weiter in den verichiedensten Vermutungen über denFall St rasier". Tatsächlich liegt der Fall, wie die Telegraphen-Union aus gut unterrichteten Kreisen erführt, folgendermaßen:

Gregor Ltraßer ist infolge verichiedener Vorgänge der etzlen Zeit offenbar zu der Ueberzeugung gekommen, da''' ihm eine geüeihliä>e Mitarbeit in der Leitung der NSDAP, nicht mehr möglich sei und daß er nach seiner persönlichen Ueberzeugung die Verantwortung für den augenblicklichen ttaatspolitischen Kurs der Partei nicht mehr mutragrn könne Aus diesem Grunde hat er am Donnerstagmitlag an Adolf H-tier rin Schreiben gerichiet. in dem er ihn auf verschiedene Mißstände. die seiner Ansicht nach bestehen, hinweist. Unter anderem dürste er in dem Brief daraus hingcwiescn haben, "an gerade die weltanschaulichen Gesichtspunkte in der Partei besonders in den Vordergrund gerückt würden daß aber in «er Parteileitung keineswegs unbedingt entsprechend diesen «riindiätzen gehandelt würde. Auch wird er darauf hin- «ewiejeu habe», daß es feiner Ansicht nach nicht richtig fei,

wenn man predige. Mh-Mer Marxismus mit roher Gemalt bekämpft werden müsse, da nach seiner Ueberzeugung auch In den Kreisen der Marxisten viele wertvolle Elemente seien, die für den deutschen Sozialismus, wie Straffer ihn anstrcbt. gewonnen werden müßten und könnten.

Besonders hat offenbar Straffer noch darauf hingewiesen, daß ihm als Neichsorganisationsleiter von anderen Stellen der Parteileitung wiederholt Schwierigkeiten in der Leitung der Organisationen gemacht wurden, die seine Autorität untergraben hätten, was gerade bei einer Partei, die io sehr die Autorität des Führers in den Vordergrund stelle, be­sonders z» verurteilen iel. Auch mit der groben staatspoliti­schen Linie, die die Partei scheinbar jetzt verfolge, nämlich Deutschland erst ins Chaos stürzen zu taffen und erst dann die nationalsozialistische Aufbauarbeit zu beginnen, dürfte sich Straffer nicht einverstanden erklärt haben. In seinem Schrei­ben hat dann Straffer tatsächlich feine Partei­ämter niedergelegt und auch sein Neichstagswandat zur Verfügung gestellt. Dieses Schreiben Ist Adolf Hitler in den frühen Nachmittagsstunden des Donnerstag übergeben worden.

Hitler hat die Niederlegung -er Aemter aber offenbar

Tages-Spiegel

Der Reichstag hat sich gestern aus unbestimmte Zelt ver, tagt. Sein Wicderzusammeutritt dürfte Mitte Januar erfolgen.

In seiner gestrigen Schlußsitzung hat der Reichstag daS Präsidial- nnd das Amnestiegesetz angenommen nnd die Winterhilfe-Anträge den Ausschüssen überwiesen.

Neichsanßeuminister v. Neurath setzte sich gestern im Völker, bundsrat mit Erfolg für die deutsche Minderheit in Pole» ein.

Die französische und die englische Negierung haben eine dritte Note an die Vereinigten Staaten gerichtet, In der ffe ihre Zahlungsbereitschast erklären, vorausgesetzt, daß di« am l-i. Dezember getätigte Zahlung nicht als fällige Rate, sondern als Anzahlung aus eine auf einer Schuldenkon^c» renz zu vereinbarende endgültige Regelung der Schulden» frage anerkannt wird.

Nach der Beurlaubung Straffcrs durch Hitler hat nnn auch der Wirtschaftssachverständige der Partei Feder nm Urlaub gebeten. Sämtliche Gauleiter der NSDAP, haben Hitler ihrer Treue versichert.

Der «ürtt. Landtag verhandelte gestern über «irtschaftS» politische und Wohnungsfragen.

nicht angenommen, sondern Scrasser der inzwischen bereit- abgereist war, durch einen Mittelsmann zn verstehen ge­geben. -ab er ihn vorläufig auf dre' Wochen beurlaub« und daß man sich dann über die Angelegenheit ja nochmal aus­sprechen könne. Die Mandatsniedcrlcgnng Straffers ist unter diesen ttmstänüep dann auch nicht erfolgt.

Wenn sich gestern der Abg Feder Straffers Schritt in­sofern angeichlossen hat, als er auch um einen dreiwöchigen Urlaub naMeiucht hat. und wenn vielleicht andere Unter­führer der NSDAP, ähnliche Schritte erwägen oder tun, so bedeutet das, wie versichert wird, keinesfalls die Bildung einer Oppositionsgruppe, noch weniger eine Absplitterung von der Partei, sondern nur den Versuch einer bestimmten Richtung innerhalb der Parteileitung, Hitler dahin zu be­einflussen, daß er dieser politischen Richtung mehr fein Ohr schenkt als er es bisher getan habe.

Die polnische Agrarreform

Erfolgreicher Einsatz des Relchsanßenministcrs für dke deutsche Minderheit

»» Genf» 10. Dez. Im Bölkerbundsrat wurde gestern über die polnische Agrarreform, durch welche be­kanntlich die deutsche Minderheit schwer geschädigt worden ist. verhandelt. Tie Anregungen des Dreierausschusses gehen dahin. Anwendungen der Agrarreformbestimmungcn von denen in Pomerellen die deutschen Minderheiten zu fast 78 Prozent, die Polen jedoch nur zu 27 Prozent betroffen wur­den, für einen gewissen Zeitpunkt aufzuschieben, bis eine Ungleichung der Prozentsätze zwischen Minderheit»- angehörigen und Mehrhcitsvolk erreicht ist. Ter Bericht stellt fest, daß ein offenbarer Mißbrauch besteht und die deutschen Minderheiten benachteiligt worden sind.

ReichSaußenminister von Neurath wies aus die Män­gel des Berichts sehr nachdrücklich hin. hob aber hervor, daß der rechtliche und moralische Anspruch der Minderheiten von den Mitgliedern des Dreterausichuffes anerkannt worden iet. Tie früheren Abmachungen seien von der polnischen Regierung trotz des inzwischen abgeschlossenen Liquidation»- abkommens ganz anders ausgelegt worden, als die deutsche Regierung dies hätte erwarten können. Bei der Frage dcr Agrarreform handle es sich um nichts Geringeres als um dte Frage, ob innerstaatliche Gesetze so einseitig ange­wandt werden dürfen, daß weite Krciie der Minderheiten von ihrem Grund und Boden verdrängt oder in solche wirt­schaftliche Schwierigkeiten gebracht würden, daß ihnen die weitere Existenz aus ihrer Scholle unmöglich gemacht werde, von Neurath erklärte zum Schluffe, er halte es für unmög­lich, daß der Rat sich mit der in dem vorliegenden Dreicr- bericht vorgeschlagcncn Methode begnüge, die den berechtig­ten Klagen der Minderheiten nicht abhelfe, sondern die Mißstände Im wesentlichen sortbe stehen lasse.

Nach einer kurzen Feststellung des polnischen Vertreters, daß durch die polnische Ablehnung die Vorschläge des Be­richts hinfällig geworden feien, beschloß der Völkcrbundsrot, die Angelegenheit an den Treierausschuß -urückzuver- weisen und bis zur Vorlage eines neuen Berichts über eine für Deutschland und Polen tragbare Einigungsmöglich- keit zu vertagen.