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Nr. 287

Mittwoch, den 7. Dezember 1932

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Jahrgang 105

Die Eröffnung des neuen Reichstages

Der Nationalsozialist Goering wieder zum Präsidenten gewählt Die Kampf­abstimmungen abgelehnt Reichstugsvertagung immer noch ungewiß

--- Berlin, 7. Dez. Der neugewähltc Reichstag ist gestern nachmittag zu seiner ersten Sitzung zusanirncngetretcn. Sie wurde durch den Alterspräsidenten, den nationalsozialistischen Abg. General Lttzmann, eröffnet. Als sich General Litz- mann zum Präsidentenplatz begab, wurde er von den Natio­nalsozialisten, die alle in der SA.-Uniform erschienen waren, mit stürmischen Hetlrufen begrüßt, auf die die Kommunisten mit Nicderrusen antivortcten. Nachdem der Alterspräsident scstgestellt hatte, daß er das älteste Mitglied des Hauses sei und anschließend daran vier vorläufige Beisitzer berufen hatte, eröffnet? er den Reichstag mit einer kurzen An» spräche, in der er u. a- ausführte:

Unsere Machthaber hätten sich in den letzten 14 Jahren reichlich Mühe gegeben, das Volk an Enttäuschungen zu ge­wöhnen. Die letzten Enttäuschungen seien die des 13. August und des 25. November gewesen. Man habe erwartet gehabt, daß der Reichspräsident nach seinen jahrelangen fruchtlosen Experimenten zur befreienden Tat schreiten und den Führer der stärksten politischen Bewegung Deutschlands mit der Negierungsführnng beauftragen würde. Es wäre dann die Wahl auf einen Mann gefallen, der allein fähig sei, das Paterland zu retten.

Alterspräsident Litzmann führte weiter aus: Vor 18 Jah­ren habe die Durchbruchsschlacht bei Lodz stattgefunben, die die glückliche Wendung brachte und der der Reichspräsident seinen F-erldmarschallstab verdankte. Heute handle es sich um Wichtigeres, nämlich darum, - der Reichspräsident dem historischen Fluch entgehe, das deutsche Volk zur Verzweif­lung getrieben und dem Bolschewismus ausgeliefert zu haben, obwohl der Retter berettgestanden habe. Gleichgültig, oH. er von Dauer sei oder nicht, heiße der Artikel 1 der Neichsvcrfassung:Die Staatsgewalt gehe vom Volke aus!" Die Eröffnungsrede des Alterspräsidenten wurde mehr­fach durch kommunistische Zwischenrufe unterbrochen.

Im Anschluß an die Ausführungen des Alterspräsidenten fand der Namensaufruf der Abgeordneten statt, der etwa eine halbe Stunde in Anspruch nahm- Ter Namens­aufruf im Reichstag ergab, daß von den insgesamt 584 ge­wählten Abgeordneten 564 anwesend waren. Damit war der Reichstag konstituiert.

Es folgte hierauf die

Wahl -cs Präsidiums.

Hierbei wurde der bisherige Reichstagspräsident Goering iNationalsozialists mit 278 Stimmen zum Neichstagspräsi- drnteu wiedergewählt. Insgesamt waren 545 Stimmen ab­gegeben worden. Göring hat alK6 Stimmen über die Hälfte sämtlicher abgegebenen Stimmen erhalten. Goc- rings Wiederwahl wurde von den Nationalsvziausten mit stürmischen Heilrufen quittiert. Der wiedergewählte Präsi­dent übernahm sofort die Leitung der Sitzung mit einer Rede, in der er den Parlamentarismus gegen die autoritäre Staatssührung verteidigte. Goerings Darlegungen zeigten deutlich, wie sehr sich die Nationalsozialisten gerade gegen die Bereinigung von Wehrmacht und Kanzlerschaft m der Hand Schleichers wehren.

