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Samstag, 20. Dezember 19947

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Vor dem Fest

Von Ulrich Steiner

deuten, mag sich an die Bitterkeit und die Verlassenheit von Golgatha erinnern. Nichts ist schlimmer als der nur äußere Schein der Frömmigkeit, nichts wirkt christlicher als die stille brüderliche Tat.

Um die Weihnachtszeit herum pflegen die | Menschen sich dem Innigen zuzuwenden. | Weihnachten ist nach alter Gewohnheit das Fest der Liebe, Güte und Wärme. Es be­deutete und bedeutet vielleicht auch man­chem noch heute zugleich das Fest der Fa­milie, des Glanzes und der strahlenden lich­ter. Wenigen aber hat es zu allen Zeiten Anruf gegeben zur echten Besinnung, zu einer Besinnung, die weiterreichen sollte als bis zu Silvester oder dem Dreikönigstage. Aber ist Weihnachten, ist die Geburt des Erlösers nicht eine Forderung, die über die Stimmung der Weihnachtstage hinaus ihren Emst und ihre Gültigkeit tragen muß durch das ganze schwere Jahr? Sollten nicht die Kerzen des Weihnachtsbaumes, entzündet zur hohen Ehre des menschgewordenen Gottes der Liebe, ihr Licht und ihre Wärme gerade dann den Menschen spenden, wenn sie in der düsteren Alltäglichkeit der gewöhn­lichen Jahreszeiten unterzugehen drohen? Mag es Zeiten gegeben haben, in denen es erlaubt war, das Weihnachtsfest vor allem als eine sehr persönliche und beglückende Angelegenheit der Familie zu feiern, so ist es heute in den Zeiten der Prüfung ein wirkliches Fest der Brüderlichkeit, so wie Gott damals seinen Sohn schickte, nicht um eine glanzvolle Welt durch höheren Glanz zu vollenden, sondern eine verlorene durch das Symbol der überwindenden Liebe zu

retten. , ...

Weihnachten kann heute nur noch gefeiert werden, ja es darf nur noch begangen wer­den mit der schweren Verantwortlichkeit, die Last und die Not des leidenden Geschöpfes selbst ehrlich auf sich zu nehmen. Es mag er­laubt sein, die ganze zarte Innigkeit der Legende von Bethlehem im eigenen Herzen von neuem voll zu erleben, aber aus die­sem Erleben müssen Kräfte wachsen, die uns das ganze Jahr hindurch dazu verhelfen, die Güte nicht allein in der Andacht, sondern in der spontanen Tat wirken zu lassen. Es gibt keine Einschränkung jener Forderung, die aus der Geburt Christi für die ihm Nach­folgenden entstanden ist. Wir wissen genaü, daß die irdischen Ordnungen mit der über­menschlichen Forderung, sich aufzuopfem, in dieser Welt zusammenstoßen, und wir wissen auch, daß die irdischen Gesetze ebenso von Gott stammen. Denn auch von der höchsten Macht ist die Natur mit ihrem Gesetz der Lebenserhaltung geschaffen worden.

Müßig ist es zu fragen, warum in der Welt des Geschaffenen der Fürst dieser Welt überhaupt vorhanden und ihm so große Ge­walt emgeräumt wurde. Was uns als Auf­gabe gestellt ist, verlangt, uns im Weltlichen zu bewähren und trotzdem den Weg zum Licht zu finden. Das will ganz -einfach be­deuten, unsere menschliche Pflicht zu tun, nicht um unserer irdischen Erfolge und Be­quemlichkeiten willen, sondern um die Bot-

