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Samstag, 13 . Dezember 1947

Abd el Krim bietet sich an

Kairo. Emir Abd el Krim soll sich in einer Unterredung mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Azzam Pascha, für den Kampf in Palästina zur Verfügung gestellt haben. An der Konferenz der arabischen Regierungschefs nahm der Mufti von Jeru­salem nicht teil, weil noch keine palästinen­sische Regierung gebildet ist und über sie Meinungsverschiedenheiten bestehen. Trans­jordanien dementierte, daß seine arabische Legion von nun an an den Operationen in -^Palästina teilnehme. Hingegen sollen 1500 palästinensische Araber, die in der syrischen Armee ausgebildet worden sind, die Grenze -überschritten und strategische Punkte besetzt haben. In den letzten Tagen kamen durch Zusammenstöße 100 Personen ums Leben.

Heilige Land

Landes vor. Ueberraschenderweise war so­gar Rußland einverstanden, und so wurde vor kurzem in der Vollversammlung der Ver­einten Nationen die Teilung Palästinas zum 1. Juli 1948 beschlossen.

Ist das Problem damit gelöst? Die zynisch­ste Antwort gab Bernard Shaw: Die Palä­stina-Teilung werde nur Kriege zur Folge haben, denn anders könne das Land nicht befriedet werden, wie das immer in der Geschichte so gewesen sei. Und wirklich wollen die Araber den Beschluß der Verein­ten Nationen keineswegs anerkennen, wäh­rend die Juden bereits um Waffen bitten, ihren künftigen Staat zu verteidigen. Stra­tegisch laufen die Grenzen übrigens sehr ungünstig: Im Norden haben die Juden das Meer im Rücken, im Süden sind sie einge­preßt zwischen Aegypten und Transjordanien. Inmitten dieser gefährdeten Gebilde soll eine winzige Enklave liegen: Jerusalem mit Bethlehem.

Denn das ist die einzige Konzession an die Christenheit, die doch schließlich mehr noch als Israeliten und Moslem Palästina als ihr Heiliges Land betrachten darf. Es ist aber schon lange, nämlich ziemlich genau 800 Jahre her, als im Frankfurter Dom König Konrad III. den Heiligen Bernhard von Clairvaux durch die Menge zum Altäre trug, I damit er den Kreuzzug predige. Auch die |

Kreuzzüge lösten das Problem nicht, sondern überschwemmten das Heilige Land mit Mord, und Krieg. Wenn es jetzt wieder so kommt, so wären freilich die Christen daran weniger beteiligt als Juden und Mohammedaner.

Aber wer weiß, vielleicht geschieht dies­mal ein Wunder, und Araber und Juden einigen sich doch noch gütlich. Es wäre ein herrliches Wunder, ein Weihnachtswunder, verheißungsvoll für den Frieden der ganzen Welt!

Schumanns Sieg

P a r i s. Der Allgemeine Gewerkschafts­verband hat beschlossen, die Arbeit von Mittwoch an wieder aufzunehmen. Der Vor­schlag der Mehrheitsgruppe Benoit Frachons wurde von der Minderheitsgruppe Leon Jouhaux unterstützt. Der Gewerkschaftsver­band hatte eine vorläufige Entschädigung von 20 bis 25 Prozent sowie verlangt, daß alle Löhne vierteljährlich den Lebenshal­tungskosten automatisch angeglichen wür­den. Die Regierung bot eine monatliche Prä­mie von 1500 Franken für jeden Arbeiter, die vom 24. November an gelten sollte, und ga­rantierte ein neues Lohnminimum. Nach dem Kommunique des nationalen zentralen Streikausschusses streikten am 9. Dezember 1,5 Millionen Arbeiter. In Regierungskreisen wird gesagt, die politische Aktion des Streik­komitees sei an der vernünftigen Einstellung

I der Arbeiterklasse und an der Weitsicht der wahren Gewerkschaftler gescheitert.

