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Nr. 282

Donnerstag, den 1. Dezember 1932

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Jahrgang 105

Noch Keine Entscheidung des Reichspräsidenten

Wachsende Aussichten sür ein Kakinelt Schleicher - Hitler ist nicht nach Berlin gekommen

TU. Berlin» 1. Dez. Neichsmehrminister von Schlei­cher erstattete dem Reichspräsidenten am Mittwoch nachmit­tag erneut einen Zwischenbericht über die innerpolitischc Lage. In politischen Kreisen nimmt man nunmehr mit ziem­licher Sicherheit an» daß, obwohl die Entscheidung noch nicht gefallen ist. Herr von Schleicher in Kürze vom Reichspräsi­denten gebeten werden wird, bas Kanzleramt zu überneh­men, wobei es auch sicher sein dürfte, das; Herr von Schlei­cher gleichzeitig das Wehrministerinm beibehält.

Es ist anzunehmen, daß ein Präsidialkabinctt von Schlei­cher der Zustimmung des Zentrums, der BVP., der DVP. und auch der DNVP. sicher sein kann. Bezüglich der Haltung der Parteien ist noch weiter fcstznstcllen, das; die SPD. an ihrer grundsätzlichen Haltung, in die Opposition zn gehen, festhaktcn dürste. Es ist natürlich aber die Frage, wie weit diese Opposition sich bei der sachlichen Arbeit bemerkbar ma­chen wird. Gänzlich ungeklärt ist nach wie vor die Hal­tung der NSDAP. Trotz einer ofsiziöscn Feststellung aus Weimar, dast von einer Reise Hitlers nach Berlin nichts bekannt sei, rechnet man in Berliner unterrichtete» Kreisen nach wie vor damit, dast eine Fühlungnahme zwi­schen Hitler und von Schleicher direkt oder indirekt doch noch zustande kommen wird. Man hält cs nicht für ausgeschlossen, dast auch die NSDAP, ichliestlich einem Kabi­nett von Schleicher gegenüber, das mit einem stark veränder­ten Programm vor den Reichstag treten würde, irgendwie eine andere Haltung einuehmen wird als das gegenüber dem Kabinett von Papen mar. Trotz grundsätzlicher Opposi­tionsstellung gegen ein solches Kabinett scheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen zu sein, dast auch hier eine sachliche Hal­tung zn diesem Kabinett zu erzielen sein wird. Sollt« sich diese Mitarbeit der Nationalsozialisten nicht Herstellen lgs^n, so dürfte Herr von Schleicher das Kabinett auch ohne die NSDAP, bilden können. Ob er hierzu bereit ist, hängt jedcnsalls von dem weiteren Gang der Besprechungen ab.

Seine Entscheidung dürfte Herr von Schleicher jedenfalls nicht fällen, bevor nicht in der einen oder anderen Form eine Klärung in der Haltung der NSDAP, ein­getreten ist. Unter diesen Umständen hält man es für mög­lich, dast sich die Ernennung des Kabinetts noch um einige Tage h i n a n sz ü g e rt. Eine endgültige Stellungnahme der Parteien zu einem Kabinett Schleicher liegt in, übrigen zur Stunde selbstverständlich noch nicht vor.

Von den Berliner Blättern wird allgemein erwartet, dast schon im Laufe deS heutigen Donnerstag eine Klärung der Regierungskrise erfolgt. Im Vordergründe steht die Kanz- lerkandidatur des Neichswchrministcrs von Schleicher. Nach demL v k a l a n z c i g e r" wird angenommen, daß der Reichspräsident in der gestrigen Besprechung mit Schleicher auf Beschleunigung der Regierungsbildung gedrängt hat, zu­mal dem Reichspräsidenten und auch anderen veraniwortlichcn Politikern aus dem Reiche mehrfach das dringende Ersuchen aus Beendigung des unsicheren politischen Zustandes zugegan­gen sei. DieD A Z." erfährt, dast jetzt nicht mehr mit einem Berliner Besuch Adolf Hitlers zu rechnen sei. An seiner Stelle werde voraussichtlich im Laufe des heutigen Vormit­tags Gregor Straffer wieder in Berlin eintresfcn. Aller­dings verlaute, dast Straffer nicht mit Vollmachten für poli­tische Verhandlungen versehen worben sei. Bei den heutigen Besprechungen werde sich erst Herausstellen, welchen Sinn die Mission Strassers haben solle. Das Blatt rechnet auherdcm damit, daß es noch einige Tage dauern werde, bis Schleicher mit der Regierungsbildung beauftragt werde. Auch zu dem Rätselraten über die Zusammensetzung eines Kabinetts Schleicher gibt dieDAZ." einen neuen Beitrag. In unter­richteten Kreisen verlaute, dast es weniger Veränderungen aufweisen dürfte als zeitweise angenommen worden sei. Für