Volkspolizei in Brandenburg

hr. Potsdam. Das Verhalten der Po- 'izisten, das im Rundfunk, der Presse und in allen Schichten der Bevölkerung mehr- "ach Anlaß zu Beschwerden gegeben hat, ver­anlaßt die Pollzeiabteilung im Ministerium des Innern der Landesregierung Branden­burg, einen Befehl herauszugeben, in dem es heißt: Uebergriffe der Polizisten und Gangstermethoden sowie Wegelagerermanie­ren untergrüben den Ruf und das Ansehen i der Polizei. Großmäuligkeit, imverschämte, freche und beleidigende Redensarten, das Beschlagnahmen von Lebensmitteln ohne Ausstellung von Bescheinigungen, ungenier­tes Auffressen beschlagnahmter Lebensmittel noch in Gegenwart der Betroffenen, Tätlich­keiten gegenüber Frauen unter Drohung mit gezogener Pistole, Korruption durch Be­stechung mit Zigaretten, Dienst in Hemds­ärmeln ohne Rock, ohne Koppel, in Haus­schuhen, mit offenem Hemd, werden in dem Befehl bemängelt. Der Verfasser des Be­fehls bezeichnet derartige Polizisten als ..Polizeibanditen und stellt fest, daß er bei seinen gelegentlichen Kontrollen zu 75 Pro­zent auf ausgesprochene Flegel stoße, die jede Höflichkeit vermissen ließen.

Schaft zu erfüllen. Bei allen Handlungen, die wir begehen, bei allen Worten, die wir an unsere Mitmenschen richten, dürfen wir eines nicht vergessen, daß wir nicht um eines Drit­ten willen reden, sondern daß Gott selbst der Partner unseres Gespräches ist. Mag dann die Welt noch so trostlos, noch so dunkel, noch so bitter erscheinen, so könnten wir nie ganz verlassen sein, denn das tröstende Wort wird uns erreichen, wenn wir nur guten Willens sind. Guten Willen zu haben bedeutet, ohne Verzweiflung zu war­ten, bis die Gnade zu uns kpmmt. Nicht die schicksalhaften, noch so schweren äußeren Gegebenheiten sind es, die das Wirkliche unfl das Wesentliche des Lebens ausmachen, sondern die innere Bereitschaft, das demut­volle, trotz allem liebende Herz. Nicht ist es uns erlaubt, sparsam mit uns zu sein, sondern es ist uns geboten,' aus der Fülle unseres Herzens zu geben und zu schenken, was immer wir vermögen. Es ist gewiß nicht leicht, in einer Welt, die die Dankbarkeit nicht kennt und die Güte mißachtet, ohne Lohn und Anerkennung der höheren Pflicht zu folgen. Aber jeder, Krippe und

Kreuz mehr als sonntägliches Symbol be­

sieh zum Christentum zu bekennen, heißt und das ist in der heutigen Zeit besonders notwendig auszusprechen, nicht allein Güte und Liebe seiner Familie, seinem Freundeskreis, Menschen, die einem natürlich nahestehen, angedeihen zu lassen, sondern ebenso dem unbekannten fremden Wanderer, der hilfesuchend an die Türe klopft. Nicht müde dürfen Wir werden und nicht verhärtet, wenn die Zahl der Hilfesuchenden wie eine dunkle Flut steigt und die übergroße Not der Zeit uns zu erschöpfen droht. Jedem ist eine Grenze gesetzt, auch in der Möglichkeit, tätige Liebe zu beweisen. Aber dabei müs­sen wir uns sehr ernsten Gewissens prüfen, ob wir die Pfähle nicht noch weiter stecken können, wenn wir diese Grenze erreicht haben. Es ist wohl richtig, daß wir es uns mit unserem Handeln schwermachen müssen, aber schenkt uns nicht gerade die frohe Kunde der Heiligen Nacht jene lebendige und tapfere Kraft, die Dunkelheiten des Jahres zu erhellen.

Sc verstanden ist das Christentum heute nicht nur glücklich feierlicher Ausklang des Jahres, so verstanden ist es verpflichtende Weisung durch ein ganzes Jahr hindurch.