Uie Gto##e

Physik ohne Moral

J. S. Als der Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel, sah, welches Unheil die Menschheit damit anrichtete, bekam er das Grauen. Um sich vor seinem Gewissen zu rechtfertigen und um die Erfinder und Forscher zum Dienste des wahren Fortschrittes, die Staats­männer zu Werken des Friedens und die Dichter zum Lobpreise des Guten, Wahren und Schönen anzuspomen, stiftete er die nach ihm genannten Preise. Seitdem sind neue Er­findungen gemacht worden, denen gegenüber das Dynamit wie ein Spielgerät anmutet: Da ist das Flugzeug. Als sich damit zum ersten­mal der Mensch von der Erde löste und in die Lüfte schwang, ging ein Jubel durch die Welt. Nach knapp vierzig Jahren schon ist diese Kunst zum Fluche der Menschheit ge­worden. Und wie ist es mit der Erfindung der Atomspaltung? Sie war kaum da, so brachte sie hunderttausenden Tod und Verderben. Wir alle wissen es, während wir müh­sam unseren täglichen Sorgen nachgehen, arbeiten in allen Ländern, in den Vereinig­ten Staaten, Rußland, England, Spanien, ja sogar Dänemark Hirne und Hände fieber­haft daran, dieses Vernichtungsinstrument immer raffinierter und teuflischer zu machen. Es sind Menschen wie wir, und sie arbeiten daran, wie der Bäcker sein Brot backt oder der Maurer Stein auf Stein schichtet. Schon meldet auch Rußland den Besitz von Atom­bomben an. Wer hörte es nicht und hiett nicht den Atem an? Es ist wie im unter­irdischen Minenkrieg, man hört den Gegner in dem Stollen bohren; wer wird zuerst sprengen? Und dies geschieht von denselben Zeitgenossen, die den Nobelpreis, die Stif­tungen des Friedens, verteilen und empfan­gen. Denn auch berühmte Atomforscher ge­hören zu seinen Trägern. Klafft hier nicht ein Widerspruch? Und ist es nicht möglich, aus diesem Teufelsdreieck herauszukommen? Solange die Forscher mitmachen nicht. Solange sich die forschende Wissenschaft für die Resultate der angewendeten Wissenschaft nicht verantwortlich fühlt nicht. Solange es einem Gelehrten gleichgültig ist, was die Technik, vor allem die Kriegstechnik, mit der von ihm gefundenen Formel anfängt nicht. Die Wissenschaft redet sich auf die Freiheit der Forschung hinaus, sie steht jen­seits von Gut und Böse, sie ist amoralisch. Wenn ihr der Staat oder irgend ein Unge­heuer, das den Staat für sie verkörpert, die Erfindung abnimmt, hält sie sich jeglicher Verantwortung für ledig. Auch die Atom­wissenschaft konnte sich für den friedlichen Atommotpr oder die mörderische Atombombe entscheiden; sie. entschied sich für die letz­tere. Politik ohne Moral, Wissenschaft ohne Moral in ihrem Dienste, das Ende dieser Entwicklung kann nur die Selbstvemichtung einer entgotteten Welt sein.

AM RANDE

Das Atelier derTobis in Berlin wurde als Reparation der Sowjetunion zugesprochen. Die sowjetische Militärregierung wird es an die sowjetisch lizensierteDefa verpachten.

Unter den Akten für den Prozeß gegen die deutschen Diplomaten befindet sich auch ein Brief des Botschafters in 'Paris, Otto Abetz, aus dem hervorgeht, daß nach dem Frankreich-Feldzug Ber­lin zum internationalen Modezentrum werden sollte. Abetz war gegen den Plan, von dem nicht feststeht, ob er von Goebbels oder von Hitler selbst stammt. Die besten Pariser Modeschöpfungen Wurden kopiert, so daß zahlreiche Vertreter der Haute Couture es vorzogen, nach New York aus­zuwandern.

Gegen die SED - Geschäftsstelle in Bernburg wurde binnen kürzer Zeit bereits der dritte Sprengstoffanschlag verübt.