das Rcichscrnährungsministcrium werde jetzt Herr von Flemming genannt, für das Arbeits-Ministerium Pros. Briest. Mittwoch nachmittag habe v. Schleicher u. a. mit dem Führer der Christlichen Gewerkschaften, Otte, verhan­delt. TerBörsenkurses weist aus die Besprechungen Schleichers mit den Führern der Wirtschaft und den Gewerk­schaften hin und sagt, dast sei» Programm versöhnlich sein soll. Soweit bekannt, plane General Schleicher eine groß­zügige Amnestie für diejenigen, die von der drakonischen Ju­stiz der Sondcrgerichtc getroffen wurden. Er plane auch eine Lockerung der sozialpolitischen Bestimmun­gen der letzten Notverordnung. Hier handle es sich beson­ders um die Ermächtigung zur Lohnkürzung. Im Vorder­grund solle wirkliche praktische Arbeitsbeschaf­fung stehen. DaS Programm Schleicher bringe cs mit sich, dast die Nationalsozialisten in der Form ihrer Opposition sehr vorsichtig sein müßten. Es liege z. B. in ihrer Hand, den Reichstag arbeitsunfähig zu machen und ein Amncstiege- setz zu vereiteln, das sicherlich auch nicht wenigen SA.-Leutcn zugute käme. DieD e u t s ch e Z c i tu n g" erfährt, daß dem Reichswehrmiuisterium in den späten Abendstunden von Weimar ans mitgeteilt worden sei, dast Hitler nicht nach Ber­lin komme. Es scheine aber dabei von Hitler der Wunsch aus­gesprochen worden zu sein, es nicht zu einem Bruch mit Schleicher kommen zu lassen.

Adolf Hitler kommt nicht nach Berlin

Als Adolf Hitler am Dienstag abend in München den Berliner Schnellzug bestieg, glaubte man allgemein, er werde sich zu der angekündigten Besprechung mit v. Schlei­cher nach Berlin begeben. Hitler hat jedoch den Zug in Weimar verlassen, um sich, wie es heistt, am thüringer K-mmunalivaZlkcrnpf zu beteiligen. Zunächst berief er aber seine Mitarbeiter Gregor Strastcr, Dr. Frick, Reichstags- Präsident Göring und Dr. Göbbels zu einer Besprechung der politischen Lage nach Weimar. Von offiziöser national­sozialistischer Seite wird erklärt, daß es sich bei dieser gestern stattgehabten Besprechung nicht um Fragen der augenblick­lichen Regierungskrise gehandelt habe. Adolf Hitler habe vielmehr mit seinen Führern sich lediglich informatorisch unterhalten. Von einer Reise Adolf Hitlers nach Berlin sei den nationalsozialistischen Kreisen nichts bekannt. Auf jeden Fall bleibe Adolf Hitler in Thüringen, um den Nest der Woche an den kommnnalpolitischen Wahlkämpfen teilzu­nehmen.

Besprechungen zwischen Zentrum und Nationalsozialisten

Zu Meldungen der Berliner Morgenpresse über Bespre­chungen von führenden Mitgliedern der Deutschen Zcn- trumspartei und der NSDAP, am 29. November wird von leiten der Zentrumspartei festgestellt, daß diese Besprechun­gen lediglich der Klärung der technischen Fragen bei der ersten Neichstagssitzung gebient haben.

