Erscheint am Mittv.ooh und Samstag. - Monatsbezugspreis KM. 1.70 samt Beförderungsgebühr nnd Trägergeld, durch die Post: EM. 1.60 zuzüglich RM. 0.34 Post-Zustellgebühr. — Anzelgenp-ct-c iur den lokalen und allgemeinen Teil naob Preistarif vom 1. März 1946 — Adresse: Schwäbische Zeitung, Leutkireh, Poststr. 22, Tel. 212. — Geschäftsstelle Kottweil, Waldtorstr. 4. Tel. 322. — Verlagspostamt i’rie„i>hshafen a. B.
Bottweil/Schwenninge: Schramberg/Oberndorf 3 Calw/Freudenstadt/Horb
Samstag, den 6. Dezember 1947 ORGAN DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UNION Nr. 97 / Jahrgang 3 /Preis 20 Pfg.
Immer noch Vorgeplänkel
Die Londoner Verhandlungen lassen Erfolg, Scheitern und Vertagung offen
London. — Zu einer Meldung des kommunistischen „Daily Worker“, Großbritannien und die Vereinigten Staaten bereiteten die politische Organisation der Westzonen mit Anschluß der französischen vor, um in dieser Trizone die Wirtschaft nach amerikanischem Vorbild zu organisieren, bemerkt der Sonderberichterstatter des „Kosmos“-Pressedienstes, Dieter Wolff, auf sowjetischer Seite könnten tatsächlich ähnliche Befürchtungen bestehen. Einen Beweis glaubt er darin zu erblicken, daß Molotow seinen Vorschlag, den er am 28. November mündlich vorgebracht hatte, und nach dem sich die vier Großmächte verpflichten sollten, in den Zonen keine Einzelregierungen zu bilden, sondern die Bildung einer demokratischen deutschen Zentralregierung zu begünstigen, schriftlich wiederholt hat. Nach der „Times“ argwöhnt Molotow, die Westmächte hielten noch mit gewissen Plänen zurück, und will sie hervorlocken. Bisher sei aber wenig geschehen, was Rückschlüsse zuließe, ob die Konferenz erfolgreich sein, scheitern oder sich einfach vertagen würde. Die deutsche Ostgrenze sehe die Sowjetunion als endgültig an, während der amerikanische Staatssekretär die abschließende Regelung der Friedenskonferenz Vorbehalten und das oberschlesische Industriegebiet internationalisieren wolle. Ebenso bestünden Meinungsverschiedenheiten über die Zentralregierung. Dabei seien andere Kardinalfragen, wie die Reparationen,- die deutsche Wirtschaftseinheit und das zukünftige Statut des Ruhrgebiets, noch nicht berührt worden. Dennoch will Pertinax im „France Soir“ bereits wissen, daß Anfang April 1948 eine neue Konferenz der Außenminister zusammentreten werde. Marshall, Bevin und Bidault hätten über eine Art modus vivendi besonders in der Saar-Frage verhandelt. Nach Pertinax steht ein Kompromiß zwischen den Anschauungen Frankreichs und der Angelsachsen in Aussicht.
Absagen zum
Tübingen. — Staatspräsident Bode hat die Einladung zum Berliner „Volkskongreß“ äbgelehnt, da dieser keine repräsentative Vertretung des deutschen Volkes, sondern eine lediglich parteipolitische Angelegenheit und daher für die Konferenz der Außenminister ohne jegliche Bedeutung sei. Auch der Landesvorsitzende der SPD, Justizminister Professor Schmid, hat die Einladung nicht beantwortet, da für ihn ihre Ablehnung selbstverständlich sei.