Der Ring des Polykrates

A. N. Polykrates warf seinen kostbaren Ring ins Meer, seine Schuld an Fortuna zu verringern. Aber der Fisch ward gefangen, der den Ring in seinem Magen wieder an den Haushalt des Polykrates ablieferte. Da wandte sich der Gast mit Grausen, berichtet Schillers Ballade. Amerika ist der Polykrates der modernen Welt, und der Marshall-Plan der Ring, den das zu reiche Land wegwerfen will, sein Glück auch fürder zu versöhnen. Viele Leute in den Vereinig­ten Staaten befürchten nämlich, daß sich die Krisengeschichte nach dem zweiten wie nach dem ersten Weltkriege wiederholen könne. Schon liegt der Lebenshaltungsindex höher als auf depn Gipfel der Konjunktur von 1920, die dann so jäh abstürzte. Und die Preise steigen weiter. Manche nennen das bereits die Flucht in die Sachwerte und sprechen von Inflation. Aber die Konjunk­tur hält an und läuft auf hohen Touren. Die Vereinigten Staaten sind das einzige Land der Erde mit einer gigantischen Zah­lungsbilanz, deren jährliches Aktivum an die acht Milliarden Dollar beträgt. Bald aber kann die Folge nicht mehr die sein, daß Amerika reicher, sohdern nur noch die, daß die andere Welt ärmer wird. Amerika ist wie der Kaufmann in einer armen-Straße: die Schaufenster sind voller Waren, aber niemand hat mehr Dollars, sie zu kaufen. Und der Kaufmann entschließt sich, eine Weile zu verschenken, statt zu verkaufen. Da­mit die Kunden wieder zu Atem kommen und wieder kaufen können. Dies ist ja wohl der Sinn des Marshall-Planes: die Käufer wieder kaufkräftig zu machen und so die Märkte der Zukunft abermals dem amerika­nischen Export zu öffnen und zu sichern. Amerikas Milliardengeschenk an die Welt mag zunächst wie eine romantische Ballade anmuten; doch die Nutzanwendung des mo­dernen Polykrates beruht auf einer klugen Berechnung. Hoffen wir, daß die Rechnung aufgeht und nicht vorher ein böser Fisch kommt, der Marshalls kostbaren Plan auf­frißt.

AM RANDE

Das kommunistischeNorddeutsche Echo schreibt, daß von den 280 Zeitungen Deutschlandsdie Sowjetunion 187, die britische Zone 44, die amerika­nische Zone 43 und die französische Zone 17 be­heimatet**.

Der Nordsee-Alpen-Expreß Bremerhaven Mün­chen, Reichsb&hn-KurBbezeichnung D 376, führt folgendes Schild:2, Klasse Behördenverkehr, 3. Klasse Schwerbeschädigte**.

In einem Vortrag in Düsseldorf stellte Profes­sor Friedrich Hirth fest, daß Heinrich Heine gebo­ren worden ist, ehe seine Eltern heiraten konnten. Der Vater, der aus Hannover kam, konnte erst die Ehe schließen, als er das Niederlassungsrecht in Düsseldorf erhielt. Heine gab als Geburtsdatum den 13. Dezember 1799 an, war aber in Wirklichkeit .am 13. Dezember 1797 geboren. Die uneheliche Geburt soll der Grund des Hasses seines Hambur­ger Onkels Salomon Heine gewesen sein.

Für die verschleppten Personen der amerika­nischen Zone erscheinen 30 Zeitungen und 36 Ma­gazine in einer Gesamtauflage von ungefähr 12.700 Exemplaren.

Aus dem Verwaltungsgebäude der ZecheKaiser­stuhl I** wurden bei einem Einbruch 277 000 Berg­mannspunkte gestohlen.

In HÖrsching bei Linz verletzte in einem Kino ein amerikanischer Soldat seine österreichische Geliebte durch Schüsse schwer. Das Mädchen war 14 Jahre alt.

In Rumänien wurden alle amerikanischen Filme vom Programm abgesetzt. Sie werden erneut zen­siert. Filme, in denen bestimmte Schauspieler auf- tr$ten f werden nicht mehr zugelassen.

