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Samstag, den 6. Dezember 1947 ORGAN DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UNION Nr. 97 / Jahrgang 3 /Preis 20 Pfg.

Immer noch Vorgeplänkel

Die Londoner Verhandlungen lassen Erfolg, Scheitern und Vertagung offen

London. Zu einer Meldung des kom­munistischenDaily Worker, Großbritannien und die Vereinigten Staaten bereiteten die politische Organisation der Westzonen mit An­schluß der französischen vor, um in dieser Trizone die Wirtschaft nach amerikanischem Vorbild zu organisieren, bemerkt der Sonder­berichterstatter desKosmos-Pressedienstes, Dieter Wolff, auf sowjetischer Seite könnten tatsächlich ähnliche Befürchtungen bestehen. Einen Beweis glaubt er darin zu erblicken, daß Molotow seinen Vorschlag, den er am 28. November mündlich vorgebracht hatte, und nach dem sich die vier Großmächte ver­pflichten sollten, in den Zonen keine Einzel­regierungen zu bilden, sondern die Bildung einer demokratischen deutschen Zentralregie­rung zu begünstigen, schriftlich wiederholt hat. Nach derTimes argwöhnt Molotow, die Westmächte hielten noch mit gewissen Plänen zurück, und will sie hervorlocken. Bisher sei aber wenig geschehen, was Rück­schlüsse zuließe, ob die Konferenz erfolgreich sein, scheitern oder sich einfach vertagen würde. Die deutsche Ostgrenze sehe die So­wjetunion als endgültig an, während der amerikanische Staatssekretär die abschließende Regelung der Friedenskonferenz Vorbehalten und das oberschlesische Industriegebiet inter­nationalisieren wolle. Ebenso bestünden Mei­nungsverschiedenheiten über die Zentral­regierung. Dabei seien andere Kardinal­fragen, wie die Reparationen,- die deutsche Wirtschaftseinheit und das zukünftige Statut des Ruhrgebiets, noch nicht berührt worden. Dennoch will Pertinax imFrance Soir be­reits wissen, daß Anfang April 1948 eine neue Konferenz der Außenminister zusammentreten werde. Marshall, Bevin und Bidault hätten über eine Art modus vivendi besonders in der Saar-Frage verhandelt. Nach Pertinax steht ein Kompromiß zwischen den Anschau­ungen Frankreichs und der Angelsachsen in Aussicht.

Absagen zum

Tübingen. Staatspräsident Bode hat die Einladung zum BerlinerVolkskongreß äbgelehnt, da dieser keine repräsentative Vertretung des deutschen Volkes, sondern eine lediglich parteipolitische Angelegenheit und daher für die Konferenz der Außen­minister ohne jegliche Bedeutung sei. Auch der Landesvorsitzende der SPD, Justiz­minister Professor Schmid, hat die Einladung nicht beantwortet, da für ihn ihre Ableh­nung selbstverständlich sei.

Der Hauptvorstand der Ostzonen-CDU sieht sich nach einer Entschließung nicht in der Lage, an dem Kongreß teilzunehmen, der nach allen Begebenheiten keinen wirklich gesamtdeutschen und überparteilichen Cha­rakter tragen werde. Wenn Mitglieder der Union, etwa in Ausübung sonstiger Funk­tionen, der Einladung folgten, so aus eigener Entscheidung, deren Motive v der Vorstand unter den gegebenen Verhältnissen würdige. Ferner lehnten ab: der Studentenrat der Universität Berlin, der Ministerpräsident von I