Zum ersten Vizepräsidenten wurde dann der Abg. Esser vom Zentrum, zum zweiten, und zwar mit Hilfe -er Deutsch- nationalen der Abgeordnete Rauch von der Bayerischen Volkspartei gewählt, und als Dritter gelangte der Abg. Löbe iSoz.i ins Präsidium. Zuerst hatte man Stimmen­gleichheit ausgezählt, und Las Los hatte für den Golkspartei­ler Hugo entschieden. Später aber stellte sich heraus, daß Löbe gewählt ist, da er 205, Hugo dagegen nur 204 Stimmen erhalten hatte.

Nag, der Wahl des Präsidiums fand eine längere Ge- schästSordnungsauösprache über die Festsetzung der Tages­ordnung für die Mittwochsitzung -es Reichstages statt. Ein kommunistischer Antrag, die Mißtrauensanträge gegen die Neichsregierung aus die Tagesordnung zu setzen, wurde gegen die Antragsteller abgelehnt. Auch ein sozialdemokratischer Antrag, die Entgegennahme einer Regierungserklärung ans die morgige L-agesordming zu setzen wurde obgeiehnr, und zwar gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Kommunisten. Die Nationalsozialisten haben sich damit die in dem Antrag der SPD. zum Ausdruck gekommene Kamps­forderung gegen die Negierung nicht zu eigen gemacht.

Der Reichstag wird sich heute daher nur mit den Gesetz­entwürfen über die Stellvertretung des Reichspräsidenten und die Aendcrung des sozialpolitischen Teils der Notver­ordnung vom 4. September, ferner mit Anträgen «ur Am­nestie, Arbeitsbeschaffung und Winterhilse beschäftigen.

Freitag Entscheidung über eine längere Vertagung des Reichstag-A

Der Aeltestcnrat des Reichstages trat am Dtenstag- »K-uU» wLit, BriUüüwna »u keiner ersten Sitzung zusam­

men. Es wurde die Geschäftslage des Reichstages besprochen und die Redezeit für die Vorlagen bestimmt, die aus der Tagesordnung der Mittwochsitzung stehen. Der Donnerstag bleibt wegen des katholischen Feiertages sitzungssrei. Am Freitag sollen die drei Lesungen der zur Beratung stehen­den Gesetzentwürfe erfolgen. Am Schluß der Freitagsitzung wird über eine mögliche längere Vertagung entschieden werden.

Die Reichsregterung lieb sodann Mitteilen, daß sie selbst bereits erörtert habe, was in der Frage der Amnestie und hinsichtlich einer Winterhilfe geschehen könne.

Die Parlameutseröf.'uung im Spiegel der Presse

DieB ö r s e n z e i t u n g" weist auf die Rede des Alters­präsidenten, des Generals Litzmann, hin und meint, baß er gestern im Netchsparlament sich nicht auf seine rein geschästs- ordnungsmäßigen Aufgaben beschränkt, sondern eine poli­tische Ansprache gehalten habe, sei nicht notwendig gewesen. Die Verstimmung der NSDAP, über das Sclreitern der letz­ten Verhandlungen zwischen Hinöenburg und Hitler hätte bei anderer Gelegenheit und von einem anderen Vertreter als gerade dem zur parteipolitischen Neutralität verpflich­teten Alterspräsidenten sicherlich passender zum Ausdruck ge­bracht werden können. DieVossische Zeitung" hebt hervor, daß die Antrittsrede des Reichstagspräsidenten ein

Tages-Tpie.qel

Der Reichstag wählte i« seiner gestrigen Eröffnungssitzung Göring mit S Stimmen Mehrheit zum Präsidenten. Erster Vizepräsident wurde Esser, zweiter Ranch, dritter Löbe.

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Die Frage der Reichstagsvertagung ist immer «och ungewiß, doch glaubt man aus der ausfallenden Zurückhaltung der Nationalsozialisten in der Erössnungssitzung schließen zu dürfen» daß sie an Neuwahlen kein Interesse haben.

