«raoheint am Diensta* und Freitag. — Monatsbazugsprels BM. 1.70 samt Beförderungsgebühr und Trägergeld, duroh die Posti BM. 1.60 zuzüglioh BM. 0.24 Post-Zustellgebühr. — Anzeigenpreise für den lokalen ■nd allgemeinen Teil nach Preistarif vom 1. März 1946 — Adresse: Sohwäbisehe Zeitung. Leutklroh, Poststr. 22, Tel. 212. — Geschäftsstelle Bottweil, Waldtorstr. 4, Tel. S22. — Verlagspoetamt Friedrichs bafen a. B.
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Dienstag, den 30. September 1947 ORGAN DER CHRISTLICH*DEMOKRATISCHEN UNION Nr. 78/Jahrgang 3/Preis20 Pfg.
Meinungsstreit zweier Welten
Zwischen Marshall-Plan und Veto-Redit wogt die Debatte hin und her
Washington. — Präsident Truman hat auf einer Pressekonferenz den Bericht- der sechzehn westeuropäischen Staaten eine Kraftanstrengung ohnegleichen, den ersten wichtigen und ermutigenden Schritt zur wirtschaftlichen Stabilität Europas und zum Weltfrieden genannt. Er wolle versuchen, sagte der Präsident, ohne eine Sondersitzung des Kongresses das Problem einer vordringlichen einstweiligen Hilfeleistung zu lösen, ehe der Marshall-Plan in Kraft trete. Man rechnet damit nicht vor Sommer 1948. Truman forderte seine Landsleute auf, ihren Lebensmittelverbrauch nach Möglichkeit einzuschränken. Es sei unmöglich, daß die Vereinigten Staaten die Völker Europas Hunger leiden ließen. Jedes Jahr könnten siebzig Millionen Scheffel Brotgetreide gespart werden. Die lateinamerikanischen Staaten würden der Union helfen, den europäischen Bedarf zu decken. Trotz allen Drängens widerstand der Präsident den Bitten, sich zu Wi- schinskys Rede vor den Vereinten Nationen zu äußern. Er sagte lediglich, diese Erklärungen sprächen für sich selbst.'
Auch Staatssekretär Mgrshall äußerte sich positiv über den Sechzehnerbericht. Die Vereinigten Staaten sollen sich, wie übrigens auch Frankreich, mit einem englischen Vorschlag einverstanden erklärt haben, die Außenministerkonferenz in London um einige Wochen zu verschieben, damit sie nicht mit der Schlußphase der Session der Vereinten Nationen Zusammenfalle. Man rechnet damit, daß die Hauptversammlung etwa zwei Monate in Anspruch nehmen wird. Auch die Vorberatungen der stellvertretenden Außenminister, die am 6. Oktober begingen sollten, dürften um etwa einen Monat verschoben werden. Für. die eigentliche Konferenz halten Großbritannien, und die Vereinigten Staaten den Termin des 25. November für richtig.
In der Hauptversammlung der Vereinten Nationen haben die Vereinigten Staaten jetzt den von Marshall in seiner Rede gemachten Vorschlag einer Zwischenkommission formell eingebracht. Für den Vorschlag hat sich Eden in einer Rede in Portsmouth ausgesprochen. Das Problem des Vetorechts liege nicht im Mechanismus oder in der Definition, sondern ln der geistigen Verfassung, in der von ihm Gebrauch gemacht werde. Auf Wischinskys Angriffe antwortete der konservative Politiker mit der Feststellung, daß die Sowjetregierung mehrere Militärpakte abgeschlossen habe, über die in der Welt niemals diskutiert worden sei. Von der Hinrichtung Pet- koffs sagte er, sie habe ihn entsetzt. Die amerikanische Delegation in der politischen
London. — Clement Attlee sagte in einer Rede, die er in Leicester hielt, nach seiner Meinung bewiesen die scharfen Angriffe der Sowjetpresse gegen die übrige Welt die Schwierigkeiten, denen sich die Sowjetunion gegenübersehe. Auch die Länder Osteuropas seien von den Folgen des Krieges betroffen. Großbritannien, dessen Gedeihen vom Weltmarkt abhänge, habe sehr unter dem langsamen Wiederaufbau in den anderen Ländern gelitten. Die fortwährenden Angriffe in einem Teil der Presse und durch gewisse Gegner der Regierung machten deren Aufgaben noch schwerer.