A Verschiedentlich wurde in der letzten Zeit von geheimnisvollen Truppen berichtet, die sich in einer weitgespannten, fächerförmi­gen Front langsam von Osten nach Westen durch Polen und die Tschechoslowakei durch­kämpften. Sie nennen sichBenderovici nach dem Namen ihres Anführers Bandera. Es handelt sich bei ihnen jedoch nicht, wie behauptet wurde, um Banden, um Wlassow- Kämpfer oder um ehemalige Angehörige der deutschen Armee, sondern um Teile der Ukrainischen Revolutions-Armee, die jahre­lang in Ostpolen und der Ukraine gegen die Truppen Polens und der Sowjetunion um dje Unabhängigkeit ihres Vaterlandes gekämpft haben. Diese Revolutionsarmee entstand im Jahre 1942 aus den Mitgliedern der Freiheits­bewegung Stepan Banderas, die schon im ersten Weltkrieg den deutschen Truppen Widerstand leistete, nachdem ihre Hoffnun­gen auf deutsche Hilfe sich zerschlagen hat­ten. Nur in den Jahren 1918 bis 1920 war dieses Volk von über 40 Millionen Menschen einmal unabhängig. In der großen Hungers­not des Jahres 1921 verhungerten etwa sechs Millionen von ihnen. Ihr Elend hat Frithjof Nansen beschrieben, der zusammen mit Quis­ling als Völkerbundskommissar Hilfsmaßnah­men einzuleiten versuchte. Er berichtet aus jener Zeit von Fällen, in denen die Menschen im Kannibalismus das letzte Mittel sahen, um sich am Leben erhalten. Im vergangenen Kriege richtete sich der Kampf der Ukrainer zunächst gegen die deutsche Besetzung. Naclt dem Rückzug der deutschen Armee aber setzte er sich gegen die sowjetischen Truppen fort. Noch zwei Jahre nach dem Kriege

In der Mittwochsitzung sagte Bidault, keine Macht sollte gehindert werden, ihre Meinung über die deutsche Frage zu äußern, doch hätten die Staaten in verschiedener Weise am Kriege teilgenommen und seien verschieden stark von der deutschen Gefahr bedroht. Die entfernten Länder dürften nicht die Mehrheit erhalten und der Minderheit der "Nachbarn Deutschlands ihrenc Willen auf­zwingen. Bidault wünscht eine Liste der am meisten interessierten Länder, doch sollte jeder Staat, der mit Deutschland im Kriege war, auf Antrag gehört werden. Bevin stimmte bei und auch Marshall bestritt nicht die Sonderstellung der Staaten, die die Hauptlast des Krieges zu tragen hatten. Er meinte nur, der Friede werde um so dauerhafter und solider sein, je vollständiger sich die Alliierten an den Verhandlungen be­teiligten. Molotow verlangte, daß die Be­schlüsse von Jalta und Potsdam die Grund­lage des Vertrages bilden sollten. Marshall meinte jedoch, die Auslegung dieser Be­schlüsse variiere in Moskau und Washington, und er halte es für unnötig, die Verschieden­heiten noch zu bestätigen. Als Molotow vor­schlug, daß die vier Regierungen vier eigene Entwürfe ausarbeiten und dem Außen­ministerrat in zwei Monaten wieder vorlegen sollten, verlangten Bidault und Bevin, daß die Tagesordnung respektiert werde. Molotow bestand nicht weiter auf seiner Anregung.

Bidault war auf einen Tag in Paris, kehrte aber nach einer Unterredung mit dem Mini­sterpräsidenten Schumann sogleich wieder nach London zurück. Molotow, der am Mon­tag eine Einladung Marshalls in die ameri­kanische Botschaft wegen Ueberbürdung ab­gelehnt hatte, lud selbst Marshall für Freitag in die sowjetische Botschaft ein, und Mar­shall nahm an. Am Mittwooh waren die Außenminister Gäste des Königs im Bucking­ham-Palast. Den Abend zuvor verbrachte Marshall bei Churchill.

Volkskongreß

Schleswig-Holstein, Hermann Lüdemann (SPD), der niedersächsische' Minister für Wirtschaft und Verkehr, Alfred Kübel (SPD), der Bürgermeister von Hamburg, Max Brauer, und der bayerische Gewerkschaftsbund. Die Zustimmung der Münchner Professoren Dr. Arnold Sommerfeld, Dr. Franz Roh und Dr. Karl Voßler, die von Radio Berlin behaup­tet worden war, beschränkt sich auf die Unterschrift unter eine Begrüßungsadresse.