Es handelt sich bei dieserKlärung der technischen Fra­gen" offenbar um die Haltung der Zentrumsfraktion bei der Wahl des Reichstagspräsidtums. Das Zentrum wird entsprechend dem bisherigen Brauch für die Wahl eines Mitgliedes der stärksten Fraktion, also des Nationalsozia­listen, stimmen.

Die Dentschnationalen für krisenfeste Regierung mit klarem Wirtschaftsplan.

Angesichts der Verzögerung bei dem Versuch der Bildung einer neuen Regierung befragte der Vertreter einer Berliner Schriftleitung den politischen Beauftragten der DNVP.. Neichstagsabg. S ch m i t t-Hannover, nach seiner Auffassung über die dringendsten Aufgaben. Neichstagsabg. Schmitt sagte, das Gebot der Stunde sei die Bildung einer krisen­festen Negierung mit klarem, einheitlichem Wirtschaftsplan.

Neuer Kamps um die Eilenkahnabfindung

Bayern klagt gegen dag Reich.

TU. München, i. Dez. Der Leiter des bayerischen Finanz­ministeriums, Staatssekretär Schaffer, teilte im Staats- hanshaltsausschntz des bayerischen Landtages mit, daß zurzeit -wischen Bayern und dem Reich Verhandlungen über die ^ ° * d^erung Bayyerns auf 15,l Mill. Mark schwebten. Diese Summe bilde den Fehlbetrag der durch die starke Min­derung an Neichsstenerüberweisungen im bayerischen Staats­haushalt verbleibe. Der Staatsrat wies darauf hi», daß das Reich für Maßnahmen, über deren Zweckmäßigkeit man strei­ten könne, Hunderte von Millionen aufgebracht habe. Es müsse kiher auch möglich sein, dast die öffentlichen Institute, wie es Länder und Gemeinden seien, dieselbe Gnade fänden, wie gewisse wirtschaftliche Großbetriebe. Hinzukomme, daß die allgemeine Finanzpolitik eine Aenderung des Finanzaus- kleichs gebracht habe. Das Reich habe einzelne Teile der Ein- kommensteucr mit besonderen Namen belegt, die Leüigen- steuer usw. und damit diese Teile zn hundert vom hundert sür

sich einbehalten, so daß Länder und Gemeinden heute tatsäch­lich nicht mehr 75, sondern nurmchr 50 v. H. der Einkommen­steuer bezögen.

Bei der Neichsbahnabfindung forderten die Län­der nicht, daß das Reich den Kapitalbctrag auslege, weil das Mittiardenbctrüge wären. Das Reich habe aber 500 Millio­nen Neichsbahnvorzugsaktien, die nicht Vermögen des Rei­ches, sondern gemeinsames Vermögen der früheren Eisen- bahnländcr seien. Diese Vorzugsaktien brächten eine Divi­dende von 7 v. H.» also von 85 Millionen Mark. Das Reich habe sich früher grundsätzlich bereit erklärt, diese 85 Millio­nen als Abschlagszahlung für die Zinsansprüche der Eisen­bahnländer zur Verfügung zu stellen. Das Reichsfinanzmi­nisterium habe nunmehr Bayern mitgeteilt, daß es feine ge­samte Nechtsanschauung geändert habe und dasRechtjeg- lichen AufwertungS- und Entschädigungsan­spruches der Länder überhaupt bestreiten wolle. Staatsrat Schösser erklärte» er habe der Neichsregie- rung nur geantwortet, daß ihm diese Auffassung ganz ange-

Tages-Tpiegei

Die Regierungskrise ist immer noch nicht beendet. Die fit» gestern erwartete Aussprache Schleicher-Hitler fand nicht statt, jedoch haben sich die Aussichten für ein Kabinett Schleicher gebessert.

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Adolf Hitler hatte gestern in Weimar eine Besprechung mit seinen Unterführern. Er wird sich am Kommunalmahi- kainps in Thüringen beteiligen» also nicht nach Berlin reisen.

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Der bayerisch« Staatsrat Schaffer hat eine Klage Bayerns gegen Las Reich wegen der Eiseubahnabsindungen ange» kündigt.

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MacLonald begibt sich noch heute» Herriot morgen nach Genf» so daß nnn mit einer baldige» Ausnahme der Fiursmächts besprechung über die deutsche Gleichberechtigungssorderung gerechnet werden darf.