Winston Churchill sprach auf einer Versammlung in Snaresbrook in Essex von der Arroganz der Labour-Regierung, ihren Rudeln von Beamten und ihren Tausenden von Bestimmungen, die verfehlt gehandhabt würden, was im britischen Nationalleben einen deutlichen Verfall zur Folge gehabt hätte. Eine Ausnahme mache die Außenpolitik Be-
S»arb rücken. — Der Verfassungsentwurf, den die vorläufige Verwaltungskommission des Saarlandes ausgearbeitet hat, besagt in der Präambel, das Volk an der Saar versuche nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches sein Gemeinschaftsleben kulturell, politisch, wirtschaftlich und sozial neu zu gestalten. Durchdrungen von der Erkenntnis, daß sein Bestehen und seine Entwicklung durch die organische Einordnung des Saarlandes in den Wirtschaftsbereich der Französischen Union gesichert werden könnten, im Vertrauen, auf sein internationales Statut, das die Grundlage für sein Eigenleben und seinen Wiederaufstieg festlegen werde, gründe das Volk an der Saar seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluß des Saarlandes an die Französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit hiit ihr. Dies schließe ein, daß das Saarland Vom Deutschen Reich politisch unabhängig
Kommission der Hauptversammlung der Vereinten Nationen hat vorgeschlagen, einen Sonderausschuß für den Balkan einzusetzen.
Auf einer Pressekonferenz, an der mindestens fünfhundert Personen teilnahmen, wiederholte Wischinsky seine Angriffe gegen die Personen, die er beschuldigt hatte, Propagandisten eines Krieges gegen die Sowjetunion zu sein. Von dem britischen Staatsminister Mac Neil sagte er, dieser sozialistische Politiker habe sich auf die Seite Churchills gestellt. Auf die Frage, wo die Pressefreiheit bleibe, antwortete er, man könnte Propaganda zum Kriege gegen die Sowjetunion durch Gesetz den gemeinen Verbrechen gleichstellen. Jeder, der den Krieg vorbereite, sei mit Hitler zu vergleichen.
Einen Vorstoß gegen den Marshall-Plan unternahm der polnische Delegierte Lange, indem er von der Vollversammlung eine Entschließung verlangte, die verbiete, außerhalb der Vereinten Nationen ein System einzuführen, das die großen internationalen wirtschaftlichen Probleme lösen solle.
Im Sicherheitsrat machte der sowjetische Vertreter Gromyko die Aufnahme Italiens in die. Vereinten Nationen von der gleichzeitigen Zulassung Bulgariens, Finnlands, Ungarns und Rumäniens abhängig. China und Frankreich protestierten gegen Bulgarien, die Vereinigten Staaten gegen Ungarn. Der belgische Vertreter nannte die sowjetischen Bedingungen nicht mit der Charta vereinbar. Sir Alexander Cadogan gebrauchte den ungewöhnlichen Ausdruck „betrügerisch“. Sein australischer Kollege Hodgson sprach von erpresserischem Vorgehen, während der Amerikaner Johnson wenigstens eine willkürliche Auslegung des Potsdamer Vertrages feststellte. Der Leiter der sowjetischen Delegation in der gemeinsamen Kommission für Korea soll den gleichzeitigen Abzug der amerikanischen und sowjetischen Besatzungstruppen im Jahre 1948 vorgeschlagen haben.