Hingegen beschloß der Parteivorstand der LDP der Sowjetzone die Teilnahme. Der Landesverband Berlin, der bereits abgelehnt hatte, nahm an der Sitzung nicht teil Sachsen wird durch den Ministerpräsidenten Seyde- witz und sämtliche Minister, der freie deutsche Gewerkschaftsbund durch sieben Vorstandsmitglieder vertreten sein. Die amerikanische Militärregierung hat das Pla­kat zum Volkskongreß im amerikanischen Sektor Berlins als irreführend und unwahr I verboten.

wurde leidenschaftlich um diese Freiheit ge­kämpft, ohne daß es der Roten Armee oder der polnischen Armee gelungen wäre, die ukraini­schen Revolutionstruppen vernichtend zu schlagen. Erst im Frühjahr 1947 wurde zwi­schen der Sowjetunion, Polen und der Tsche­choslowakei ein militärisches Abkommen zur Vernichtung der Benderovici abgeschlossen. Nach harten Kämpfen in Ostpolen, die sich über mehrere Monate erstreckten, wurden Teile der ukrainischen Armee verdrängt und setzten sich in Marsch nach Westen, um bei den Westmächten ein Asyl zu suchen. Sie nennen ihren Kampf denHeiligen Krieg. Daß es sich nicht nur um Bandengeplänkel, sondern um ernsthaftes Kämpfen handelte, zeigt der Umstand, daß es der Anstrengung dreier Staaten bedurfte, um die ukrainische Revolutionsarmee zu zersplittern.

Entschädigungslose Enteignung hr. Berlin. Auf dem ersten Bauemtag der Ostzone, den dieVereinigung der gegen­seitigen Bauemhilfe veranstaltete, wurde in einer Entschließung an die Londoner Kon­ferenz gefordert, daß in ganz Deutschland aller Grundbesitz über 100 ha entschädigungs­los enteignet werde. Der Bauemtag verlangte, daß-alle Bauern in Deutschland nach dem Muster der Ostzone zusammengeschlossen würden. Zum Vorsitzenden wurde der Führer der VdgB von Sachsen-Anhalt, Körting, ge­wählt. Die Abgeordneten der VdgB in Sach­sen-Anhalt, wo die CDU und LDP eine knappe Mehrheit im Landtag haben, stimm­ten bisher regelmäßig zusammen mit der SED. Bei den Wahlen gingen sie eine Listen­varbindung mit der SED ein.

, Ein päpstlicher Aktionsplan

Vatikanstadt. Nach einer Meldung derOra dItalia soll der Papst zu Weih­nachten einen Aktionsplan für die aposto­lischen Nuntiaturen bekanntgeben, der die Richtlinien gemäß den Reden und Botschaf­ten des Papstes und den Kommentaren be­sonders desOsservatore Romano und des Quotidiano zusammenfaßt. Der erste Punkt dieses Aktionsplans besagt, daß die Kirche Rußland und den Kommunismus niemals als identisch betrachte und jede Aktion gegen dieses Land ablehne. Die Kirche lehne auch die Idee ab, den Kommunismus durch Krieg zu bekämpfen. Sie werde moralisch die Ver­einten -Nationen unterstützen, wenn sie auch deren Unvollkommenheiten sehe. Die Kirche sei gegen die Zerstückelung Deutschlands. Oie Vereinigten Staaten müßten den Ländern, die durch den Krieg heimgesucht worden sind, in größerem Umfang Hilfe gewähren. Endlich werde gewünscht, daß bei Verhand­lungen der Vereinten Nationen über religiöse Probleme ein Vertreter des Heiligen Stuhls teilnehmen könne. Von maßgeblicher kirch­licher Seite wird mitgeteilt, daß das Reichs- | konkordat von 1933 unter der alliierten Be­setzung seine Rechtsgültigkeit behalten hat.

Die Streiks klingen ab

Paris. Während die Nationalversamm­lung unter stürmischen Debatten, die die Kommunisten durch Obstruktion zu ver­zögern trachten, über das Gesetz zum Schutz der Arbeit entscheidet, ist nach einem Be­richt desKosmos-Pressedienstes draußen im Lande ein Abklingen der Streikbewegung festzustellen. Die Generalstreikparole der

J. W. Die Menschheit sieht zu, wie sich auf dem großen Welttheater ein seltsames Schau­spiel begibt: Die Akteure handeln anders, als das Stüde es ihnen vorschreibt, Text und Szene bilden unüberbietbare Widersprüche. Wann wäre eindringlicher von Menschenrecht und Menschenwürde gesprochen, wann weni­ger nach ihren Grundsätzen gehandelt wor­den? Die Frage ist nicht nur Siegern und Besiegten gestellt, sie steht nicht nur zwi­schen Ost und West, zwischen Gestern und Morgen, sie beherrscht die Weltpolitik wie die gesamte geistige und soziale Situation der Menschheit.