Der Hauptvorstand der Ostzonen-CDU sieht sich nach einer Entschließung nicht in der Lage, an dem Kongreß teilzunehmen, der nach allen Begebenheiten keinen wirklich gesamtdeutschen und überparteilichen Charakter tragen werde. Wenn Mitglieder der Union, etwa in Ausübung sonstiger Funktionen, der Einladung folgten, so aus eigener Entscheidung, deren Motive v der Vorstand unter den gegebenen Verhältnissen würdige. Ferner lehnten ab: der Studentenrat der Universität Berlin, der Ministerpräsident von I
A Verschiedentlich wurde in der letzten Zeit von geheimnisvollen Truppen berichtet, die sich in einer weitgespannten, fächerförmigen Front langsam von Osten nach Westen durch Polen und die Tschechoslowakei durchkämpften. Sie nennen sich „Benderovici“ nach dem Namen ihres Anführers Bandera. Es handelt sich bei ihnen jedoch nicht, wie behauptet wurde, um Banden, um Wlassow- Kämpfer oder um ehemalige Angehörige der deutschen Armee, sondern um Teile der „Ukrainischen Revolutions-Armee“, die jahrelang in Ostpolen und der Ukraine gegen die Truppen Polens und der Sowjetunion um dje Unabhängigkeit ihres Vaterlandes gekämpft haben. Diese Revolutionsarmee entstand im Jahre 1942 aus den Mitgliedern der Freiheitsbewegung Stepan Banderas, die schon im ersten Weltkrieg den deutschen Truppen Widerstand leistete, nachdem ihre Hoffnungen auf deutsche Hilfe sich zerschlagen hatten. Nur in den Jahren 1918 bis 1920 war dieses Volk von über 40 Millionen Menschen einmal unabhängig. In der großen Hungersnot des Jahres 1921 verhungerten etwa sechs Millionen von ihnen. Ihr Elend hat Frithjof Nansen beschrieben, der zusammen mit Quisling als Völkerbundskommissar Hilfsmaßnahmen einzuleiten versuchte. Er berichtet aus jener Zeit von Fällen, in denen die Menschen im Kannibalismus das letzte Mittel sahen, um sich am Leben erhalten. Im vergangenen Kriege richtete sich der Kampf der Ukrainer zunächst gegen die deutsche Besetzung. Naclt dem Rückzug der deutschen Armee aber setzte er sich gegen die sowjetischen Truppen fort. Noch zwei Jahre nach dem Kriege
In der Mittwochsitzung sagte Bidault, keine Macht sollte gehindert werden, ihre Meinung über die deutsche Frage zu äußern, doch hätten die Staaten in verschiedener Weise am Kriege teilgenommen und seien verschieden stark von der deutschen Gefahr bedroht. Die entfernten Länder dürften nicht die Mehrheit erhalten und der Minderheit der "Nachbarn Deutschlands ihrenc Willen aufzwingen. Bidault wünscht eine Liste der am meisten interessierten Länder, doch sollte jeder Staat, der mit Deutschland im Kriege war, auf Antrag gehört werden. Bevin stimmte bei und auch Marshall bestritt nicht die Sonderstellung der Staaten, die die Hauptlast des Krieges zu tragen hatten. Er meinte nur, der Friede werde um so dauerhafter und solider sein, je vollständiger sich die Alliierten an den Verhandlungen beteiligten. Molotow verlangte, daß die Beschlüsse von Jalta und Potsdam die Grundlage des Vertrages bilden sollten. Marshall meinte jedoch, die Auslegung dieser Beschlüsse variiere in Moskau und Washington, und er halte es für unnötig, die Verschiedenheiten noch zu bestätigen. Als Molotow vorschlug, daß die vier Regierungen vier eigene Entwürfe ausarbeiten und dem Außenministerrat in zwei Monaten wieder vorlegen sollten, verlangten Bidault und Bevin, daß die Tagesordnung respektiert werde. Molotow bestand nicht weiter auf seiner Anregung.
Bidault war auf einen Tag in Paris, kehrte aber nach einer Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Schumann sogleich wieder nach London zurück. Molotow, der am Montag eine Einladung Marshalls in die amerikanische Botschaft wegen Ueberbürdung abgelehnt hatte, lud selbst Marshall für Freitag in die sowjetische Botschaft ein, und Marshall nahm an. Am Mittwooh waren die Außenminister Gäste des Königs im Buckingham-Palast. Den Abend zuvor verbrachte Marshall bei Churchill.
Volkskongreß
Schleswig-Holstein, Hermann Lüdemann (SPD), der niedersächsische' Minister für Wirtschaft und Verkehr, Alfred Kübel (SPD), der Bürgermeister von Hamburg, Max Brauer, und der bayerische Gewerkschaftsbund. Die Zustimmung der Münchner Professoren Dr. Arnold Sommerfeld, Dr. Franz Roh und Dr. Karl Voßler, die von Radio Berlin behauptet worden war, beschränkt sich auf die Unterschrift unter eine Begrüßungsadresse.
