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Nr. 281

Mittwoch, den 30. November 1932

Jahrgang 105

Unveränderter Stand der Regierungskrise

Zwischenbericht beim Reichspräsidenten - Eine neue Aussprache Schleichers mit Hitler

TU. Berlin, 80. Nov. Am Dienstag in den frühen Nach- »littaastnnden erstatteten Reichskanzler von Papen. Reichsivehriniiiistcr von Schleicher »nd Staatssekretär Dr. M cistner dein Reichspräsidenten über den bisherige» Verlauf ihrer Fühlungnahme mit den Parteien und sonsti­gen Organisationen Bericht. Da die Besprechungen mit den Nationalsozialisten noch nicht beendet sind inan rechnet doch noch mit einer Aussprache Schleichers mit Hitler konnte diese Berichterstattung vor dem Reichspräsidenten nnr eine Art Zwischenbericht sein. Tie endgültige Entschei­dung wird erst fallen, wenn Schleicher seine Unterredung mit Hitler gehabt haben wird.

Wie die Telegraphen-Union von zuverlässiger Seite er­fährt, hat Adolf Hitler sich entschlossen, dem Wunsche Schleichers zu entspreche» und z» einer Anssprache mit ihm über die politische Lage nach Berlin z» kommen. Hitler wird heute gegen 9 Uhr in Berlin einlresfen und gleich anschlie­ßend dürfte die Besprechung stattsindcn, jo daß noch gegen Mittag d e in R e i ch s p r ä >' i d e n t e n n ber das Er­gebnis dieser Aussprache Bericht erstattet wer­den kann.

Der Reichspräsident empfing am Dienstag den ans Gens znrückgekehrtcn Reichsminister Freister»n von Neurath zum Bortrag.

Die Entscheidung zwischen Pape» nnd Schleicher ist noch nicht gesallen. Gut informierte Kreise zweifeln auch daran, ob tatsächlich der heutige Mittwoch eine Klärung bringen wird. Es ist sehr fraglich, was bei der Besprechung zwischen Hitler nnd Schleicher herauskvmmt. Nach den be­stimmten Aeusterungen der nationalsozialistischen Presse darf man aunehmcn, daß eine Tolerierung eines Ka­binetts Schleicher mit Sicherheit von Hitler abgelehnt wird. Eine andere Frage wäre es natürlich, ob nicht eine Unterhaltung über die Art nnd Weise, wie eine Opposition gegen ein Kabinett Schleicher von der NS­DAP. zu führen ist, doch Zweck hätte, da man in politischen Kreisen annimmt, daß die Opposition der NSDAP, gegen ein Kabinett von Schleicher schwächer sein würde als gegen ein Kabinett von Pape». Da Schleicher noch immer als Freund der nationalsozialistischen Bewegung gelten kann, hält man es jedenfalls in bestimmten politischen Kreisen noch immer sür möglich, dast hier wenigstens gewisse A n n ä h e r u n g S m v g l i ch k e i t e n gegeben sind

Verläuft das Gespräch Schleicher-Hitler negativ oder kommt es nicht zustande, so besteht die Wahrscheinlichkeit, daß dann Herr von Papen mit der Bildung eines Kabi­netts beauftragt wird. Es ist aber die Frage, ob es Herrn von Pape» dann gelingt, ein neues Kabinett ans d>. Beine zu stellen. Es besteht also auch dann immer noch die Mög­lichkeit, daß er nach seiner Betrauung den Auftrag nach einigen Tagen wieder zurückgibt »nd daß dann doch ein Kabinett von Schleicher gebildet wird. Da ein Kabinett Schleicher im Parlament zweifellos unter Umständen ans eine gemäßigtere Opposition zu rechnen hätte als ein Kabi­nett von Papen, glaubt man jedenfalls, derartige Möglich­keiten so lange nicht von der Hand weisen zn dürfen, als ein Kabinett von Papen nicht ernannt ist.