Wetterbericht

Am Morgen vielfach bedeckt und Frühnebel« Bonst meist heiter und trocken. Tagsüber Tem­peraturen einige Grad über Null, in der Nacht leichter bis mäßiger Frost.

|d)n)äbird)f|rilung

Mitglieder der Redaktion: Dr. Konrad Fakler, Albert Komma, Dr. Alphons Nobel, Johannes Sdunid. Verlag: Sdiwäbischer Verlag, KG., Friedrichshafen, ia Leutkirch. Drude: Rottweiler Verlags- und Drudcerel- genossenschaft, Rottweil.

Das verteilte

A. N. Die Teilung Palästinas in einen jüdi­schen und einen arabischen Staat verursachte Jubel unter den Juden, Trauer bei den Ara­bern und gemischte Gefühle in der Christen­heit.

Die Freude der Juden ist verständlich. Seit 30 Jahren warten sie auf den jüdischen Staat als Erfüllung de* Versprechens Balfours von 1917. Noch vor zehn Jahren, 1937, lehnte, der Zionistenkongreß in Zürich den Tei­lungsvorschlag der Peel-Kommissiori ab, weil er hoffte, ganz Palästina zu erhalten. Inzwi­schen strömten jüdische Einwanderer ins Land. 1920 hatte Palästina 700 000 Einwoh­ner, davon 85 000 Juden, jetzt 1 800 000 Ein­wohner und mehr als 550 000 Juden. Die Juden wohnen einerseits am See Genezareth und am oberen Jordan, andererseits an der Küste zwischen Jaffa und Akka. Die größte Stadt Palästinas ist nicht mehr Jerusalem (100 000), sondern das jüdische Tell-Awiw (200 000). Die Juden kultivierten Getreide, Gemüse und Obst, errichteten große Kraft­werke am Jordan, in Haifa und in Tell-Awiw und schufen eine Industrie mit fast 50 000 Ai heitern. Aus aller Welt strömte jüdisches Kapital ins Land. Da stoppte England den Aufschwung: 1929 verbot Chamberlain Land­käufe der Juden außerhalb eines schmalen Streifens und ließ monatlich nur 1500 Juden ins Land. Die inegale Einwanderung sollte mit Gewalt unterbunden werden, was aber nicht gelang.

Die Engländer taten das alles aus Furcht vor den Arabern. Schon 1922 schwächte Churchill als Kolonialminister das Balfour- Versprechen ab, 1930 machte das Passfield- Weißbuch nach dem Araber-Aufstand 1929 diesen weitere Zugeständnisse. Aber seit­dem gerieten die Engländer zwischen zwei Feuer. Besonders die 4,5 Millionen Juden Amerikas liefen Sturm gegen die araber­freundliche Politik, Truman forderte im September 1945 die Einwanderung von min­destens 100 000 Juden in Palästina, um die jüdischen Verschlepptenlager in Europa mit ihren 180 000 Insassen zu entlasten. Die Ara­ber dagegen waren keineswegs gewillt, ihre Heimat preiszugeben und wurden darin un­terstützt von den Mohammedanern der gan­zen Welt, wie die Zionisten von den Juden der ganzen Welt. Englands Imperium aber braucht Aegypten, Arabien, Transjordanien, Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, von den hundert Millionen Mohammedanern in In­dien zu schweigen. Die Briten gaben also den Araber» nach. Nun setzten die jüdischen Terror-Organisationen ihrerseits wieder die Engländer unter Druck; am 22. Juli 1946 platzte die Bombe im HotelKing David" in Jerusalem, seitdem folgte Attentat auf Atten­tat. Da erinnerte sich England schließlich, daß Palästina gar keifte britische Kolonie, sondernnur ein Mandat sei. Nach einem letzten vergeblichen Versuch im September 1946, Zionisten und Araber an den Konfe­renztisch zu bringen, erklärte sich England nicht mehr für zuständig und ersuchte die Vereinten Nationen um Lösung des Problems. Im September dieses Jahres schlug eine internationale Kommission die Teilung des

NACHRICHTEN AUS ALLER WELT

Friedens-Nobelpreis überreicht In Anwesenheit* des Königs und des Kronprinzen von Schweden wurde der Friedens-Nobelpreis der Vertreterin der Quäker­organisationFriends Service Council, Miß Bäckhouse, und dem Vertreter des ,, American. Service Commitee in Philadel­phia, Professor Cadbury, über­reicht.