Hingegen beschloß der Parteivorstand der LDP der Sowjetzone die Teilnahme. Der Landesverband Berlin, der bereits abgelehnt hatte, nahm an der Sitzung nicht teil Sachsen wird durch den Ministerpräsidenten Seyde- witz und sämtliche Minister, der freie deutsche Gewerkschaftsbund durch sieben Vorstandsmitglieder vertreten sein. Die amerikanische Militärregierung hat das Plakat zum Volkskongreß im amerikanischen Sektor Berlins als irreführend und unwahr I verboten.
wurde leidenschaftlich um diese Freiheit gekämpft, ohne daß es der Roten Armee oder der polnischen Armee gelungen wäre, die ukrainischen Revolutionstruppen vernichtend zu schlagen. Erst im Frühjahr 1947 wurde zwischen der Sowjetunion, Polen und der Tschechoslowakei ein militärisches Abkommen zur Vernichtung der Benderovici abgeschlossen. Nach harten Kämpfen in Ostpolen, die sich über mehrere Monate erstreckten, wurden Teile der ukrainischen Armee verdrängt und setzten sich in Marsch nach Westen, um bei den Westmächten ein Asyl zu suchen. Sie nennen ihren Kampf den „Heiligen Krieg“. Daß es sich nicht nur um Bandengeplänkel, sondern um ernsthaftes Kämpfen handelte, zeigt der Umstand, daß es der Anstrengung dreier Staaten bedurfte, um die ukrainische Revolutionsarmee zu zersplittern.
Entschädigungslose Enteignung hr. Berlin. Auf dem ersten Bauemtag der Ostzone, den die „Vereinigung der gegenseitigen Bauemhilfe“ veranstaltete, wurde in einer Entschließung an die Londoner Konferenz gefordert, daß in ganz Deutschland aller Grundbesitz über 100 ha entschädigungslos enteignet werde. Der Bauemtag verlangte, daß-alle Bauern in Deutschland nach dem Muster der Ostzone zusammengeschlossen würden. Zum Vorsitzenden wurde der Führer der VdgB von Sachsen-Anhalt, Körting, gewählt. Die Abgeordneten der VdgB in Sachsen-Anhalt, wo die CDU und LDP eine knappe Mehrheit im Landtag haben, stimmten bisher regelmäßig zusammen mit der SED. Bei den Wahlen gingen sie eine Listenvarbindung mit der SED ein.
, Ein päpstlicher Aktionsplan
Vatikanstadt. — Nach einer Meldung der „Ora d’Italia“ soll der Papst zu Weihnachten einen Aktionsplan für die apostolischen Nuntiaturen bekanntgeben, der die Richtlinien gemäß den Reden und Botschaften des Papstes und den Kommentaren besonders des „Osservatore Romano“ und des „Quotidiano“ zusammenfaßt. Der erste Punkt dieses Aktionsplans besagt, daß die Kirche Rußland und den Kommunismus niemals als identisch betrachte und jede Aktion gegen dieses Land ablehne. Die Kirche lehne auch die Idee ab, den Kommunismus durch Krieg zu bekämpfen. Sie werde moralisch die Vereinten -Nationen unterstützen, wenn sie auch deren Unvollkommenheiten sehe. Die Kirche sei gegen die Zerstückelung Deutschlands. Oie Vereinigten Staaten müßten den Ländern, die durch den Krieg heimgesucht worden sind, in größerem Umfang Hilfe gewähren. Endlich werde gewünscht, daß bei Verhandlungen der Vereinten Nationen über religiöse Probleme ein Vertreter des Heiligen Stuhls teilnehmen könne. Von maßgeblicher kirchlicher Seite wird mitgeteilt, daß das Reichs- | konkordat von 1933 unter der alliierten Besetzung seine Rechtsgültigkeit behalten hat.
Die Streiks klingen ab
Paris. — Während die Nationalversammlung unter stürmischen Debatten, die die Kommunisten durch Obstruktion zu verzögern trachten, über das Gesetz zum Schutz der Arbeit entscheidet, ist nach einem Bericht des „Kosmos“-Pressedienstes draußen im Lande ein Abklingen der Streikbewegung festzustellen. Die Generalstreikparole der
J. W. Die Menschheit sieht zu, wie sich auf dem großen Welttheater ein seltsames Schauspiel begibt: Die Akteure handeln anders, als das Stüde es ihnen vorschreibt, Text und Szene bilden unüberbietbare Widersprüche. Wann wäre eindringlicher von Menschenrecht und Menschenwürde gesprochen, wann weniger nach ihren Grundsätzen gehandelt worden? Die Frage ist nicht nur Siegern und Besiegten gestellt, sie steht nicht nur zwischen Ost und West, zwischen Gestern und Morgen, sie beherrscht die Weltpolitik wie die gesamte geistige und soziale Situation der Menschheit.