Die französische Regierung hat in einer Note zur Ruhrfrage ihre Befürchtung mitgeteilt, daß der Industrieplan für die Bizone und eine Aenderung in der Verwaltung des Ruhrgebiets eine endgültige Regelung erschweren und in gewisser Weise vorwegnehmen könnte. Nur eine internationale Verwaltung und Kontrolle des Ruhrbeckens käme in Frage. Frankreich habe weiter Bedenken, die Leitung der Gruben Deutschen zu übertragen. Vier Ruhrkohlengruben sind französischer Besitz, zwei davon Eigentum des Staates. Frankreich protestiert, daß etwa auch diese Gruben eine deutsche Betriebsleitung erhalten sollten. _
vins, die eine Stabilität und Ausdauer erkennen ließe, welche günstig von dem abstächen, was Bevins Kollegen im Mutterlande täten. Indem er an seine Rede in Fulton erinnerte, warf Churchill der Sowjetunion vor, daß sie in den Nachbarländern intrigiere und die Arbeit der Vereinten Nationen durch den brutalen Gebrauch des Vetos lähme. Sie trage die Hauptverantwortung für den Mord an dem bulgarischen Patrioten Petkoff, dessen Hinrichtung eine Lektion wäre, welches Schicksal alle erwarte, die den Mut hätten, einer Scheinregierung zu opponieren, welche die Sowjets eingesetzt hätten. Churchill begrüßte die spontane gemeinsame Einstellung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens gegenüber diesem beschämenden Justizmord. Er meinte noch, die Hälfte der Anstrengungen, die England in Palästina gemacht habe, hätte genügt, in Indien eine ruhige und friedliche Machtübergabe zu sichern.
sei, Frankreich die Landesverteidigung und die Vertretung der saarländischen Interessen im Auslande übernehme, die französischen Zoll- und Währungsgesetze auf das Saarland angewendet würden, die französische Regierung einen Vertreter bestelle, der Verordnungsrecht auf dem Gebiet der Wirtschaft und allgemeine Aufsichtsbefugnisse habe, sowie daß die Organisation des Rechtswesens die Einheitlichkeit der Rechtssprechung gewährleiste. Der freigewählte Landtag des Saarlandes beschließe daher nach Ueberwindung eines Systems, das die menschliche Persönlichkeit entwürdigt und versklavt habe, in Ehrfurcht vor Gott und um dem Frieden der Welt zu dienen, die Verfassung, die als Grundlage des neuen Staates Freiheit, Menschlichkeit, Recht und Moral verankern solle Sendung des Saarlandes sei es, die Brücke zur Verständigung der Völker zu bilden.
Mut zur Verantwortung
Koblenz. — An der vierten Tagung der Arbeitsgemeinschaft der CDU und CSU nahmen br. Adenauer, Jakob Kaiser und Ernst Lemmer teil. In den Diskussionen kam zum Ausdruck, daß die CDU, die in allen Zonen vertreten ist, in besonderer Weise die Möglichkeit habe, den Willen zur deutschen Einheit nach außen hin zu vertreten. Der Neubau Deutschlands könne nicht durch überholte marxistische Doktrinen, sondern nur auf der Grundlage der persönlichen Freiheit und des sozialen Fortschritts erreicht werden. Die CDU werde sich ihrer Verantwortung auch angesichts der großen materiellen Not unseres Volkes nicht entziehen.
Ein Angebot vom 12. April 1944
A München. — In dem Tagebuch des persönlichen Assistenten von Dr. Joseph Goebbels, Dr. Rudolf Semler, das jetzt in England unter dem Titel „Goebbels, the man next to Hitler“, veröffentlicht wird, kommt ein Memorandum vor, das der Minister am 12. April 1944 an Hitler gerichtet hat, um ihm eine Uebereinkunft mit der Sowjetunion vorzuschlagen. Danach sollten Rußland Finnland und Nordnorwegen als Einflußgebiete überlassen werden. Deutschland sollte der Angliederung der baltischen Länder an die Sowjetunion zustimmen. Das „Generalgouvernement“ sollte bis zum „Warthegau“ an Rußland fallen. Die Zukunft der Tschechoslowakei sollte offen bleiben. Rumänien, Bulgarien und Griechenland sollten russische Eipflußgebiete werden. Hitler hat von der Chance, die ihm sein Minister zeigte, keinen Gebrauch gemacht.