Ehrung des freien Geistes In dem Brief, den Andrö Gide bei der Verleihung des Nobel­preises durch den französischen Botschafter in Stockholm verle­sen lassen wird, heißt es;Wie Sie wissen, habe ich auf Ehrun­gen wenig Wert gelegt, zumin­dest nicht auf die Würdigung, die ich als Franzose von mei­nem Vaterland erwarten kann. Ich habe den Eindruck, daß Ihre Zustimmung nicht so sehr meinem Werk, als dem unab­hängigen Geiste gilt, der es be­seelt. Dieser Geist war vor­gestern noch in Frankreich eben­so stark und besser durch Paul Valfcry vertreten, und ich bin überzeugt, daß nur sein Tod Sie -daran verhindert, ihn an mei­ner Stelle auszuzeichnen. Möge sein Andenken in dieser Feier­stunde lebendig sein, in der Sie dem freien Geist inmitten einer Welt der Unklarheit und der Verwirrungen zu einem strah­lenden Siege verhelfen.**

Umstrittene Rückführung Der Koordinierungsausschuß des Kontrollrates konnte sich nicht über die Zeitfolge einigen, nach der die deutschen Kriegsge­fangenen rückgeführt werden sollen. Die Rückführung soll vor dem 31. Dezember 1948 beendet sein. Die Frage wurde an den Kontrollrat verwiesen. Der Aus­schuß konnte sich auch nicht einigen, wie die deutschen Fa­briken, die Kriegsmaterial Her­stellen könnten, von den vier Mächten überwacht werden sollten.

Loritz soll ln der Schweiz sein Der WAV-Abgeordnete Julius Höllerer sagte, er habe vor fünf Wochen zum letzten Male mit Loritz telephoniert. Nach seiner Meinung ist Loritz für einige Zeit in die Schweiz ge­gangen.

Neuer Berliner Rektor Der Senat der Universität Ber-# lin wählte zum n^uen Rektor Professor Dersch. Die Wahl muß noch von den Alliierten bestä­tigt werden.

Französische Spende Der Kommandant des französi­schen Sektors von Berlin, Gene­

ral Ganeval, hat dem Bürger­meister des Bezirks Reinicken­dorf 14 000 Mark für ein Weih­nachtsfest zur Unterstützung der Jugendorganisationen über­wiesen.

Präzisionsgeräte für Flugzeuge In dem Prozeß gegen sechs Direktoren derAskania-Werke in Berlin, denen die Herstellung von Kriegsmaterial zur Last ge­legt wird» kam zur Sprache, daß große Mengen von Präzisions­instrumenten für Flugzeuge ge­funden worden seien, die man ebenso sorgfältig gelagert hätte, wie dies in den amerikanischen Arsenalen geschehe. Die Ver­teidigung behauptete, die In­strumente hätten nach Frank­reich geliefert werden sollen, doch sei das Geschäft wegen Devisenschwierfgkeiten nicht zu- standegekommen.

Getäuschte Kontrolle Iir dem Prozeß gegen Alfred Krupp von Bohlen und Haibach und führende Mitarbeiter der Firma wurde festgestellt, daß die Firma zwischen 1918 und 1933 trotz der Ueberwachung der Alliierten ihren Vorrang in der Waff enerzeugung behauptet habe. Krupp selbst habe sich während des Krieges gebrüstet, die interalliierte Kommission ge­täuscht zu haben, der man nur Vorhängeschlösser, Flaschner­waren und Schubkarren gezeigt hätte.