Theologen und Journalisten kamen dieser Tage in der Evangelischen Akademie in Bad Boll (Württemberg) zusammen, um in einem „Gespräch am Wochenende“ die unverrückbaren Grundlagen der menschlichen Freiheit zu ermitteln. Die Fragestellung ergab sich von selbst. Menschenrecht und Menschenwürde sind von den Diktatoren geleugnet und verachtet worden. Ihre Wiederherstellung war eines der bestimmenden Kriegsziele der Alliierten. Auf dem Schiff „Potomac“ im Atlantik wurde eine eigene Charta darüber aufgestellt und 'verkündet; sie forderte Freiheit von Furcht und Not, Freiheit der Rede und Religion. Was ist aus ihr geworden? Wenn schon die Politik darin ein Kernproblem unserer Zeit sieht, um wieviel mehr muß erst die Kirche um eine gültige Antwort bemüht sein. Die Unfreiheit, die heute über der Welt liegt, trifft zwar auch Staaten und Völker, in erster Linie aber den Menschen als Individuum. Menschen fliehen, um der tätlichen Bedrohung zu entgehen, über Landes- und Zonengrenzen, Menschen werden aus ideologischen Gründen ins Gefängnis geworfen, Menschen werden verurteilt, weil sie eine andere Gesinnung vertreten, Menschen werden verhandelt, verwaltet, bespitzelt, erniedrigt. Kann der Mensch angesichts der Gewaltherrschaft des Gummistempels überhaupt noch in Freiheit und Würde leben, ist er nicht in Wirklichkeit Objekt einer anonymen internationalen Obrigkeit? Landesbischof Theophil Wurm faßte die Situation in der Frage zusammen: „Was würde Goethe zu dieser Zeit sagen?“ Der Fortschritt stellt sich bei solcher Betrachtung als ein Rückschritt dar. Denn das Gefühl für die Unantastbarkeit des Menschen, für das, was Menschenwürde und Menschenrecht ist, ist in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen.
In den Gegensätzen zwischen Ost und West erleben wir eine machtpolitische und zugleich eine geistige Auseinandersetzung. Wir dürfen uns das Urteil nicht so leicht machen, daß daraus ein Vorurteil wird. In dieser Gefahr befinden wir uns; wieder droht Propaganda die Wirklichkeit zu überwuchern. Menschenrecht und Menschenwürde sind nicht nur in den Gebieten in Verfall geraten, in denen das Sowjetsystem herrscht. Auch im Westen wollen sie erst wieder erobert sein. Das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten bietet dafür manches Beispiel. Verwirrung über das, was Recht und Unrecht, was würdig und unwürdig ist, hält Herzen und Geister gefangen. Ein Blick auf die christliche Botschaft und die marxistische Lehre zeigt einen Gegensatz im Denken, der nur überwunden werden könnte, wenn es möglich wäre, leidenschaftslos nach der Wahrheit zu fragen. Die Aussprache in der
Kommunisten wurde nur in wenigen Departements befolgt. In den lothringischen Gruben arbeiten -50 Prozent der Belegschaft. Die Pariser Untergrundbahn ist wieder im Betrieb, nachdem die Polizei die Elektrizitätswerke besetzte. Die Gas- und Wasserversorgung der Hauptstadt macht noch Schwierigkeiten. Der Eisenbahnverkehr wurde vielfach wieder aufgenommen, fast alle Expreßzüge gingen ab und im Gare de Lyon fand sich das Personal in größerer Zahl wieder zur Arbeit ein. In Le Havre und Bordeaux sind die Dockarbeiter auf ihren Posten. In den Departements Nord und Pas-de-Calais sind die Bergleute bereit, einzufahren. Telegraph und Telephon funktionieren regelmäßig und auch der Postverkehr läßt wenig zu wünschen übrig.