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Die Genfer Füusmächtebesprechnngen werden sortg-sctzt. Ein deutscher Gegenvorschlag zum fraxzösisch-awerikani, schrn Pta» hatte eine ungenügende Glrichbercchtignngs, crklärung Herriots zur Folge.

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Der große faschistische Rat beschloß, die fällige Kriegsschulden» rate Italiens au Amerika zu bezahle».

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Ter Dölkerbundsrat befaßte sich mit dem Grau-Chaxo-Streit zwischen Bolivien und Paraguay.

Der württ. Landtag beschäftigte sich gestern mit Hilfsmatz» nahmen für die Junglehrer sowie der Frage der Verein» fachnng der Staatsverwaltung.

zuverlässiger Wegweiser in die nächste politische Zukunft be­deute. Im Augenblick wollten die Narionalsozialisten einen arbeitsfähigen Reichstag, weil sie kein Interesse an Neu­wahlen hätten. "

Die Fünfmächtebesprechungen in Genf

Deutscher Gegenvorschlag und ungenügende französische Erklärung

TU. G«nf, 7. Dez. lieber die gestrigen zwei großen Sitzun­gen der fünf Mächte kann nach Mitteilung von zuständiger Seite die folgende zusammenfasiende Darstellung gegeben werden.

Zu Beginn der Verhandlungen wurde den fünf Mächten der amerikanisch-französische Plan vorgelegt. Der deutsche Außenminister bemerkte daraus aus­drücklich. baß er sich zu weiteren Besprechungen in Genf nur auf der Grundlage der Erklärungen des englischen Außen­ministers im Unterhaus und des dem Büro der Abrüstungs­konferenz eingereichten Vorschlages bereit erklärt habe. Jetzt werde ihm jedoch ein von den übrigen Mächten ausgearbeite­ter schriftlicher Plan vorgeicgl. wonach sich somit für ihn eine völlig veränderte Lage ergeben habe. Mac- donald bestritt, daß irgendeine feste Vereinbarung zwischen den übrigen Mächten vorlicge und erklärte. daß ihm selber dieser Plan bis dahin nicht vorgelegt worden sei Freiherr v. Neurath erklärte darauf, nach seiner Stellung zum ameri­kanisch-französischen Plan befragt, daß er hierin zunächst eine erhebliche Verschiebung aller Fragen sehe, die für ihn nicht annehmbar sei. Der ReichSaußenmini- ster legte dann von sich aus den übrigen Mächten einen Vor­schlag vor. nach dem die gegenwärtigen Besprechungen mit der Annahme einer formulierten Crklärung abgeschlos­sen werden sollen, in der die Einsetzung eines Aus­schusses maßgebender bevollmächtigter Sach- verständiger der fünf Mächte beschlossen wl, d, der bis spätestens Ende Januar die allgemeinen Richtlinien für die endgültige Regelung der Glcichberechtigungsfrage und der sich aus der Anerkennung der deutschen Gleichberechtigung er­gebenden materiellen Folgen ausarbelten soll. Diese Richt­linien sollen die Anerkennung der deutschen Gleichberech­tigung, die Ersetzung des Teils 5 des Versailler Vertrages durch das künftige Abrüstungsabkommen festlrgen. Auf der Grundlage dieser Richtlinien sollen sodann nach dem deut­schen Vorschläge die fünf Mächte EndeJanuar erneut zu- sammcntreten, um den endgültigen Beschluß über die An­erkennung der sormcllen und materiellen deutschen Gleich­berechtigung und damit der Rückkehr Deutschlands in die Ab­rüstungskonferenz zu fassen. Dieser deutsche Vorschlag wurde von Macdonald als allzu weitgehend nicht zur Ver­handlung gestellt, da er befürchtete, daß dieser Vor» schlag zunächst aus den allergrößten Widerstand der sran- zösischen Negierung stoben werde.