Mißhandelte Kriegsgefangene Das Mittlere Militärgericht des Saarlandes hat zehn ehemalige Werkschutzangehörige des Bre- bacher Eisenwerks zu Strafen zwischen fünf Monaten und drei Jahren verurteilt, weil sie im Kriege französische und russische Kriegsgefangene geschlagen und ihnen Lebensmittel entzogen hatten. Ein Angeklagter wurde freigesprochen.

Von Hamburg nach Cherbourg Dieser Tage trifft in Cherbourg ein Hamburger Schwimmdock von 40 000 Tonnen ein, das die amerikanische Regierung Frank­reich überlassen hat.

Keine Kreuzfahrer Von zuständiger Jugoslawischer Stelle wird mitgeteilt, daß die Meldungen von der Regierung feindlichen Banden in Jugosla­wien, den sogenannten ..Kreuz­fahrern, nicht der Wahrheit entsprechen. I

Jugoslawische Verschleppte Jugoslawien hat das Abkommen gekündigt, das es im Hinblick auf die verschleppten Personen mit Großbritannien geschlossen hatte.

Wahlsieg der finnischen Rechten Bei den finnischen Gemeinde­wahlen gewannen die Konserva­tiven,' die Liberalen und die Agrarpartei zusammen 720, und die Sozialdemokraten 200 Sitze. Die Koalition der Volksdemo­kraten, die aus Kommunisten und Linkssozialisten besteht, verlor 345 Sitze. Die Rechtspar­teien hatten ungefähr 58 Pro­zent aller Sitze.

Unerwünschte Bewunderung Auf dem 16. Kongreß der kom­munistischen Jugendorganisatio­nen in Moskau, der soeben zu Ende gegangen ist, wurde be­schlossen, die ideologische Pro­pagandaarbeit im kommunistisch- bolschewistischen Geiste unter den Studenten der sowjetischen Uhiversitäten und technischen Hochschulen möglichst zu ver­stärken. Unter den Studenten machten sich unerwünschte Ten­denzen bemerkbar, die Leistun­gen des Westens zu bewundern. Es sei eine vordringliche Auf­gabe, mit allen Mitteln die äußerste Ideologische Armut der bürgerlichen Wissenschaft zu enthüllen und die reaktionären Tendenzen der Bourgeoisie auf­zuzeigen.

Niederlage des Vietminh Nach einem Kommunique des französischen Generalstabs hat sich die Führung des Vietminh vollkommen aufgelöst. Abge­stimmte Aktionen sind hier nicht mehr möglich. Aus militärischen Gründen seien bisher die Er­folge der französischen Truppen seit dem Oktober geheim gehal­ten worden. Reguläre Einheiten des Vietminh wurden aus Stel­lungen geworfen, die für unein­nehmbar galten, und * erlitten außerordentlich schwere Ver­luste. Der Waffenschmuggel sei wirksam unterbunden. Die Mehr­zahl der Munitions- und Lebens­mittellager und der Rundfunk­sender zerstört. Die Bevölke­rung stehe einmütig auf fran­zösischer Seite.

Erdbeben ln Kleinasien Zwischen Erzerum und Kars an der türkisch-sowjetischen Grenze kam es zu einem starken Erd­beben. 800 Personen wurden ob­dachlos.

Noch ein verschollenes Flugzeug Ein weiteres Flugzeug vom Typ C 47, dem auch die Über Mittel­europa verschwundene Maschine angehört, ist auf dem Flug von Rom nach Athen verloren ge­gangen. Die letzte Funkmeldung fing der Rhein-Main-Flughafen auf, danach waren die Spritvor­räte erschöpft und die Mann­schaft springe ab.

Liebesbrief 1947

Ich brauche Dir n;cht zu versichern, wie sehr ich Dich liebe. Denn ich bin jede Stunde, die midi mein Beruf freiläßt, bei Dir, es gibt keine Freude, die ich nicht mit Dir teile, und keinen Schritt, den ich ohne Dich gehe. Aber was ich Dir zu schreiben habe, kann ich Dir nicht sagen. Wir Männer haben oft eine falsche Scham, die uns die Zunge lähmt.