Wetterbericht

Bei nördlicher Luftströmung, sind die Tempera­turen in der nächsten Zeit starken Schwankifhgen unterworfen. Wechselnd zwischen heiterem und kal­tem Wetter mit Nachtfrösten bis minus 10 Grad und trübem Wetter mit Schneefällen bei Temperaturen nahe 0 Grad.

|if)njof»frlje|rifung

Mitglieder der Redaktion: Dr. Konrad Fakler, Alber» Komma, Dr. Alphons Nobel, Johannes Sdimid. Verlag: Schwäbischer Verlag, KG., Friedrichshafen, in Leutkirch. Druck: Rottweiler Verlags- und Druckerei­genossenschaft, Rottweil.

NACHRICHTEN AUS ALLER WELT

Alte Farben über Frankfurt Die Stadt Frankfurt hat von der Militärregierung die .Ge­nehmigung erhalten, während der Jahrhundertfeier der Deut­schen Nationalversammlung im kommenden Jahre eine Woche lang die schwarz-rot-goldene Fahne zu hissen. Der Genehmi­gung wurde hinzugefügt, sie habe nichts mit der Tatsache zu tun, daß diese Fahne während der Zelt der Weimarer Republik die deutsche Reichsflagge war.

400 000 Pakete aus dem Westen Auf den vier Berliner Haupt­postämtern lagern mehr als eine halbe Million Pakete, die aus dem Ausland und den vier Be­satzungszonen Deutschlands ein­getroffen sind. Auf dem Haupt­postamt Südwest warten allein 400 000 Pakete aus <fen drei West­zonen auf die Verteilung.

Britische Amnestie Die britische Kontrollkommission in Berlin gab bekannt, daß sie eine Weihnachtsamnestie ftß* Deutsche erlassen habe, die von der britischen Militärregierung zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, und deren Haft zwi­schen dem 16. Dezember und dem 31. Januar 1948 beendet sein wird. Voraussetzung, für eine Amnestierung sei die gute Füh­rung und der Besserungswille der Strafgefangenen.

Aufhebung der Zensur Der britische Außenminister Be- vin erklärte vor dem Unterhaus, daß die Briefzensur in der bri­tischen Zon» Deutschlands vom 1. März des kommenden Jahres an aufgehoben werden solle.

Spruch gegen Prinz Philipp Die Lagerspruchkammer des Internierungslagers Darmstadt reihte den ehemaligen Oberprä­sidenten der Provinz Hessen- Nassau, Prinz Philipp von Hes­sen, in die Gruppe der Aktivisten ein. Ein Drittel seines Vermö­gens wird eingezogen und die Intemierugshaft seit Mai 1945 wird ihm als Arbeitslager ange­rechnet. Prinz Philipp, ein Schwiegersohn des italienischen Exkönigs und ein Vetter des ge­storbenen Königs Boris von Bulgarien, war seit 1933 Oberprä­sident der Provinz Hessen-Nassau, um, wie er sagte,einen Gegen­pol zu den beiden rivalisieren­den Gauleitern Hessens zu bil­den.

Das Urteil gegen den Herzog Herzog Friedrich Franz von Mecklenburg ist von der Spruch­kammer Bielefeld zu 5000 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Er wurde aus der Intemierungshaft im Lager Eselsheide entlassen. Der Herzog, seit 1931 Mitglied der Nationalsozialistischen Par­tei und seit 1938 in diplomati­

schen Diensten, konnte nach- weisen, daß er nur geringe Kenntnis von den Verbrechen der SS hatte, deren Mitglied er war. Bei der Bemessung der Geldstrafe wurde berücksichtigt, daß der Herzog seinen Besitz in Mecklenburg bereits verloren hat.