Die geheimen Zusatzprotokolle zu dem deutsch-russischen Nichtangriffspakt vom 28. August und vom 28. September 1939 sind erstmals in Deutschland von der Münchner Zeitschrift „Echo der Woche“ veröffentlicht worden. Sie setzen die nördliche Grenze Litauens als Grenze der Interessensphären Rußlands und Deutschlands fest, die in Polen durch die Flüsse Narew, Weichsel und
J. S. Seit 1934 ist Heinrich Brüning in der Emigration. Ais damals die Mordseuche auch nach ihm griff, haben ihn wohlmeinende Freunde in Sicherheit gebracht, zu Schiff erst nach England und dann nach Amerika. Das ist jetzt über dreizehn Jahre her. Und in dieser ganzen Zeit hat man eigentlich nicht viel von ihm gehört, im Gegensatz zu manchen anderen Emigranten, die sehr viel von sich reden machten. Erst jetzt, da er .fürchtet, die Wahrheit könnte, wenn er^ länger schwiege, leiden, und manche Vorgänge, die er aus nächster Nähe und nahezu unter vier Augen miterlebt hatte, könnten verzerrt in die deutsche Geschichte eingehen, äußerte e^r sich in einem längeren Briefe an die „Neue Rundschau“. Dieser Brief ist vielfach nachgedruckt worden und in seinen Grundzügen bekannt. Brüning hat sich darin auf eine reine Darstellung der Politik seiner Regierung von 1929 bis 1933 gegen den aufkommenden Nationalsozialismus beschränkt. Er geht weder auf die Zeit des Krieges ein, noch auf die derzeitige Situation, über die man so brennend gern seine Ansicht hören möchte. Denn immerhin hätte ein Mann wie Brüning darüber etwas mehr zu sagen, als die Legion politischer Schnattergänse, die mit ihrem Geschrei die Arena anfüllen.
Brüning war nie ein Mann der großen Worte. Nie sah man, daß sein blasses Gelehrtengesicht, das eher, zu einem Professor der Pastoraltheologie als zu einem Kanzler auf Bismarcks Stuhl gepaßt hätte, rot anlief. Nicht einmal damals, als ihm die große Enttäuschung seines Lebens widerfuhr, wie Hin- denburg ihm nach einem Dreiminutengespräch zwischen Tür und Suppe den Laufpaß gab, gleich einem Hausdiener, über den sich einige Mieter beschwert hatten. Und er hatte sich, weiß Gott, doch schwer genug mit dem alten Herrn abstrapaziert. Niemand hätte es ihm verübelt, wenn er damals, am 1. Juni 1932, die Tür hinter sich zugeknallt hätte. Und niemand würde es ihm jetzt verübeln, wenn er das infame Kulissenspiel Papens und das Kartenmischen der hochgeborenen Nachbarschaften, Klubfreundschaften und Regimentskameradschaften des jungen Herrn von Hindenburg näher beleuchtet hätte. Brüning tat es nicht. Er deckte den Reichspräsidenten ritterlich und entschuldigte alle seine menschlichen und, man muß es leider sagen, auch charakterlichen Unzulänglichkeiten mit der Schwäche des Alters und vorübergehenden „geistigen Zusammenbrüchen“. Er manipuliert also auch hier in seinem Briefe mit der „Zuckerzange“. „Er hat nicht begriffen, daß es vergeblich ist, mit der Zuckerzange gegen Leute zu kämpfen, die eine Axt schwingen,“ sagt Frangois-Poncet von ihm in seinen Erinnerungen.
Nichts in Brünings Brief deutet an, daß er die Absicht hat, wieder das politische Parkett zu betreten. Als er sich nach seiner Entlassung als Kanzler auch von dem französischen Botschafter verabschiedete, hatte dieser den
San bestimmt wird. Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen ließen und wie dieser Staat abzu- grenzen wäre, wurde der späteren politischen Entwicklung überlassen.
Hoffnung auf Deutschlands Kraft
Paris. — Ministerpräsident Ramadier sagte in. einer Rede in Mulhouse, Frankreich hege keine Rachegedanken gegen Deutschland und wolle, daß auf beiden Seiten des Rheines menschliche Gefühle lebten. Damit aber die Zukunft Vergangenes nicht wiederbringe, müsse das auf deutschem Boden gesäte Unkraut ausgejätet werden. Frankreich hoffe zu einem Zeitpunkt, an dem Europa vor die Notwendigkeit einer Neugruppierung gestellt sei, daß Deutschland die Kraft aufbringen werde, sich selbst zu befreien. Europa könne seine richtige Konstellation nicht wiederfindeq, wenn Deutschland nicht seinen Anteil leiste, doch dürfe Deutschland« Wiederaufbau nicht vor dem seiner Opfer kommen. Ohne ein Gleichgewicht in Europa könne auch die Welt ihr Gleichgewicht nicht wiederfinden.
Von französischer Stelle wird mitgeteilt, daß die Pariser Regierung nicht beabsichtige, auf der Londoner Konferenz der Außenminister die Fusion ihrer Zone mit der Bizone vorzuschlagen.