Bon den Berliner Blätter» wird allgemein ans die große Bedeutung Hingeiviesen, die der Besprechung des Reichswehr Ministers von Schleicher mit dem Führer der NSDAP, zu- komnit. DieDAZ." weist darauf hin, daß die Preußen- srage innerhalb der Besprechung Schleick/kr-Hitler sicher eine» wichtigen Punkt bilden werde. Bon nationalsozialistischer Seite werde ergänzend bemerkt, daß die Besprechung wohl vorwiegend den Plänen gelte, de» Reichstag nach seiner Konstituierung zunächst bis zum 10 . Januar zn verta­nen. um Raum für neue Verhandlungen über die Regie­rungsbildung zn gewinnen. Im übrigen werde hervorgcho- ben, daß weitere Verhandlungen mit Parteien nicht mehr ge­plant seien, denn mit der jetzige» Hitlerbesprcchnng solle der Kreis geschloffen werden. DerB örscnkurie r" tritt den Gerüchten entgegen, dast eine Kntschliesmng im Sinne eines geschäftsführcnden Kabinetts von Papen gefallen sei nnd schreibt n. a.: Die Andeutungen, daß das bisherige Kabinett als geschäftssührcnde Negierung im Amte gehalten werden könnte, würden schon durch die Tatsache widerlegt, daß eine Anzahl von Ministern, wie z. B. der Reichssinanzminister Schwerin von Krosigk, der Wirtschastsmknister Prof. Warm- boid und nicht zuletzt der Minister ohne Portefeuille »nd Preußenkommissar Dr. Bracht es ablehnen würden, in dem bisherigen Kabinett von Pape» weiter zn amtieren. Weiter verzeichnet der Börsenknricr das Gerücht, daß General von Schleicher, der, wie man wisse, nur ungern in den Vorder- grnnd trete, sich zn der Einleitung der gegenwärtigen Ver­handlungen erst verstanden habe, als der Reichspräsident a n f seine eigene Person betreffende Möglichkei­ten hingewiesen habe, deren Verwirklichung heute niemand Wünsche» könne.

TicDeutsche Tageszeitung" erklärt es als eine Tat­sache, daß Schleicher einen großen Arbeitsbeschaf- fnngsplan durch die öffentliche Hand in sein Programm ausgenommen habe, der auch dem nationalsozia­listischen Standpunkt mindestens weit entgegenkomme. Es werde aber ein ArbeitSbeschasfungsprogramm aus der Grundlage des Planes der Landgemeinden auch dann vor­gelegt werden, wenn der Verständigungsversuch mit der NSDAP, endgültig scheitern und der Reichspräsident dann ein ausgesprochenes Kampfkabinett berufen sollte, das nicht unter der Leitung Schleichers stehen würde.

Die NSDAP, gegen einen Waffenstillstand

Die NSK. veröffentlicht unter der NeberschriftMut zur Wahrheit" einen Artikel des Pressechefs der NSD­AP-, Dr. Otto Dietrich, worin es heißt, der Führer der NSDAP, besitze die unbedingte Autorität und das unein­geschränkte Vertrauen von 12 Millionen wahlberechtigten Deutschen und damit die absolut notwendige Grundlage für jedes Kabinett, das dem Willen des Volkes entspreche nnd den Namennational" für sich in Anspruch nehme. Der Weg der NSDAP, führe nur über Adolf Hitler. Wer gegen den Führer der Bewegung sei, der müsse wissen, daß er ans die unerbittliche Feindschaft dieser Millionen stoße. Man sollte meine», daß diese selbstverständliche Konsequenz auch den amtlichen Kreisen und den Ratgebern an erster Stelle inzwischen klar geworden sein müßte. Wenn ihnen dafür die Begriffe fehlten, müßte ihnen wenigstens die Er­fahrung gezeigt haben, daß bisher noch jedes PräsiSialkabi- nett zum Scheitern verurteilt gewesen sei, bas geglaubt habe, ohne und gegen die nationalsozialistische Bewegung regie­re» z» können. EinWaffenstillstand" in diesem Angenvlick würde ein Freibrcei sein für weitere Regie- rungSexperimente, die auf dem schnellsten Wege zu liquidie­ren die Pflicht aller Verantwortlichkeit sei. Nachdem die Härte der Tatsachen die Unmöglichkeit der Ausschaltung der nationalsozialistischen Bewegung aus der Regierungsfijh- rung erwiesen habe, würde eine neue Verschlcierungs- und Verschleppungstaktik nur nencs Unheil über das deutsche Volk heraiifbeschwören. Die NSDAP, könne es vor dem deutsche» Volk nicht vertreten, sich zu einem solchen ebenso aussichtslos wie verhängnisvollen Beginnen hcrzngeben.