Theologen und Journalisten kamen dieser Tage in der Evangelischen Akademie in Bad Boll (Württemberg) zusammen, um in einem Gespräch am Wochenende die unverrück­baren Grundlagen der menschlichen Frei­heit zu ermitteln. Die Fragestellung ergab sich von selbst. Menschenrecht und Menschen­würde sind von den Diktatoren geleugnet und verachtet worden. Ihre Wiederherstel­lung war eines der bestimmenden Kriegsziele der Alliierten. Auf dem SchiffPotomac im Atlantik wurde eine eigene Charta dar­über aufgestellt und 'verkündet; sie forderte Freiheit von Furcht und Not, Freiheit der Rede und Religion. Was ist aus ihr gewor­den? Wenn schon die Politik darin ein Kernproblem unserer Zeit sieht, um wieviel mehr muß erst die Kirche um eine gültige Antwort bemüht sein. Die Unfreiheit, die heute über der Welt liegt, trifft zwar auch Staaten und Völker, in erster Linie aber den Menschen als Individuum. Menschen fliehen, um der tätlichen Bedrohung zu ent­gehen, über Landes- und Zonengrenzen, Menschen werden aus ideologischen Grün­den ins Gefängnis geworfen, Menschen wer­den verurteilt, weil sie eine andere Gesin­nung vertreten, Menschen werden verhandelt, verwaltet, bespitzelt, erniedrigt. Kann der Mensch angesichts der Gewaltherrschaft des Gummistempels überhaupt noch in Freiheit und Würde leben, ist er nicht in Wirklich­keit Objekt einer anonymen internationalen Obrigkeit? Landesbischof Theophil Wurm faßte die Situation in der Frage zusammen: Was würde Goethe zu dieser Zeit sagen? Der Fortschritt stellt sich bei solcher Be­trachtung als ein Rückschritt dar. Denn das Gefühl für die Unantastbarkeit des Men­schen, für das, was Menschenwürde und Menschenrecht ist, ist in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen.

In den Gegensätzen zwischen Ost und West erleben wir eine machtpolitische und zu­gleich eine geistige Auseinandersetzung. Wir dürfen uns das Urteil nicht so leicht machen, daß daraus ein Vorurteil wird. In dieser Ge­fahr befinden wir uns; wieder droht Pro­paganda die Wirklichkeit zu überwuchern. Menschenrecht und Menschenwürde sind nicht nur in den Gebieten in Verfall geraten, in denen das Sowjetsystem herrscht. Auch im Westen wollen sie erst wieder erobert sein. Das Verhältnis zwischen Siegern und Be­siegten bietet dafür manches Beispiel. Ver­wirrung über das, was Recht und Unrecht, was würdig und unwürdig ist, hält Herzen und Geister gefangen. Ein Blick auf die christliche Botschaft und die marxistische Lehre zeigt einen Gegensatz im Denken, der nur überwunden werden könnte, wenn es möglich wäre, leidenschaftslos nach der Wahrheit zu fragen. Die Aussprache in der

Kommunisten wurde nur in wenigen Depar­tements befolgt. In den lothringischen Gruben arbeiten -50 Prozent der Belegschaft. Die Pa­riser Untergrundbahn ist wieder im Betrieb, nachdem die Polizei die Elektrizitätswerke besetzte. Die Gas- und Wasserversorgung der Hauptstadt macht noch Schwierigkeiten. Der Eisenbahnverkehr wurde vielfach wieder auf­genommen, fast alle Expreßzüge gingen ab und im Gare de Lyon fand sich das Personal in größerer Zahl wieder zur Arbeit ein. In Le Havre und Bordeaux sind die Dockarbeiter auf ihren Posten. In den Departements Nord und Pas-de-Calais sind die Bergleute bereit, einzufahren. Telegraph und Telephon funk­tionieren regelmäßig und auch der Postver­kehr läßt wenig zu wünschen übrig.

Nicht vor dem Frühjahr

London. Von der französischen Dele­gation wurden die Gerüchte dementiert, daß Bidault während seines Pariser Aufenthalts mit dem Ministerpräsidenten die Bedingun­gen besprochen hgbe, unter denen Frankreich einen Zusammenschluß seiner Zone mit der Bizone ins Auge fassen würde. Nach einem Bericht desKosmos-Pressedienstes ist man l auch in amerikanischen Kreisen nicht der Ansicht, daß der Anschluß der französischen Zone in der nächsten Zeit erwartet werden könnte. General Clay und sein politischer Be­rater Murphy seien ebenfalls gegen die bal­dige Vereinigung, weil dadurch der wirt­schaftliche Aufschwung Deutschlands gefähr­det werden könnte. Der Bericht nennt als frühesten Termin das Frühjahr. Frankreich beharre auf dem wirtschaftlichen Anschluß des Saargebietes, auf der internationalen Kontrolle des Ruhrgebietes und auf der Fest­setzung der deutschen Westgrenzen.