Vergrößerter Vatikanstaat
Vatikanstadt. — In den nächsten Monaten dürfte eine Revision der territorialen Klauseln des Lateran-Paktes in Angriff genommen werden. Das päpstliche Staatssekretariat will die Vergrößerung des Vatikanstaates anregen, da deren Bevölkerung in den letzten Jahren stark angewachsen' ist. Vor allem haben während des Krieges zahlreich« Flüchtlinge dort Obdach gefunden. Die Wünsche nach einer Gebietserweiterung dürften das deutsche Hospiz einschließen, das schon während des Krieges von beiden Parteien als ein Teil der neutralen Vatikanstadt behandelt wurde. _
Eindruck, einen Mann vor sich zu haben, der sich zum erstenmal seit langer Zeit wieder frei und glücklich fühlte und dem ein Stein vom Herzen gefallen war. Bei einer Persönlichkeit mit einem so ausgeprägten Verantwortungsgefühl ist es verständlich, wenn er es als Erleichterung empfand, aus einer Verantwortung entlassen zu werden, die er nicht mehr tragen konnte. Sein klarer Verstand und die Einsicht in die Dinge ließen ihn nichts Gutes ahnen. Aber er hatte darüber nicht mehr zu befinden. Was dann kam, war schicksalhaft. Doch eines ist sicher, wenn sich Heinrich Brüning berufen fühlte, wiederum das Steuer in Deutschland in di« Hand zu nehmen und, wenn Deutschland in der Lage wäre, die Männer zu bestimmen, denen es dieses Steuer anvertraut, und es würde Brüning dazu bestimmen — aber di« Entscheidung darüber liegt bei den Alliierten —, auf jeden Fall, mit der Zuckerzange ginge es nicht mehr. Denn viel zu viele stehen schon wieder mit der Axt bereit. Allerdings diesmal nicht mehr unter dem Zeichen des Hakenkreuzes.
Brünings Brief oder allein die Tatsache, daß er einen geschrieben hat, hat nämlich bei vielen Leuten Mißfallen erregt. Man ist ihm in manchen Lagern nicht grün. Am meisten fürchtet man offenbar seine Wiederkehr im Lager der Linken und Ganzlinken. Di« „Weltbühne" hat es sogar für nötig befunden, ihre Leser dadurch vor Brüning gruseln zu machen, daß sie ihn kurzerhand in den Jesuitenorden versetzte. Aus den Ingredienzien Jesuitismus, Manchestertum und Hochfinanz backt sie einen Popanz zusammen, den sie Brüning nennt und ihren Lesern zum Fräße vorwirft. Als ob Brüning nicht gerade von der Rüstungsindustrie und der Hochfinanz gemeuchelt worden wäre! Der „Jesuit“ ist ein beliebtes Requisit politischer Propaganda- Akrobatik. Noch zu Bismarcks Zeiten konnte man damit bei nationalliberalen Rauschebärten und überhitzten Ladenschwengeln Eindruck machen. Aber schon die Gauredner des Dritten Reiches wagten es nur noch in den Zeiten der totalen Verfinsterung oder vor einem hinterwäldlerischen Publikum, dieses Gespenst aus der Rumpelkammer des Kulturkampfes zu zitieren. Der „Weltbühne“, wo ehemals Ossietzky und Tucholsky einen höheren geistigen Ehrgeiz entwickelten, steht ein solcher Rückfall in teutonische Urvätermethoden zweifellos nicht gut an. Sie sollte dies ihren Freunden gröberen Schlages überlassen, die vielleicht auch gerne ihre Stimme im Kesseltreiben gegen Brüning erschallen lassen möchten.
Heinrich Brüning gehört nicht dem Jesuitenorden an. Zwar ist er ein treuer Sohn der Kirche, aber er hat keinen Pferdefuß und trägt wohl eine Brille, aber keine Hörner. Er hat auch nicht Gift und Dolch in seinen Rocktaschen. Er ist nicht der Gottseibeiuns, als den sich jetzt zur Abwechslung in den volksdemokratischen Ländern aufgeklärte Geister einen Jesuiten vorstellen.
Churchill stützt Bevins Politik
Brücke zwischen den Völkern
Angst vor Brüning