TU. Berlin, so. Nov. Reichssinanzminister Graf Schwerin von Krosigk sprach Dienstag abend in der Hochschule sür Politik. Er gab zunächst einen Ucberblick über die Entwickelung der öffentlichen Finanzen seit dem Jahre 1929, der, wie er sagte, die außerordentlich starke Kvnjunktur- bcdingtheit der öffentlichen Haushalte zeigte. Seit dem Jahre 1929 ist, so führte der Minister u. a. aus, das gesamte Steuer­aufkommen «einschließlich Zölle» in Reich, Ländern und Ge­meinden von 18,5 ans 10 Milliarden Rm., die voraussichtlich im Jahre 1982 aufkommen werden, zurückgegangen, obwohl in dieser Zeit Stencrerhvhniigcn und neue Stenern im Aus­maße von rund 2,5 Milliarden Rm. jährlich eingeführt wor­den sind. In Wirklichkeit ist also seit 1929 ein Steuer- aussall von 0 Milliarde » Rm. eingetreten. An ein­zelnen Stenern wies der Minister die Stufenfolge der Kon- jnnkturempsiildlichkcit der Stcuerarten »ach. Die sonstigen Einnahmen ans Anleihen, Berwaltungseinnahmen und der­gleichen sind gegenüber 1929 auch um 2,2 Milliarden gesunken.

Demgegenüber sind die Ausgaben für die gesamte Arbeitslosen f ü rsvrge um 1^ Milliarden Mark ge­stiegen »nd würden sich »m weitere 11 ^ Milliarden Mark erhöht haben, wenn nicht Kürzungen der UntcrstütziingSiätze und andere Sparmaßnahmen seit dem Jahre 1980 durchgc- führt worden mären. Insgesamt ist also eine Verschlech­terung der öffentlichen Haushalte n m rund 1 0 Milliardc » R m. eingetretc n.

Hiervon sind gedeckt durch Stenererhöhungen Milliar­den R»i durch Erhöhung der Beiträge znr Arbeitslosenver­sicherung und Einführung der Arbeitslosenhilfe 0,7 Milliar­den, durch drei Gehaltskürzungen, Kürzungen der Pensionen n»d sonstigen Bcrsvrgungsbezügen 1,6 Milliarden sowie dnrch schärfste Kürzung der sächlichen Ausgaben in Höhe von 3,5 Milliarden, ferner durch Wegfall der Reparationen nach Absetzung der besonderen etwa 0,7 Milliarden Rm. be­tragenden Reparationsstenerii 1 Milliarde Rm.

Infolge des Fehlens einer Haushaltskonjunkturpolitik in Sen Jahren seit 1926 sind Reich, Länder und Gemeinden ohne Reserven in Sie Krise hineingegaiigc». Daraus ergab sich der Zwang, immer wieder die Haushaltssehlbeträge durch die bekannten drakonischen Maßnahmen auf der Einnahme- und Ausgabeseite zu decken. Diese Maßnahmen trnaen nun in-

Tages-Spiegel

Die Berliner Regierungskrise ist immer noch u»gelöst. Gene­ral v. Schleicher wird heute in einer Aussprache mit Hit­ler einen letzten Versuch nnternehmcn, ehe der Reichsprä­sident den Schlußentschcid trifft.

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Nachrichten, welche von Rücktrittsabsichten des Reichspräsi­denten berichten» wenn keine befriedigende Lösung der Krise erfolgen sollte, finden keinen Widerspruch.

In einem Vortrage bezifferte der Reichsfinanzminister die Stcueransfälle seit 1828 mit 8 Milliarden

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Ter Präsident des Statistischen Neichsamts, Professor Wage­mann, äußerte sich optimistisch über die Weiterentwicklnng der Wirtschaft.