Ich weiß, Lieselotte, daß Du ein armes Ding bist, daß Deine Schuhe brüchig sind, Dein Kleid fadenscheinig und die Wolle Dei­nes Mantels sehr dünn geworden ist. Ich weiß, Du vermißt eine Uhr in unserer Woh­nung, mußt zum Nachbarn gehen, um nach der Zeit zu fragen, Deine alte Handtasche schließt nicht mehr und geht von selbst auf, ja, nicht einmal einen Schirm besitzt Du, so daß Du beim Regen daheim bleiben mußt, auch wenn nicht Dein einziges Paar Schuhe Dir den Weg durch die pfützenreichen Stra­ßen von selbst verbieten würde. Und nun siehst Du unterwegs so viel Frauen, die nicht schöner und nicht jünger und nicht begeh­renswerter sind als Du, die alles im reichen Maße haben". Sie tragen die neuesten Keil- echuhe. Ihre Kleider sind farbenfroh, ihre Kostüme sind von jenem Schnitt, wie ihn die teuren Modehefte des Auslandes heute vorschreiben, und die Güte des Stoffes er­innert an längst vergangene Zeiten. Du aber trägst immer noch den gleichen Mantel, in dem ich Dich vor vier Jahren kennenlemte, das Leder Deiner Schuhe ist rissig, und wenn Dein Kleid eine neue Machart zeigt, so kenne Ich doch das Muster des Stoffes, und Du weißt, daß ich es erkenne. Und so wirst Du Dich manchmal fragen, warum ich meinen

Beutel so ängstlich verstecke und verschnürt halte, wenn Angebote an uns herangetragen werden, warum ich Dir damals nicht den Stoff kaufte, den Du so dringend brauchtest, warum ich so tat, als wäre ich in den In­halt eines Buches vertieft, als man Dir neu­lich ein Paar Schuhe anbot.

Liebste, ich möchte Dir nicht das Herz schwer machen, wenn ich Dir erzähle, daß ich oft nachts schlaflos neben Dir liege und in meinen Gedanken den Inhalt meiner Börse zähle, der nicht ausreichen will, das Not­wendigste zu bestreiten. Von wievielen Din­gen, die mir lieb waren, habe ich mich schon getrennt, ohne es Dir zu sagen. Aber wenn Du Hunger hattest und* auf unseren Mar­ken schon gar nichts mehr darauf war, lief ich mit Dir in eine Schenke, wo der Wirt weniger auf die Marken als auf das Geld schaut, das wir ihm in großen Scheinen auf den Tisch legen. Und wo ein Fest gefeiert wurde und wir kamen vorbei, feierten wir gern mit, denn wenn man liebt, rechnet man sich zu den Göttern und glaubt,. Berge versetzen zu können. Am nächsten Morgen aber kann man höchstens seine Uhr ver­setzen und diese leider auch nur einmal.

Rings um mich machen die besten Männer Geschäfte, die gute Männer nicht machen sollen. Aber es ist wohl nichts dabei, wenn einer eine Stange Zigaretten verkauft und verdient dabei ein Päckchen für sich. Und bei 10 Paaren bleibt bestimmt ein Paar Schuhe für die eigenen Füße übrig, wie von einem Ballen Stoff ein Kleid für die Frau. Ich aber vermag in diesem Treiben nicht mitzutun, und so stehe ich vor Dir, arm­seliger als der kleinste Krämer, der seinen Laden schlecht verwaltet. Ich schäme mich vor Dir, wenn wir Deiner Freundin begegnen,

die mit uns am gleichen Tage heiratete und die den verwachsenen Pelzhändler nahm. Heute trägt sie einen Pelz, und sie liebt heute ihren Mann auch, denn in der Liebe ebnet sich das Häßliche wie das Schöne ein. Hattest du also recht, der Stimme Deines Herzens zu folgen? Hatte ich das Recht, Dich zu rufen? Vielleicht würdest Du heute auch einen Pelz tragen, während wir die hellen Tische im Lokal meiden müssen, damit man nicht die grauen Fäden unserer Kleider allzu deutlich erkennt.