Evangelischen Akademie bewies, daß es im geistigen Bezirk eine Diskussion darüber geben kann, andererseits aber auch, daß auf rein politischem Gebiet der Verständigung Grenzen gesetzt sind. .Der Marxist Leninscher Prägung kämpft, in seinem Sinne, wenn er für denProletarier und gegen denKapi­talisten auftritt, auch für eine Art von Menschenwürde undMenschenrecht. Die Hinneigung zu den Unterdrückten, die auch die orthodoxe Kirche in frühen Zeiten be­herrschte, ist mit Politik und Wirtschafts­denken vermengt. Sie dient der politischen Macht. In einer deutschen Zeitung stand kürzlich zu lesen, es gebe nur ein Abwehr­und Kampfmittel gegen den Kommunismus, die soziale Tat, zu der sich der Westen auf­raffen müsse. Vielleicht ist es so, vielleicht kann nur die Bekehrung helfen. Ein höherer Sowjetfunktionär sagte zu einem Deutschen: Ich glaube, daß Amerika in den nächsten Jahren zusammenbricht, wenn nicht, dann trete ich zur katholischen Kirche über . .

Die Situation erscheint ausweglos. Der Westen 1 sagt, die Menschenwürde werde unter dem Sowjetsystem mit Füßen getreten, der Osten behauptet, im Westen herrsche kapita­listische Sklaverei. Beides ist richtig und beides ist falsch. So wie wohl das kommu­nistische Bekenntnis die Menschenwürde an­erkennt (eine andere freilich, als wir sie wollen), so gibt es im Westen auch Unfrei­heit. Die Brücke zwischen Ost ''und West müßte geschlagen werden, wo der Ausweg in der Mitte liegt. In Bad Boll wurde, als die Stellung der christlichen Botschaft zu Menschenrecht und Menschenwürde zur De­batte stand, an dem Beispiel der beiden Bodelschwinghs gezeigt, wie sich die Kirche eine Lösung denkt. Das Werk von Bethel ist eine soziale Tat, durch die den Bettlern, den Siechen und den Gestrauchelten eine Heimstätte, aber auch die Ehre und Würde in der Arbeit und Freiheit des Friedens zurückgegeben wurde. Es herrschte dort zu einer Zeit, als diese Dinge noch nicht All­gemeingut waren, soziale Gerechtigkeit und persönliche Freiheit, verklärt durch die Gnade der Liebe und Demut vor Gott. Luther fordert in der Abhandlung von der Freiheit eines Christenmenschen die persön­liche Freiheit, die niemand untertan ist, im gleichen Satz jedoch, daß der Christ ebenso jedermannes und jeder Sache Knecht ist. Nicht um zügellose Freiheit oder Unfreiheit also geht.es, sondern üm Menschenrecht und Menschenwürde im Gleichmaß aller Dinge.

Die Deutschen haben alle Leidensstationen hinter sich. Sie wissen, welch kostbarer Schatz die Menschenwürde ist. Sie haben erkannt, was, das Menschenrecht ist. Sie dür­fen auch als Besiegte frei über diese allge­meinen Güter sprechen und die Anwartschaft auf Sie erwerben. Auf deutschem Boden be­gegnen sich die Gegensätze zwischen Ost und West, hier zeigen sich gleichzeitig die schar­fen Unterschiede zwischen dem Wunsch von einst und der Wirklichkeit von heute. Hier liegt die große Aufgabe der Kirche als der stärksten sittlichen Macht: unerschrocken ihr Veto einzulegen, wo Menschenrecht und Menschenwürde mißachtet werden und mit­zuhelfen, daß unser aller Recht auf Men­schenwürde, wenn es, wie wir es verstehen, schon nicht in der ganzen Welt gilt, dann wenigstens dort durchgesetzt wird, wo man sich dazu bekennt.

Heiliger Krieg" in Ostpolen

Das Veto der Kirchen