Ein tragischer Zustand

Die Anfechtungsklage des Rechtsanwalts Dr. Joachim Spohr aus Gießen gegen den hessi­schen Minister für politische Be­freiung wegen der Verpflichtung zur Mitarbeit an der Durch­führung des Befreiungsgesetzes wurde vom hessischen Verwal­tungsgerichtshof zugunsten des Klägers entschieden. Spohr sollte verpflichtet werden, als öffent­licher Kläger an der Berufungs­kammer Gießen mttzuarbeiten. Die Verpflichtung wurde aufge­hoben, und die Kosten des Ver­fahrens wurden dem Befreiungs­ministerium auferlegt. In seiner Anfechtungsklage hat Spohr ge­sagt, er könne keine Sache mit Ueberzeugung vertreten, von deren Richtigkeit er nicht über­zeugt sei. Er habe sich während der Regierungszeit Hitlers gegen die Sondergerichte gewandt und sei nun der Meinung, daß die Spruchkammern ebenfalls Son­dergerichte seien. Sein erster Einspruch beim Befreiungsmini« 'Sterium war mit einem Hinweis auf einen Rechtsbefehl der Mili­tärregierung abgelehnt worden. Spohr nannte es einen tragischen Zustand, daß sich ausgerechnet das Ministerium für die Be­freiung vom Nationalsozialismus bei der Durchführung seiner Maßnahmen auf einen militäri­schen Befehl stütze.

Flucht aus Nürnberg Der SS-Gruppenführer und Gene­ralmajor der Waffen-SS, Walter Schimana, ehemaliger Polizei­führer in Griechenland, und von der griechischen und sowjeti­schen Regierung als Kriegsver­brecher beschuldigt, entkam sei­ner Bewachung in Nürnberg, als er aus dem Gefängnis in das La­zarett gebracht werden sollte. Seit dem 3. Dezember wird nach ihm gesucht. Die Fahndungen blieben bisher erfolglos.

Auf dem Wege zur Einigung Ein neues internationales Komi­tee für die Vereinigten Staaten von Europa wurde in Paris ge­bildet. Es arbeitet unter dem Vorsitz von Duncan Sandys, dem Schwiegersohn Churchills. Es sind Frankreich, Holland, Bel­gien, die Schweiz und Großbri­tannien vertreten.'

Die Fahne Paneuropas Der Exekutivausschuß der Euro­päischen Parlamentarischen Union, der unter dem Vorsitz des belgischen Sozialisten Geor­ges Bohy tagte, hat beschlossen,

eine Vollversammlung der Or­ganisation zum 8. September 1948 nach Interlaken einzuberufen. Die Versammlung wird dort un­ter dem Namen einesParla­mentarischen Kongresses für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa'* Zusammentreffen. Der Kongreß nahm als Symbol für die Fahne der Vereinigten Staaten von Europa ein rotes Kreuz in einer goldenen Krone auf blauem Grunde an.

Saarvetfassung genehmigt

Die französische Regierung hat die Landesverfassung für die Saar unter der Bedingung ge­nehmigt, daß die freien Abkom­men über das zukünftige Steuer­wesen, den Staatshaushalt und die Rechtspflege zwischen Frank­reich und der Saar vorher ange­nommen würden. Die Landtags­kommissionen empfahlen dem Plenum die Annahme jedes Ab­kommens, nur der kommunisti­sche Abgeordnete war dagegen. Damit trat die Verfassung unver­züglich in Kraft. Das Haus wählte auf Vorschlag der Sozial­demokratischen Fraktion gegen die Stimmen des Kommunisten, den Vorsitzenden der Christ­lichen Volkspartei und bisheri­gen Landtagspräsidenten, Johan­nes Hoff mann, zum Minister­präsidenten. Hoffmann wird am Samstag das neue Kabinett vor­stellen. Es wurde gemeldet, daß die Christliche Volkspartei die Ministerien des Innern, der Finanzen, und das Kultusmini­sterium besetzen werde, daß die Sozialdemokratitsche Partei das Justizministerium und das Mini­sterium für Arbeit und Wohl­fahrt übernehmen werde, und daß die Demokraten möglicher­weise mit einem Direktorium innerhalb einer Regierungsab­teilung vertreten sein werden.