In der Mittagssttzung, in der die Erörterung des ameri­kanischen Planes wieder ausgenommen wurde, gab dann Herr tot im Namen der französischen Negierung folgende Erklärung zur Gletchberechtigungsfrage ab: Frankreich erkennt an. daß einer der Zwecke der Ab­rüstungskonferenz der ist, Deutschland und den übrigen durch die Friedensverträge entwaffnctcn Mächte die Rechtsgleichheit im Rahmen eines Regimes zu gewähren, das für alle Mächte, somit auch für Frankreich die Sicherheit etnschließt." Diese Erklärung wurde dem deutschen Außenminister als

die Grundlage für die Rückkehr Deutschlands in die Ab­rüstungskonferenz vorgelegt und von den übrigen Mächten als ein außerordentliches, bisher noch nicht dagcivescnes Entgegenkommen gegenüber Deutschland bezeichnet. Man machte geltend, daß diese Erklärung nunmehr die sofortige Rückkehr Deutschlands tn die Abrüstungskonferenz ermög­lichen müßte. Auf die dahin gehende Frage lehnte der Reichsaußenrninister die Erklärung Herriots als unge­nügend ab, behielt sich jedoch seine endgültige Stellung­nahme vor.

Die Verhandlungen der nächsten Tage werden nunmehr auf der Grundlage sowohl des amerikanischen als auch des deutschen Vorschlages erfolgen. Herriot zeigte in der gestrigen Sitzung einen gewissen Widerstand gegen den amerikanischen Plan und verlangte, daß zunächst der große französische Sicherheits- und Abriistungsplan mit den gesamten dort vorgesehenen Sicherheitsgarantien behandelt würde, während Norman Davis die sofortige Durchberatung seines Planes forderte. Der deutsche Außenminister gab hierzu die Erklärung ab, daß er an dem amerikanischen Plane kein Interesse habe, jedoch bereit sei, die Verhand­lungen über den amerikanischen Plan anzuhören Die Ver­treter Englands und Italiens nahmen zu dem amerikanischen Plan nicht ausdrücklich Stellung. Bemerkt wurde die außer­ordentliche Zurückhaltung des italienischen Vertreters.

Die Erklärung Herriots zur Gletchberechtigungsfrage wird tn den leitenden deutschen Kreisen zwar als ein ge­wisser Fortschritt bezeichnet, jedoch keinesfalls ge­nügend, um eine Rückkehr Deutschlands tn die Abrüstungskonferenz zu ermöglichen. Man weist darauf hin, daß diese Erklärung außerordentlich vage und nur tn allgemeinen Linien gehalten sei, ko daß damit keinerlei Klarheit über Frankreichs künftige Stellung tn den Rttstlingsfragen geschaffen werde. Freiherr von Neu­rath beabsichtigt, am Samstag nach Berlin -urückzukehren.

Heute Fortsetzung der Fünsmächtebesprechung

Die Fünsmächtebesprechung wird heute vormittag fort­gesetzt. Herriot und Macdonald, die sich gestern abend zu Verhandlungen in der Kriegs schuldensrage gemeinsam nach Paris begeben haben, haben mitgctcilt, daß sie am Samstag früh wieder in Gens cintreffcn würden. Die Ver­handlungen werden unterdessen fortgeführt.

Zu dem neuen deutschen Vorschlag, neben dem formalen Verfahren der Einsetzung eines fünfgliedrigen Ausschusses zur Behandlung der Glcichberechtigungssrage auch die praktischen Wirkungen der Anerkennung der Gleichberechtigung auf rüstungspolitischem Gebiet zu berücksichtigen, liegt eine Stellungnahme der Großmächte noch nicht vor. Es wird aber zugegeben, daß der deutsche Vorschlag letzten Endes den einzigen Aus­weg für die Wetterführung der Verhandlungen darstcllt, Macdonald beabsichtigt die nächste Woche in Genf zu ver­bleiben und die Verhandlungen bis zu einer Einigung i» der Gleichberechtigungsfrage sortzuführen.