Trotzdem bitte ich Dich, meine zärtlich geliebte Lieselotte, habe noch Geduld mit mir, geh neben mir das dunkle Tal unserer Not bis zu der Stelle, wo der Pfad wieder aufwärts führt, schau nicht neidisch hinauf zu den Oberflächlichen, die die bequemeren Wege gehen. Unser Talweg ist der Weg des Rechtlichen und Redlichen. Ich glaube an die Gerechtigkeit, an die Vergeltung jeder Tat, der Treue und der Untreue. Und glaube an meine Arbeit, die genau so viel wert ist, wie die eines Schusters und Schneiders und Handschuhmachers, und eines Tages wird auch der Schuster wieder für dich arbeiten und die Schneiderin wird auch zu Dir ins Haus kommen, und die Läden der Städte werden auch Dir ihre Waren bis weit hinein in die Straße anbieten. Bis dahin aber ist für mich das alte Kleid, das Du trägst, das schönste ist Dein Gang in den schiefen Schuhen für mich ein beglückendes Schrei­ten, wenn Du nur weiterhin mir mit leuch­tenden Augen entgegenläufst, wenn ich abends heimkomme.

Denn ich liebe Dich und bitte Dich, be­halte mich auch in meiner Armut lieb, daß nicht nur zur Armut des Brotes auch noch die Armut des Herzens kommt . . J. H. R.

Ein gutes Wort

Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist, kommt ihm vieles entgegen; ferne Gedanken und Sachen entlaufen ihren Gefügen und eilen Ihm zu. Hans Carossa

Neue Bücher

Margarete Passon-Darge: Der Hochzeitsweg. Er­zählung. 166 Seiten. Verlag Eeppler, Baden-Baden.

Lieben und Leiden zweier junger Menschen, die erst im Tode vereint werden, umrahmt von den. konfessionellen und sozialen Spannungen in einem Bchleeischen Bergdorf zu Beginn des 18. Jahr­hunderts sind Thema der Handlung dieser schlichten Erzählung. Der Schauplatz scheint absichtlich den großen politischen nnd weltanschaulichen Ausein­andersetzungen des Jahrhunderts entrückt zu sein. Zwar spüren wir auch in dem geschlossenen Mikro­kosmos eines entlegenen Bergdorfs jene größere Toleranz in konfessionellen Dingen, mit der das Zeitalter der Aufklärung die Wirrenund Stürme der Reformation und Gegenreformation ablöst, aber lm Mittelpunkt des Geschehens stehen Menschen, einfache ja sogar einfältige Charaktere, deren menschliche Vorzüge und Fehler interessieren. Bel aller Realistik der Schilderung ist ein religiös erbaulicher Grundcharakter unverkennbar. Alles Geschehen findet seine Lösung im Transzendenten, dessen zeitlose Beständigkeit erhaben das irdisch. Vergängliche überstrahlt. Zerstörend bricht es in den Bereich des Menschlichen ein und offenbart darin dem Menschen seine Wesenheit, ihn zur An­erkennung der göttlichen Allmacht nnd Liebe zwingend, die Zeit und Ewigkeit in einer großen Harmonie vereinen. Diese befreiende Erkenntnis bildet Höhepunkt und Ausklang der Erzählung, der eine sieh steigernde tragische Handlung ms Folie dient. Es ist der Hochzeitsweg einer reinen Familie durch viele Prüfungen, der Hochzeitswesf zu Reife und Ruhe. Die Liebe zu ferner Heimat, der frauliche, verschlungene Stil und die Harmonie der Satze haben nichts mit der modernen Sacn- lichkeit zu tun ihr Einklang aber macht das kleine Buch wertvoll. nr.