Beschluß des Nationairats Der Schweizer Nationalrat hat beschlossen, den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Ge­richtshof zu erklären.

Auszeichnung für den Papst Die französische Akademie hat ihre große Goldmedaille für die französische Sprache an Papst Pius XII. verliehen.

Hamsun vor Gericht In Grimstad, in Südnorwegen, begann vor dem norwegischen Kriegsschadenamt ein Prozeß gegen den 88jährigen Schriftstel­ler Knut Hamsun. Hamsun soll eine halbe Million Kronen Ent­schädigung zahlen, /weil er wäh­rend des Krieges Propaganda für Deutschland getrieben habe. Seit Dezember 1940 war der Dichter Mitglied der Quisling- Partei. Hamsun kann der Ver­handlung nur mit Hilfe schrift­licher Aufzeichnungen folgen. Er ist taub.

Jfroncutolcr *

Von Anna Schieber

Es ging auf Weihnachten zu und es war der ewig und unvergeßlich schöne Abend, der Ule Jahre wiederkam, an dem wir unseren Vunschzettel schreiben und vors Fenster egen durften. Es redete uns niemand etwas drein, selbst wenn sich einer von uns einen lebendigen Schimmelf oder einen Dudelsack gewünscht hätte.

Wir waren eine zahlreiche Gesellschaft und es gab lange Leitern auf den Papierstreifen; es mußte ja gar nicht sein, daß alles in Erfüllung ging, aber man konnte doch einmal ausbreiten, was das Herz begehrte.

Nur Ich saß stumm dabei und nagte an meinem Bleistift. Denn ich war grad in dieser Zeit aus dem Paradies vertrieben wor­den, und zwar durch einen Schulkameraden, der mir gesagt hatte, was ich freilich schon lange wußte, daß es gar kein Christkind gäbe, sondern daß man alles um Geld kaufen könne. Wer kein Geld habe, dem bringe auch das Christkind nichts, das sei eine alte Mücke, die schon lange fliege. Zum Beispiel, er habe einen Kronentaler von einem Paten bekommen, und dafür könne man den ganzen Jahrmarkt auskaufen und habe noch, übrig. Wie gesagt, eigentlich hatte ich das vom Christkind ja schon gewußt; aber wissen und wissen ist zweierlei. Es war doch jedes Jahr ein besonderer Glanz auf allem, was unter dem Tannenbaum lag. Mir aber war ein Un- krautsame ins Herz gesät, der schnell auf­schoß, wie der Kürbis des Propheten Jonas, und alles zudeckte, was hell und zugleich

1 auch geheimnisvoll gewesen war. Ich hatte den Wunsch\nach einem Kronentaler ins Gemüt bekommen, und da saß er nun und füllte aus, was sonst an billigen Kinderwün­schen in mir gewesen war. Denn sowie ich etwas aufschreiben wollte, was mich freuen konnte, drehte sich der Kronentaler in mir um und gleißte mich an: das kannst du um einen kleinen Teil von mir kaufen und dann noch viel dazu.

Es war eine Qual, aber auch eine Wonne, und ich stöhnte leise aus beiden Gefühlen heraus; so daß die Mutter mich erstaunt fragte, was ich für eine schwere Sache aus­zudenken habe. Sie wußte schon, daß ich im Augenblick ln keinen guten Schuhen stecke, und es machte ihr auch zu schaffen; aber sie war eine von denen, die schweigend aufmerken und abwarten können, und plagte mich nicht weiter, als ich keine Antwort gab. Als es dann Zeit war, ins Bett zu gehen und die Wunschzettel eingesammelt und vors Fenster gelegt wurden, da stand auf meinem nur: ein Kronentaler, und ich sah, daß mich ein trauriger Blick der Mutter streifte. Aber um den Mund sah sie aus, als ob sie etwas wider Willen lächelte.