Nicht vor dem Frühjahr
London. — Von der französischen Delegation wurden die Gerüchte dementiert, daß Bidault während seines Pariser Aufenthalts mit dem Ministerpräsidenten die Bedingungen besprochen hgbe, unter denen Frankreich einen Zusammenschluß seiner Zone mit der Bizone ins Auge fassen würde. Nach einem Bericht des „Kosmos“-Pressedienstes ist man l auch in amerikanischen Kreisen nicht der Ansicht, daß der Anschluß der französischen Zone in der nächsten Zeit erwartet werden könnte. General Clay und sein politischer Berater Murphy seien ebenfalls gegen die baldige Vereinigung, weil dadurch der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands gefährdet werden könnte. Der Bericht nennt als frühesten Termin das Frühjahr. Frankreich beharre auf dem wirtschaftlichen Anschluß des Saargebietes, auf der internationalen Kontrolle des Ruhrgebietes und auf der Festsetzung der deutschen Westgrenzen.
Evangelischen Akademie bewies, daß es im geistigen Bezirk eine Diskussion darüber geben kann, andererseits aber auch, daß auf rein politischem Gebiet der Verständigung Grenzen gesetzt sind. .Der Marxist Leninscher Prägung kämpft, in seinem Sinne, wenn er für den „Proletarier“ und gegen den „Kapitalisten“ auftritt, auch für eine Art von „Menschenwürde“ und „Menschenrecht“. Die Hinneigung zu den Unterdrückten, die auch die orthodoxe Kirche in frühen Zeiten beherrschte, ist mit Politik und Wirtschaftsdenken vermengt. Sie dient der politischen Macht. In einer deutschen Zeitung stand kürzlich zu lesen, es gebe nur ein Abwehrund Kampfmittel gegen den Kommunismus, die soziale Tat, zu der sich der Westen aufraffen müsse. Vielleicht ist es so, vielleicht kann nur die Bekehrung helfen. Ein höherer Sowjetfunktionär sagte zu einem Deutschen: „Ich glaube, daß Amerika in den nächsten Jahren zusammenbricht, wenn nicht, dann trete ich zur katholischen Kirche über . .
Die Situation erscheint ausweglos. Der Westen 1 sagt, die Menschenwürde werde unter dem Sowjetsystem mit Füßen getreten, der Osten behauptet, im Westen herrsche kapitalistische Sklaverei. Beides ist richtig und beides ist falsch. So wie wohl das kommunistische Bekenntnis die Menschenwürde anerkennt (eine andere freilich, als wir sie wollen), so gibt es im Westen auch Unfreiheit. Die Brücke zwischen Ost ''und West müßte geschlagen werden, wo der Ausweg in der Mitte liegt. In Bad Boll wurde, als die Stellung der christlichen Botschaft zu Menschenrecht und Menschenwürde zur Debatte stand, an dem Beispiel der beiden Bodelschwinghs gezeigt, wie sich die Kirche eine Lösung denkt. Das Werk von Bethel ist eine soziale Tat, durch die den Bettlern, den Siechen und den Gestrauchelten eine Heimstätte, aber auch die Ehre und Würde in der Arbeit und Freiheit des Friedens zurückgegeben wurde. Es herrschte dort zu einer Zeit, als diese Dinge noch nicht Allgemeingut waren, soziale Gerechtigkeit und persönliche Freiheit, verklärt durch die Gnade der Liebe und Demut vor Gott. Luther fordert in der Abhandlung von der Freiheit eines Christenmenschen die persönliche Freiheit, die niemand untertan ist, im gleichen Satz jedoch, daß der Christ ebenso jedermannes und jeder Sache Knecht ist. Nicht um zügellose Freiheit oder Unfreiheit also geht.es, sondern üm Menschenrecht und Menschenwürde im Gleichmaß aller Dinge.
Die Deutschen haben alle Leidensstationen hinter sich. Sie wissen, welch kostbarer Schatz die Menschenwürde ist. Sie haben erkannt, was, das Menschenrecht ist. Sie dürfen auch als Besiegte frei über diese allgemeinen Güter sprechen und die Anwartschaft auf Sie erwerben. Auf deutschem Boden begegnen sich die Gegensätze zwischen Ost und West, hier zeigen sich gleichzeitig die scharfen Unterschiede zwischen dem Wunsch von einst und der Wirklichkeit von heute. Hier liegt die große Aufgabe der Kirche als der stärksten sittlichen Macht: unerschrocken ihr Veto einzulegen, wo Menschenrecht und Menschenwürde mißachtet werden und mitzuhelfen, daß unser aller Recht auf Menschenwürde, wenn es, wie wir es verstehen, schon nicht in der ganzen Welt gilt, dann wenigstens dort durchgesetzt wird, wo man sich dazu bekennt.
„Heiliger Krieg" in Ostpolen
Das Veto der Kirchen