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Danzig hat in Gens erneut gegen die systematische Zer» störung der Danziger Wirtschaft durch Polen Einspruch er» hoben.

Die Siegessreude der amerikanischen Prohibktionsgegner ist gedämpft worden. Präsident Hoover hat die Herstellung von Bier mit 2,75 Prozent Alkoholgehalt abgelehnt.

nehm sei, weil der Bogen dadurch so überspannt würde, daß der Staatsgerichtshos ohne weiteres einsehen müsse, wo die Rechts- und Billigkeitsansprüche lägen. Die Folge werde eine beschleunigte Feststellungsklage beim Staatsgerichtshof sein müssen. Für Bayern würbe sich für di« letzten zwei Jahre daraus ein Betrag von 4.5 Millionen errechnen.

Eiwerbslosenkundgebungen im Reich

Hungermarsch ans Schwelm.

TU. Schwelm, 1. Dez. Unter offensichtlicher Leitung des Erwcrbölosenausschusses für den Emicpe-RuhrkreiS hatten sich tausende von Erwerbslosen aus dem ganzen Kreis auf­gemacht, um nach Schwelm zu marschieren und dort vor dem Kreishaus gegen die von der Negierung herab­gesetzten Wohlfahrtssätzezu protestieren. Ter Landrat hatte den sogenannten Hungermarsch verboten und gleichzeitig polizeiliche Verstärkungen von Hagen in Westfa­len und Wuppertal nach Schwelm angesordcrt. Trotzdem tausende von Erwerbslosen unterwegs schon von der Polizei aufgehalten und zurllckgeschickt worden waren, gelang es einer größeren Anzahl von Erwerbslosen, in kleineren Gruppen Schwelm zu erreichen. Die Polizei mußte wiederholt mit dem Gummiknüppel Vorgehen. Die Polizei ist mit Karabi­nern ausgerüstet worden und hält die wichtigsten Punkte der Stadt besetzt.

Erwerbsloscnknudgebnngen vor Berliner Wohlfahrtsämter».

Am Mittwoch mittag fanden vor zwei Berliner Wohl­fahrtsämtern ErwerbSlosenkundgebungen statt, die Las Ein­greifen der Polizei notwendig machten. Vor dem Wohlfahrts. amt in der Steglitzer Straße 51 versammelten sich etwa 5M Erwerbslose, diewir haben Hunger" riefen und inNiedcr- Rufe" gegen die Neichsregierung ausbrachen. Die Polizei zerstreute die Demonstranten und räumte das Wohlfahrts­amt. Aehnliche Vorfälle spielten sich vor dem Wohlfahrts­amt In der Danziger Straße 64 im Norden Berlins ab, wo etiva MM Personen Kundgebungen veranstalteten.

Herriot und Mocdonald fahren nach Genf

TU. Genf, 1. Dez. Ministerpräsident Herriot erklärte am Mittwoch abend französischen Pressevertretern, daß er endgültig am Freitag nach Gens abreisen werde- Ter eng­lische Ministerpräsident Macdonald hat jetzt endgültig beschlossen» zusammen mit dem Außenminister Sir John Si­mon heute mittag von London nach Gens abzurcisen.

Eine Verlautbarung hierzu besagt, daß Amerika durch Norman Davis und auch Italien bereits in Gens vertreten seien. Der Zweck der Reise Macdonalds nach Gens bestehe darin, einen erschöpfenden, wenn auch inoffiziellen Mei­nungsaustausch zu ermöglichen, um eine Grundlage sür die Rückkehr Deutschlands zur Abrüstungskonferenz zu finden.

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Amerika «nd die Abrüstungskonferenz

Die amerikanische Abrüstungsaborünung wird versuchen, die aus der letzten Abrüstungssitzung von den Hauptmächten angenommenen Abrüstungsvorschläge, die sich aus die Ab­schaffung von Tanks, des Gaskrieges, von Bombenflugzeu­gen und schwere Mortorgeschiitze beziehen, noch vor der näch- sten Vollsitzung in Form eines Vertrages festzulegen. Aus diese Weise soll eine baldige endgültige Annahme der Vor­schläge ermöglicht werden.