Am andern Morgen waren die Zettel nicht mehr da, und das war sonst unsäglich ge­heimnisvoll, wenn man auch wußte, daß die Mutter sie genommen habe. Für mich aber war es eine kühle und fremde Sache. Der Schulkamerad ließ mich noch einmal seinen Kronentaler sehen, der stärkte mir den Mut. Auch saß irgendwo in mir noch die leise Hoffnung, daß eine Weltregierung über mir sei, die den Dingen den alten Glanz wieder

beibringen könne, denn er verzog sich sachte bei mir und kam auch nicht wieder herauf, als wir am Heiligen Abend in der Stube ver­sammelt waren.

Es war alles wie sonst: der Vater las die Weihnachtsgeschichte. Dann sagte jedes einen Liedervers her. Aber hinter uns stand der lange Tisch, über dem eine Pyramide von Lichtem brannte, und während des Her- sagens drehte man sich ein wenig, so daß man wenigstens einen Umriß von den Dingen sehen konnte, die da aufgebaut waren. Der Platz meiner Sachen war an der gleichen. Stelle wie sonst, nur daß er wenig Raum ein­nahm und fast verschwand zwischen den an­dern. Es stand nur der übliche Teller mit Lebkuchen und Aepfeln. da, und in dem größten Apfel steckte ein Silberstück, das man hinten und vorne besehen konnte, so­lange die andern ihr Jubelgeschrei vollführ­ten über ihren erfüllten Wünschen. Ich schielte zu Jörgen hinüber, der selig eine kleine blau und grau gestreifte Sammetweste mit weißen Glasknöpfen ins Licht hielt, aber gleich darauf noch lauter schrie als vorher, denn unter der Weste lag ein Schülergeigle. Der kleine Christoph hatte einen blauen Schubkarren, der mit Nüssen und Glasmar­meln und einem Griffelkasten geladen war.

Die Mädchen hatten Puppen, Nähkästen und seidene Tücher, und alles zeigte einander alles und es war ein Freudenlärm ohne­gleichen. Nur ich stand still mit meinem Kronentaler da wie ein fremder Gast und probierte, mir auszudenken, was man alles dafür haben könne: Geigen und Sammet­westen genug. Aber es war gar nicht wahr,

denn man konnte nur eines kaufen oder dann das andere, und außerdem half es einem gar nichts, da heute Christtag war und alles besondere Dinge waren, die da im Lichte standen. Die andern aber, die man sich später auslesen konnte, waren werktäg­lich und von Freude weit entfernt Und alles zusammen war eine hinterhältig schlechte Geschichte.

Einmal sah ich, daß die Mutter mir ein wenig zunickte, da stieg mir das Wasser in die Augen. Der Vater aber geigte auf Jörg­les kleiner Geige, und der neue Besitzer streckte verlangend die Hände nach der Kost­barkeit aus, um sofort auch darauf zu kratzen; zu mir aber kam niemand, denn es war etwas Fremdes an' meinem Platz und bei mir. Da nahm ich mein Weihnachtsgeschenk und ging in die Elternschlafstube, deren Fenster auf den Neckar gingen. Und als ich eine Weile in der Dunkelheit am Fenster gestanden war, tat ich etwas, zu dem eine dunkle und hef­tige Wut mich trieb: ich schmiß den Kronen­taler mit einem wilden Wurf aus dem Fen­ster und hörte gleich darauf ein kleines Glucksen im Wasser. Dann aber fing ich an, laut hinauszubrüllen, in einem Welten­jammer, in den hinein, als er eine Zeit ge­dauert hatte, mein Vater trat, dessen Her­zensuhr besagte, es werde bei mir so weit sein, daß man mich an der Hand nehmen und unter den Baum führen könne, wo die un­erschöpflich reiche Liebe, die das eigentliche und ewig unsterbliche Weihnachtskind ist, meinen Platz mit Gaben geschmückt hatte, die mein aufgerührtes Herz mit Seligkeiten füllten wie nie zuvor.