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In Paris wurde gestern der französisch-russische Nichtan­griffspakt unterzeichnet. Hcrriot hat infolge der Pariser Beratungen über die Kriegsschnldenfrage seine Reise nach Genf verschoben.

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Der Württ. Landtag hat gestern seine Tagnng, die zwei Wo­chen dauern soll, eröffnet.

Unter der UeberjchriftTic NSTÄP. wird ein Kabinett Schleicher nicht tolerieren" bringt derVölkische Beob­achter" an der Spitze des Blattes einen Artikel Rosen­bergs, worin es heißt: Unsere Stellung zn einem eventuel­len Reichskanzler v. Schleicher ist so eindeutig ivie möglich. Die NSDAP, wird ein Kabinett Schleicher ebensowenig tolerieren wie das Unheilkabinett v. Papen. Die Gründe sind die gleichen.

Verhandlungen über d'e Prenßensrage.

Wie derL o k a l a n z e i g e r" erfährt, haben im Laufe des Dienstag wieder Vertreter der N SDA P. mit Vertre­tern des Zentrums Fühlung genommen. Es sollen Be­sprechungen mit Göring, Kaas, Esser und dem Versitzenden der preußischen Zentrumöfraktion, Lauscher, stattgesunöcn haben, ob die Wahl eines preußischen Ministerpräsidenten durch Zentrum und Nationalsozialisten die Möglichkeit zu einer Verständigung mit dem Reichspräsidenten unter der Voraussetzung biete, daß in Preußen der Reichskom- missar zurückgezogen werde.

folge ihrer drosselnden Wirkung in immer stärkerem Matz« ihrerseits wieder zur Verschärfung der Krise bei. Es war infolgedessen notwendig, sobald Anzeichen dafür sprachen, daß die Krise ihren tiefsten Punkt erreicht hätte, durch eine Entlastung der Wirtschaft die Grundlage für eine endgültige Etatssaniernng zu legen. Da eine sofortige Steuersenkung aus Kassengründen nicht möglich war, ergab sich als natür­liche Folge der Weg der Steucrgutscheine.

Der Minister legte daun den Zusammenhang zwi­sch e n d e n S t e u e r g u t s ch e i n e n u n d d e m A r b e i t s- beschaff « ngsprogramm dar und sprach über Möglich­keiten und Grenzen eines solchen Programms. Abgesehen von der durch die Ausgabe von Steuergntscheinen ermöglich­ten Arbeitsbeschaffung beläuft sich das bisherige Arbeitsbe- schaffnngSprogramm der Neichsregiernng einschließlich der neuen Aufträge der Reichsbahn und der Reichspost auf rund

Milliarden Mark.

Er trat weiter den Besorgniffen entgegen, die hinsichtlich einer zu starken Belastung künftiger Jahre in der Oeffcnt- lichkeit geäußert worden sind und gab hierbei einen Ueber- blick über die schon in früherer Zeit und unter der Regie­rung von Papen übernommenen Bürgschaften nnd über die sür Stiihnngszmeckc auSgegebcnen Schatzanweisiinge».

Nach dem letzten Stand sind für 2146 Millionen Reichsmark Bürgschaften einschließlich aller B a n k e n g a r a n t i e n übernommen, davon entfallen auf das Kabinett von Papen 188 Millionen Reichsmark. An Schatzanwcisnngcn sind 1020 Millionen Reichsmark, davon 255 Millionen Reichsmark vom Kabinett von Papen begeben bzw. sind demnächst noch zu begeben. Von diesen Schatzan- iveisungcn sind 385 Millionen zur Sicherheitsleistung be­geben.

Die Belastung der Jahre 1983-88 beträgt daher zwischen 125 und 200 Millionen Rm. jährlich ans Schatzanmeisungen je nach der tatsächlichen Inanspruchnahme der für Sicher­heitsleistungen gegebenen Schatzanmeisungen. Dazu kommen aus Steuergutscheinen jährlich 300500 Millionen Rm. je nach dem Ausmaß der Verwendung von Steuergutscheinen für Mehreinstellnng von Arbeitern.

Sechs Milliarden Steuerausfall in drei Jahren

Der Reichssinanzminister über die Entwicklung der öffentlichen Finanzen seit 1928